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Ausschnitte von Aufzeichnungsberichten aus Tag- und Nachtschichten der Kämpfer an der unsichtbaren Front : von Lauschohren, Eckensteher, Spitzel, Fallensteller, Zersetzer, Mitläufer, Verleumder, Denunzianten, Erpresser, Berichterstatter und Überzeugungstäter, Hausbuchverwalter, Rekruten der Fußtruppe des Menschenjägers Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit der ehemaligen DDR so wie von den ihm unterstellten Offizieren ein Kaleidoskop ihrer hinterhältigen und menschenverachtenden Machenschaften, in denen Eva-Maria Hagen vorkommt.
Aktenvermerk
Am 20. 4. 1966 wurde durch Unterzeichneten eine Absprache mit dem Genossen Hauptmann Brosche von der HA XX geführt. Diese Absprache machte sich erforderlich, weil sich Biermann zur Zeit bei der Hagen aufhält. Da die Hagen von der HA XX unter Kontrolle gehalten wird, ist eine Koordinierung der operativen Arbeit (...) von nöten. Über das gegenwärtige Verhalten des B. konnte der Gen. Brosche folgendes mitteilen: Biermann hielt sich bis zum 16. 4. bei dem Schriftsteller Peter Huchel in Potsdam auf. Durch die Hagen ist B. des öfteren von dort abgeholt worden, weil die H. angeblich nicht ohne B. sein konnte. (...)
Zum Verhältnis Hagen-Biermann: B. versucht die H. so zu beeinflussen, daß sie sich konspirativ verhalten soll. Beide leiden darunter, daß sie sich ständig beobachtet fühlen. Die H. ist völlig mit den Nerven herunter, was sich schon auf ihrer Arbeitsstelle bemerkbar macht. Dort schreit sie und benimmt sich oft hysterisch. Die H. soll in ihrer Wohnung einen Dolch versteckt haben, um sich eventuell wehren zu können, wenn sie abgeholt werden sollte. (...) Bei der Hagen wird vermutet, daß diese süchtig ist.
(Maßnahme-Pläne) (...)
4. In der Wohnung der Eva-Maria H a g e n ist eine konspirative Hausdurchsuchung durchzuführen, um vom Inhalt der von Biermann neu produzierten Lieder und Gedichte und anderer gegen die DDR gerichtete Schriftstücke informiert zu werden.
5. In Verbindung mit der Verwaltung Groß-Berlin, Abt. XX ist bei den zuständigen VP-Revieren zu prüfen, inwieweit Biermann der polizeilichen Meldepflicht Folge leistete und ordnungsgemäß bei Eva-Maria Hagen als Untermieter gemeldet ist. Bei Nichtanmeldung sind Maßnahmen einzuleiten, um Biermann mit gesetzl. höchstzulässigen Ordnungsstrafe zu belangen.
6. Mit der Partei sind Maßnahmen abzusprechen, um die Schauspielerin Eva-Maria Hagen, die bisher Biermann finanziell unterstützte, zu veranlassen, sich von ihm zu trennen. Unsere Vorschläge gehen dahin - entsprechende Maßnahmen der Einschränkung der Auftrittsmöglichkeiten mit den zuständigen Leitern bei der DEFA, im DFF, StRK sowie der Deutschen Künstleragentur einzuleiten; alle Auftritte der Hagen überprüfen, feststellen, ob sie in versteckter oder offener Form Lieder von Biermann oder Gedichte und Balladen vorträgt; (...) zu verhindern, daß die H a g e n gemeinsam mit B i e r m a n n auftritt. Termin: 30. 9. 1966 laufend
Arbeit mit IM
1. Die IM "Lamprecht und "Davis, die einen guten Kontakt zu Biermann unterhalten, sind zielstrebig zum Einsatz zu bringen, damit uns ständig die Absichten des B. bekannt werden. Durch konkrete Auftragserteilung und mittels gut durchdachter Varianten muß sich das Vertrauensverhältnis zu B. vertiefen. Ziel muß es sein - Verbindung zu den in Westdeutschland wohnhaften Personen herzustellen, den Charakter der Besuche in Erfahrung zu bringen; rechtzeitig informiert zu werden über das Produzieren von neuen Liedern, wie soll die Weiterverbreitung stattfinden, welche Rolle spielt dabei die H a g e n (...)
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Aus einem IM-Bericht Febr. 1966 auf Usedom, Ückeritz: *)
(....) Beide unterhielten sich dann über die Schönheiten des Lebens. Biermann findet auch sein Leben schön, worum er hier kämpft. Die Dame findet es vollkommen langweilig. Sie meint, daß dieses Leben nicht mit Kampf, Krieg und Zerstörung geführt werden darf. Man kämpft, um in Ruhe zu leben. Das Leben der Dame ist ausgezeichnet, wie Sie selber sagte. Sie versuchte ihre Vorstellungen über das Leben in Worte zu fassen, damit Biermann sie verstehen würde. Er sagte ihr jedoch, daß er alle Worte versteht. Die Dame denkt auch an schöne Dinge. Daran verzweifelt sie nicht - durch Jesus Christus, zum Beispiel. In bezug auf die Welt sind die Christen eigentlich Idealisten. "Scheiß Welt und das Himmelreich ist offen," sagte Biermann. Die Dame kann sich dieser Betrachtung nur anschließen, obwohl sie nicht sehr schön ist. Distruktive Adern, wie der Faschismus liegen immer wieder im Menschen. Das liegt auch mit an der Situation. Wenn es Menschen gut geht, werden sie träge, es muß ihnen also schlecht gehen, damit Sie nicht aufgeben. Es ist ganz komisch, aber es ist so. Jedenfalls jetzt noch. Sie sind, wie man so schön sagt, ethisch nicht reif, um den Reichtum zu ertragen. Die Dame war jetzt erst in einer Nachtbar, wo sich die ganzen reichen Bonzen aufhielten. Wie die sich benommen haben, daß könnte Biermann sich gar nicht vorstellen. Es waren Parteibonzen in weißen Anzügen und weichen Lederhüten. Zum Schluß hatte keiner mehr einen Anzug an und warum nicht? Weil sie umhergeilten. Es war viehisch, richtige Viecher. Das es Parteibonzen waren erkannte man daran, weil sie ein Parteiabzeichen am Anzug trugen. Den Anzug haben sie ausgezogen. Die Frauen, die dort waren, flogen auf das Geld. Das ist ganz klar. Die Kerle waren vies. Die Dame war sehr enttäuscht. Die Dame ist nicht geflogen. Ihre Gefühle waren vor Entrüstung gebrochen. So ungefähr. Sie war eigentlich nicht überrascht oder so. Es war ihr nur eine Bestätigung. Es war in einer der vornehmsten Nachtbars in Halle. Sie liefen dort in Unterhosen umher und vollführten Bauchtänze. Kein hübscher Anblick. Aber es gibt Bonzen, die wegen solcher Sachen Traktorist werden müssen.
Die Dame sprach dann über weitere Erlebnisse, die sie während eines Ernteeinsatzes erlebte. Dort hatten sie mit Personen aus einer Anstalt zusammengearbeitet, die wegen Sexualverbrechen verurteilt waren. Die Dame sprach in diesem Zusammenhang von einer Frau mit dickem Popo. (....) Die Dame schilderte die Verhältnisse dieser Dame mit LPG-Vorsitzenden usw.
"Die Studie der Wirklichkeit ist furchtbar und barbarisch, sagte Biermann und las der Dame folgende Episode vor, die ihm Eva geschrieben hat: Am Abend später waren überall die Weichen vereist und die Züge fuhren nicht. Ich kam in eine andere Welt: Ein Wartesaal ist schon eine finstere Angelegenheit. Aber erst der Wartesaal in Bitterfeld. Mein Gott! Dreckig, finster und schwül. Menschen saßen herum und an den Tischen war kein Stuhl mehr frei. An einem Tisch ein junger Mann, mit einem Mädchen, etwas heruntergekommen. Ein Abschied. Sie klammerte sich an ihn mit Worten: Was habe ich gemacht, warum auf einmal und nie wieder kommst du, kein einziges Mal mehr. Er sagt, hau ab, du kotzt mich an, mach kein Theater hier. Er war schön, hübsche lange Haare und etwas brutal aussehend. Sie erwartete ein Kind und er sagte, daß andere wohl noch mitgemischt hätten. Sie flehte wie eine Katze am warmen Ofen. Strubig die Haare, aber schön, ganz jung. Er ließ sie allein. Sie weinte nicht. Mir tat das Herz weh. Zwei Soldaten waren da, die kamen gerade vom Lazarett. Sie waren beim Manöver verwundet worden. Die Patronen waren mit scharfen vermischt. 1OO Platzpatronen und eine scharfe. Ein Kerl wie eine Eiche, jung und bitter, ein Bein durchschossen. Die Narbe war aufgeplatzt durch die Anstrengungen beim laufen von Bahnhof zu Bahnhof. Sie blutete. Er trank Schnaps, aber er war noch schwach, vom wochenlangen liegen, und vertrug nicht soviel. Eine Flut von Zorn und Enttäuschung ergoß sich über uns. Sie fühlten, daß wir Menschen waren, uns vertrauen konnten. Ach was gibt es für Elend und Trauriges. Sogar im Frieden.
Biermann las noch einige Zeilen weiter und kam darauf zu sprechen, daß die Eva-Marie Hagen in einem Bitterfelder Wartesaal war. In so einen Bitterfelder Wartesaal kommt sie wie eine Abgesandte des Himmels. Sie kommt ja von ganz unten. Sie war auch in einem schwer erziehbaren Hause. Sie ist eine Königin aus der Gosse. Sie ist grundehrlich. Die Dame fragte in diesem Zusammenhang, ob sie nicht grundsätzlich in schlechten Filmen mitspielte. Hat sie es aus Dummheit mitgemacht, oder gewußt, dann war sie unehrlich. Das verneinte Biermann. Sie war doof, sagte er. Was ist denn mit ihr passiert. Sie hat einen guten Verstand, aber wenig ausgeglichen. Sie ist als ganz junge Schauspielerin gleich von dem Oliva weggeschnappt worden. Der den Film über Petershagen gemacht hat, Gewissen in Aufruhr. Sie neigt sogar dazu, daß sie sich öffentlich rückhaltlos für Biermann erklärt. Das bedeutet für sie, daß sie im Arsch ist. Aber sie liebt Biermann. Es ist schon wieder eine politische Haltung, daß man liebt. Auch in der bürgerlichen Gesellschaft. Wer wird denn geliebt. Der bezahlt. Das ist die Wahrheit. In der Gesellschaft des Kapitalismus ist es auch ein Sieg, zu lieben den man liebt und nicht den, der bezahlt. Der ganze Freundeskreis, den sie früher hatte, ist von ihr weg. Sie lebt jetzt in völliger Klausur. Biermann hat sie nicht einmal. Er ist hier oben. Die Dame glaubt nicht, daß sie was mit dem Freundeskreis von Biermann anfangen könnte. Doch, sagt Biermann, H a v e m a n n. Sie unterhält sich auch mit Havemann. Sie ist eine sehr gute Frau. Die Dame sollte nicht denken, daß Biermann wie ein Primaner in ihren Bauch verliebt ist. Biermann hat für sie auch Bedürfnisse, die etwas weiter gehen. Biermann braucht sie gar nicht hinzukriegen. Er findet es schon eitel, wenn man so etwas sagt. Natürlich beeinflußt Biermann sie. Aber das findet er vermessen, sich in eine Position zu geben, wo er sich einbildet, daß er aus ihr erst einen Menschen machen müßte.
Sie betrachten Fotos von Eva-Maria Hagen. Die hatte Biermann ihr alle geklaut.
Gegen 13.50 Uhr wurde Biermann zum Mittagessen abgeholt.
Alle verließen die Wohnung.
gez.: " B e a t e "
*) Ricarda H. u. Wolf B. wurden belauscht, Wolf hatte Teile von Evas Brief vom 12. 2. 1966 vorgelesen, der im Buch "Eva und der Wolf" abgedruckt ist:
.(....) Wolf, eine Nacht hab ich erlebt! Am Tag, als ich in Wolfen war und schlimmes Wetter, vorgestern. Wir fuhren mit der Bahn. Ich dachte an Dich, als ich durch die weiße Landschaft glitt, hatte Deinen Brief mit. Später waren alle Weichen vereist, Züge fuhren nicht; ich kam in eine andre Welt. Ein Wartesaal ist sowieso schon eine finstere Angelegenheit (weiß ich von meinen Lehr- und Wanderjahren) nun aber erst der Wartesaal in Bitterfeld. Gott, was fürn Schuppen: dreckig, schwül. Menschenpulks saßen rum, kein Stuhl mehr frei um Mitternacht. An unserm Tisch ein junger Mann mit Mädchen, bißchen runtergekommen, ein Abschied. Sie klammert sich an ihn mit Worten, flehend, leise: Was hab ich gemacht, warum auf einmal und nie wieder kommst du, kein einziges Mal. Er sagte: hau ab, du kotzt mich an, mach kein Theater hier. Er war schön, schwarze lange Haare, etwas brutal aussehend. Sie erwartete ein Kind. Er meinte, daß noch andre mitgemischt hätten. Sie bettelte wie eine ausgesetzte Katze um einen Platz am warmen Ofen, struppige Haare, rauhe Haut, eigenwillig schön, ganz jung. Er ging, ließ sie sitzen. Sie weinte nicht. Mir tat das Herz weh.
Und zwei Soldaten vom Lazarett kommend, verwundet beim Manöver. Die Platzpatronen waren echte Munition. Ein Kerl wie eine Eiche, jung, bitter, das Bein durchschossen. Die Narbe, aufgeplatzt von der Anstrengung beim Hasten von Bahnsteig zu Bahnsteig, blutete. Er trank Schnaps, war schwach vom langen Liegen, den Medikamenten. Eine Flut aus Zorn und Enttäuschung ergoß sich über uns: sie spürten, uns kann man vertrauen. Was gibt’s doch für Elend, sogar im Frieden, wenn Krieg nur geübt wird sicherheitshalber.
Ich ragte da raus aus den Sumpfblüten in meiner Aufmachung. Man starrte ungläubig, mich langsam erkennend. Ich schnitt Grimassen: Verzaubertes Lächeln von der Gegenseite. Und bald war ich keine Außenstehende mehr. Sie machten Witze, ein Wettstreit begann: Wer traut sich die schärfsten Schoten abzuschießen ... Sie saßen im Kreis um uns, luden mich ein auf was Süßes; Alkoholisches lehnte ich ab das wär was geworden! Ein Nachtasyl frei nach Gorki. Der Ober brachte Kaffee, Fondant, für meine Blumen einen Sektkübel. Ein Artist machte Zaubertricks. Ich sang gewagte Sachen, politisch und was Thema Nr. 1 betrifft, schrieb Autogramme auf Urlaubsscheine, Persilkartons, Bierdeckel, Hemdkragen, ein Gipsarm schob sich ins Bild. Man philosophierte, schimpfte mit Galgenhumor über die kleinen und großen Dinge des Lebens, den Zufall oder ist es Schicksal, daß wir uns begegnet sind. Nach vier Stunden kam ein Zug. Ich war nicht deprimiert, dachte an unsere Liebe, welch Glück wir haben, erinnerte mich an unsere letzte Verkringelung, war und bin Deine Eva.
Berlin, 18. Februar 1966
Informationsbericht
Frau Baumgarten bedankt sich bei Frau H. für die lieben Grüße. Sie erkundigt sich bei Frau H., ob sie die in deutscher Sprache übertragenen amerikanischen Lieder im Studio benutzen darf. Frau H. sagt, daß das noch nicht möglich ist. Diese Lieder wird sie demnächst im Fernsehen und auf Veranstaltungen singen. Frau B. erwähnt, daß dann doch diese Lieder mitgeschnitten werden. Frau H. bemerkt, daß sie ja diese Lieder noch nicht im Fernsehen gesungen hat. Der Fernsehfunk hat es bisher ihr noch nicht ermöglicht mit diesen Liedern aufzutreten. Frau H. möchte damit eine Sendung im Fernsehen gestalten. Nach dem 11. Plenum wollte Frau H. nicht mit diesen amerikanischen Liedern auftreten. Der neue Oberspielleiter vom Fernsehfunk war ganz begeistert von diesem Programm, aber er ist jetzt krank geworden. Frau H. möchte die Aufführung dieser Lieder nicht blockieren, sie möchte aber die Lieder zuerst öffentlich singen. Peter Hacks hat diese Lieder für Frau H. aus dem Amerikanischen übersetzt. Diese Lieder sind noch nicht veröffentlicht worden. Frau Baumgarten erwähnt, daß diese Lieder ein guter Beitrag für unsere Folklore sind. Sie vereinbaren, daß sich Frau Baumgarten wieder bei Frau H. meldet. F.d.R.d.A.: ...............
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angenommen: Nie./1099/
Kölpinsee, den 18. 2. 66
16189 / 11
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
B i e r m a n n
Biermann teilte mir mit, daß er am 18. 2. 66 gegen 21.15 Uhr einen Anruf aus Berlin erhielt. Biermann unterhielt sich mit einer Dame, deren Namen er mir nicht nannte.
Sie fragte bei ihm an, ob er gut wieder angekommen wäre. Die Dame ist morgen Abend nicht zu Hause. Sie fährt nach Luckenwalde. Biermann bat sie darum, daß sie am 19. 2. 66 noch einmal anrufen möchte, weil er um 10.30 Uhr zum Staatsapparat nach Wolgast bestellt ist. Dort will man irgendetwas von ihm. Biermann weiß nicht genau, was dort los ist. Vielleicht darf er sich nicht länger in Ückeritz aufhalten. Aber er kann ja sein, wo er ist. Noch ja! Biermann bat noch einmal darum, daß sie auf jeden Fall anrufen möchte. Er weiß ja, daß sie telefonisch nicht so lieb sein kann. Sie möchte sich informieren, ob er von dort zurückgekommen ist. Am späten Nachmittag wird sie anrufen.
gez.: " A r n o "
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angenommen: Nie./1099/
Kölpinsee, den 20. 2. 6 16189 / 12
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
B i e r m a n nn
Am 19. 2. 66 konnte ich folgendes über Biermann in Erfahrung bringen:
Ingeborg erzählte mir, daß Manfred sich erkundigte, ob Biermann schon am 19. nach Wolgast müßte. Manfred wollte Biermann vorher noch etwas sagen. Biermann war jedoch schon in Wolgast. Manfred kannte den frühen Termin nicht.
Mir wurde weiterhin bekannt, daß Manfred zu Ingeborg sagte: "Hoffentlich bekommen wir nicht bald Besuch? Du weißt ja wen". Natürlich wußte Ingeborg, wer gemeint war und sie sagte zu Manfred, daß er auch heute Vormittag in Wolgast im Amt weilt. Ingeborg hatte es gehört. "Hoffentlich sehen wir ihn nicht so bald", sagte Manfred noch.
Für Wolf ist alles gut ausgegangen. Ingeborg und Manfred hatten schon Befürchtungen. Manfred wollte es Susi gleich erzählen.
Ingeborg erzählte mir dann noch weitere Ereignisse dieses Tages.
Gegen 11.45 Uhr rief Herr Libert (o. ä.) von der Fahrkartenausgabe Wolgast Hafen bei ihr an. Sie wußte anfangs gar nicht, um wen es sich handelt. (L. ließ die Angestellte der Fahrkartenausgabe bei Ingeborg anrufen). Erst als Libert selber mit Ingeborg sprach und sich darauf berief, daß er schon einmal an Ingeborg schrieb, wußte sie, um wen es sich handelt. L. gab sich als guter Freund von Biermann aus und erkundigte sich bei Ingeborg, ob Wolf schon aus Wolgast zurück wäre. Libert hatte aufgepaßt, aber Wolf nicht mehr in Wolgast erwischt. Wolf war schon weggefahren. Ingeborg teilte Libert daraufhin mit, daß alles in Ordnung ist.
Gegen 16.00 Uhr rief Eva-Maria dann aus einem Restaurant in Luckenwalde bei Ingeborg an. Biermann war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause, sondern bei Kandt. Ingeborg teilte Eva-Maria mit, daß Wolf nur 5 Minuten zur Vorladung war. Es war eine Art Verwarnung. Wolf wird es Eva schon selber erzählen.
Weitere Unterhaltungen über Biermann, wurden an diesem Tage nicht geführt.
gez.: ‚"Arno"
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HA XX/1 Gen. Lohr
Berlin, 28. März 1966
26/BA 19/66/88-Sch 19.30
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 28. März 1966
Herr Wolf Biermann erkundigt sich bei Frau H. nach ihrem Befinden. Frau H. fühlt sich furchtbar einsam. Sie hat sich so an Wolf gewöhnt. Frau H. ist bei Wolf zweimal vorbeigefahren. Sie konnte ihn doch nicht besuchen. Eva will morgen oder übermorgen zu ihm kommen. Wolf hat ein wunderschönes Gedicht geschrieben. Es gefällt ihm oben in der Kammer. Er sieht überhaupt keinen Menschen. Dieses verträgt er aber ausgezeichnet. Wolf gibt Eva noch seine Telefonnummer 394. Es läuft unter Michendorf (o. ä.).
Frau H. wäre bald mit nach Dänemark gefahren, es kam aber was dazwischen. Wolf meint, es ist wichtiger nach Michendorf zu fahren als nach Dänemark. Beide beteuern mehrmals ihre Liebe und Sehnsucht.
F.d.R.d.A............
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Berlin, 6. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 30. 3. 1966
Unterhaltung zwischen Eva und Freundin Gisela. Frau H. erwähnt eine Ballade vom Briefträger.
Sie bezeichnet diese Ballade als fortschrittliches Werk. Sie versteht nicht, was man dagegen hat.
Gisela fragt, ob Eva gestern zu der Veranstaltung war. Eva bejaht, danach berichtet sie, daß sie zuerst auf dem Empfang den Silbernen Lorbeer des Deutschen Fernsehfunks erhalten hat. In der Zeitung wurde allerdings ihr Name nicht erwähnt. Gisela erkundigt sich, ob die anderen mit ihr gesprochen haben. Eva sagt, daß sie sich in dieser Beziehung nicht beklagen kann. Alle waren ein wenig angetrunken und irgend jemand hat ihr sogar eine Liebeserklärung gemacht. Mit Heinz Adameck hat sie allerdings nicht zusammengesessen, obgleich sie einem neuen Fernsehchef vorgestellt wurde.
In dem Zusammenhang erzählt Eva, daß sie nach Dänemark fahren sollte und zwar mit dem Film "Reise ins Ehebett". Nun sagte ihr Hasler (o.ä.) bei dem Empfang, daß die Dora nach Dänemark fährt, obgleich diese gar nichts mit dem Film zu tun hat. Angeblich hätte Eva erklärt, daß sie für diese Reise keine Zeit hat. Darüber sprach Eva auch mit dem Nagel und dem Erwin. Diese erwiderten, daß das von ihnen nicht sei. Er wollte wissen, wer das unterschrieben hat.
Auf dem Empfang hat auch der Parteisekretär mit ihr gesprochen. Er bat sie an seinen Tisch. Dort erinnerte er sie daran, daß sie doch eine festangestellte Schauspielerin des Deutschen Fernsehens sei. Aus diesem Grund möchte er von ihr, als auch von allen anderen Schauspielern des Kollektivs, wissen, welche Meinung sie über den Deutschen Fernsehfunk hat, wie sie sich die weitere Arbeit dort vorstellt. Er bat sie ganz offen ihm gegenüber zu sprechen. Eva entgegnete, es sei einer ihrer größten Fehler, immer alles offen zu sagen, was sie denkt. Außerdem hat sie einen berüchtigten Freund. Der Parteisekretär fragt, ob sie Biermann meint. Eva bejahte. Daraufhin sagte er: "Ich sagte schon ... 11. Plenum Fragen unterhalten, die Partei hat große Fehler gemacht und pi-pa-po".
Gisela begreift nicht sofort Evas Worte und fragt: "Hat er gesagt, die Partei hätte große Fehler gemacht?" Eva bestätigt ihrer Freundin, daß sie richtig gehört hat.
Eva sagt, es wäre unmöglich, wieviel Extreme sie in der letzten Zeit erlebte. Einmal stand sie kurz vor dem Rausschmiß und dann wird sie über ihre Meinung zum Fernsehfunk befragt. Frau H. findet, daß man solche Situationen niemals in einem Film wahrhaft gestalten könnte.
Einige Kollegen haben Eva gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß sie es überhaupt nicht verstehen, wieso Eva nach dieser Rolle nicht wieder eingesetzt wird.
Der Parteisekretär sagte auch zu Eva, daß sie nicht wollen, daß aus Biermann etwas wird, sondern ihnen liegt viel daran, daß aus Eva etwas wird.
Eva schätzt ein, daß für sie selbst die Chancen nicht schlecht sind. Es bleibt nur die Frage, wer es abgelehnt hat, daß sie nach Dänemark fahren kann. Sie hatte sich diese Reise so schön vorgestellt, einmal rauszukommen, sich ein wenig umzugucken und paar nette Sachen kaufen, selbst wenn es nur kleine modische Details sind. Hier in der Republik muß sie mit in jedes Nest gehen, aber ins Ausland darf sie nicht.
Eva teilt Gisela mit, an welchen Foren sie nach dem "Schlüter-Film" teilgenommen hat. In dem Zusammenhang berichtet sie, daß der Hauptdarsteller des "Schlüter-Film", Otto Melies nervlich vollkommen zusammengeklappt ist. Eva erzählt, daß es über den 5. Teil des "Schlüter-Films" harte Diskussionen gab. Gisela und Eva fanden den 5. Teil ein wenig lang, andererseits war dieser Teil jedoch der Höhepunkt. Gisela fragt, ob sich der Autor nach Lerserwünschen gerichtet hat, in dem er Irene und Schlüter zusammenführte. Eva verneint. Wobei sie auch der Ansicht ist, daß das nicht sein mußte. Gisela hat die Larissa sehr gut gefallen, als sie sich vor dem 5. Teil vorstellte. Eva bedauert es sehr, daß sie es nicht sehen konnte.
Eva sagt, daß nachher Herr Otto kommt.
Eva hat während des Empfangs mit dem Krümmler (o. ä.) getanzt. K. hat im "Schlüter-Film" den Parteisekretär gespielt. Diesen Mann findet Eva merkwürdig, aber sehr interessant. Er fragte sie, ob sie ihn liebt.
Beide unterhalten sich über eifersüchtige Frauen, die nicht verstehen können, daß sich ihre Männer auch einmal mit anderen Frauen unterhalten wollen.
Eva sagt, daß Wolf gar nicht in Berlin ist. Sie fährt heute abend zu ihm.
Eva versichert, daß sie Wolf sehr liebt.
Gisela nimmt regelmäßig am Parteilehrjahr teil. Sie findet es sehr interessant. Dabei stellt sie fest, daß die Artikel, Aufsätze und Reden über wirtschaftliche Probleme auf einem viel höheren Niveau abgefaßt wurden wie die über Kultur.
Eva erzählt, daß ihr jetzt die Leute von der Nationalen Front, der FDJ usw. die Wände einrennen.
Überall soll sie auftreten und über ihre Arbeit berichten.
F.d.R.d.A.: i.V. Egermann
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Berlin, 5. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. 4. 1966
Unterhaltung zwischen Frau H. und Wolf B.
Frau H. berichtet über die Ursachen des kaputten Autoreifens. Sie sagt, daß die Nägel so reingeschlagen wurden, daß die Luft nur langsam entweichen konnte. Bei großer Geschwindigkeit wäre sie unheimlich ins Schleudern gekommen, und es hätte sich ein furchtbarer Unfall ereignen können. Die Kollegen aus der Werkstatt sagten ihr, daß die Nägel von der Innenseite aus in das Rad geschlagen wurden. Sie waren so lang, daß sie sich an der Radkappe umgebogen haben. Wolf erwidert darauf: "Das sind Mörder!" Es ist etwas ganz anderes, wenn man den Reifen zerschneidet, damit man nicht losfahren kann. Bei dieser Methode kann man noch abfahren, bei großer Geschwindigkeit geht die Luft heraus, und man fährt sich tot. Auf diese Art und Weise werden Menschen umgebracht. Er fragt Eva, ob ein solches Beispiel nicht auch in dem "Schlüter-Film" vorkommt. Danach warnt er Eva. Er betont ausdrücklich, daß das Mord ist und schon morgen wiederholt werden kann.
Eva sagt, daß Herr Görlitz ihr in der Nordmarkstr. eine Garage angeboten hat.
Sie wird wahrscheinlich das Angebot annehmen.
Herr B. hat sich von dem Schreck noch nicht erholt. Er sagt, daß es für das Delikt in jedem anständigen Land Zuchthausstrafe gibt. Er vergleicht es damit, wenn jemand Eva mit dem Messer anfällt und zufällig nur den Arm trifft. Dieses Beispiel ist ungefähr dem Autoanschlag gleichzusetzen. Das hat auch nicht mit den Streichen der Halbstarken zu tun, die hin und wieder mit Messern die Autoreifen zerschneiden. Bei diesem Fall handelt es sich nicht um Streiche, sondern um einen vorsätzlichen Mordanschlag.
Frau H. berichtet von dem Besuch des Herrn von der Konzert- und Gastspieldirektion.
Sie teilt Wolf mit, daß dieser Herr im vergangenen Jahr den Auftrag hatte, Biermanns Auftritt zu den Arbeiterfestspielen zu verhindern. Sie sagt Biermann auch, daß die Frau des Herrn an einer medizinischen Fachschule studiert, an der ein Biermann-Abend durchgeführt wurde. Es wurden Platten und Bänder von Biermann-Liedern gespielt. Der Vortrag wurde damit begründet, daß sich Biermann entschuldigt und zur DDR bekannt habe, wonach man ihn nun wieder bringen darf.
Der Herr hat auch Eva gesagt, daß er sich erkundigen will, ob Eva in ihrem Vortrag auch Biermann-Lieder bringen darf. Es liegt kein Verbot vor, wonach die Lieder nicht gebracht werden dürfen.
Eva hat dem Herrn gleich zu verstehen gegeben, daß ihr daran nichts liegt, obgleich es einige Lieder von Wolf gibt, die man durchaus bringen könnte.
Wolfs Mutter hat an Eva Strümpfe geschickt.
Wolf sagt, daß er seine Mutter um hübsche Strümpfe für Eva gebeten hatte.
Wolf macht den Vorschlag, daß Eva die Geschichte mit ihrem Auto der Kriminalpolizei meldet.
Eva ist von seinem Vorschlag zunächst nicht begeistert. Sie glaubt, daß sie dann auch noch von den "Kriminalen" beobachtet werden. Wolf erwidert, daß einige von ihnen sehr nett sind.
Herr B. singt ein Lied über Spanien. (Inhalt des Liedes konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.)
F.d.R.d.A.: Höfner
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Berlin, 2. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI -
Bericht vom 1. April 1966
Von Ltn. Hinder, VP Prenzlauer Berg, Melde- u.Berichtswesen, bekommt Frau H. um 20.45 Uhr mitgeteilt, daß der K-Dienst am 1. April nicht mehr zu ihr kommt. Ltn. Hinder begründet das mit der Auffassung, daß es sich um Rowdytum handelt. Anzunehmen sei, daß irgendwelche Jugendliche solche Dinge machen. Frau H. ist nicht dieser Meinung. Sie glaubt, das sei Absicht. Verdachtsmomente dafür hat sie nicht.
Ltn. Hinder teilt mit, daß der diensthabende Offizier vom Revier 65 die Sache eingetragen hat.
Nachdem der Vorgang am 2. April dem Dienststellenleiter vorgelegt wurde, soll der zuständige ABV die Sache in die Hand nehmen. Bei der Untersuchung der Angelegenheit wird sich der ABV den Kriminaldienst zu Rate ziehen. Evtl. wird der ABV mit Frau H. Rücksprache nehmen.
FDRDA: ................
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Berlin, 2. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. April 1966
Frau H. unterhält sich ab 21.20 Uhr mit einem Herrn.
Der Name des Herrn war nicht zu ermitteln.
Sie begrüßen sich in einer Fremdsprache. Danach fragt der Herr, wie es Frau H. geht.
Sie antwortet, es sei ganz schwierig, da "hier bei uns" eine seltsame Situation besteht.
Näher könne sie das zur Zeit nicht erklären. Der Herr ist darüber informiert, er hat davon gelesen.
Auf die Frage von Frau H., wie es ihm geht und was er macht, antwortet der Herr seinerseits, er arbeite und saufe. Was er arbeitet, will er Frau H. nicht sagen. Er erklärt aber gleich anschließend, daß er an der "Königlichen" den Assistenz... macht. Von sich sagt Frau H., sie arbeite nicht. Der Herr stellt ihr die Frage, ob sie verheiratet ist. Frau H. gibt zur Antwort, sie heirate nicht.
Auf die Frage, ob Frau H. Schwierigkeiten hat, sagt sie nur, sie habe Schwierigkeiten anderer Art.
Sie vergewissert sich, ob der Herr diese Bemerkung versteht.
Beide unterhalten sich dann fremdsprachig weiter.
Der Herr erkundigt sich, ob Frau H. einen neuen Mann gefunden hat.
Sie sagt ihm, sie habe immer noch den alten. Peter sei es nicht.
Nach einigen fremdsprachigen Worten erläutert Frau H., der Herr wisse doch, wer ihr Mann ist.
Der Herr habe doch sein Foto bei ihr an der Wand gesehen. Das streitet der Herr zunächst ab, erinnert sich dann aber doch und sagt, er habe da etwas im "Spiegel" gelesen. Sie sprechen fremdsprachig weiter, und der Herr bemerkt, das sei kein Mann für Frau H., sondern nur eine Rolle. Frau H. lacht darüber. Sie glaubt das nicht. Der Herr meint daraufhin, wenn er sich in zehn Jahren noch einmal mit Frau H. darüber unterhält, werde sie sehen, daß er Recht hatte.
Längere Zeit setzen sie die Unterhaltung fremdsprachig fort.
Frau H. erwähnt dabei den Begriff "Finnland", während der Herr über "Klingenthal" spricht.
Der Herr kommt darauf zu sprechen, daß er dann in Stockholm ausgehen "und saufen" will. Frau H. meint, sie könne ihn nicht zurückhalten; der Schnaps sei aber in Stockholm sehr teuer.
Der Herr rechnet Frau H. vor, daß er von Montag bis Donnerstag der Woche arbeitet. Am Freitag geht er "saufen", schläft dann über das Wochenende aus. Der Rhythmus wiederholt sich dann.
Sie unterhalten sich über das Briefeschreiben. Nach einigen fremdsprachigen Sätzen meinte der Herr, es sei möglich, daß "man für so das genommen hat - Eva steht auf der schwarzen Liste". Frau H. meint, das wäre Quatsch, und der Herr entgegnet, das sei überhaupt kein Quatsch.
Frau H. teilt mit, daß an ihrem PKW am 1. April die Reifen mit Nägeln durchstoßen wurden. Das sei aber für den Herrn nicht so interessant. Der Herr sagt ihr, sie solle nicht so nervös sein.
Er erkundigt sich nach dem Befinden von Nina.
Frau H. beschreibt dann, was gegenwärtig im Fernsehen gezeigt wird. Anschließend sprechen sie wieder fremdsprachig. Der Herr gebraucht einen Ausdruck und übersetzt "Ich saufe auf dein Wohl". Frau H. gibt ihm den Rat, sich danach nicht in die Büsche zu schlagen, da es in Stockholm noch recht kühl ist.
Frau H. wünscht dem Herrn noch einen schönen Abend.
Sie verspricht, sich mit ihm wieder einmal in Verbindung zu setzen.
Der Herr und Frau H. sind per "du".
Anschließend arbeitet Frau H. mit Wolf Biermann an einem neuen Lied.
Gemeinsam gehen sie den Text durch. Frau H. erlernt die Melodie.
FdRdA: .................
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Gen. Brosche
Berlin, 5. April 1966
26/B/19/66/101/Höf
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. 4. 1966
Unterhaltung zwischen Frau H. und einem Herrn.
Der Herr will ein Tourneeprogramm für 1 1/2 Stunden zusammenstellen. Er bittet um Evas Vorschläge für dieses Programm. Frau H. würde gern wieder Schlager und Chansons singen, sie würde auch gern ihre Lieder selbst ansagen.
Der Herr sieht ein Bild von Wolf und fragt, ob das ihr Mann ist. Frau H. erwidert, daß das ihr Freund ist. Sie ist nicht verheiratet. Der Herr versucht sich zu erinnern, woher er den Freund von Frau H. kennt, schließlich fragt er, ob es Biermann ist. Frau H. bejaht. Der Herr erzählt, daß er mit Biermann im vergangenen Jahr etwas durchmachte. Und zwar wollte Biermann mit Manfred Krug im vergangenen Jahr zu den Arbeiterfestspielen auftreten. Das war jedoch nicht erwünscht und so mußte der Herr hinfahren und aufpassen, daß Biermann nicht singt. Biermann ist jedoch gar nicht erst gekommen. *) handschriftl. Vermerk: Man rechnet damit, daß das 11. Plenum verwässert wird.) Die Frau des Herren studiert. In der vergangenen Woche haben sie über die Fragen der Kultur gesprochen. Als sie nach dem Seminar nach Hause kam, erzählte sie folgendes: Während des Vortrags über Fragen der Kultur wurden ihnen die ganzen Biermann-Platten vorgespielt. Die Dozentin hatte das damit begründet, Biermann hätte sich entschuldigt, damit sei alles wieder in Ordnung und man könnte seine Sachen wieder bringen. Eva amüsiert sich darüber. Sie fragt, wo diese Schule ist. Die Schule befindet sich in Frankfurt. Frau H. gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sich auch für Wolf die Zeiten ändern werden. Er wird bestimmt bald wieder öffentlich singen können. Zumindestens wird er wieder einiges singen können, schon jetzt ist es nicht mehr so. Eva betont, daß sie alle Strömungen sehr leicht mitbekommt. Aber mit ihr hat das alles nichts zu tun. Der Herr verneint, er wird auch nicht darüber sprechen, eigentlich ist er nur darauf gekommen, weil das Bild zu sehen war. Eva sagt, daß die Kollegen vom Deutschen Fernsehfunk von ihrer Verbindung zu Wolf Biermann wissen. Ihre Kollegen werden auch nicht von ihr verlangen, das sie sich von Wolf trennt, schließlich liebt sie den Mann.
Der Herr sagt, daß nach dem Interview mit Oertel der Manfred Krug in den Programmen der öffenltichen Veranstaltungen nicht mehr gefragt ist. Am meisten wurde dem Krug angekreidet, daß er das "Neue Deutschland" angegriffen hat. Der Herr vermutet, daß man das dem Manfred Krug so schnell nicht wieder vergessen wird. Eva erzählt, daß Wolf einmal für die Kongreßhalle als Zuschauer eine Karte hatte. Er wurde trotz der Karte nicht hereingelassen.
Daraufhin hatten sich der Manfred Krug und der Eberhard Esche geweigert, zur Veranstaltung aufzutreten. Auf Grund dieser Vorkommnisse hat die Veranstaltung mit großer Verspätung angefangen.
Eva erläutert noch dazu, daß man Wolf Biermann erst danach das Hausverbot für die Kongreßhalle ausgesprochen hat.
Der Herr bittet Frau H., nicht über das Vorkommnis auf der Schule seiner Frau zu sprechen, damit die Lehrerin keine Schwierigkeiten bekommt. Wenn er diese Sache beispielsweise seinem Direktor berichten würde, ginge dieser sofort zur Partei und würde ein ganz großes Faß aufmachen.
Sie unterhalten sich danach über die Termine, die für Frau H. im April noch offenstehen. Sie sprechen dann wieder über das Programm, das auszufüllen ist. Frau H. würde gern einige Lieder zur Gitarre singen, wie "Weißt Du wo die Blumen sind ..." und einige Brecht-Lieder. Frau H. diktiert dem Herren die Titel der Lieder, die sie bringen kann. U. a. erwähnt sie auch das "Lied von der Dicken" und "Es war einmal ein Ritter ..." (handschriftl. Vermerk: "Überprüfen ob das Biermann-Titel sind") Der Herr ist von der Konzert- und Gastspieldirektion).
F.d.R.d.A.: Höfer
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Berlin, 12. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 12. April 1966
Herr Kretschmar vom DT 64 teilt der Frau H. mit, daß sie die Sache bei den Soldaten in Dresden für Sonntag geplant haben. Es wirken dort auch Perry Friedmann, Christel Schulz und Klaus Schneider mit. Frau H. ist an diesem Sonntag noch frei. Sie findet es gut, daß Klaus Schneider dabei ist, da er sie dann begleiten kann. Herr Kretschmar möchte ihr in den nächsten Tagen noch die Busabfahrtszeit mitteilen.
Er wird ihr noch genauen Bescheid geben.
F.d.R.d.A. : Wolf
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XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 12. April 1966
26/ BA 19/66/111 - Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 12. April 1966
St. bittet Eva H. um ihre Hilfe. Er erzählt ihr, daß er einen Freund hat, dessen Mädchen ein Kind bekommt. Eva sagt darauf, daß sie da nicht helfen kann, sie weiß auch nicht, wer so etwas tut. Sie empfiehlt St., daß sein Freund einen direkten Weg gehen soll und nicht auf Umwegen. Sie findet überhaupt diese Sache sehr merkwürdig und unverschämt, an dieser Stelle darüber zu sprechen.
Sie betont nochmals, daß sie in dieser Sache nicht helfen kann.
F.d.R.d.A. .................
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Abteilung XX Berlin, den 21. 4. 1966
AOP 11806/85 Bd.IV
A k t e n v e r m e r k
Am 20. 4. 1966 wurde durch Unterzeichneten eine Absprache mit dem Genossen Hauptmann B r o s c h e von der HA XX geführt. Diese Absprache machte sich erforderlich, weil sich B i e r m a n n zur Zeit bei der H a g e n aufhält. Da die Hagen von der HA XX unter Kontrolle gehalten wird ist eine Koordinierung der operativen Arbeit bzw. eine gegenseitige Information von nöten.
Über das gegenwärtige Verhalten des B. konnte der Gen. Brosche folgendes mitteilen:
B i e r m a n n hielt sich bis zum 16. 4. bei dem Schriftsteller Peter H u c h e l in Potsdam auf. Durch die Hagen ist B. des öfteren von dort abgeholt worden, weil die H. angeblich nicht ohne B. sein konnte. Durch die HA XX wurden über die BV Potsdam operative Maßnahmen eingeleitet, damit B. dort unter Kontrolle ist. Über das Ergebnis der operativen Maßnahmen konnte der Gen. Brosche noch nichts sagen.
Gen. Brosche war erstaunt, daß wir nicht davon unterrichtet wurden, daß sich B. in Potsdam aufhielt.
Zum Verhältnis H a g e n - B i e r m a n n
B. versucht die H. so zu beeinflussen, daß sie sich konspirativ verhalten soll. Beide leiden darunter, daß sie sich ständig beobachtet fühlen. Die H. ist völlig mit den Nerven herunter, was sich schon auf ihrer Arbeitsstelle bemerkbar macht. Dort schreit sie und benimmt sich oft hysterisch.
Die H. soll in ihrer Wohnung einen Dolch versteckt haben, um sich eventuell wehren zu können, wenn sie abgeholt werden sollte. B i e r m a n n und die H a g e n besuchen öfter den H a v e m a n n . In der vorherigen Woche (genauer Termin konnte nicht gesagt werden) war B i e r m a n n gemeinsam mit H a v e m a n n und B u n g e im Hotel "Berolina". An diesem Treffen haben auch einige Vertreter aus der SU teilgenommen. Nähere Einzelheiten sind nicht bekannt. Bei der Hagen wird vermutet, daß diese süchtig ist.
In den Verbindungskreisen von B. wird vermutet, daß der B u n g e "SED Spitzel" ist. Man sagt, daß er nur zum Schein aus der Akademie heraus geschmissen wurde. Außerdem wurden meist die Besucher aus Westdeutschland oder Westberlin, die den Bunge aufsuchten, an der Grenzübergangsstelle durchsucht.
Es besteht also ein gewisses Mißtrauen untereinander, was zur Folge hat, daß sie sich konspirativer bewegen.
Das gegenseitige Mißtrauen wurde durch operative Maßnahmen der HA XX verstärkt.
Mit einigen Verbindungen des B. wurde auf Anregung des ZK nochmals persönliche Aussprachen geführt.
Die Aussprache wurde durch den Verlagsdirektor des Verlages Volk und Welt durchgeführt.
Dabei ging es um folgende Fragen:
1. Das sie nochmals aufgefordert wurden keine Schriften zu fertigen, die sich gegen die DDR richten oder die Verhältnisse in der DDR falsch darstellen.
2. Keine Veröffentlichungen in Westdeutschland, Westberlin und im kapitalistischen Ausland zu machen.
3. Keine Verträge mit Westdeutschen oder Ausländischen Verlagen und Rundfunkstationen abzuschließen.
Zu solch einer Aussprache wurde auch B. eingeladen. Er ist bisher dieser Einladung nicht nachgekommen.
Genosse B r o s c h e teilte mit, daß die H a g e n öfter im Jugendklub Pankow Veranstaltungen durchführt. Dort würden gute Möglichkeiten bestehen den IM "Burghardt" mit der H. in Verbindung zu bringen.
Weiterhin übergab Gen. Br o s c h e eine ausführliche Information über B i e r m a n n.
Es wurde vereinbart, daß wir ständig in Kontakt bleiben und uns gegenseitig über Biermann betreffende Fragen austauschen.
(Trölsch) Leutnant.
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 22. April 1966
26/ BA/ 19/ 66/129 -Sch
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 22. April 1966 (16.20 Uhr)
Gisela S c h . teilt Eva mit, daß sie morgen Mittag zu einem kurzen Besuch kommt. Eva ist morgen zu Hause.
F.d.R.d.A. .........
Randbemerkung, handschriftlich: "lesbische Freundin der Hagen"
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MINISTERRAT DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Geheim!
Ministerium für Staatssicherheit
Abteilung VIII
Bezirksverwaltung Groß-Berlin
Sachbearbeiter Reißmann
Telefon 298
Abteilung XX
Beobachtungsbericht für die Zeit vom 25. 4. 1966 von 8.30 bis 22.00 Uhr
Decknamen "Brauer" (Wolf Biermann)
Um 09.40 Uhr verließ "Bar" (Eva-Maria Hagen) ihr Wohnhaus und fuhr mit ihrem Pkw Richtung Stadtmitte davon. Um 15.29 Uhr kam sie mit ihrem Skoda-Felicia vor ihrem Wohnhaus an.
Sie stieg aus dem Wagen und betrat das Haus.
Um 15.50 Uhr verließ "Brauer" das Haus Zelterstraße 6 in Begleitung einer ca. 65-70 Jahre alten weiblichen Person. Sie begaben sich zu dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgestellten VW des "Brauer" und fuhren durch die Zelterstraße, Prenzlauer Allee, Weydinger Straße, Liebknechtstraße über den Marx-Engels-Platz zur Ecke Unter den Linden/Otto-Grotewohl-Straße.
Hier stieg die weibliche Person aus dem Wagen und betrat um 15.55 Uhr das Eckgebäude Unter den Linden/Otto-Grotewohl-Straße. "Brauer" fuhr, nachdem er die weibliche Person abgesetzt hatte, auf direktem Wege zur Chausseestraße Nr.131. Er parkte seinen Wagen vor der Haustür und betrat um 15.59 Uhr sein Wohnhaus. Um 16.35 Uhr kam "Brauer" aus seinem Wohnhaus, stieg in seinen Wagen und fuhr durch die Wilhelm-Pieck-Straße, Prenzlauer Allee zur Zelterstraße Nr. 6. Hier parkte er den Wagen vorm Hause Zelterstraße Nr.6 unter der Laterne und betrat um 16.45 das Wohnhaus von "Bar". Um 20.38 kam "Brauer" wieder aus dem Hause, stieg in seinen Wagen, wendete diesen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit durch die Prenzlauer Allee in Richtung S-Bahnhof davon. Durch die hohe Geschwindigkeit des Objektwagens wurde das Objekt in der Prenzlauer Allee Ecke Wicherstraße verloren.
Eine Kontrolle des Objekthauses in der Chausseestraße Nr. 131 verlief ergebnislos.
Um 20.47 Uhr wurde der Volkswagen des Objektes am Hause Zelterstraße Nr. 6 wieder aufgenommen. Hier stand der Wagen wieder unter der Laterne.
Bis 22.00 Uhr trat das Objekt nicht mehr in Erscheinung.
Daraufhin wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Leiter d. Abt. VIII Schulz, Major Referatsltr. Reißmann, Oberleutnant
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Berlin, 3. Mai 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. April 1966
In der Unterhaltung zwischen Frau H., den Besuchern Gerd und Gisela wird über den Kauf von Sachen gesprochen. Frau H. bemerkt dazu, daß man in Meissen und Riesa gute Sachen kaufen kann. Ihr ist bekannt, daß die Amerikaner und Franzosen, wenn sie in die DDR kommen, auch immer dort kaufen. Sie spricht von Antiquariatsgeschäften.
Frau H. berichtet von der Filmpremiere in Rostock. Es waren zu dieser Premiere auch die Matrosen von dem Schiff zugegen, wo die Dreharbeiten gemacht wurden.
Diese Matrosen waren alle sehr nett und prima Kerle.
Im weiterem Gespräch erzählt Frau H. von einem Empfang auf der IGA, als das Manöver "Oktobersturm" stattgefunden hatte. Bei diesem Empfang hatten die Generale und einige Leute vom ZK vorn gesessen. Bevor diese Sache aber begann, wurden alle Künstler zusammengescheucht. Ein Kulturfunktionär sagte dann, daß heute abend Walter Ulbricht kommt und sie, die Künstler, möchten sich anständig aufführen. Frau H. hat daraufhin mit der Faust auf den Tisch geschlagen und gesagt, daß sie keine Militärangehörigen sind und sie finde eine solche Äußerung unerhört. Dieser Funktionär war dann so schockiert, daß er nichts mehr sagen konnte. Er hatte vermutlich eine solche Antwort nicht erwartet. Auf diesem Empfang fühlte sie sich nicht wohl. Sie kam sich wie in einem Getto vor. In diesem Zusammenhang erwähnt Frau H., daß sie dort den Leuten vom ZK auch Biermannlieder vorgesungen hat. Herr Sindermann hatte sie ein Lied vorgesungen und ihm gesagt, er soll einmal raten welcher junge Lyriker es geschrieben hat. Gisela wirft ein, daß damals die Biermannlieder doch auch schon nicht mehr erwünscht waren. Damals im Oktober war es noch nicht so schlimm, antwortet Frau H.
Weiter berichtet Frau H., daß im Anschluß an die Veranstaltung noch getanzt wurde. Frau H. wurde auch von einem Leutnant zum Tanz aufgefordert. Sie hat aber abgelehnt und gesagt, daß sie zum Singen hier ist und auch nur dafür ihre Gage bekommt. Fürs Tanzen wird sie nicht bezahlt. "Der schwarze Kanal - Herr Schnitzler" wollte auch mit ihr Tanzen. Sie hatte aber an diesem Abend keine Lust dazu, und mit diesem Herrn schon gar nicht. Bei diesem Empfang liefen sehr viele Leute von der Staatssicherheit umher.
In der weiteren Unterhaltung kommen sie auf den internationalen PEN zu sprechen. Gisela bemerkt etwas von einer Veranstaltung in Amerika und von einem sowjetischen Beobachter. (Einzelheiten wurden nicht bekannt). Frau H. erwähnt, Wolf hätte auch dorthin fahren können, aber leider ist es nicht möglich. Sie fügt noch hinzu, daß Wolf eine Einladung für den Ostermarsch bekam. In diesem Zusammenhang spricht sie noch von einer Aussprache und nennt den Namen Heine (o. ä.). Frau H. berichtet noch von ihrer Arbeit bei der Konzert- und Gastspieldirektion. Sie hat jetzt sehr viele Aufträge. Sie spricht hierbei von einer Person, welche für sie einige Sachen von Brecht heraussuchen will.
Gerd beteiligte sich nur mit ein paar Bemerkungen an dieser Unterhaltung.
F.d.R.d.A. : Wolf
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REGIERUNG DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Ministerium für Staatssicherheit
Geheim!
Hauptabteilung/Abteilung VIII
Bezirksverwaltung Groß-Berlin
Sachbearbeiter Scheithauer
Zimmer 302 Telefon 413
An die
Hauptabteilung/Abteilung XX
Bezirksverwaltung Groß-Berlin
Beobachtungsbericht
Für die Zeit vom 09.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 10.05.1966 von 09.00 bis 23.15 Uhr
" 11.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 12.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 13.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 14.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
Decknamen "Brauer" Reg.-Nr. des Auftrages 57/66
Beobachtung am 09. 05. 1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus der Verbindung "Bar" in der Zelterstraße angesetzt.
Bei der Aufnahme der Beobachtung parkte der Pkw von "Brauer" am genannten Wohnhause.
Um 13.37 Uhr verließ "Brauer" das Haus, bestieg sein Fahrzeug und fuhr durch die Prenzlauer Allee in Richtung Alexanderplatz. Um 13.40 Uhr wurde das B-Fahrzeug am Prenzlauer Tor durch Verkehrsregelung aufgehalten, während "Brauer" in Richtung Alexanderplatz weiterfahren konnte.
Dadurch geriet er außer Kontrolle. Daraufhin wurden bis 16.20 Uhr die bekannten Anlaufstellen abgesucht. Um 16.20 Uhr wurde das Fahrzeug von "Brauer" vor seinen Wohnhaus in der Chausseestraße 131 parkend aufgenommen. Um 16.58 Uhr verließ "Brauer" sein Wohnhaus, bestieg sein Fahrzeug und fuhr auf direktem Wege zum Wohnhaus der bekannten Verbindung "Bar" in der Zelterstraße.
Er verließ das Fahrzeug ohne abzuschließen und betrat um 17.06 Uhr das Wohnhaus von "Bar".
Um 17.53 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Wohnhaus, bestiegen den Pkw von "Brauer" und fuhren gemeinsam über Dunkerstraße zur Lychener Straße. In Nähe der Stargarder Straße hielt "Brauer" an.
Beide verließen nicht das Fahrzeug. Nach ca. 3 Minuten, um 17.58 Uhr fuhren sie weiter zur Seelower Str., wo sie am Haus Nr.7 anhielten. Sie verließen den Pkw und betraten um 18.00 Uhr das genannte Haus, der Verbleib im Wohnhause konnte nicht festgestellt werden.
Um 18.10 Uhr verließen "Brauer" u. "Bar" das Haus Seelower Str.7 u. bestiegen das Fahrzeug (siehe Bild).
Sie fuhren weiter durch die Schönhauser Allee zur Eberswalder Straße, wo "Brauer" das Fahrzeug parkte. Gemeinsam liefen beide zur Gaststätte "U-Bahn" in der Schönhauser Allee, die sie um 18.17 Uhr betraten. Beide nahmen an einem freien Tisch platz. Sie speisten etwas und tranken alkoholfreie Getränke.
Um 18.50 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Lokal und liefen, sich führend, zurück zum Pkw.
In diesem nahmen sie platz und fuhren über Dimitroffstraße, Prenzlauer Allee, zurück zur Zelterstraße, wo sie um 18.56 Uhr ankamen. Sie verließen das Fahrzeug und betraten das Wohnhaus von "Bar".
Um 19.20 Uhr konnte auf der Straße gehört werden, wie "Bar" Lieder sang.
Bis um 21.00 Uhr traten beide nicht mehr in Erscheinung.
Daraufhin wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Beobachtung am 10.05.1966 von 09.00 Uhr - 23.15 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" in der Zelterstraße angesetzt.
Um 19.22 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Wohnhaus und bestiegen den Pkw von "Brauer".
Daraufhin fuhren sie über die Prenzlauer Allee, Alexanderplatz, Unter den Linden, Friedrichstraße zur Straße "Am Weidendamm". Hier verließen "Brauer" und "Bar" das Fahrzeug und begaben sich zum Presse-Club im Hause der "Distel", den sie um 19.30 Uhr betraten. Um 19.58 Uhr verließen sie den Presse-Club und begaben sich eine Treppe höher zum Kabarett "Distel", wo sie sich das Programm anschauten.
Nach der Vorstellung verließen "Brauer" und "Bar" den Zuschauerraum und begaben sich erneut in den Presse-Club, den sie um 22.02 Uhr betraten.
Um 22.58 Uhr verließen "Brauer" und "Bar", in Begleitung einer männlichen Person, die den Decknamen "Karl" erhält, den Presse-Club. Sie begaben sich zum Ausgang in der Friedrichstraße. Während "Brauer" das Fahrzeug holen ging, warteten "Bar" und "Karl" am Ausgang. Um 23.01 Uhr stiegen beide in den Pkw von "Brauer", der vorgefahren kam. Daraufhin fuhren sie zur Invalidenstraße 143. "Karl" verließ das Fahrzeug und betrat um 23.03 Uhr das genannte Haus, welches er anschließend abschloß. Der Verbleib von "Karl" konnte dadurch nicht mehr festgestellt werden.
Nach dem "Karl" das Fahrzeug verlassen hatte, fuhren "Brauer" und "Bar" auf kürzestem Wege zum Wohnhaus in der Zelterstraße, welches sie, nachdem das Fahrzeug abgestellt war, um 23.10 Uhr betraten. Daraufhin wurde die Beobachtung um 23.15 Uhr auftragsgemäß unterbrochen.
Personenbeschreibung von "Karl"
ca. 30 Jahre alt, ca. 1,80 m groß; schlanke Figur; ovales blasses Gesicht; blondes Haar. Bekleidung: Grauer Anzug. Er trug eine dunkle Aktentasche bei sich.
Beobachtung am 11.05.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. Um 18.00 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" ihr Wohnhaus und liefen zur Prenzlauer Allee 171 und betraten das dortige Elektrogeschäft. Um 18.06 Uhr verließen sie dieses Geschäft und begaben sich in die Einkaufshalle an der Ecke Prenzlauer Allee/Erich-Weinert-Straße. Nach ca. 3 Minuten verließen "Brauer" und "Bar" die Einkaufshalle und blieben am Eingang stehen. Gleich darauf verließ eine weibliche Person ebenfalls die Einkaufshalle und gesellte sich zu "Brauer" und "Bar". Diese Person erhält den Decknamen "Hefe". Alle Drei liefen eingehakt durch die Prenzlauer Allee (siehe Foto) und führten einen Einkaufsbummel durch. Nach Beendigung des Einkaufsbummels liefen alle drei weiter über Marienburger Str., Winsstr. zur Immanuelkirchstraße, wo sie gemeinsam um 18.51 Uhr das Haus Nr. 20 betraten. Der Verbleib im Hause konnte nicht mehr festgestellt werden.
Um 19.27 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das genannte Haus und liefen zur Straßenbahnhaltestelle in der Prenzlauer Allee. Von hier fuhren sie mit einer Bahn der Linie 72 bis zum S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Beide liefen in Richtung Zelterstr. weiter. "Bar" knickte öfters in den Knien ein und hatte einen unsicheren Gang. Vor dem Hause Prenzlauer Allee 175 blieben sie stehen und "Brauer" stützte "Bar". Anschließend liefen sie in den Hausflur des Hauses Nr. 175, wo sie ca. 4 Min. stehenblieben. Nach Verlassen des Hauses liefen sie langsam zur Zelterstraße und betraten um 19.50 Uhr das Wohnhaus von "Bar". Danach traten "Brauer" und "Bar" nicht mehr in Erscheinung.
Um 21.00 Uhr wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Personenbeschreibung von "Hefe"
ca. 20 Jahre alt, ca. 1,68 m groß, schlank, ovales blasses Gesicht, dunkles fast schwarzes Haar (lang, bis zur Schulterhöhe). "Hefe" hat ungelenke Bewegungen an sich, sie hat Ähnlichkeit mit "Bar". Bekleidung: 3/4 langer Pepitamantel mit Hängegürtel und Gehschlitzen, rote Silastikhose, schwarze Halbschuhe.
Beobachtung am 12.5.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. um 12.48 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Haus, liefen zum Wagen von "Brauer" und hantierten kurze Zeit an diesem herum. Danach liefen sie zum Elektroladen, Prenzlauer Allee 171. Um 13.02 Uhr kamen beide aus dem Geschäft und liefen zum Postamt 72, Erich-Weinert-Str. Nr.77, das sie um 13.05 Uhr betraten. Um 13.10 Uhr kamen sie aus dem Postamt und liefen über die Meyerheimstr. zum Wohnhaus von "Bar", das sie um 13.15 Uhr betraten.
"Bar" verließ um 13.22 Uhr das Wohnhaus und rannte in Richtung Prenzlauer Allee davon. Um 13.58 Uhr befand sich "Brauer" kurze Zeit auf dem Balkon der Wohnung von "Bar" und blickte hinunter zu einem unten parkenden schwarzen Wolga mit dem polizeilichen Kennzeichen I E 62 - 05. "Bar" kam um 14.13 Uhr frisch frisiert aus der Prenzlauer Allee zurück, begrüßte den Fahrer des Wolga mit Handschlag und ging anschließend in ihr Haus.
Um 14.26 Uhr kam "Brauer" mit einem Koffer und einem Guitarrenkasten in der Hand aus dem Haus. Gemeinsam mit dem Fahrer des Wolga verstaute er beide Dinge in den Kofferraum des Wolga. Danach ging "Brauer" wieder ins Wohnhaus von "Bar" zurück. "Bar" kam um 14.28 Uhr aus dem Haus, bestieg den Wolga und fuhr mit dem Fahrer davon. "Brauer" verließ das Haus um 14.40 Uhr und kam um 14.43 Uhr mit seinem Wagen aus der Zelterstraße herausgefahren. Er fuhr zum Strausberger Platz, wo er um 14.51 Uhr das Haus Strausberger Platz 18 betrat. Um 16.43 Uhr kam "Brauer" aus dem Haus Strausberger Platz 18, lief zu seinem Fahrzeug, das auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee stand, stieg ein und fuhr über Alexanderplatz, Rathausstr., Marx-Engels-Platz, Friedrichstraße zur Chausseestraße. "Brauer" hielt um 16.50 Uhr vor seinem Wohnhaus in der Chausseestr., stieg aus und ging hinein.
"Brauer" verließ um 18.05 Uhr sein Wohnhaus mit einer kleinen Tasche in der Hand, stieg in den Wagen und fuhr zum Geschäft Elektro-Blitz-Mitte, Wilhelm-Pieck-Str.138 (18.07 Uhr). Da das Geschäft geschlossen war, stieg "Brauer" wieder in sein Fahrzeug und fuhr über Prenzlauer Allee zur Zelterstaße, wo er um 18.13 Uhr das Wohnhaus von "Bar" betrat.
Um 21.00 wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Beobachtung am 13.5.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung von "Brauer" wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. "Brauer" verließ das Haus um 14.30 Uhr, bestieg seinen Wagen und fuhr über Prenzlauer Allee, Rosenthaler Platz zur Hannoverschenstr., wo er sein Fahrzeug an der Ecke Chausseestraße abstellt. Er betrat sofort danach um 14.37 Uhr sein Wohnhaus. Um 15.20 Uhr kam "Brauer" in Begleitung einer männlichen Person im Alter von ca. 40 Jahren, 1,75 m groß, schlank, Sportsfigur, dunkle Haare aus seinem Wohnhaus. Beide stiegen in den Pkw von "Brauer" und fuhren zum S-Bhf. Friedrichstraße. "Brauer" kam um 15.23 Uhr in seinem Wagen vom Taxistand am S-Bahnhof Friedrichstraße herausgefahren. Der Verbleib der männlichen Person konnte nicht festgestellt werden. Wegen Verkehrsbehinderung kam "Brauer" aus der Kontrolle.
Um 15.35 Uhr konnte er mit dem Fahrzeug in der Prenzlauer Allee Ecke Erich-Weinert-Straße wieder aufgenommen werden. Er kam aus Richtung Alexanderplatz gefahren, wendete in der Erich-Weinert-Str., fuhr zurück und bog in die Zelterstraße ein, wo er um 15.36 Uhr ins Wohnhaus von "Bar" ging. "Brauer" kam mit seinem Fahrzeug um 15.54 Uhr aus der Zelterstraße gefahren, bog in die Prenzlauer Allee ein, fuhr in Richtung Alexanderplatz davon und geriet aus der Kontrolle. Die Beobachtung wurde um 16.15 Uhr an seiner Wohnung in der Chausseestraße wieder aufgenommen. Das Fahrzeug stand vor dem Haus.
"Brauer" kam um 16.40 Uhr zu Fuß mit einer weiblichen Person, nachfolgend "Gerste" genannt, an seinem Wohnhaus an und betrat dasselbe zusammen mit ihr. Um 17.22 Uhr kam "Brauer" in Begleitung von "Gerste" und einem ca. 7. Jahre alten Jungen aus seinem Wohnhaus und lief mit ihnen die Friedrichstraße in Richtung S-Bhf. entlang. Alle drei betraten um 17.24 Uhr das Foto-Optik-Geschäft Friedrichstraße 121 und ließen sich einen Fotoapparat Marke Pouva-Start vorführen. Den passenden Film ließen sie gleich einlegen. Noch im Fotogeschäft übergab "Brauer" dem Jungen den Apparat. Sie bezahlten den Apparat und verließen gemeinsam um 17.33 Uhr das Geschäft. Anschließend liefen sie weiter bis zur Auffahrt des Grundstückes Friedrichstraße 120. Um 17.36 Uhr liefen sie die Auffahrt ein kleines Stück herauf, fotografierten sich gegenseitig und erklärten dem Jungen die Funktion des Apparates. Dann liefen sie um 17.43 Uhr die Friedrichstraße weiter entlang, bogen in die Reinhardtstr. ein und gingen alle drei um 17.45 Uhr in den Eisladen, Reinhardtstr. 11. Um 17.48 Uhr kamen sie aus dem Eisladen heraus und liefen über die Reinhardtstr. zur Schumannstraße. Am Deutschen Theater sahen sie sich die dort stehenden Schaukästen an und liefen dann weiter zum Platz vor dem Deutschen Theater, wo sie stehenblieben und abermals fotografierten.
Um 17.55 Uhr kam eine männliche Person, nachstehend "Hopfen" genannt, aus dem Deutschen Theater, lief auf "Brauer" und "Gerste" zu und begrüßte sie sehr herzlich und lautstark. "Brauer" und "Gerste", "Hopfen" sowie der Junge fotografierten sich nach der Begrüßung gegenseitig, teils vor dem Theater, teils auf dem Rasen des Parkes. Danach liefen sie durch die Parkanlage zur Reinhardstraße und weiter zur Friedrichstraße und in dieser in Richtung Chausseestraße. "Hopfen" wurde um 18.15 Uhr von "Brauer" vor dem Hause Friedrichstr. Nr. 128 verabschiedet. "Brauer" betrat dieses Haus, lief bis zur III. Etage hinauf und klingelte an der rechten Wohnungstür. Er wurde von einer männlichen Person sehr lautstark begrüßt. Das Schild an dieser Wohnung trägt den Namen W. Kaiser. Die Wohnung wurde von "Brauer" wieder um 18.17 Uhr verlassen. Er rannte die Treppen hinunter, verließ das Haus, überquerte die Friedrichstraße und traf sich gegenüber wieder mit "Gerste" und dem Jungen, die vor dem Schreibwarengeschäft warteten.
"Gerste", der Junge und "Hopfen" überquerten, nachdem sich "Brauer" um 18.15 ins Haus Friedrichstraße 128 begab, die Friedrichstraße. Vor dem bereits genannten Schreibwarengeschäft verabschiedete sich "Hopfen" auch von "Gerste" und dem Jungen und entfernte sich in Richtung Oranienburger Straße.
"Brauer" und "Gerste", die sich um 18.18 Uhr vor dem Schreibwarengeschäft getroffen hatten, trennten sich sofort wieder.
"Gerste" überquerte die Wilhelm-Pieck-Straße und lief zum Parkplatz Chausseestraße. "Brauer" überquerte mit dem Jungen die Friedrichstr. und betrat abermals den Foto-Optik-Laden, Friedrichstr. 121. Nach ca. 2 Minuten kam er mit dem Jungen wieder heraus. Sie überquerten wieder die Friedrichstraße. Während "Brauer" vor dem Laden der "VDN" stehenblieb, betrat der Junge das Schreibwarengeschäft. Kurz darauf kamen sie wieder zusammen und liefen auf dem kürzesten Weg zum Wohnhaus von "Brauer", das sie um 18.27 Uhr betraten.
In der Zwischenzeit bestieg "Gerste" auf dem Parkplatz Chausseestraße den Pkw Ford Taunus 12 M (Taubenblau), polizeiliches Kennzeichen B-MW 55. Sie fuhr vom Parkplatz und versuchte in der Friedrichstraße "Brauer" und den Jungen aufzunehmen. Diese waren jedoch inzwischen schon zu Hause. Daraufhin fuhr "Gerste" wieder zurück und stellte den Pkw auf dem Parkplatz ab. Sie verließ das Fahrzeug, lief auf dem kürzesten Weg zum Wohnhaus von "Brauer" und betrat dieses.
Um 19.13 Uhr verließen "Brauer" und "Gerste" das Wohnhaus und verabschiedeten sich. "Brauer" bestieg sein vor dem Haus parkendes Fahrzeug und fuhr Wilhelm-Pieck-Str. in Richtung Rosenthaler Platz. "Gerste" lief zum Parkplatz, bestieg dort den Ford Taunus und fuhr in Richtung S-Bhf. Friedrichstraße davon.
Die Beobachtung "Brauer" wurde um 19.33 Uhr in der Nähe der Zelterstraße wieder aufgenommen. Das Fahrzeug von "Brauer" stand vor dem Wohnhaus von "Bar". Bis 21.00 Uhr trat "Brauer" nicht mehr in Erscheinung. Um 21.00 Uhr wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Personenbeschreibung von "Hopfen": ca. 25 Jahre alt, ca. 1,72 m groß, sehr schlank, schmales Gesicht, lange Nase, Oberlippenbart, dunkelblondes Haar.
Bekleidung: Affenhautjacke. "Hopfen" hat ein ungepflegtes Äußeres und bewegt sich schlaksig.
Anmerkung:
Um 17.53 Uhr, als "Brauer", "Gerste" und der Junge vor dem Deutschen Theater fotografierten, kam eine jüngere männliche Person aus Richtung Reinhardtstraße und setzte sich auf eine Parkbank vor dem Deutschen Theater. Diese Person orientierte sich stark auf "Brauer", "Gerste" und den Jungen. Auch der kurz darauf hinzugekommene "Hopfen" wurde von der männlichen Person von der Parkbank aus intensiv beobachtet.
Anschließend wurde festgestellt, daß eine Beobachtungsgruppe vorhanden war, die "Gerste" unter Kontrolle hatte. Aus diesen Grunde wurde auch "Brauer" um 19.13 Uhr als der mit "Gerste" das Wohnhaus verließ nicht weiter beobachtet.
Weiter wurde festgestellt, daß diese Beobachtungsgruppe mit einem schwarzen Wartburg arbeitete.
Die anschließende Überprüfung des polizeilichen Kennzeichens ergab, daß es sich um eine Beobachtungsgruppe der HA VIII handelte. Dabei wurde uns bestätigt, daß diese Gruppe die Verbindung "Gerste" unter Kontrolle hielt.
Beobachtung am 14.05.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. Um 14.10 Uhr verließ "Brauer" das Wohnhaus, bestieg seinen VW und fuhr über Prenzlauer Allee und weiter durch die Grellstraße in Richtung Greifswalder Straße. Durch Verkehrsbehinderung geriet "Brauer" in der Grellstraße außer Kontrolle. Das anschließende Suchen an den bekannten Anlaufstellen blieb erfolglos.
Daraufhin wurde die Beobachtung ab 15.15 Uhr am Wohnhaus in der Zelterstraße weitergeführt.
Um 18.00 Uhr wurden noch einmal die bekannten Adressen ohne Erfolg abgefahren. Als die Beobachtung ab 19.20 Uhr am Wohnhaus in der Zelterstraße weitergeführt wurde, parkte der Pkw von "Brauer" bereits vor dem Wohnhaus von "Bar". Bis 21.00 Uhr trat "Brauer" nicht mehr in Erscheinung.
Daraufhin wurde die Beobachtung auftragsgemäß abgebrochen.
stellv. Leiter der Abt. VIII Gützlaff, Hauptmann Referatsleiter Reißmann, Oberleutnent
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Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 16. Mai 1966
Eva H., Wolf B. und Herr Otto unterhalten sich über das Gewicht eines gesunden Menschen. Herr Otto gibt allgemeine Erklärungen wie man seinen Körper kräftigen kann. Wolf berichtet von seinen sportlichen Erfolgen in der Schulzeit. Für seine Leistungen bekam er eine Urkunde, unterzeichnet von Theodor Heuß. Heuß war zu der Zeit noch Bundespräsident. Wolf erkundigt sich bei Herrn Otto, ob unsere Sportler auch als Profis gelten. Herr ... müßte doch als Sportarzt über diese Dinge informiert sein. Nach Wolfs Meinung üben unsere Sportler bloß pro forma ihren Beruf aus. Herr Otto entgegnet, daß die Frage, ob Profi oder nicht Profi, nicht gestellt werden kann. Es gibt zumindest keinen reinen Profi in der DDR. Die Aufgaben eines Spitzensportlers lassen sich nicht mehr so lösen, ohne die Unterstützung des Staates oder Betriebes. Es gibt ja in der DDR eine sozialistische Sportbewegung, deren Aufgabe die Förderung des Sports ist.
Wolf interessiert sich für die Bezahlung der Sportler. Ihr Gehalt müßte doch relativ hoch sein. Herr Otto erklärt, wenn ein Sportler in einer großen Brigade arbeitet, so bekommt er den Durchschnitt des Brigadelohnes. Wolf entgegnet, "die" leben doch sehr gut. Wenn es ihnen nicht gut geht, würden sie die Republik verlassen. Herr Otto kennt keinen Leistungssportler, der aus finanziellen Gründen die Republik verriet. Es war meistens so, daß die Leute abhauten, denen es hier blendend ging. Herr Otto berichtet, daß der Rennfahrer Kisener auch in Westdeutschland blieb. Der Kisener hatte hier seinen Wagen, und er hatte die Möglichkeit, ein Studium zu beginnen. Wolf fragt nach den Gründen der Republikflucht. Ob es nur politische Uninteressiertheit ist. Herr Otto entgegnet, es ist bei manchen Sportler so, daß Politik und Sport zweierlei ist.
F.d.R.d.A. Schi....
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II/ Gen. Brosche Berlin, 25. Mai 1966
26/B 19/66 / 204 -Sch
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. Mai 1966
Eva und Wolf B. unterhalten sich über Chansons. Eva beschwert sich, daß Wolf sie keine Lieder mehr lehrt. (....) Eva möchte nur das spielen und singen, was ihr gefällt. Wolf tröstet sie, da einmal bessere Zeiten kommen werden. Wolf ist der Ansicht, daß Eva eine bessere Stimme hat als Joan Baez. Eva protestiert, da sie die Lieder deutsch singen müßte. Dabei verlieren sie viel an ihrer Wirkung. Wolf entgegnet, sie sollte es trotzdem einmal versuchen. Wenn man den festen Willen hat, so gelingt es einem auch.
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 23. Mai 1966
26/ BA/ 19/ 66/185 -Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. Mai 1966 (16.12 Uhr)
B i m b o erkundigt sich bei Frau H. nach dem Befinden. Es tut ihm leid, daß sie sich lange nicht gesehen haben, aber er hatte immer viel Arbeit. Heute abend ist er auch wieder in Magdeburg zu einer Veranstaltung. Frau H. bedauert dieses, da sie heute abend gerade Zeit hat. Sie ist heute allein, da W o l f sich in Dresden befindet. Bimbo kommt darauf zu sprechen daß sie sich am Sonnabend sehen. Er hat für diese Sache den Barbaré (o.ä.), diesen will er auch mitbringen. Frau H. wollte am Sonnabend auch noch ein Lied aus dem Film singen. Es ist aber ein langsames Arrangement und sie hoffte, daß sie da noch etwas daraus machen können. Dort können sie es nicht mehr umstellen, betont Bimbo, da sie in Neubrandenburg drei Vorstellungen am Tag haben. Frau H. ist es auch nicht möglich, heute noch bei Bimbo vorbeizukommen, da sie beim Friseur angemeldet ist. Frau H. spricht noch davon, daß sie am 30.05.66 einen Auftritt in Cottbus hat. Sie fährt dort allein hin. Bimbo wird sie dann vielleicht nach Cottbus fahren. Darüber wollen sie sich aber noch einmal unterhalten. Bimbo fragt noch, ob Frau H. einmal ein Angebot aus Rostock bekam. Frau H. verneint dieses. Er fragt nur danach, da er Frau H. dort gut empfohlen hatte.
F.d.R.d.A. Wolf
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HA XX/1, Gen. Paroch Berlin, 24. Mai 1966
26/BA 19/66/188-E
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. Mai 1966
Gegen 20:35 Uhr bittet (.....), daß EVA doch zu ihm kommen solle, er wäre so furchtbar alleine (....)
Eva erzählt, daß sie letztens mit Wolf in Markneukirchen war, dort habe sich Wolf eine neue Gitarre gekauft, dann eine Art Leier (Eva bezeichnet es genauer) und schließlich noch ein Instrument, das eine Art Vorläufer von der Zither ist.
Weiter erzählt Eva, daß sie vom polnischen Fernsehen eingeladen wurde, im Juni dort etwas zu machen. Sie müßte ein paar Lieder mitnehmen. Ob (......) keine Möglichkeit hätte, diese Lieder für sie einmal im Funk aufzunehmen. Sie verbleiben so, daß Eva noch zu ihm kommt sobald sie mit WOLF gesprochen hat, der sich z. Z. in Dresden aufhält (.........).
Später spricht EVA dann mit Wolf. Er fragt, ob er morgen kommen soll. In Dresden habe er sehr nette Leute. Eva schlägt vor, daß er noch in Dresden bleiben sollte.
Pfingsten wäre Eva ja auch nicht da, so daß Wolf dann alleine in Berlin wäre.
Wolf wird aber doch morgen in den Mittagsstunden kommen.
Eva erzählt ihm, daß sie heute noch zu Bekannten nach Johannisthal fahren wird.
Nach 22:35 Uhr wird das Radio ausgeschalten und Eva verläßt das Zimmer.
›Inge‹
(handschr. Vermerk: „Rundfunk prüfen lassen !“)
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HA XX/1 Gen. Brosche Berlin, 24. Mai 1966
26/BA/19/66/202-Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 24. Mai 1966. 19:57 Uhr
(....) wird von Frau H. gefragt, ob ihm im Funk ausgerichtet wurde, daß sie heute dort angerufen hatte. (....) verneint dieses. Frau H. wollte von ihm wissen, wann er einmal Zeit hat, um mit ihr diese Playbakaufnahmen zu machen. Sie hat sich schon beim Fernsehfunk wegen eines Raumes erkundigt welcher ihr auch zugesagt wurde. Ihm ist es möglich, diese Sache in der Woche nach Pfingsten zu machen. Frau H. paßt es dann auch. Einen genauen Termin werden sie noch vereinbaren. (...) fragt, warum Frau H. gestern abend nicht mehr zu ihm gekommen ist. Sie hatte seine Telefonnummer nicht mehr. Auch hatte Wolf sehr spät erst bei ihr angerufen. Es wäre dann sowieso zu spät geworden. Sie wird ein ander Mal zu ihm kommen und dann einen ganzen Abend bleiben. (....) erwähnt, daß Frau H. noch zwei Bücher bei ihm zu liegen hat. Frau H. fragt noch, ob die Sache die sie damals mit der Hotmie (o. ä.) gemacht hatte zu bekommen ist. Sie würde es gern besitzen, da sie es damals nicht gehört hatte.
(.....) wird ihr diese Aufnahmen besorgen. Abschließend bestellt (......) noch einen schönen Gruß an Wolf.
F.d.R.d.A.
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HA XX/1 Gen. Brosche Berlin, 2. Juni 1966
26/BA/19/66/225-Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. Juni 1966
14:45 Uhr
(.....) teilt der Frau H. die Anschrift von Hans Fetzke (o. ä.) mit. Hans F. ist unter der Telefonnummer 48 52 12 zu erreichen und in Pankow Zillertalerstr. 140 wohnhaft.
14:48 Uhr
Frau H. erkundigt sich bei Hans F., ob er es ermöglichen kann, heute im Funk eine Aufnahme mitzumachen. Frau H. benötigt diese Aufnahme für den polnischen Fernsehfunk. Herr F. wurde ihr von Herrn (....) empfohlen. Herr F. hat heute frei und wird diese Aufnahme mitmachen.
Frau Hagen braucht ihn nicht abzuholen, er kommt mit seinem eigenen Wagen zum Funk. Frau H. möchte aber bei der Wache Bescheid sagen. Frau H. stellt Herrn F. noch Wolf Biermann vor. Beide kennen sich schon und begrüßen sich erfreut. Wolf fragt, was (....) für ein Trottel ist, er hat der Eva versprochen, die Aufnahme mitzumachen und wollte jetzt eine Stunde vor Beginn die Sache verschieben. Eva war froh, daß sie die Sache in Warschau überhaupt bekommen hatte, da sie jetzt sowieso immer Schwierigkeiten hatte. Hans kann sich ja auch denken weshalb! Wolf erwähnt, er habe solche Sehnsucht danach, wieder einmal mit ihm (Hans) etwas zu machen. Auch er würde gern wieder einmal etwas machen, antwortet Hans. Es ist eine große Scheiße, daß er nicht auftreten darf, bemerkt Wolf. Er würde schon aus Spaß wieder einmal mit Hans etwas machen. Es war so schön, als sie einmal die Sachen eingeprobt hatten. Er hat nun wieder ganz neue und tolle Sachen gemacht, die auch musikalisch besser sind als früher, betont Wolf. Hans fragt, ob Wolf heute auch mit zum Funk kommt. Dieses ist ja nicht möglich, da er Hausverbot hat. Wenn er dort mit reingehen könnte, hätten sie (.....) gar nicht darum gebeten die Sache mitzumachen. Wolf ist froh, daß er nun die Telefonnummer von Hans weiß, und er würde sich mit ihm gern wieder einmal treffen. Hans schlägt vor, daß Wolf einmal bei ihm anrufen soll, sie können dann ein Zusammentreffen vereinbaren.
F.d.R.d.A.
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Berlin, 3. Juni 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 3. Juni 1966
(13.02) Rolf Zimmermann erkundigt sich bei Eva H., ob sie es noch geschafft haben. Eva sagt, daß sie es noch geschafft haben. Sie haben es auch noch umgeschnitten. Sie hat es aber noch nicht wieder gehört. Eva bemerkt, daß sie paar Titel mehr genommen hat, damit sie mehr anbieten kann. Sie sollen sich dann aussuchen können, was ihnen gefällt. Rolf meint, wenn ihr nicht die Aufnahmen gefallen werden, dann werden sie sie noch einmal produzieren. Seine Unterstützung hat Eva dafür. Sie ist sehr erfreut darüber.
Eva erzählt, daß der Wolf mit nach Polen fahren wollte. Er war nun heute auf der Polizei. Die Polizei hat zu ihm gesagt, daß er nicht würdig ist, unser Land in Polen zu vertreten. Wolf hatte eine Einladung von einen Freund aus Polen bekommen. Er wollte privat nach Polen fahren. Er hatte nicht die Absicht dort aufzutreten. Eva fügt hinzu, daß sie nicht allein fahren wollte. Auf eine Frage sagt Eva, daß sie am 12. in Warschau auftritt. Sie hat mit denen einen richtigen Vertrag abgeschlossen.
Ihr ist aber nicht bekannt, in welchem Rahmen sie dort auftreten soll.
Sie hat die ganze Sache durch die Künstleragentur vermittelt bekommen.
Eva erzählt, daß sie am 11. einen Auftritt in Cottbus hat, fährt dann anschließend von Frankfurt/Oder mit dem Zug nach Warschau. Rolf meint zu Eva, daß Cottbus ihr zweites zu Hause ist. Eva bestätigt das lachend. Die Konzert- und Gastspieldirektion möchte Eva im Moment in jedes Programm mit einbauen. Sie hat dort viele treue Anhänger. Auf eine Frage sagt Eva, daß sie nicht im Offizierskasino auftritt. Sie tritt auf einer Freilichtbühne auf. Sie singt u.a. Lieder aus dem Film "Reise ins Ehebett". Rolf bemerkt zu Eva, wenn sie ein Angebot bekommt, im Offizierskasino aufzutreten, dann soll sie das annehmen. Dort ist es immer ganz dufte. Dort können sie (wir) auch ihre "scharfen Sachen" abziehen.
Rolf erkundigt sich, ob Eva die Polin Christine K....... (o. ä.) kennt. Sie will von Rolf einige Titel haben. Eva kennt diese Dame nicht näher. Rolf erwähnt, daß die öfters in Österreich und überall auftritt. Eva meint darauf, daß die Polen überall hinfahren können.
Rolf erzählt, daß einer aus dem Club eine offizielle Einladung vom Sport aus Westberlin erhalten hat.
Der versucht aber erst gar nicht "rüber" zu fahren. Rolf hat ihn aber aufgefordert, es doch zu versuchen.
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Berlin, 7. Juni 1966
26/B 19/66/233 -E
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 3. Mai 1966
Eva, Wolf und Dieter beraten über eine Arbeitsmöglichkeit für Dieter. Es macht den Eindruck, daß Dieter eigens aus diesem Grund den Besuch bei Wolf gemacht hat. Als Dieter dann zusammenfassend noch einmal fragt, wie das nun wäre, meint Wolf, daß es schwer sei. Z. B. habe Wolf selbst eine ganz andere Produktionsweise, er könne sich auf das Clo setzen und auf Clopapier dichten, Dieter dagegen sei ein Mensch, der immerhin eine Funktion in einem festen Gefüge haben müsse, um produktiv wirken zu können.
Darüber wird noch eine ganze Zeit diskutiert, um Dieter zu überzeugen.
Auf Dieter`s Frage, wie lange das bei Wolf noch so gehen soll, meint Eva, "10 Jahre nicht". Wolf ergänzt, daß sie dann auf die Höfe gingen. Damit fängt Wolf an, laut zu singen und betont, daß er ohne Musik ohne alles ginge. Eva fügt lachend hinzu, daß Menschen (oder eine bestimmte Person) mit einem Affen und einem Leierkasten durch die Höfe gingen. Dazu erklärt Dieter, daß solche Leute bei ihnen sofort einkassiert würden. Da Eva wiederholt, daß solche Leute noch durch die Höfe kommen, betont Dieter noch einmal, daß solche Leute bei ihnen sofort wegen öffentlichen Ärgernisses usw. sofort geholt würden. Dann entwickelt sich folgendes Gespräch:
Dieter: Wann rufst du mein Täubchen an? - 3/4 2. Wolf: Morgen oder übermorgen.
Da es morgen nicht klappt (einer von beiden ist nicht da), verbleiben sie bei übermorgen.
Dieter: Also übermorgen.
Wolf: In der Arbeitszeit, na ja, ich muß sehen.
Nach einigen Beratungen mit Eva, wie dieser Tag eingeteilt ist sagt
Dieter: Also übermorgen. Gib dir Mühe und reiß`dich zusammen, - wenn was da ist.
Eva: Na ja. Ich sehe da keine Möglichkeit
Dieter: Ich eigentlich auch keine.
Wolf: (Nach einer Gesprächspause) - Wie wäre es denn, wenn du bei der Staatssicherheit -
Dieter: Bei der Staatssicherheit ?
Wolf: ... mit dem eigenen Wagen und zwar mit dem Sonderauftrag, mich zu überwachen.
Dieter: Ach, du meinst wohl das mit den Zeitungsartikeln, was? (er spricht das lachend)
Wolf: Was? Ach, ich überlege gerade ... (beide reden durcheinander) kann es ... bin auch disponiert ... sagst, von erfüllter Mission zurück, bin auch disponiert, es ist etwas faul, weil du dich bei mir eingeschlichen hast ...
Eva: Vielleicht stimmt es sogar (sie kichert über ihre eigenen Worte)
Wolf: ... deine politischen Fähigkeiten ...
Dieter: Du meinst, das sieht gerade so aus, wie mit dem Zeitungsartikel, den du da empfohlen hast.
Wolf: Naja, es ist ein Blutstropfen für die Ellen Voigt (o. ä.) ... es ist nichts zu retten, weil du keine konsequente Haltung einnimmst ... Als er dort an der Zeitung war, hätte er Dinge (o. ä.) aufreißen können, versteht du? indem er für die ... geschrieben hätte -
Dieter: Nein. Da war ich ... daß man damit hausieren gehen könnte.
Beide Herren diskutieren dann darüber, ob ein Artikel kurz vor oder unmittelbar nach dem 11. Plenum erschienen ist.
Wolf: Da wäre er wieder an den Ball gekommen.
Dieter: Ja. Ich war aber gar nicht daran interessiert, daß ... Verbindung da publik werden könnte.
Wolf: Wieso denn. Sind sie sowieso - die Scheiße hatten sie sowieso (3. Personen sind gemeint), aber er hätte schreiben können, ich -
Eva unterbricht Wolf mit den Worten, was ihm einfalle, was er für Ratschläge gebe, worauf Wolf zurückfragt "Na, was denn?"
Dieter: Na gut, ich meine insofern ist die Sache logisch, das Ding hätte mich sowieso nichts gekostet.
Dann reden wieder alle zur gleichen Zeit. Es geht um eine 3. Person. Dieter erwähnt dabei das "Neue Deutschland" und Wolf spricht wörtlich: "... daß die Tränendrüsen rollen von Robert. Robert, wenn du noch einen ehrlichen Gedanken hättest mit Wolf, ich beschwöre dich, so ... Verstehst du?"
Weiter meint Wolf wörtlich: "Aber er wäre wieder mal ein Stückchen am Ball gewesen.".
Eva macht hierzu Bemerkungen und spricht mit Dieter. Dazu meint Wolf: "Ja, weil du immer wieder Rückfälle hast". Da Eva dazu lacht, es offenbar nicht versteht, was Wolf meint, erklärt dieser: "Natürlich, als er damals anfing am "Neuen Tag", da kam er bei mir freudestrahlend an und erklärte mir, daß er bereit ist, jede Scheiße - jetzt müßte man um hochzukommen er hat mir ja ....
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11 806 / 85 , Bd.8 Berlin, 13. JUNI 1966
Tonbandabschrift
Bericht vom 10. 6. 1966, GI »Davis«
Das Zusammentreffen mit Biermann war vor ca. 8 Wochen.
Ich bin nicht dahin gegangen, um mit ihm zusammenzutreffen, sondern mit der Hagen, die zu einer Veranstaltung einzuladen. Biermann wohnt dort seit längerer Zeit und scheint immer zugegen zu sein, wenn Besuch da ist. Scheinbar ist immer solcher Besuch da, dem er sich stellen kann.
Zum Charakter dieser Verbindung:
Biermann schätzt mich als Genossen ein, als treuen Vertreter dieses Staates anzunehmenderweise, so daß zunächst ein etwas mißtrauisches Verhältnis zu mir bestand, das aber im verlaufe der Diskussion zu einem freundschaftlicheren wurde, obwohl ihm einiges gesagt wurde zu seinen Liedern usw., das er in keiner Weise einsieht.
Anwesend waren nur noch Klaus H., das ist ein Student der Medizin in Berlin, mir bekannt von Jena her, der mit mir zusammen singt und aus dem gleichen Grunde dort mit war.
Die Eva-Maria Hagen war die meiste Zeit nicht anwesend.
Zur Ideologischen Haltung:
Die ist in keiner Weise anders, als die welche er in seinen Gedichten einnimmt und die mir bekannt sind, er hat sich nicht geändert, er vertritt sämtliche seiner Gedichte und ist nicht bereit, auch nur eins als nicht mehr zutreffend zu betrachten.
Seine politische Linie, die er vertritt, von einem dritten Weg kann ich sofern nicht sprechen, als wir uns so eingehend nicht unterhalten haben, natürlich ist er nicht mit der Linie unserer Partei und unseres Staates einverstanden die Stellung zur Literatur betreffend. Zu einzelnen Funktionären ist nur vom Paul Verner gesprochen worden, den er also als einen ausgesprochenen Stalinisten ansieht und einige andere mehr auch als Stalinisten bezeichnet. Namen wurden dabei nicht genannt. Er ist sehr böse darüber, daß gerade diese Stalinisten ihm, aus dessen Familie 30 Mitglieder in der Nazi-Zeit umgekommen sind, daß diese Stalinisten ihm Vorwürfe machen, daß er unzuverlässig wäre, so daß die Haltung zu den Maßnahmen, die sich gegen ihn richten, eine ausgesprochene bösartige und sehr hassende ist. Er sieht das also als eine ausgesprochene Progromhetze an, was im ND passierte. Er weiß z. B., daß mindestens 1000 Briefe für ihn dort eingegangen sind, daß nicht einer veröffentlicht worden ist, daß man ihm keinerlei Möglichkeit gegeben hat zu antworten auf Vorwürfe gegen ihn. Es gab keine Möglichkeit, er durfte in keiner Weise öffentlich Stellung nehmen dazu und erst recht nicht im ND. Darüber ist er sehr erbost und er hat gesagt, daß ist ein kurzer Schritt oder ein leichtes von dieser Progromhetze noch dazu überzugehen ihn persönlich vielleicht angreifen zu lassen oder anspucken zu lassen auf der Straße oder sonst was.
Zur politischen Haltung wäre noch zu sagen, daß er nicht einsieht, daß man einige Dinge, die er schreibt, heute und jetzt nicht machen kann, sondern von mir aus in 10 oder 20 Jahren, was ich ihm gesagt habe, sondern im Gegenteil, er ist der Meinung, daß unsere Demokratie so weitreichend sein müßte, daß diese Dinge gerade auch jetzt gesagt werden könnten, selbst wenn Westdeutschland daneben liegt und selbst, wenn es einen Teil von Leuten gibt, die in ihm einen ganz anderen sehen, als er vorgibt zu sein. Er glaubt ein ausgesprochener Kommunist zu sein und streitet einigen anderen, die bei uns führend sind, ab und ist der Meinung, daß die Leute, die hinter ihm stehen, deshalb hinter ihm stehen, weil er doch ab und zu mal verboten war oder sonst keine Möglichkeit hatte aufzutreten. Das spricht sich herum. In Berlin gibt es eine ganze Reihe von Studenten und jungen Intellektuellen, denen es eine Ehre ist schon seit Jahren Biermann-Bänder zu haben, schon seit aller Zeit, wo noch keine öffentliche Meinung zu ihm und seinen Liedern bestand und meine Entgegnung, daß hinter seiner Sache sehr viele Leute stehen aus ganz anderen Gründen als er es haben will. Ich meine, daß sich Leute hinter ihn hängen, die wahrlich nicht für uns sind und die in ihm einen ganz anderen sehen als er vorgibt zu sein. Das sieht er auf keinen Fall ein, sondern er ist der Meinung, daß diese Leute hinter ihm stehen, wie schon gesagt, weil man gegen ihn ist ganz offiziell bei uns.
Er hat z. B. geäußert, "diese Idioten, würden sie mir den Nationalpreis gegeben haben oder ähnliches, dann wären schon alle die Leute weggefallen, in dem sie sehen, daß sich unsere Partei mit mir und meinem Streben zumindest in vielen Dingen identifiziert, dann wären diese Leute, die aus ganz anderen Gründen hinter mir hängen schon mal weggefallen".
Anwesend waren weiterhin wie gesagt der Kl. H., der sehr wenig dort gesagt hat, hinterher allerdings mit mir unterhalten hat und mir auch da immer zugestimmt hat, wo ich der Meinung gewesen bin, daß er das im Moment nicht machen kann, was er tut und auch der Meinung ist, daß viele Leute hinter ihm stehen, eben, weil sie sich mit ihm identifizieren auf Grund dessen, daß man glaubt, er sei auf einer ganz anderen Seite und er ist auch der Meinung, daß hier Biermann das völlig falsch sieht, wenn er das nicht glaubt.
Zu dem Kl. H.:
Er ist mir bekannt seit ca. 10 Jahren aus der Studienzeit in Jena. Er studiert z. Z. an der HU Medizin, war zufällig dort mit, weil er mit zu der Gesangsgruppe gehört - also einmalig dort - und ist ein Mensch, der nicht in allen Dingen zu uns steht, der sehr kritisch ist, insofern je positiver seine Einstellung zu Biermann, die also nicht für Biermann und seiner Haltung sprach als ich mich mit ihm unterhalten habe. Er ist parteilos, hat Armeedienst hinter sich, ist als Sportler wohl bei Dynamo gewesen sehr lange Zeit und hat sein Abitur dann nachgeholt und dann erst Medizin studiert und ist auch älter als ein normaler Student, meines Wissens so 28 oder 29 Jahre. Das Interesse mit Biermann, wiederum zusammenzukommen, um zu diskutieren, ist natürlich bei ihm vorhanden. Dieses habe ich jedoch gesagt, daß es auch bei mir vorhanden ist. Dies hat er nicht im Beisein von Biermann zu mir gesagt.
Zu den Plänen, die er hat, kann ich kaum was sagen, außer daß er in Westdeutschland nicht veröffentlichen will. Ich hab ihn danach gefragt und er sagte, er hat kein Interesse daran zur Zeit in Westdeutschland zu veröffentlichen auf Grund der Schwierigkeiten, die ihm seine ›Drahtharfe‹ gemacht hat. Er arbeitet natürlich. Er arbeitet an ›Deutschland - ein Wintermärchen‹, wovon ich noch nichts kenne, das weiß ich nur von der Eva-Maria Hagen, sie erwähnte das. Aber er schreibt viele Lieder, scheint sehr produktiv zu sein trotz allem. Trotz allem meine ich, daß er doch sehr niedergedrückt ist. Er fragt mich ganz ehrlich, wann werde ich jemals wieder ein Lied öffentlich singen können und scheint sehr sehr niedergeschlagen zu sein darüber, daß er es nicht kann. Aber er ist schöpferisch, hat 3 Lieder vorgetragen (...) Es sind in der Tendenz Lieder, die sich nicht von vorhergehenden unterscheiden und daß haben wir ihm gesagt, daß es nicht möglich ist, sich zumindest keiner finden wird, die Lieder zu veröffentlichen, daß man das nicht machen kann zur Zeit. Darauf seine bereits geäußerte Meinung, daß er das nicht glaubt, daß es so ist.
Wovon er lebt weiß ich nicht, möglicherweise von dem durchgebrachten der Hagen.
Zu seinen Verbindungen kann ich nichts sagen. Er spricht allerdings von uns, d.h. es muß noch mehrere Leute geben, mit denen er sich sehr verbunden fühlt. Er sagte in diesem Zusammenhang, ›ausgerechnet diese Stalinisten müssen uns diese Vorwürfe machen.‹ Das sind also mehrere.
Die Unterhaltung fand in den Abendstunden statt und dauerte ca. 3 Stunden an.
Meine Haltung zu seinem Problem:
Alle diese Dinge, die gegen ihn und seine Meinung gesprochen haben, die sind zum größten Teil schon gesagt. Ich hab ihn aber in vielen zugestimmt, z. B. wenn er sagte, daß er verhaftet worden ist und dann wieder freigelassen werden mußte auf Grund des Vetos der Esche und Krug und alle diese Dinge, da mußte ich ihm natürlich zustimmen oder als ihm im Funk bei einer Produktion mit Neef zusammen Denndorf untersagt hat die Produktion fortzusetzen, er zum Prof. Eisler gegangen ist und die Produktion auf Grund der Anordnung des Prof. Eisler fortgesetzt werden mußte. Solche Dinge hätten nicht passieren dürfen. In solchen Dingen mußte ich ihm zustimmen.
Diese meine Zustimmung wird dazu beigetragen haben, daß er überhaupt einigermaßen Vertrauen zu mir gefunden hat, um sich überhaupt mit mir über die Dinge zu unterhalten. Ich habe also nicht alles pauschal in Bausch und Bogen verbannt, sondern einiges anerkennen müssen, selbst in seinen Gedichten, welches mir im Moment nicht mehr geläufig ist.
(....}
Zur Perspektive dieser Verbindung, ich glaube wohl, daß Biermann mir einiger Maßen freundlich gesonnen ist, möglicherweise aus dem Grund, weil er doch etwas unter Einsamkeit lebt und sich freut, mit irgendwem zusammenzukommen, sich zu unterhalten, mehr noch, seine Lieder vorzustellen. Er hat mich durchaus um meine Einschätzung dieser Lieder, vor allem auch in musikalischer Hinsicht gefragt und weil er mich in dieser Hinsicht schätzt und ich wiederum von der Eva-Maria Hagen weiß und sie mich sehr schätzt, glaube ich, daß die Verbindung beibehalten werden kann und daß ich jederzeit mich dort sehen lassen kann, um mich mit ihm zu unterhalten. Das ist also so, daß ich von beiden des öfteren eingeladen worden bin, vorbeizukommen.
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HA XX/7 Gen Brosche Berlin,
15. Juni 1966
26/ BA 19/66/ 250-Fin
Vertrauliche Dienstsache !
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 14. Juni 1966
(17.28)
Wolf B. unterhält sich mit Sybille. Er erzählt ihr, daß Jonas gestern Geburtstag hatte. Er hat für Jonas noch ein paar schöne Schuhe gekauft. Wolf fragt S.... ob sie (ihr) mit ihm bei Jonas vorbeifahren möchten, um ihm die Schuhe zu geben. S..... meint, daß sie (wir) damit einverstanden sind. Sie vereinbaren, daß Wolf sie in einer halben Stunde abholt.
(22.05)
Wolf begrüßt Eva H. herzlich. Er sagt ihr, daß er große Sehnsucht nach ihr hat. Sie möchte doch bald wieder zu ihm kommen. Eva ist erfreut darüber. Sie bittet Wolf, sie morgen 08.00 Uhr vom Ostbahnhof abzuholen. Wolf ist damit einverstanden. Er meint zu Eva, daß er sehr neidisch ist, nicht bei ihr zu sein. Wolf bedankt sich für ihren lieben Brief. Auf seine Frage sagt Eva, daß sie Erfolg hatte. Sie hat auch an Wolf gedacht. Wolf bittet Eva, daß sie ruhig fährt und daß sie an ihn denkt. Er sagt ihr, daß er sie lieb hat.
Wolf unterhält sich mit einem Herrn. Der Herr sagt, daß er schon viel von Wolf Biermann gelesen hat. Wolf ist sehr erfreut darüber. Der Herr erwähnt, daß Wolfs (ihre) Frau morgen gesund und strahlend in Berlin ankommen wird. Er bittet Wolf, sich morgen auf dem Bahnhof festzuhalten damit er nicht ohnmächtig wird. Eva bringt ein kleines Geschenk mit. Der Herr bestellt schöne Grüße aus Warschau.
Eva teilt Wolf unter Lachen mit, daß sie einen kleinen Hund gekauft hat. Sie fand den Hund so süß und niedlich. Wolf spricht seine Verwunderung aus, daß Eva den Hund gekauft hat. Eva meint darauf, daß sie in Warschau bleiben wird, wenn er den kleinen Hund nicht sehen mag. Wolf bittet Eva zu kommen, seinetwegen auch mit dem Hund. Hauptsache ist, sie kommt. Wolf bestellt Grüße an alle.
(22.38)
Wolf erkundigt sich bei der Zugauskunft, wann morgen ein Zug aus Warschau eintrifft. Die Zugauskunft teilt ihm mit, daß der Zug aus Warschau 08.21 Uhr in Berlin Ostbahnhof ankommt. F.d.R.d.A.: F ....
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Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik Berlin, den 17. Juni 1966
Ministerium für Staatssicherheit Lo/He
Hauptabteilung XX Tgb. Nr. XX/1/II/__/66
BV für Staatssicherheit Cottbus
Abteilung XX
Cottbus
Schauspielerin Eva-Maria Hagen
Obengenannte befand sich am 11.6.1966 in Cottbus zu einer Veranstaltung auf der Freilichtbühne. Sie wurde durch die Konzert- und Gastspieldirektion vermittelt.
Inoffiziellen Hinweisen zufolge unterhält die Hagen guten Kontakt zu den Mitarbeitern der dortigen Konzert- und Gastspieldirektion, die an weiteren Auftritten der Hagen u. a. im Cottbuser Offizierscasino interessiert sind.
Die Hagen ist Anhängerin des Lyrikers Wolf Biermann und versucht, teilweise dessen hetzerischen Lieder und Gedichte anonym unter der Öffentlichkeit zu verbreiten. Nach ihrer Meinung würde sich dafür der Zuhörerkreis des Offizierskasino stark interessieren.
Wir bitten Sie aus Gründen der Sicherheit zu veranlassen, daß die Hagen keine Auftrittsmöglichkeiten in Objekten der NVA erhält. Bei weiteren geplanten Auftritten durch die Konzert- und Gastspieldirektion Cottbus bitten wir Sie zu veranlassen, daß die H. unter operativer Kontrolle gehalten wird. Es wird gebeten, die HA XX/1/II zu verständigen, wenn die Vorträge der Hagen undurchsichtigen bzw. feindlichen Inhalt tragen.
stellv. Leiter der HA XX
Stange Oberstltn.
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Abschrift: Halle, den 4.7.1966
Betr.: Pressefest 25./26. Juni 1966
Im Rahmen der Veranstaltungen trat Eva-Maria H a g e n an Bühne 3 auf. Sie befand sich in Begleitung von Wolf B i e r m a n n. B. fuhr sie zur Bühne und verließ sofort das Gelände der Bühne 3.
Mir ist nicht bekannt, ob er sich mit jemanden in ein Gespräch eingelassen hat. Biermann und Hagen sind offensichtlich liiert. Frau Hagen hatte anschließend am 26. 6. 1966 gegen 22.00 Uhr, noch einen Auftritt an der Bezirksparteischule in Ballenstedt. Sie wurde dahin mit einem PKW der KGD (ohne Biermann) gefahren. Sie hatte Quartier im Interhotel Stadt Halle bis 30. 6. früh, da sie noch in Eisleben eingesetzt war.
Zum Aufenthalt Biermanns erklärte Fred Frohberg, daß die Hagen in seiner Achtung gestiegen ist, da sie die einzigste sei, die nach dem 11. Plenum zu Biermann halte und ihn unterstütze.
Halle, den 30. 6. 1966 gez."Straube"
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Hauptabteilung XX/1/II Berlin, 16. Juli 1966
I n f o r m a t i o n
über Prof. H a m m e r, Jean-Pierr geb. am .... wh. ....
beschäftigt als Leiter des germanistischen Instituts der Universität Madagaska
Prof. Hammer studierte Germanistik und leitet gegenwärtig als Prof. mit Lehrauftrag das germanistische Institut der Universität Madagaskar. Er befand sich mehrmals zu Studienaufenthalten in der DDR und in der Hauptstadt Berlin.
Diese waren vom
12. 4. - 26. 4. 1962 und
1. 7. - 5. 8. 1963
in Jena und Weimar, auf Einladung der dortigen Universitäten, wo er Vorträge über den Dichter des österreichischen N. Lenan hielt.
In der Zeit vom 25. 6. - 20. 7. 1965
weilte Prof. Hammer auf Einladung des Staatssekretariats für Hochschulwesen zu Studienzwecken in Berlin, Greifswald und Rostock. Auf Einladung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin befand sich Prof. Hammer
vom 29. 6. - 4. 7.1 966
abermals in der Hauptstadt der DDR, wobei vom Antragsteller als Zweck der Reise
"Bibliothekstudium und wissenschaftliche Besprechungen" im Institut für Deutsche Sprache und Literatur der DAW zu Berlin
angegeben war.
Eine Überprüfung bei der ASR verlief negativ, da den Tagesaufenthaltsgenehmigungen lediglich der Name und das Land der betreffenden Person zu entnehmen ist und am 1.7.1966 95 französische Staatsbürger die Hauptstadt der DDR besuchten.
Bereits vor dem Besuch des Brecht-Archivs vereinbarte Wolf BIERMANN mit Prof. HAMMER eine Zusammenkunft in der Wohnung der Schauspielerin
Eva-Maria HAGEN,
wozu er die französischen Studenten eingeladen hatte.
In der Unterhaltung mit Prof. Hammer und den Studenten am 1.7.66, die von 17.00 - 20.00 Uhr andauerte, wurde über die politische Lage nach dem 11. Plenum des ZK der SED gesprochen, wobei BIERMANN in seinen negativen Äußerungen gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR durch Prof. HAMMER Unterstützung fand.
Über die Einberufung des 11. Plenums berichtet BIERMANN unwahre vom Klassengegner hereingetragene Gerüchte, indem er zum Ausdruck brachte, daß die ursprüngliche Durchführung angeblich wirtschaftlichen Problemen gelten sollte. Nachdem sich jedoch ein höherer Wirtschaftsfunktionär das Leben genommen hatte, wäre das Plenum zu einem "Kulturplenum" umgruppiert worden.
BIERMANN verstand es gut sich ins rechte Licht zu setzen und berichtete mit Stolz über die im "Neuen Deutschland" veröffentlichten Kritiken bezüglich seiner gegen den Staat gerichteten Lieder und Gedichte.
Das Positivum der veröffentlichten Kritiken in der Presse bestand nach Meinung BIERMANNS darin, daß er schlagartig berühmt geworden ist, und zwar nicht nur bei den Intellektuellen, die hätten ihn sowieso schon gekannt, sondern auch bei den einfachen Leuten. Die Gedichte aus der "Drahtharfe" wären verbreitet wie noch nie in Deutschland und im Ausland. Die Auflagen würden zur Zeit 30.000 betragen. Deshalb war es für ihn auch eine Selbstverständlichkeit, die nach dem 11. Plenum geschaffenen Lieder und Gedichte den Studenten vorzutragen, welche eigens zum Mitnehmen auf Tonband aufgenommen wurden.
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Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
Hauptabteilung XX Berlin, den 23. 9. 1966
Lo/Ru
Tgb.Nr. XX/1/II/11223/66
BV für Staatssicherheit Dresden
Abteilung XX
D r e s d e n
Konzert- und Gastspieldirektion Dresden
Durch inoffizielle Hinweise wurde bekannt, daß die Konzert- und Gastspieldirektion Dresden einen Vertrag mit der Schauspielerin
Eva-Maria HAGEN
über einen Auftritt am 8.10.1966 zu der Betriebsveranstaltung der "Brillen-PGH" abgeschlossen hat.
Die HAGEN soll dort Chansons singen.
Auf Grund vorliegender Informationen besteht die Möglichkeit, daß die HAGEN zu dieser Veranstaltung unerwünschte Lieder und Gedichte von dem Lyriker Wolf BIERMANN vorträgt.
Wir bitten Sie zu veranlassen, daß die Darbietungen der HAGEN konspirativ überwacht, die Titel und der wörtliche bzw. sinngemäße Text festgehalten und uns übermittelt werden.
Weiterhin bitten wir festzustellen, ob sich BIERMANN in Begleitung der HAGEN befindet, wo sie Quartier nehmen und mit welchen Personen Kontakt hergestellt bzw. gepflegt wird.
Stellv. Leiter der HA XX
Stange
Oberstleutnant ___________________ Abteilung XX Halle, den 20.10.1966
Premierenveranstaltung im Landestheater Dessu am 17. Oktober 1966 unter Teilnahme der Schauspielerin Eva-Maria H a g e n und dem Schriftsteller Wolf B i e r m a n n
Auf Grund der operativen Hinweise, daß der Lyriker Biermann die Schauspielerin Eva-Maria Hagen zu einer Operettenpremiere am 17. Oktober in Dessau begleiten soll, wurden Maßnahmen eingeleitet, um das Auftreten dieser beiden Personen nach operativen Gesichtspunkten einschätzen zu können.
Es wurde der GI "Franz" und eine Kontaktperson eingesetzt.
Zusammenfassung der wesentlichen Hinweise:
Bereits einige Tage vor der Premiere wurde durch eine Kontaktperson seitens der Abt. Kultur des Rates des Bezirkes Halle eine Beratung mit verantwortlichen Funktionären der Kreisleitung und des Rates der Stadt zu diesen Fragen durchgeführt. Im Ergebnis dieser Beratung wurden Maßnahmen festgelegt, wie
- Orientierungsgepräch mit allen Genossen, die in der Aufführung mitwirken, - Beratung mit den künstlerischen Vorständen des Landestheaters Dessau, einschließlich des Intendanten,
um etwaigen Zwischenfällen vorzubeugen.
Desweiteren wurde der abgeschlossene Vertrag überprüft. Es handelte sich hier um eine normale Arbeitsvereinbarung über Zeit und Dauer des Auftritts (bzw. Gastspiels) und Höhe des Honorars.
Im Vertrag sind keinerlei Klauseln oder Zusätze enthalten.
Die Premiere wurde mit großen Beifall aufgenommen. Weitere Veranstaltungen sind für die nächste Zeit bereits ausverkauft.
Es bestätigte sich, daß Biermann an der Premiere, als auch an der nachfolgenden Premierenfeier, die übrigens für Jedermann zugänglich war, teilnahm.
Ort dieser Feier war der Erfrischungsraum des Theaters. Es waren ca. 90 Personen anwesend.
Konzentrationen bestimmter Kreise, wie Jugendliche oder kirchlich eingestellter Personen, waren nicht vorhanden.
Von bekannten Künstlern waren anwesend Gerry Wolf, Eva-Maria H a g e n, der Regisseur Bejach, Peter, der musikalische Leiter Schmorl, Wolfgang und der Schauspieler Woronetzki, Alfred .
Besondere Vorkommnisse bzw. Zwischenfälle wurden nicht festgestellt.
B i e r m a n n und H a g e n waren während der Premierenfeier in Gesellschaft des Intendanten Willy Bodenstein mit Frau, des musikalischen Leiters Schmorl mit Frau und des Schauspielers ..... mit Frau.
Ferner weilte auch die Mutter von Biermann mit am Tisch des vorgenannten Personenkreises.
B i e r m a n n verhielt sich während der gesamten Zeit reserviert. Alkoholische Getränke wurden von Beiden gemieden.
Es wurde festgestellt, daß Biermann lediglich mit 2 Personen ein Gespräch führte, welches aber von den Gesprächspartnern Biermanns selbst herbeigeführt wurde.
Dabei handelte es sich um den Lehrer ..... und um den Schauspieler ..... .
Der Lehrer bemühte sich um eine Widmung Biermanns in sein Programmheft. Biermann habe zu dem Lehrer, als es sich mit ihm bekannt machte, geäußert: "Sie wollen mit mir sprechen?" "Handeln Sie sich mal keine Unannehmlichkeiten ein."
Auf das Programm schrieb Biermann einen Dreizeiler (wörtlich)
"Grabinschrift eines amerikanischen Soldaten
Als Schlächter ausgesandt,
als Schlachtvieh verwendet." Biermann 1966
Wie bekannt wurde, hat sich der Biermann dem Lehrer gegenüber nur im positiv zu wertenden Sinne geäußert.
Unliebsame Diskussionen oder andere Zwischenfälle traten im gesamten Verlauf nicht auf.
Gegen 01.40 Uhr wurde die Premierenfeier von Biermann und der Hagen verlassen.
Nachbemerkung:
Die Hagen hat am 5.10.1966 im Rahmen eines Festprogramms zum Jahrestag der DDR im Klubhaus der Leuna-Werke mitgewirkt.
Auch hier erschien sie in Begleitung Biermanns. Sie brachte 2 Beiträge von Brecht im Rahmen dieses Festprogramms. Auch hier kam es zu keinen besonderen Vorkommnissen.
Es war festzustellen, daß Biermann während seines Aufenthaltes in Leuna von den dort Anwesenden nicht weiter beachtet wurde.
Gen.: .... Be.... -Ltn.-
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XX/E/2634 XX/1/3934 18:00
vfs hle -501 -18.11.66 -1645 -ke +
an mfs berlin
abt. ha roem. zwanzig, gen. oberstltn. stange
eulenspiegelrevue im steintor-variete halle
in der zeit vom 5. - 15.11.1966 lief im rahmen der konzert- und gastspieldirektion im steintorvariete ein vom mitarbeiter der zeitschrift "eulenspiegel" kurt zimmermann zusammengestelltes programm unter dem titel "steintor-eule".
im letzten bild dieses programms im sogenannten klamann-atelier war das auftreten der schauspielerin e-m. h. vorgesehen. der von ihr vorzutragende text, wie auch ihr lieder-repertoire waren seitens der regieleitung festgelegt und ermoeglichten kein abweichen.
die h. hatte waehrend der zeit ihres aufenthaltes in halle im "interhotel" quartier genommen.
in der ersten zeit war die h. stets ohne ihren staendigen begleiter b. in halle und sie fuhr auch taeglich zu filmaufnahmen nach berlin.
nach bisher vorliegenden informationen weilte b. nur am 10.1.1966 im steintor.
die h. war, da ihr auftritt erst im letzten teil des programms vorgesehen ist, zumeist nicht den ganzen abend im steintor zugegen.
das gesamte programm der "steintoreule"laeuft ab 15.11.1966 fuer 14 tage in dresden.
ausfuehrlicher bericht ueber das auftreten der h. und des b. in halle wird nachgereicht.
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Im Beisein der Hagen entwickelte sich zwischen Biermann und mir das folgende Gespräch:
Am 10.11. von 23.30 - 3.00 Uhr
G = Graf, B = Biermann, H = Hagen
G.: Ich würde mich freuen, wenn wir uns, so lange ihre Frau hier in Halle auftritt, öfter sehen könnten.
B.: Das wird kaum möglich sein, ich habe hier keine richtige Unterkunft, wo ich am Tage ungestört schreiben kann.
G.: Na, dann ruhen sie sich mal aus.
B.: Oh, nein, jeder Tag muß genutzt werden und ich schreibe zur Zeit sehr viel und konzentriert.
G.: Liebeslyrik?
B.: Das zwar auch, aber verhältnismäßig wenig.
H.: Haben sie ihn nie gehört? Dann würden sie den Inhalt seiner Lieder kennen.
G.: Ich könnte mir vorstellen, daß die schöpferische Kraft etwas gelähmt ist bei dem Gedanken, daß nichts gedruckt wird.
B.: Dann muß ich eben schreiben, was in 10 Jahren noch volle Gültigkeit hat und im übrigen macht es mich doch froh zu wissen, daß die Zahl meiner Freunde ziemlich groß ist.
G.: Aber der umstrittene Gedichtband ist doch meines Wissens in einem Westverlag erschienen und hier gar nicht, oder nur auszugsweise bekannt.
B.: Dieser Lyrikband hat die höchste Auflageziffer, die je eine solche Gedichtsammlung - selbst in den zwanzig Jahren - erreicht hat. 30 000 Stück. 8 - 10 Tausend sind in der DDR, wurden weitergeschickt, abgeschrieben.
G.: Ich nehme an, daß ihre Verehrer in erster Linie in den Kreisen intellektueller Künstler in Berlin zu suchen sind.
B.: Das ist wahr, aber auch bei den Arbeitern. Die wurden erst hellhörig, als die Kampagne in den Zeitungen gegen mich begann und interessierten sich für meine Lyrik. Vorher wäre ich niemals so populär geworden. Damals wirkte ich in einem Film mit. Ulrich Thein drehte im Zwickauer Kohlerevier einen Film mit Kumpels. Ich sang als Biermann meine Lieder. "Wenn Du Schwierigkeiten hast, dann komm zu uns. Wir stehen für Dich" sagten sie. Ich wurde rausgeschnitten aus dem Streifen.
B.: Natürlich stimmt es mich traurig, daß ich nicht mehr auf der Bühne stehen kann und meine Lieder selbst vortrage.
G.: Frau H., sind die französischen Liebeslieder Übersetzungen ihres Mannes?
H.: Nein, und ich singe auch keine Lieder von ihm.
G.: Verzeihen sie mir, daß ich keines ihrer Lieder kenne. Bei ihrem Gastspiel im Steintor im Mai 1965 war ich in Warschau. Doch worin besteht nach Ihrer Meinung die Mißdeutung ihrer Verse?
B.: Ich glaube nicht mal, daß es eine Mißdeutung ist, sondern, daß sich gewisse Kreise mit der Wahrheit konfrontiert sehen. Ich bin überzeugter Kommunist und ich wiederhole, was ich schon oft gesagt habe: Das Heil der Welt liegt im Sozialismus. Die DDR ist schon ein großes Stück vorangekommen, nachdem die Zeit des Stalinismus vorüber war. Doch auf verschiedenen Gebieten wirkt sich der Dogmatismus noch hemmend aus.
G.: Haben sie ein Beispiel zur Hand?
B.: Nicht nur eins, aber dazu ist es jetzt zu spät und in drei Worten kann man das nicht sagen. Z. B. die Unfreiheit in der künstlerischen Gestaltung. Die Malerei zum Beispiel. Ich komme darauf, weil an Ihrer Wand noch ein gutes Bild fehlt.
G.: Ich kann nicht Tausende für ein Bild ausgeben.
B.: Ich kenne begabte junge Maler, deren Bilder sehr gut und weit billiger sind.
G.: Adresse?
B.: Sollte ich noch einmal nach Halle kommen, sage ich ihnen, wo die Leute in Leipzig und Dresden wohnen.
Meine Einschätzung nach dem Besuch von Biermann ist die, daß er glaubt, neue Freunde gefunden zu haben und sich bestimmt beim nächsten Aufenthalt in Halle bei mir einfinden wird.
gez. "Robby Graf"
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Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Rostock, Abteilung XX
Rostock, 26. Okt. 1966
Ministerium für Staatssicherheit Hauptabteilung XX
Berlin
Eva-Maria Hagen
Dort. Schr. vom 23. 09.1966 Tgb.-Nr: 11224/66
Die Genannte trat in Rostock am 06. Okt. 1966 anläßlich eines Brigadenachmittag im Fred-Wehrenberg-Saal beim VEB Fischkombinat Rostock auf.
Während der Veranstaltung führte sie als Sprecherin durch ein Quizprogramm. Die Fragen beinhalteten Probleme der Rationalisierung der Arbeit im Fischkombinat und waren vorgeschrieben. Diejenigen Brigademitglieder, die die Frage am schnellsten beantworten konnten, durften an Eva-Maria Hagen Fragen stellen oder sich von ihr den Vortrag bestimmter Schlager oder Chansons wünschen.
Während der Veranstaltung gab es keinerlei Hinweise dafür, dass sie bemüht war, Wolf Biermanns Gedichte zu popularisieren. Wolf Biermann selbst, der sich bis dahin auf der Insel Usedom bei dem Kunstmaler Manisch aufgehalten hatte, traf am 06.10. hier in Rostock mit Eva-Maria Hagen zusammen, begleitete sie zu der erwähnten Veranstaltung und übernachtete mit ihr im Hotel "Nordland". Am 07.10.1966 reisten beide gemeinsam nach Berlin. Biermann trat in Rostock überhaupt nicht in Erscheinung.
Während seines 14-tägigen Aufenthaltes in Kosewort/Usedom entfaltete Biermann diesmal eine größere Aktivität, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Dabei nutzte er insbesondere seinen engen Kontakt zu dem jungen Kunstmaler Matthias Weghaupt aus, um mit anderen Personen in Kontakt zu kommen. Weghaupt selbst malte mehrere Bilder von Biermann und verschaffte auch Zutritt zu dem Hause des Malers Prof. Niemeyer-Holstein.
Aus einer bisher nicht überprüften Information geht hervor, dass Biermann im Hause von Prof. Niemeyer-Holstein mit mehreren jungen Leuten aus Zempin und Koserow zusammenkamen, diesen seine Lieder und Songs vortrug. Bemerkenswert ist insofern, da Niemeyer-Holstein noch im Februar 1966 jeden Kontakt mit Biermann ablehnte, weil er keine Unannehmlichkeiten mit seinen Berliner Freunden, dem stellv. Kulturminister Brasch und Carl - E. v. Schnitzler haben wollte.
Leiter der Abteilung XX ...........
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XX/2548 - Quelle: GM Hans Lamprecht‹ -
Reh.: Hpt.. Fahl -
6. 10. 1966
Bericht über meinen Besuch bei B i e r m a n n in der Wohnung von H a g e n (...) Ich traf Wolf Biermann nicht an, sondern nur seine Mutter Emma. Emma sagte mir, daß Wolf am 7.10. abends aus Dessau zurückgekommen sei. Der Grund seines dortigen Weilers war folgender: Die Eva-Maria Hagen spielt in der dortigen Inszenierung die Titelrolle in ›My fair Lady und zwar zusammen mit Annekathrin Bürger. Die Sache hat folgende Bewandtnis: die Bürger war zuerst für dieses Stück engagiert, bekam Schwierigkeiten mit der Stimme. Die Theaterleitung von Dessau entschloss sich, an die Hagen heranzutreten, sie zu bitten, die Rolle zu übernehmen. Biermann ist dort gewesen, um regietechnisch in diesem Theater zu arbeiten. Ich weiß nicht, ob er dafür bezahlt worden ist, ich glaube das kaum.
Ich hatte während meines Besuches nicht den Eindruck, als wenn das Geld knapp wird, könnt feststellen, daß alte Zinnteller vor kurzer Zeit erworben worden sind (ein Zinnteller kostet in der Regel 20,- MD im Antiquariat), dann konnte ich zwei neue surrealistische Bilder sehen, und zwar sollten die Ostseestimmung darstellen, wie ich aus der Belehrung durch Emma erfahren konnte, ersichtlich war es nicht. Es ist aber auch möglich, daß er die Bilder geschenkt bekam, denn es ist ja bekannt, daß er oft Bilder bekommt, ich hab dafür schon Beispiele gegeben. Dann hab ich gesehen eine Speerspitze von irgendeinem Negerspeer, sowie verschiedene andere Sachen - neue Bücher, die ziemlich teuer sind. Weiterhin hab ich gesehen, allerdings nicht erst beim letzten Mal, einen Marineoffiziersdolch von der sowjetischen Marine. Der Dolch gehört der Eva-Maria Hagen. Sie hat ihn angeblich, wie mir Wolf beim vorletzten Besuch in Berlin sagte, aus der Sowjetunion mitgebracht. Der Dolch ist ein Orginaldolch und trägt eine Nummer.
Ich bitte zu überprüfen, ob den Verkehr bei Biermann und der Hagen folgende Person beobachten kann: Frau Hagen beschäftigt eine Reinigungskraft, deren Mann bei der Volkspolizei ist. Die Frau, deren Name mir leider nicht bekannt ist, wohnt in unmittelbarer Nähe der Hagen im Stadtbezirk Prenzlauer Berg, vielleicht sogar in der Zelter Straße, jedenfalls kann sie nicht weit ab wohnen, ihre Kinder spielten vor der Haustür der Hagen. Sie hat 4 Kinder, das älteste ist 13, das zweite 10 Jahre alt. Emma Biermann sagte, daß Wolf mit der Beschäftigung der Frau bei der Hagen nicht einverstanden ist. Die Hagen ist aber sehr zufrieden mit ihr und will sie aus diesem Grunde behalten. Es ist kaum möglich, daß die Frau in Gespräche mit Biermann verwickelt wird, aber möglich, daß sie u. U. mitbekommen kann, wer anruft, wer dort verkehrt (...)
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HA XX/1 Aktenvermerk Berlin, den 18. 10. 66 Am 18. 10. 1966 teilte der Leiter der KD Dessaus Unterzeichneten mit, daß zu der am 17. 10. im Theater Dessau stattgefundenen Premiere Wolf Biermann mit seiner Mutter anwesend waren. Die anschließende Premierenfeier besuchten Biermann, seine Mutter und Eva-Maria Hagen gemeinsam. Sie hielten sich bis 1.40 Uhr auf wobei festgestellt wurde, daß eine angeregte Unterhaltung mit 2 Personen geführt wurde die der KD namentlich bekannt sind. Nach Verlassen der Feier, die bis gegen 2.30 andauerte, begaben sich Biermann, seine Mutter und Hagen in das Quartier.
Ein schriftlicher Bericht wird durch die KD übermittelt. (Lohr) Oltn.
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- Abschrift - Kreisdienststelle Dessau, den 18.10.1966
Betr.: Theatersaison "My fair lady"
Bezug: Gegebene Veranlassung Zur Zeit läuft am Landestheater Dessau die Theatersaison mit dem Musical "My fair lady", besetzt in den Hauptrollen mit Annekatrin Bürger und Eva-Maria Hagen.
Interessant ist von politisch-operativer Bedeutung die Besetzung der Hauptrolle mit Eva-Maria Hagen und die Einflussnahme des Ehemannes Biermann.
Am 16.10.1966 fand die erste Premiere des Musicals in der Besetzung der Hauptrolle mit Annekatrin Bürger statt. An der Premierenaufführung nahmen Eva-Maria Hagen und deren Ehemann Biermann teil. Die Premierenfeier fand im Theater und anschließend im "Klub der Intelligenz" bis gegen 4.30 Uhr statt.
Biermann und Eva-Maria Hagen nahmen an der gesonderten Premierenfeier im "Klub der Intelligenz" nicht teil.
Am 17.10.1966 fand die zweite Premiere mit der Besetzung der Hauptrolle durch Eva-Maria Hagen statt. Ihr Ehemann Biermann und dessen Mutter nahmen an der Aufführung teil. An der anschließenden Premierenfeier im Erfrischungsraum des Theaters nahmen Eva-Maria Hagen und Biermann sowie dessen Mutter teil. Sie verblieben im Restaurant bis gegen 1.40 Uhr. Besondere Vorkommnisse gab es während dieser Zeit nicht. Kontaktaufnahmen des Biermann zu anderen Bürgern erfolgten in der Richtung:
Besonderes Interesse für den Biermann zeigte der Direktor der erweiterten Oberschule Pilanthropinim, ............ sowie der Schauspielpartner Gerry Wolff aus der ersten Premierenvorstellung, ......... . Es kam zwischen Biermann und dem Direktor Gen. ........ zum Austausch von Autogrammen, dessen Inhaltsangabe noch überprüft wird. Die während der Premierenfeier anwesenden Personen verhielten sich Biermann gegenüber verhältnismäßig zurückhaltend.
Besondere Vorkommnisse traten nicht auf.
Die z. Zt. laufenden Ermittlungen im Wohngebiet des Biermann und der Eva-Maria Hagen haben bisher keine besonderen Anhaltspunkte negativer Art ergeben.
gez. Körlin, Major
F.d.R.d.A.
Thormann
Unterltn.
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XX/1, Gen. Brosche
Berlin, 4. November 1966
26/ B/19/66/448 -Ed
Vertrauliche Dienstsache
Auszug aus einem GI-Bericht vom 24. Okt. 1966
Eva-Maria H. stellte Robert Havemann die Frage, ob er Arbeit in Aussicht hat. Er verneinte ihre Frage und fügte hinzu, daß das aussichtslos ist. Eva nimmt an, daß Robert sich auch gar nicht ernsthaft darum bemüht. Robert brachte zum Ausdruck, daß er sich Mühe gibt etwas zu bekommen, aber die Leute würden einfach nicht wollen. Bisher wartete er auf eine Antwort, da er aber nichts hörte hat er "ihnen" einfach einen Brief geschrieben. - Eva erzählte, daß Wolf B. jetzt eine fixe Idee hat. Er will auf einem Schiff arbeiten. Vorerst will Wolf versuchen, wenigstens über den Winter da anzukommen. Er müßte dann 14 Tage arbeiten, und 14 Tage hat er frei. Sie fand, daß er wirklich einen echten Vogel hat. Dabei würde er sich doch die Hände ruinieren.
Wolf, der vorher mit seiner Mutter wegen der Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung unterwegs war, kam zu der Unterhaltung hinzu. Zusammen mit Robert H. war Frau Wagenbach gekommen. Wolf fragte sie, was es denn Neues gibt. Darauf erwiderte sie, daß sie ja gekommen ist, um evtl. etwas Neues zu hören. Sie unterrichtete Wolf darüber, daß "Vietnam" und "Kongo" gut gehen. In diesem Zusammenhang wollte er wissen, ob die "Drahtharfe" noch gekauft wird.
Wolf B. rezitierte:
".... in China, in China, in China hinter der Mauer .... Das 11. Plenum der Partei ....
Wo pinkelt sich der Kunstverein
selbstkritisch an das eig'ne Bein?
muß dabei 'Hosiana' schrei'n
und lügt fast täglich schlauer.
Und wo, in welchem Trauerstaat, ist in den Künsten süß und fad
der Optimismus obligat? ............. In China, in China, in China hinter der Mauer. ....
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XX / E / 2548 / 66
Quelle-. GM "Hans Lamprecht"
erh.: Oberstltn. Stöß
am: 3. 11. 1966
B e r i c h t
Betr.: Besuch bei Wolf B i e r m a n n am 31. 10.1966
Am 29.10.1966 rief ich Biermann an und teilte ihm mit, dass ich am nächsten Tag, also am Sonntag zu ihm käme. Er sagte mir, ich solle ihn vorher anrufen, da er noch nicht genau sagen könne, zu welcher Zeit er da sei, da er einen Termin mit einem Bekannten vereinbart habe, mit dem er sich unbedingt treffen müsse, und zwar einen Termin auf den Tag, aber nicht auf die Uhrzeit. Am 30.10. rief ich ihn an, um ihm mitzuteilen, daß ich nicht kommen könne, da mein Kumpel, der mit mir nach Berlin fahren will, an unserer Betriebsfeier am 29.10. teilgenommen habe und sich nicht in der Lage fühle, ein Fahrzeug zu fahren. Als Grund für mein Erscheinen hatte ich angegeben, daß ich einkaufen will, und daß ich mich mit einem uns beiden bekannten ehemaligen Studienfreund, Schmelter, treffen möchte, der mir einen Job verschaffen will. Von diesem Job war Biermann vorher schon informiert, ein entsprechender Brief ist dem MfS bekannt. Ich sagte Biermann bei dem Telefongespräch am 29.10., daß wir in Ffo. einen Ruderklub bilden würden, daß meine Frau schwanger sei und verschiedene andere neutrale Sachen, von denen ich aber annehmen mußte, daß sie ihn interessieren.
Nachdem ich ihm also am 30.10. gesagt hatte, daß ich nicht kommen kann, teilte ich ihm mit, daß ich am 31. kommen will. Er war damit einverstanden, jedoch solle ich ihn vorher anrufen, er wisse nicht, ob er da noch da sei. Ich rief ihn am 31. an, und zwar unter seiner Nummer, da meldete sich Emma Biermann und sagte mir, daß er bei der Hagen sei. Ich rief dann die Hagen an, sie meldete sich auch und sagte mir, sie wisse nicht genau, ob es noch Zweck habe, mit vorbeizukommen, da Wolf an die Ostsee fahre. Sie sagte mir, daß er in der Badewanne liege und sie ihn befragen wolle. Einen Augenblick später kam sie wieder an den Apparat und sagte mir: "Wenn Sie sich beeilen, treffen Sie ihn noch. Er will um 15 Uhr fahren."
Wir fuhren daraufhin sofort nach Berlin und ich suchte Wolf in der Wohnung der Hagen auf. Er öffnete mir die Tür und ließ mich in die Wohnung. Ich konnte feststellen, als ich das Wohnzimmer betrat, daß er sämtliche Instrumente eingepackt hatte, zwei Gitarren und noch verschiedene andere Saiteninstrumente. Ich wies darauf hin und sagte: "Na, Du nimmst ja die ganze Kapelle mit." Er: "Ja." Daraufhin sagte ich zu ihm: "Ich habe schon gehört, daß Du zur Ostsee fahren willst. Warst Du schon in Thyssow bei den Leuten von VEB Deutsche Seebaggerei?" Er sagte mir: "Nein, ich war noch nicht da." In diesem Moment trat die Hagen ein und er sagte: "Siehst Du, da hätten wir neulich auch rüberfahren können, wir waren ja dicht dabei, nämlich in Göhren." Daraufhin sagte sie: "Wo denn?" Er: "Nach Thyssow zu den Leuten, die mich da interessieren." Offenbar hatte sie davon Kenntnis und sagte: "Ja, das hätten wir auch machen können, das ist ja nicht weitab." Ich sagte ihm dann: "Hör mal, Wolf, ich habe den Leuten noch nicht geschrieben, soll ich das noch tun?" Er: "Nein, das brauchst Du nicht, ich werde in den nächsten Tagen rüberfahren." Ich habe ihm dann lediglich noch gesagt, daß er sich beeilen muß, denn wenn Eisgang einsetzt, wird die ganze Truppe dort abgezogen.
Er teilte mir dann mit, daß er wieder zu Manisch fährt, nach Ückeritz, und daß er Emma mitnehmen will.
Die Hagen bot mir dann Whisky an, ich habe ihn aber abgelehnt. Er bot sich an, mir irgendeine Erfrischung zu machen. Sie machte mir dann zweimal Milch mit Fruchtsaft.
Wir kamen dann im Verlaufe des Gesprächs darauf zu sprechen, daß meine Frau schwanger sei. Die Hagen erörterte mit ihm recht intensiv, ob es denn keinen Frankfurter Arzt gebe, der ihr praktisch aus der Klemme helfen könne. Sie kam mehrmals darauf zurück. Dann sagte mir Biermann, in bezug auf Schwangerschaftsunterbrechungen gibt es einige Erleichterungen, meine Frau müßte sofort einen Antrag stellen. Daraufhin sagte ich zu ihm: Wolf, das hat sie getan und hat sich daraufhin mit demütigenden Reden abspeisen lassen müssen." Er: "Weshalb denn?" Ich: "Man hat ihr gesagt, dazu sei sie noch viel zu jung, als daß man die Schwangerschaft unterbricht; zum anderen sind Ihre Kinder alle gesund, gut entwickelt und geistig auf der Höhe, das beweise der Umstand, daß von den schulpflichtigen Kindern alle drei auf Spezialschulen sind." Daraufhin sagte er: "Na ja, gut, Preußen braucht offenbar gutes Zuchtmaterial und Ihr seid welches, das ist ein Fluch für Euch." Die Hagen kam nochmals darauf zurück und sagte: "Kennen Sie denn wirklich keinen Frankfurter Arzt?" Ich: "Nein". Dabei wechselten sie des öfteren Blicke. Daraufhin wurde mir vorgeschlagen, ich solle nochmal mit meinem Schwiegervater sprechen. Ich habe daraufhin geantwortet, daß ich das nicht tue, ich könne mir seine Reaktion denken. Er wird mit der Begründung, nicht mit den Gesetzen in Konflikt kommen zu wollen, keine Abtreibung vornehmen. Im übrigen nimmt er Abtreibungen nur bei seinen Leuten vor.
Dann wechselten wir das Gespräch und Biermann erzählte mir von einem gewissen Sellhorn. Dieser hat am Phil. Institut der Humboldt-Universität lt. Biermann studiert, er ist aber kurz vor dem Staatsexamen - wohl 4 Wochen vorher hinausgeschmissen worden - die Gründe dafür sind mir nicht bekannt - und zwar bevor wir unser Studium begannen. Deshalb ist mir der Sellhorn auch kein Begriff. In bezug auf Sellhorn sagte er mir, daß dieser öfter für die Konzert- und Gastspieldirektion, im Monat viermal, irgendwelche Veranstaltungen organisiert unt jedesmal 500,-- erhält, also 2000,-- MD im Monat. B. sagte: "Also 'kein schlechtes Geschäft, nicht?" 'Dann sagte er mir, dass Sellhorn bei den Jazz-Optimisten eine Rolle spielt, er dient da wohl als Conferencier oder Ansager; und in bezug auf die Jazz-Optimisten sagte er mir, auf meinen Einwand, daß ich sie in Ffo. in völlig neuer Besetzung gesehen habe mit Ausnahme des Trompeters, dass der personelle Wechsel gar nichts zu sagen habe, "die Bengels sind in Ordnung" und er gab deutlich zu erkennen, daß er mit den Jazz-Optimisten engen Kontakt hat.
Ich zeigte ihm dann die Parodie auf das Inserat, was über Manfred Krug im "Neuer Tag" war, Diese Parodie war überschrieben mit "Der betrogene Künstler". Der Inhalt des Beitrages war: Die Jugendlichen besorgen sich aus allen möglichen Altersheimen alte Männer mit barbarischen Schnurrbärten und alte Frauen damit Krug das Publikum für würdig erachtet, vor ihm auftreten zu können. Auf die Art wird Krug geprellt. Er ist wirklich der Ansicht, daß es sich hier um alte Leute handelt, und singt. - Hinter diesem Beitrag steht. das Faksimile aus dem "Neuer Tag" von einer Woche vorher "Sanglos abgegangen" und damit schließt die Geschichte ab. Wolf las das durch, reichte es der Hagen und sagte: "Guck Dir das an!" Sie: "Was willst Du denn? Warum regst Du Dich darüber auf?" Er: "Mit diesen primitiven Mitteln wollen sie ihn in Frankfurt rufmorden!" Sie: "Das ist doch überhaupt kein Grund zur Beunruhigung. Wenn sie die Kinos und Theater voll haben wollen, müssen sie bekannte Namen bringen. Krug ist ein bekannter Mann. An den kommt man sowieso nicht ran, das juckt den überhaupt nicht." Daraufhin wurde eigentlich die Unterhaltung über Krug abgebrochen.
Ich sagte dann zu Biermann, daß sich bei uns in Frankfurt ein Kabarett etabliert hätte, und zwar die "Spottkanonen"-, ich glaube des Halbleiterwerkes, die auch einen Kabarettkeller bekommen haben am Karl-Ritter-Platz; daß diese aber, ohne überhaupt in der Öffentlichkeit aufgetreten zu sein, bereits im "Neuer Tag" relativ madig gemacht worden sind. Ich sagte zu ihm: "Stell Dir vor, Du würdest da auftreten. Das würde wie eine Bombe wirken in unserer miefigen Atmosphäre!" Daraufhin er: "Das hat gar keinen Zweck, erstens mal kann ich nicht auftreten und zweitens möchte ich da auch gar nicht auftreten." Ich machte ihm dann einen anderen Vorschlag und sagte: "Ich bin im Begriff eine Sparte Rudern aufzuziehen. Du kannst doch mitmachen, wenn DU lange Weile hast?" Daraufhin beide:
"Langeweile haben wir nie !" Er sagte mir auch, daß er in Hamburg schon gerudert hätte, daß er aber nicht nach Frankfurt kommen möchte, um nicht den Anlaß zu geben, daß unser Ruderverein sofort verboten würde. Ich habe ihm gesagt, daß es mir nicht in erster Linie um das Rudern geht, sondern darum, praktisch einen Schritt zur Freiheit zu tun, indem ich für die Frankfurter die Möglichkeit erkämpft habe, die Oder benutzen zu können, was ja 21 Jahre verboten ist. Das fand an sich auch seinen Beifall.
In bezug auf das 13. Plenum sagte er mir, daß es ihn im Grunde genommen nicht interessiert habe, nur das Referat Mittag war für ihn sehr aufschlußreich, weil da tatsächlich - abgesehen von einigen kleinen Lügen - unsere katastrophale wirtschaftliche Lage endlich mal ehrlich beleuchtet. Er sagte mir in diesem Zusammenhang auch, daß die Kahane zu ihm gesagt habe: "Wir sind sehr stolz auf das 13. Plenum, obwohl wir uns darin vorkamen, wie in einer Versammlung von Großaktionären".
Ich brachte dann noch einmal das Gespräch auf seine Mutter, Emma Biermann, und fragte: "Sie wollte doch schon wieder am 25. 10. nach Westdeutschland fahren?" Er: "Ja, aber wir haben eine Verlängerung ihres Aufenthaltes hier beantragt. Das hat zwar große Schwierigkeiten gegeben, aber sie kann jedenfalls hierbleiben und ich fahre auch mit ihr zur Ostsee."
Kurz vor 15 Uhr stellte sich durch einen Anruf heraus, daß er seinen Wagen, der sich in der Werkstatt befand, nicht zum vereinbarten Zeitpunkt bekommen kann, und durch einen zweiten Anruf stellte sich heraus, daß er auch den Wagen von der Hagen nicht benutzen konnte, was für diesen Fall geplant war, da die Hagen mehrere Tage in Babelsberg zu tun habe. Biermann änderte daraufhin die Konzeption und sagte: "Nun gut, dann fahre ich übermorgen, also Mittwoch oder Donnerstag. Wenn mein Wagen dann noch nicht fertig ist, Eva, so kann ich wohl Deinen nehmen?" Sie antwortete, daß sie dann in Babelsberg fertig sei, er könne ihn also nehmen.
Ich erinnerte Biermann dann um 15 Uhr daran, dass er sich um 15 Uhr mit seiner Mutter treffen wolle, die in seiner Wohnung war. Er sagte, er wisse das, aber er wolle mir schnell noch ein paar Lieder vorsingen. Er sang daraufhin einen amerikanischen Song, den er übersetzt hatte, begleitete sich mit der Gitarre, und sang dann mit der Hagen noch zwei Lieder, auch amerikanische Songs. Eines drehte sich um die 'Widerwärtigkeiten der Welt', das andere war ein Antikriegslied, meiner Ansicht nach völlig neutral.
Wir fuhren dann in Richtung Hackeschen Markt. Ich hatte ihm gesagt, dass mein Kumpel mich erwartet, daß ich vorher noch zu Sch... will. Da seine Wohnung in der Nähe lag, hat er mich eingeladen, mitzufahren. Unterwegs sagte die Hagen zu ihm: "Wolf, ich möchte gern eine neue Pelzmütze." Er: "Na, ich habe Dir doch vor einem Jahr meine geschenkt!", Sie: "Mit Ohrenklappen, ich möchte eine ganz moderne haben." Sie hat ihm beschrieben, welche Mütze sie haben will. Nach längerem Hin und Her lies er sich erweichen und sagte "Kauf Dir doch eine!" Daraufhin freudestrahlend sie-. "Heute noch?" Er: "Mach doch, was Du willst!" Wir waren also auf dem Hackischen Markt, die Hagen stieg aus. Ich saß hinten drin. Sie hatten den Skoda Felicitas, also einen zweitürigen Wagen, kroch dann hinaus, stand schon auf dem Bürgersteig, hatte mich aber in den Wagen gebeugt, weil ich noch mit Biermann sprach. Da klopfte sie mir auf die Schulter und sagte: "Also dann auf Wiedersehen, Herr L.., und wenn Sie hier in Berlin zu tun haben, besuchen Sie uns auf alle Fälle wieder und lassen Sie den Kopf nicht zu sehr hängen." Er sagte ungefähr dasselbe zu mir, ich solle sehen, daß ich bei Sch... klarkomme, damit ich einige Pfennige mehr in die Hand bekomme, als das, was jetzt mein lächerliches Gehalt ausmache. Ich habe dann beobachtet wie Biermann den Wagen wendete und vor das Geschäft fuhr, in das die Hagen gegangen war, um Weintrauben zu kaufen. Als wir mit unserem Wagen vom Parkplatz des Hackeschen Marktes runterfuhren, wendete er seinen Wagen wieder in Richtung Chausseestraße, wo er auch hinwollte. Die Hagen befand sich mit im Wagen. Biermann erzählte mir im Verlaufe des Gespräches in Anwesenheit der Hagen, daß sie zwar schon seit Monaten ihre Gage vom Fernsehen bekommt, aber nicht mehr aufzutreten braucht. Daraufhin sagte ich, daß ich auch mal so leben möchte. Daraufhin sagte sie, ihr wäre es umgedreht lieber, sie möchte gern für ihr Geld arbeiten. Wir kamen dann auch auf Dessau zu sprechen. Er sagte mir, daß Dessau wirklich ein prima Theater habe, 1200 Sitzplätze, so ein Theater habe Berlin kaum, offenbar meinte er das Landestheater in Dessau. Er sagte mir, daß er sich dort praktisch als Regisseur betätigt habe, und zwar als Regisseur für die Hagen. Auf meine Frage, ob man ihn denn so ohne weiteres habe agieren lassen, sagte er mir, daß es vorher eine Beratung gegeben hätte, auch mit dem Oberbürgermeister von Dessau. Nach dieser Beratung sei man sehr aufgeschlossen und freundlich gewesen und ließ ihn auch hinein. Anders war es in Stralsund. Dort mußte die Hagen auftreten, und man hatte ihr gesagt: "Wir hörten, daß Sie mit Ihrem Gatten da sind, es ist aber leider kein Stuhl mehr im Saal frei". Das habe er natürlich für einen primitiven Trick gehalten, aber er wollte die Leute nicht in Verlegenheit bringen. Er habe sich ins Auto gesetzt, ist nach Rostock gefahren, hat sich dort ein Theaterstück angesehen, ist wieder zurückgefahren und hat sie wieder abgeholt-
In bezug auf Sellhorn sagte er mir noch, daß die Konzert- und Gastspieldirektion an Sellhorn herangetreten sei mit folgendem Bemerken: "Herr Sellhorn, Sie kennen doch Biermann. Sagen Sie ihm doch bitte, daß er bei den Veranstaltungen, die Sie organisieren, nicht anwesend ist." Daraufhin hat S. gesagt: "Wenn ich Biermann das sage, kommt er mit Sicherheit, also sage ich es ihm lieber nicht." Frau Hagen berichtete sehr begeistert über ihren Auftritt in Dessa und auch in Stralsund. Ich sagte zu ihr: "Merken Sie nicht, daß Sie allmählich aus Berlin herausgedrängt werden, daß Sie in die Provinz abgedrängt werden?" Daraufhin sagte Biermann: "Das ist durchaus nicht der Fall, und außerdem ist es wichtig, daß wenigstens einer von uns beiden populär bleibt."
Ich habe den Eindruck, daß bei der Verabschiedung die Worte der beiden durchaus ehrlich gemeint waren. Ich muß bemerken, daß die Hagen mir gegenüber immer relativ reserviert war. Sie war es auch am 31. Ihre Distanz gab sich eigentlich erst in dem Moment, als wir davon sprachen, daß meine Frau schwanger sei, und als intensive Beratungen durchgeführt wurden, wie man dieses Problem beseitigen könne. Daß Frau Hagen mir gegenüber reserviert war, kann sich auf folgendes zurückführen lassen.
Einmal ist ihr bekannt, daß ich sehr häufig bei Frau S. verkehrt habe, der ehemaligen Geliebten von Biermann, und z. a., daß Frau S. und ich uns prima verstehen. Frau Hagen muß darin natürlich immer eine Belastung ihres Verhältnisses sehen, weil sie annehmen muß, daß ich Biermann hinter ihrem Rücken gegen sie im Interesse der S, beeinflusse. Z. a. hatte ich Biermann gegenüber mal die Bemerkung gemacht "Du tauschst die S. gegen die Hagen ein". Ich hatte durchblicken lassen, daß die Hagen eigentlich nach allem, was ich gehört habe, eine Hure sei. Ich habe den Ausdruck 'Hure' nicht wortwörtlich gebraucht, aber ich habe das durchblicken lassen. Dabei bezog ich mich im wesentlichen auf die Meinung von Frau S., die natürlich parteiisch ist, aber auch auf die Meinung von Frau ......., die in der Nähe der Hagen wohnt und mir erzählt hat, daß die H. sehr häufig Männerbesuch hat, daß viele Autos vor der Tür stehen, dass der ganze Stadtbezirk über die Hurereien von der Hagen spricht.
Zurückkommend auf die Bemerkung, die durchblicken ließ, daß ich auf Grund dieser Informationen die Hagen für eine Hure halte, konnte ich feststellen, daß Biermann ziemlich reserviert wurde - eine Erscheinung, die immer bei ihm festzustellen war, wenn man derartige Meinungen über eine seiner zahllosen Geliebten äußerte. Ich habe zu B. gesagt: "Du mußt das besser einschätzen können, ich kenne sie ja nicht. "Daraufhin sagte er ziemlich kurz: "Na eben."
Dieses eben angeführte Gespräch liegt ungefähr ein halbes Jahr zurück, und zwar fällt es genau auf den Zeitpunkt, als sich die offizielle Trennung zwischen Biermann und S. vollzog, und es offenkundig wurde, daß Biermann mit der Hagen ein Verhältnis hatte. Dazu ist zu bemerken, daß Biermann, bevor es offiziell bekannt wurde, in etwa schon ein Jahr vorher ein Verhältnis mit der Hagen hatte. Dieses Gespräch fällt etwa zusammen mit der Geburt seines Sohnes J...., zu diesem Zeitpunkt schied auch das Verhältnis S. Biermann.
gez. "Hans Lamprecht"
Gef. 2 Ex. je 9 Blatt
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 26. November 1966/Hei
26//A 10 791/ 58 /66
Bd 715
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM - Bericht:
Eva Maria H. erkundigt sich am 26.11.66 gegen 15,00 Uhr bei dem Herrn B., Wolf nach dem Befinden und teilt ihm mit, daß sie in Dresden wieder im Hotel "Tourist" wohnt. Morgen hat sie 2 Vorstellungen und dann wird sie zur DEFA fahren.
Herr B. unterbricht sie und führt an, daß heute von dem Fernsehfunk eine Mitteilung gekommen ist. Sie soll eine kleine Rolle übernehmen und ein Herr Hübner hat das Manuskript an sie abgeschickt.
Eva dankt. Sie wird sich morgen gleich mit dem Fernsehfunk in Verbindung setzen .
Am Montag wird sie nach Großenhain fahren und am Dienstag ist sie dann wieder in Dresden. Wenn er zu ihr kommen möchte, könnte er höchstens am Dienstag kommen. Herr B. gibt ihr hiernach zu verstehen, daß er jetzt 2000.- MDM bekommen hat. Bei diesem Geld handelt es sich um Westgeld was 1:1 umgetauscht und auf sein Konto überwiesen wurde. Wenn sie Geld brauchen würde, könnte sie sich an ihn wenden. Er möchte ja gern bei ihr sein.
Eva bittet ihn, der Emma viele Grüße zu bestellen. Sie wird sich morgen noch einmal bei ihm melden. Sie wird ihm dann auch sagen, wann sie sich sehen können.
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 17. November 1966/Weg.
26/A 10791/42
Bd. 396
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 17. 11. 1966 gegen 14.10 Uhr teilt Frau Eva-Maria H a g e n - sie war nicht in Berlin - dem Wolf B. mit, daß sie den Schlüssel mit der Frau Gerdi ..... aus der Gürtelstraße 17 a mitgegeben hat. Sie wird zwischen 6 und 7 Uhr zu Hause sein. Wolf möchte sich aber vorher unter der 58 855 73 anmelden.
Das wird Wolf machen. Er hat nach Eva große Sehnsucht. Für ihn ist es schlimm, wenn er sie nicht sieht. Er vermißt sie sehr. Deshalb seine Frage, ob sie ihn noch liebt.
Eva bejaht.
Wolf glaubt, daß er das auch dringend nötig hat.
Eva hat jetzt sehr zu tun. Sie hat auch wenig geschlafen. Hinzu kommt, daß sie wieder mit ihrem Hautjucken zu tun hat.
Wolf erzählt anschließend, daß er für sie englischen Tee hat. Eva erklärt darauf, daß sie sich morgen wieder melden wird. Darauf wartet Wolf sehr. Es interessiert ihn aber, ob sie dann bei Beyreuters ist.
Eva nimmt es an.
Wolf freut sich, wenn sie sich wieder meldet. Er wird dann in der Zelterstraße sein. Heute nacht hat er bei sich geschlafen, da heute die Kohlen kommen sollten, die dann aber doch nicht kamen.
Eva bittet dem Wolf auf die Nina zu achten, denn sie macht sich Sorgen. Dies möchte er auch der Haushälterin sagen.
Wolf wird sich darum kümmern.
Vielleicht meldet sie sich auch heute abend schon, denn zur DEFA braucht sie nicht.
Darüber ist Wolf froh. Er bedauert nur, daß sie Eva nochmals gefärbt haben.
Eva wird jetzt losfahren, da sie noch etwas schlafen wird. Sie fährt mit einem Wolga. Auf alle Fälle kann sie sagen, daß sie Sehnsucht hat. Sie bestätigt auch Wolfs Frage, ob sie immer an ihn denkt. Sie denkt immer an Wolf. Beide küssen sich.
Wolf stellt abschließend noch die Frage, wann sie wieder in Dresden ist. Diese Frage wird aber von der Eva nicht mehr beantwortet, da sie die Unterhaltung beendet.
Wegner
Hauptabteilug XX/3 Berlin, den 18. 11. 1966
I n f o r m a t i o n
Wie die Quelle aus ihrem Bekanntenkreis erfahren konnte, tritt im gegenwärtigen Programm des Varietés "Am Steintor" in Halle die Eva-Maria Hagen auf. Sie singt dort sogen. "freche Liedchen". Der Text stammt von Wolf Biermann, ohne daß das im Programm angekündigt ist.
Näheres dazu ist der Quelle nicht bekannt.
Stiel, Major
FdRdA: .................
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 19. November 1966/Weg.
26/A 10791/48/66
Bd. 589,766
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 18. 11. 1966 nach 23.00 Uhr berichtete Frau H a g e n, Eva-Maria dem Wolf B., daß sie jetzt in Dresden ist.
Wolf ist auch erst eben nach Hause gekommen, wird aber gleich in die Zelterstraße fahren. Er war heute abend in der Staatsoper und sah sich dort die Uraufführung des Requiems von Kurt W e i l l an sowie die "Sieben Todsünden". Spät abends sah er sich dann auch noch den B r e c h t Abend mit der Vera O e l s c h l e g e l an.
Dieser Abend war aber nach Wolfs Meinung beschissen. Es war Wolf schon peinlich gewesen, wobei es Wolf auf der anderen Seite auch leid tat. Er konnte auch gar nicht verstehen, daß die Vera nicht merkte, wie das Publikum reagierte, sondern immer wieder Zugaben machte. Dadurch waren die Leute erst recht sauer. Wolf betont, daß die Vera nicht singen kann.
Eva wendet ein, daß sie sich das gar nicht vorstellen kann. Die Vera war doch schon in Polen und WD usw... Da muß sie doch singen können. Wenn Wolf es jetzt aber so sagt, wird es schon stimmen, denn er hat ja davon Ahnung.
Wolf kann nur sagen, daß die Vera keine Stimme hat. Ihr Erfolg kommt nur daher, daß sie gemanagt wird, eine Künstlerin ist es aber nicht. Sie stand gestern vor einem gebildeten Publikum, das der Vera ganz kalt gegenüber saß und nur aus Höflichkeit klatschte, sie das aber nicht merkte sondern immer wieder Zugaben machte.
Beide kommen dann auf Nina zu sprechen. Wolf berichtet, daß er mit ihr einen Zusammenstoß hatte, sie sich jetzt aber wieder vertragen haben. Für Wolf ist es schwer, da er über Nina keine Macht hat.
Eva wird im Dezember wieder nach Halle gehen und sich vorher mehr um Nina kümmern, wenigstens ein paar Tage.
Wolf hat jetzt jede Nacht dort geschlafen, ist auch früh aufgestanden, um mit der Nina zu frühstücken. Außerdem hat er sich auch ihre Schularbeiten angesehen und mit ihr darüber gesprochen. Eva braucht sich also keine Sorgen machen. Eva macht sich doch welche. Sie ist ja das letzte halbe Jahr schon kaum noch zu Hause und Nina wird doch dadurch nur fremd. Eva wird morgen abend wieder frei haben, am Sonntag ist sie dann in Pirna und Montag hat sie wieder frei. Am Dienstag wollte sie etwas erledigen. Am 25. wird sie dann wieder in Dresden sein, während sie am 26. in Dessau (o. ä.) ist. Am Sonntag ist nichts, wobei hier die Möglichkeit besteht, daß es auf den 30. verlegt wird. Am 1. wird sie dann wieder in Halle sein. Eva wird es sich überlegen, ob sie dann am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nach Hause kommt, eventuell kann sie schon am Montag fahren.
Wolf würde gern kommen, denn wenn Eva morgen und Sonntag frei hat, könnten sie ja zusammen sein.
Das würde Eva auch gern sehen.
Leider ist aber Emma hier. Wolf wird aber mit ihr sprechen. Das lehnt Eva ab, denn wenn Emma schon einmal hier ist, soll er sich um sie kümmern.
Wolf möchte sodann wissen, ob Eva das Manuskript gelesen hat. Eva verneint. Sie will es aber trotzdem weiter machen, denn den Grund kennt Wolf ja.
Eva bemerkt in der weiteren Unterhaltung, daß sie mit dem VW einen Unfall hatte, wobei sie aber nicht der Schuldige ist. Es ist auch weiter nichts passiert, nur der Kotflügel ist eingebeult.
Wolf ist schon froh, daß ihre Kotflügel nicht beschädigt wurden, daß Auto werden sie schon wieder reparieren lassen.
Da Wolf doch die Absicht hat Eva in Dresden zu besuchen, fragt er wo sie wohnt.
Eva wohnt in Dresden in einer Pension die unter 35 468 zu erreichen ist. In Babelsberg wohnte sie im Gästehaus, wobei sie die letzte Nacht bei .... (o. ä.) schlief. In diesem Zusammenhang erwähnt sie, daß sie Wolf von ...... grüßen soll. Wolf erwidert diesen Gruß mit dem Hinweis, daß sie auch den grüßen soll, denn er hat Eva ja immer gefahren. Eva wird es machen.
Am 19. 11. 1966 gegen 8.35 Uhr erkundigt sich Wolf B. bei der Zugauskunft, wann heute gegen mittag ein Zug von wo nach Dresden fährt. Eine Dame erläuterte, daß gegen 12.31 Uhr ein Zug nach Dresden vom Ostbahnhof fährt, der dann gegen 15.59 Uhr in Dresden ist.
Gegen 8.40 Uhr erzählte Wolf B. einer Dame aus Dresden, daß er der Mann der Frau H a g e n, Eva-Maria ist. Er bittet Eva nun auszurichten, daß er heute gegen 15.59 Uhr in Dresden eintrifft. Sie möchte ihn dann vom Bahnhof abholen.
Die Dame wird es ausrichten, weiß aber gar nicht, ob Frau H. heute gekommen ist.
Wolf bejaht dies, denn er hat ja schon gestern abend mit ihr gesprochen.
Die Dame glaubt, daß Frau H. dann noch schläft.
Gegen 8.40 Uhr teilt Wolf B. einen Herrn aus Dresden mit, daß er heute in Dresden sein wird. Nun hätte er den Herrn gern besucht. Der Herr wird heute zu Hause sein, hatte aber die Absicht ins Kino zu gehen.
Dann soll er ruhig gehen, denn Wolf wird auch übermorgen noch in Dresden sein.
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Aktenkundig
(1967)
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Berlin, 1. Januar 1967
26/BA/19/66/822-HG
Informationsbericht
Auszug aus einem - GI - Bericht vom 1. Januar 1967. 21.43 Uhr
Herr Bunge meldet sich bei Eva-Maria Hagen. Beide wünschen sich alles Gute für das neue Jahr. Eva möchte wissen, wie sie in das neue Jahr gekommen sind. Herr Bunge teilt mit, daß sie bei Paris gewesen sind. Es waren sehr viel Leute dort, es war aber sehr lustig. Sie sind aber gegen 2.00 Uhr nach Hause gegangen. Herr Bunge erkundigt sich, wie sie in das neue Jahr gekommen ist. Eva antwortet, es war gedämpft. Sie waren im kleinsten Kreis zusammen. Eva spricht hier von ihrer Arbeit. Herr Bunge teilt mit, daß er von dem Perten kurz vor Weihnachten ein Angebot bekommen hat. Eva bemerkt dazu, daß ihr das der Heiner Müller erzählt hat, der war neulich bei ihr. Sie meint, daß er dann doch nach Rostock müßte. Herr Bunge antwortet, daß das noch eine große Frage ist. Er erwähnt, daß er im Frühjahr das "Flüchtlingsgespräch" inszenieren wird. Was dann wird, muß man erst einmal sehen. Jedenfalls hat er ihm einen Zweijahresvertrag angeboten. Eva meint, daß sie sofort nach Rostock gehen würden, wenn sie könnte. Sie möchte sofort für zwei Jahre aus Berlin heraus. Herr Bunge erwähnt, da der Perten ihn als völlig gleichberechtigt akzeptiert, würde er es nicht so schwer haben. Er bemerkt, daß sie die Wohnung nicht aufgeben wollen, Herr Bunge erkundigt sich, wann sie wieder einmal in Berlin ist, da könnten sie sich doch einmal sehen. Sie sollte sie doch einmal besuchen. Sie ist immer herzlich eingeladen. Eva bedankt sich, das ist ihr sehr willkommen. Eva berichtet, daß sie am 16. Januar eine Aufzeichnung hat. Dann will sie eine zeitlang nichts machen. Eva erwähnt, daß sie während dieser Zeit noch einmal hier ist. Sie hatte doch einen Zusammenstoß mit der Polizei, sie muß deshalb noch einmal zur Kriminalpolizei. Das hat man Herrn Bunge schon erzählt. Er weiß im Moment nicht, wer ihm das erzählt hat. Eva meint, daß das mit Aufregung verbunden war, die haben sich ganz schön blöd benommen. Sie wird ihm das mal genau erzählen. Herr Bunge erwähnt, daß er beim Fernsehen jetzt auch etwas macht, nachdem der Perten ihn rehabilitiert hat, es geht um Liebeslyrik mit Kaiser und May. Das wird im Februar aufgezeichnet. Eva meint, daß das herrliche Aussichten sind. Beide verabschieden sich bis nach dem 16. Januar.
F.d.R.d.A. Herzog
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 12. Januar 1967
26/BA/19/66/528-Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 12. Januar 1967
11.17 Uhr
Eva H. unterhält sich mit Frau Blume vom Besetzungsbüro des Fernsehfunks. Eva erzählt, daß sie gestern abend noch mit Herrn Holup (o.ä.) gesprochen hat. Dabei mußte sie erfahren, daß sie wieder nicht für diese vorgesehene Rolle eingesetzt werden soll. Es ist die Rolle in dem Stück: "Eins ins andere". Diesbezüglich hatte sie dann auch mit Herrn Holup eine heftige Auseinandersetzung. Sie hat in diesem Jahr noch nicht für den Fernsehfunk gearbeitet, obwohl sie ja immer ihr Geld bekommt. Sie hat das Gefühl, daß man sie abschieben will. Frau Blume wirft ein, daß dieses nicht der Fall ist, Frau H. soll sich von einem solchen Gedanken frei machen. Eva entgegnet, daß an sie in diesem Jahr fünf Sachen herangetragen wurden die aber dann doch immer anderweitig besetzt oder vorher abgesetzt wurden. Sie ist der Meinung, daß sie diese Sache einmal ansprechen muß, da es ihr unangenehm ist, daß sie immer Geld bekommt und nichts dafür leistet. Frau Blume findet es richtig, daß sie Herrn Holup einmal ihre Meinung gesagt hat, obwohl er selbst nichts dafür kann. Frau H. soll aber den Gedanken von einer Abschiebung fallen lassen.
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HA XX/1 Berlin, 20. Januar 1967/We
Gen. Stange 26 / A 10 791 / 113 / 66 Bd. 55
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 20. 1. 67 gegen 16.50 Uhr berichtet ein Herr dem Herrn B., daß er für den 24. noch zwei Karten bekommen hat. Es sind aber zwei Plätze, die hintereinander und nicht neben einander liegen. Andere zu bekommen, war nicht mehr möglich. Herr B. ist der Meinung, daß das nicht schlimm ist.
Der Herr will die Karten beim Pförtner abgeben und dort kann sie sich Herr B. abholen.
Herr B. bedankt sich für die Bemühungen und man verabschiedet sich.
Gegen 18.50 Uhr berichtet Frau Hagen aus Babelsberg, daß sie bis jetzt gedreht haben. Morgen früh um 7.00 Uhr hat sie schon wieder Kostümprobe. Bei der Nina hat sie sich auch schon gemeldet und erfahren, daß Frau Helmut nicht mehr da ist.
Frau Hagen findet es nicht schön, wenn Nina alleine ist. Herr B. will geleich zu Nina fahren. Er hatte gedacht, daß Frau Helmut da ist. Er möchte dann wissen, was sie beide machen, wenn Frau Hagen morgen schon wieder um 7.00 Uhr in Babelsberg sein muß.
Frau Hagen bringt zum Ausdruck, daß sie bestimmt nicht vor 11.00 dran sein wird. Überhaupt war es auch heute nicht besonders. Die Leute waren alle so unfreundlich. Darüber will sie ihn aber morgen in Ruhe berichten. Wenn sie heute noch kommt, müßte sie um 23.00 Uhr ins Bett gehen und morgen um 6.00 Uhr wieder aufehen.
Herr B. würde gerne sehen, wenn sie kommen würde. Auf der anderen Seite wäre es nicht günstig, da sie nicht viel schlafen könnte. Frau Hagen will sich erkundigen, ob sie später kommen kann.
Sollte sie nicht kommen, meldet sie sich noch bei ihm.
Herr B. berichtet dann, daß er Karten für den 24. bekommen hat.
Frau Hagen freut sich darüber. Sie möchte wissen, was er macht.
Herr B. hat heute gearbeitet und wird jetzt noch das fertig machen, woran er arbeitet.
Wenn Frau Hagen heute nicht mehr kommt, wird sie morgen nachmittag da sein.
Herr B. ist der Meinung, daß sie sich die Fahrt sparen soll es sei denn, sie fühlt sich dort nicht wohl.
Frau Hagen fühlt sich dort nicht wohl.
Herr B. bringt zum Ausdruck, daß sie dann gleich kommen soll. Frau Hagen meldet sich noch einmal.
Wentzlaff
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 9. Februar 1967
26/B/19/66/550 -Fi
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. 2. 67
Im Beisein von Roger M e l i e s proben Eva und Wolf das Lied "Der Traum". Nina kommt auch noch hinzu. Wolf stellt ihr Roger vor. Er erklärt ihr, daß das der Mann ist, der die schönen Fotos gemacht hat, die hier hängen. Danach proben Eva und Wolf die Lieder "Komm lieber Franz, noch einen Tanz" und "Sie hatten sich beide von Herzen lieb". Roger erklärt der Eva etwas von Fischaugen-Kameras (?). Wolf spielt dabei Gitarre. Er macht den Vorschlag, daß sie zum Schluß ein Bild machen, auf dem Eva und er drauf sind. Er erzählt, daß es im Westen einen Fotografen gibt, der seine Bilder immer an den "Spiegel" liefert. Der lebt aber nicht von seinen Fotografien, sondern davon, daß er sich dafür bezahlen läßt, daß die Bilder nicht veröffentlicht werden. Meistens macht der immer Bilder von Politikern. Die sind so scheußlich auf den Bildern, daß sie ihm jede Summe zahlen, damit er ihnen das Negativ gibt.
F.d.R.d.A.: Fischer....
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XX/1, Gen. Brosche
Berlin, 8. Februar 1967
26/BA/19/66/551 -Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 8. Februar 1967
(13.45)
Wolf Biermann erkundigt sich bei Wolf-Dieter Schulz, Inhaber einer Kfz.-Reparaturwerkstatt in Bln.-Hohenschönhausen, Waldowstr. 26, wann sein Wagen gespritzt wird.
Herr Schulz sagt ihm, daß er morgen rüber fährt. Er ruft dann Wolf an, um den Termin mitzuteilen. Wolf ist einverstanden. Er meint zu Herrn Schulz, daß er ja beide Nummern hat. Abschließend bemerkt Wolf, daß neulich ein Mann eine Hacke brachte, die er von Herrn Schulz geliehen hat. Herr Schulz erinnert sich. Er sagt, daß wäre der dicke Paule gewesen. Herr Schulz bedankt sich für den Hinweis. (Beide sprechen sich mit du an.)
(14.13)
Eva fragt Wolf, wie es ihm geht. Er antwortet: „Gut.“
Eva sagt, daß sie ein Telegramm erhalten hat. Text: Brief erhalten. Zusätzlicher Besuch momentan ungelegen. Matthias.
Eva fragt, ob er dort hingeschrieben hat. Wolf antwortet, daß die beiden Jungen von Robert mal rauffahren wollten. Wolf sagt zu Eva, daß sie nicht wegfahren soll, ohne daß er es weiß. Er fragt, ob sie ihn noch leiden kann. Sie sagt: „Ja“. Eva schildert Wolf den gegenwärtigen Zustand ihres Autos. Es wäre sehr hart gefedert. Aber sie fuhr heute mit 140 von Dessau nach Berlin. Die Wolgas hat sie alle abgehängt. Danach beschwert sie sich bei Wolf, daß er sie nicht fragt, wie es ihr geht und wie sie gespielt hat. Sie meint, daß er sie in letzter Zeit enttäuscht. Wolf sagt, daß sie nicht ungerecht sein soll. Er hat eben in Dessau angerufen, sie war aber schon abgefahren. Eva fragt Wolf, was sie gestern gemacht haben. Wolf antwortet, daß gestern noch die beiden von S ü l z (o.ä.) bei ihm waren. Er soll sie von denen schön grüßen. Am Abend war er dann noch bei Robert.
Eva sagt, daß eben die Nachbarin rauskam. Sie sagte, daß sie der Nina die Schlüssel gegeben hat und daß Nina nicht zuverlässig wäre. Eva bemerkt, daß sie die Wohnung vermietet hat, sie bekommt ihre Miete und was die sich jetzt einbildet. sie (die Nachbarin) muß doch der Brigitte den Schlüssel geben.
Wolf meint, daß er das der Nachbarin auch schon gesagt hat. Eva meint, daß sie das ja geahnt hat.
Wolf sagt zu Eva, daß die Chinesen frecher sind. Eva wundert sich über diese Bemerkung und fragt wieso.
Wolf antwortet: Weil sie (die Nachbarin) Frau Russ heißt. Eva lacht darüber.
Wolf fragt Eva, ob sie gehört hat, was da los ist. Eva sagt, daß sie heute noch keine Zeitung gelesen hat. Wolf meint, daß sie dort ganz schöne Tänze aufführen.
Eva sagt, daß sie wohl die "diplomatische Mission" abbrechen wollen. Wolf erwidert, daß es wahrscheinlich so wlrd. Es zielt alles darauf hin, von den Chinesen aus. Wolf sagt, daß sich die Mitglieder der Botschaft in Peking nicht mehr ernähren können, sie kommen nicht mehr raus. Vor der Botschaft brennen Feuer, wo Scheiterhaufen errichtet werden, auf denen die Staatsmänner verbrannt werden.
Entrüstet sagt Eva: "Wie kann denn Mao, dieser kluge Staatmann, so etwas zulassen."
Wolf meint, daß es wahrscheinlich nicht mehr in seiner Gewalt liegt. Eva sagt, daß sie ihm alle untertan sind. Sie würden doch alle Mao lieben. Ein Wort von Mao und sie schlagen sich mit Mao-Büchern.
Wolf sagt: "Aber nur mit den Büchern. Es muß ja nicht identisch sein mit Mao." Eva erwidert, wenn er (Mao) es wollte, dann könnte er das verhindern.
Wolf weiß es nicht. Eva sagt, daß er paar Truppen aufmarschieren lassen könnte. Wolf meint, daß er das nicht weiß und man kann ja nicht wissen, ob er noch lebt. Eva bemerkt, daß man solche Spekulationen nicht stellen darf. Wolf fragt: "Warum eigentlich nicht."
Wolf spielt auf dem Klavier.
Sie vereinbaren, daß sie zusammen mit Emma spazieren gehen wollen. Sie soll Wolf noch Bescheid sagen.
( 17.05
(....) Wolf fragt, ob Eva zu ihm kommt. Wolf möchte gern mit ihr spazieren gehen. Eva ist es draußen zu feucht. Eva bittet Wolf, daß er zu ihr kommen soll. Sie können sich nicht einigen, wer zu wem kommt. Eva ist mißgestimmt. Sie wollen sich später noch einigen.
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Berlin, 9. Februar 1967
26/ BA/19/66/ 552 -Fin
Vertrauliche Dienstsache !
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 8. Februar 1967
( 18.25 )
Eva teilt Wolf Biermann mit, daß sie wieder da ist. Wolf sagt ihr, daß ihm übel ist. Er hat sich hingelegt. Er will noch eine halbe Stunde liegen, dann kommt er zu Eva. Auf eine Frage sagt Wolf, daß Emma heute nicht zu ihm kommt, weil er allein sein wollte. Wolf findet es wesentlich besser, wenn Eva jetzt zu ihm kommen würde. Eva sagt, was sie denn dort soll. Wolf hat doch die Wohnung zum Arbeiten und um allein zu sein. Die Wohnung ist sonst wunderbar eingerichtet, aber nicht wenn sie zusammensein wollen. Eva mag in dieser Wohnung nicht sein. Ihr gefällt dieses Hin und Her nicht. Wenn Wolf zu ihr will, dann muß er zu ihr kommen. Wolf bemerkt, daß er Evas Abneigung gegen die Wohnung unbegründet findet. Eva betont, daß ihre Abneigung nicht unbegründet ist. Wolf bittet Eva, daß sie sich einmal überwindet und zu ihm kommt. Eva sagt, daß es für sie nicht möglich ist. Sie hat noch einiges zu Hause zu tun.
( 20.28 )
Eva H. erkundigt sich bei Wolf Biermann, ob er heute noch einmal zu ihr kommt. Er bejaht. Eva bemerkt, daß sie keine Lust hat, herumzusitzen. Sie fährt jetzt weg. Wolf fragt, warum Eva nicht in die Chausseestraße kommen kann. Eva wiederholt noch mal, daß sie keine Lust hat, herumzusitzen. Sie ist nur wegen Wolf nach Hause gekommen. Sie fügt hinzu, daß sie ja eigentlich nach Leipzig fahren wollte. Sie bittet Wolf, daß er zu ihr kommt. Wolf sagt, daß es nicht geht, weil es ihm so schlecht geht. Er bemerkt, warum er sich bei ihr wohlfühlen soll, wenn Eva sich bei ihm nicht woh lfühlt. Eva sagt, daß sie das an dieser Stelle nicht erklären kann. Wolf macht den Vorschlag, daß sie gemeinsam essen gehen. Eva lehnt ab. Sie beginnt zu weinen.
Wolf sagt darauf, daß er jetzt zu ihr kommt. Eva sagt weinend, wenn Wolf mit Emma kommt, dann ist wieder so ein Theater hier. Wolf sagt, daß er allein kommen wird. Eva fragt weinend, warum Wolf sie so quält. Sie weiß nicht mehr, was sie machen soll. Wolf bringt sie noch zur Verzweiflung. Wolf sagt darauf, daß es umgekehrt ist. Eva sagt verzweifelt, daß Wolf nicht zu ihr kommen braucht. Wolf fragt, was überhaupt mit Eva los ist. Eva sagt, daß es Gründe hat, daß Wolf zu ihr kommen soll. Sie fügt hinzu, daß sie nicht zu Wolf dorthin kommen möchte. Wolf sollte sich auch vorher überlegen und nicht solche Sachen verbreiten, daß Eva sich in seiner Wohnung breitmachen will. Die Wohnung kann Wolf für sich haben. Wolf findet es sehr gut, daß Eva das gesagt hat. Jetzt weiß er wenigstens, worum es geht. Wolf kann schwören, daß er das niemals gesagt hat. Eva sagt weinend, daß sie auf keinen Fall dorthin kommen will. Wenn Wolf sie lieb hat, dann kommt er zu ihr. Wolf bemerkt, daß er den Verdacht hat, daß man Eva ganz gefährlich angelogen hat. Eva bittet verzweifelt, daß Wolf ihr das nicht alles an dieser Stelle sagt. Sie hält es nicht mehr aus. Eva weint verzweifelt. Eva sagt, daß sie das alles nicht begreifen kann; sie kommt da nicht mehr mit. Wolf sagt darauf, daß Eva diesen Unsinn auch nicht braucht. Eva verabschiedet sich weinend.
(Randbemerkung, handschriftlich: Unstimmigkeiten Hagen Biermann...)
( 21.45 )
Emma Biermann erkundigt sich, was mit Wolf und Eva los ist. Eva sagt, daß Wolf manchmal ein bißchen blöde ist. Auf eine Frage sagt Eva, daß sie nicht mehr hinkommen wird. Wolf hat verbreitet, daß Eva sich in seiner Chausseestraße breitmachen will. Wolf ruft entfernt, daß das überhaupt nicht wahr ist; es ist eine Lüge. Emma fragt, ob Eva sowas glaubt. Eva lacht darüber. Emma fragt, ob Eva das ernstlich meint. Eva bejaht. Emma findet das albern. Sie würde mit solch einen Menschen dann auch nicht mehr verkehren. Eva sagt, daß sie dafür nichts kann. Sie liebt Wolf. Emma sagt, daß sie nie solch einen Menschen lieben kann, der solchen Quatsch erzählt. Eva sagt, daß Wolf seine Fehler hat. Emma meint, daß Wolf das niemals gesagt hat. Sie fügt hinzu, daß Eva spinnt. Eva meint, daß Wolf das in seiner populären Art gesagt hat. Er meint das aber nicht böse. Emma bezweifelt das. Eva betonte nochmals, daß sie in diese Wohnung nicht mehr gehen wird. Emma bemerkt, wenn man liebt, muß man auch mal großzügig sein. Sie fügt hinzu, daß Wolf und Eva einen Knall und einen Vogel haben.
Emma unterhält sich dann mit Wolf. Wolf meint, daß er das nur bestätigen kann, daß Eva einen Vogel hat. Emma sagt, wie Eva so etwas denken kann. Sie ist ganz empört über Eva. Emma meint, daß Wolf aber auch einen Knall hat. Wolf meint scherzhaft, daß Emma nicht ausfällig werden soll. Wolf hat keinen Knall nur Eva. Emma erklärt, was Wolf und Eva für einen Knall haben. Emma sagt, daß sie an Wolf's Stelle nicht mehr mit Eva gehen würde, wenn sie solch einen Quatsch von Wolf denkt. Sie fragt, wer Eva diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Wolf sagt, daß Eva das nicht sagt. Emma sagt, daß sich Eva das alles nur ausgedacht hat, um wieder in ihrer Hysterie einen Grund zu haben, Wolf zu ärgern. Sie fügt hinzu, daß Wolf sich doch nicht zum Affen machen lassen soll. Emma findet das zum kotzen. Sie sagt, daß es so viel anderes gibt; Wolf und Eva sollen lieber über andere Sachen nachdenken. Emma begreift nicht, daß Eva anderen Menschen mehr glaubt als Wolf. Er bestätigt das.
F.d.R.d.A------
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 10. Februar 1967
26/BA/19/66/ 554 -Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 10. Februar 1967 _
(12.02.)
Herr B.... vom Fernsehfunk erkundigt sich bei Eva H. wegen des Parteilehrjahres. Eva H. teilt ihm mit, daß sie nicht kommen konnte. Sie hatte in Dessau einen Auftritt. Herr B. fragt, ob Eva im März mehr Zeit hat. Sie verneint. Sie schlägt vor, daß sie das nächste Mal wieder daran teilnehmen kann. Sie fragt, wann das nächste Parteilehrjahr beginnt. Herr B. sagt, daß das Parteilehrjahr immer über mehrere Jahre läuft. Sie sprechen jetzt über die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Eva H. sagt, daß sie ja dann trotzdem daran teilnehmen kann. Sie vereinbaren, daß Herr B. sich gelegentlich bei ihr meldet. Er schlägt Eva H. vor, daß sie sich einige kleine Broschüren für das Parteilehrjahr kauft. Sie kann dann schon darin lesen. Eva H. ist damit einverstanden.
F.d.R d.A. : F.....
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Berlin, 17. Februar 1967
26/BA 19/66/ 561 - Po
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 17. Februar 1967
(12.10)
Werner S e l l h o r n teilt Frau Hagen mit, daß es wieder Schwierigkeiten mit der Volksbühne gibt: man verlangt zu wissen, wer die Übersetzer der ausländischen Lieder sind. Frau H. sagt ihm, der "alte Trinker" sei von Peter Hacks übertragen worden. Die anderen Titel "Die Ballade vom Ritter" und "Der Schäfer" sind in Westdeutschland auf Schallplatten erschienen, Frau H. weiß nicht wer die Texte übersetzt hat. Sellhorn hat einen Bekannten, der entsprechende Platten hat. Er will versuchen, die deutschen Textautoren von diesem Bekannten zu erfahren.
Beide unterhalten sich dann ausführlich über den Programmablauf, kommen dabei jedoch nicht zu einem Ergebnis. Frau Hagen soll sechs Titel singen, einen siebenten Titel als Zugabe vorbereiten. In der nächsten Woche will sie zu Sellhorn kommen, um das mit ihm abzusprechen.
Sellhorn erwähnt, daß die Volksbühne bisher keinen Vertrag mit ihnen unterschrieben hat aufgrund dieser Dinge. In den letzten Verhandlungen am 17. Februar hat man gesagt, daß man die Namen der Übersetzer genau braucht. Es sei ja klar, warum, fügt Sellhorn hinzu. Er könne darüber nur noch lächeln, die Lust läßt er sich dadurch nicht mehr nehmen, obwohl er sich darüber ärgert. Man müsse sich damit abfinden.
Sie besprechen Einzelheiten des Singens, Frau Hagen will den "Traum" nicht zusammen mit dem Hootenanny-Quartett bringen, sondern allein. Außerdem möchte sie gern ein schwedisches Lied, übersetzt für sie von Peter Hacks, bringen: "Der kleine graue Vogel". Dabei würde sie zuerst kurz den schwedischen Text singen, dann den deutschen. Sellhorn erklärt, daß er das dann extra einreichen müßte. Frau Hagen meint, dann müßten sie davon absehen. Sie schlägt vor, den "Traum" zusammen mit Manfred K r u g zu singen, und erklärt sich bereit, mit Krug darüber zu sprechen. Sellhorn ist einverstanden. Über die ganzen Fragen wollen sie dann in der nächsten Woche beraten, Frau H. will sich mit Sellhorn in Verbindung setzen. Sie notiert sich die neue Telefonnummer von Sellhorn: 53 50 13. Inzwischen will Sellhorn "die in der Volksbühne nicht verwirren", sie können das ja immer noch besprechen.
(12.31)
Eva-Maria Hagen berichtet Wolf Biermann, daß Sellhorn immer noch keinen Vertrag mit der Volksbühne hat, die müßten erst die Übersetzer von den französischen Sachen wissen (lacht darüber). Biermann meint, das wären "Scheißer" - und lacht. Eva erwähnt, daß im Vertrag auch ein Passus vorgesehen ist: es darf kein Lied gesungen werden, das nicht im Vertrag ist. Falls das geschieht, wird das Honorar entzogen. Biermann entgegnet: "o Gott, o Gott"! Darauf bemerkt Eva, alles sei nur wegen Biermann. Die Unterhaltung nimmt folgenden Verlauf:
Frau H. : Das ist alles deinetwegen! (Nicht als Vorwurf gesagt)
Biermann : (lacht) Was sind das für Trottel!
Frau H. : Nur deinetwegen!
Biermann : Du, warte mal: da könnten doch die Genossen von der S t a s i , die uns dauernd ..., denen mal einen Hinweis geben, daß sie sich solche Geschichten sparen können.
Frau H. : (lacht)
Biermann : Ich meine, das ist doch peinlich -
Frau H. : Das ist wirklich dermaßen komikant -
Biermann erwähnt, nachdem Eva schildert wie ihre Suppe verbrannt ist, daß er gut gearbeitet hat. Er will jetzt zu R o b e r t fahren und ihm beim Umzug helfen. Mit Eva will er sich sehen, nachdem sie mit der Probe fertig ist.
Eva will wissen, ob Emma schon da ist. Biermann verneint, er hat für Emma einen Zettel hingelegt, da er dann nicht mehr da ist. Eva schlägt vor, am Abend zusammen ins Theater zu gehen. Biermann würde lieber ins Kino gehen, "Krieg und Frieden". Das wollen sie später ansehen, am Abend gehen sie evtl. in "Die Lerche" (Volksbühne).
FdRdA: ....
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HA XX/1, Gen. Brosche Berlin, 18. Februar 1967
26/BA 19/66/ 562 -Po
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI - Bericht vom 18. Februar 1967
(0.10)
Ein Herr aus Stockholm (Schwede) begrüßt Eva-Maria Hagen mit dem traditionellen 'Skol'. Sie fragt, wie es ihm geht, was seine Arbeit macht. Er berichtet, daß er nach 14 Tagen wieder etwas getan hat. Er hatte ein Problem in seiner Arbeit, das er noch nicht gelöst hat. Da Frau Hagen wissen will, was es ist, erläutert er ihr, es sei etwas mit "Darf nicht". Daraufhin gibt Frau Hagen ihm den Rat: "laß es nicht explodieren". Der Schwede entgegnet ihr, das sei nicht so.
Frau Hagen erzählt, daß sie zur Zeit einen Film dreht, einen "politischen, aber einen guten". Falls der Schwede einmal kommt, will sie ihm mehr erzählen.
Der Schwede fragt, weshalb sie - die "böse Eliza" - ihm nicht schreibt. Frau Hagen verspricht ihm zu schreiben. Sie wechseln in diesem Zusammenhang einige Sätze auf Schwedisch und Englisch. Auf Englisch versichert Frau Hagen noch einmal, ihm schreiben zu wollen. Nachdem sie wieder Schwedisch gesprochen haben, wobei es vermutlich um ihre Bekleidung geht, verabschieden sie sich auf Englisch. Sie wünschen sich einen guten Verlauf des kommenden Tages.
(11.15)
Jürgen Böttcher begrüßt Eva-Maria Hagen. Sie teilt ihm mit, daß Wolf Biermann noch in der Nacht in seine Wohnung in der Chausseestraße gefahren ist. Jürgen ist darüber verwundert. Eva-Maria Hagen weiß nicht, was los ist. Sie berichtet, daß Wolf sich zunächst, nachdem sie sich mit ihrem Bekannten aus Schweden unterhalten hatte, aus dem Schlafzimmer auf die andere Couch vorn zurückgezogen hat. Sie hat nicht bemerkt, daß Wolf böse war. Erst als sie das Licht ausmachen wollte, war Wolf sehr böse und ist zu sich gefahren (d.h. in seine Wohnung). Sie weiß nicht was Wolf hat.
(11.37)
Frau Hagen vereinbart mit Herrn Hellwig von der KGD Cottbus für den 14. April 1967 ihre Teilnahme an zwei Veranstaltungen (14.00/19.30) in einem Betrieb. Herrn ..., ebenfalls von der KGD Cottbus, teilt sie mit, daß sie am 18. Februar nachmittags vom ehemaligen Kino "Europa" in Grünau, Regattastraße, abgeholt werden soll. Dort hat sie vorher Probe im Fernsehprobenraum bis 16.30 Uhr.
(1142) Frau Hagen vereinbart mit einer Emma, daß sie am 19. Februar mit dieser und ihrem Mann Helmut nach Dessau fährt. Emmas Mann könne Frau Hagen dann dort auch ins Theater fahren. Ihren Wagen will Frau Hagen bei dem Ehepaar in Treptow, Karl-Kunger-Str. 57 stehen lassen. Sie wird um 10.00 Uhr dort sein.
FdRdA: ..........
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 24. Februar 1967/Weg.
26/A 10791/ /66
Bd. 512,
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 24. 2. 1967 gegen 16.55 Uhr berichtet Eva-Maria H a g e n dem Wolf B., daß sie am Sonntag Probe hat. Nun würde sie es gern sehen, wenn er zu der Ingrid wegen dieser "Sache" fährt. Wolf wird es machen.
Eva hat bis jetzt eine Stunde rumgesessen. Nun wird sie die Nacht Probe haben. Morgen möchte sie so früh als möglich fertig sein, da die Tupsi (o ä.) Vorstellung hat. Vorher möchte sie aber dort noch hin. Eventuell wird sie Wolf morgen abend anrufen. Wolf wird sich darauf einrichten. Er hofft, Eva dann gleich mitnehmen zu können, so jedenfalls wird er losfahren. Wolf wäre es sogar lieb, wenn sie schon jetzt vereinbaren wann und wo er sie abholen kann.
Eva kann noch nicht sagen, ob sie ein Auto bekommt und Wolf wollte ja auch noch zu .......
Das wird Wolf machen.
Eva denkt gerade daran, daß Wolf gleich zu ....... fahren könnte und dann in Babelsberg im Gästehaus schläft. Diese Nummer ist 76901-699. Dort kann er auch hinterlassen wo er sich aufhält.
Wolf soll auch von der Steffi noch grüßen. Es war sehr schön und Steffi sagte gestern, daß sie sich freuen würde, wenn Wolf mit der Eva einmal vorbeikommt. Dabei bemerkte sie auch, daß sie mit der Eva schon lange am Telefon gesprochen hat. Eva möchte morgen gegen 9 Uhr von Babelsberg abfahren. Sie möchte zeitig zur Tupsi und abends dann mit zur Vorstellung. Am Sonntag ganz früh muß Eva dann gleich wieder nach Berlin. Nach dieser Probe muß sie gleich nach Dessau. Sie hat ja schon versucht diese Probe zu schwänzen, aber man ist der Meinung, daß sie ihre privaten Dinge ein anderes Mal erledigen kann. Mit der Regisseurin braucht sie nicht mehr sprechen, denn diese lehnte es gestern schon bei der Probe ab.
Eva interessiert es, ob der Otto noch da ist.
Das verneint Wolf, denn dieser fuhr heute weg.
Eva ist zur Zeit unter 477 oder 476 zu erreichen. Dies ist die Aufnahmeleitung.
Beide verbleiben somit bis heute abend.
Wegner
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HAXX/1
Gen. Brosche
Berlin, 14. März 1967
26/BA 19/66/ 589-Po
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
(19.16) Herr Baetz von der DEFA verhandelt mit Evamaria Hagen über Termine wegen einer Kostümprobe. Dabei erwähnt er, daß Prof. Maetzig ursprünglich in der nächsten Woche mit dem Drehen beginnen wollte. Daraus wird aber noch nichts. Erforderlich ist zunächst also nur die Kostümprobe. Frau Hagen weiß noch nicht genau, ob sie am kommenden Montag in Babelsberg vorbeikommen kann, sie hat noch einen anderen Drehtermin für die DEFA am gleichen Tag in Magdeburg. Falls daraus nicht wird, kommt sie zur Anprobe. Baetz notiert sich, wie Frau Hagen in Dessau am Landestheater zu erreichen ist. Frau Hagen bestätigt den Eingang eines Drehbuches.
(20.32)
Evamaria Hagen unterhält sich mit Wolf Biermann. Sie findet, daß die Verabschiedung auf der Straße nicht sehr schön war. Beide verharren aber bei ihren Standpunkten, daß sie recht hatten. Aus der Unterhaltung geht hervor, daß Biermann, ohne sich zu verabschieden, weitergefahren ist zur Chausseestraße.
Evamaria Hagen erwähnt, daß sie zu Hause nichts mehr zu essen gefunden hat, nur Brot. Sie wollte sich etwas zu essen holen bzw. essen gehen, hat aber kein Geld mehr. Sie hätte Biermann das letzte Geld (Bargeld) gegeben. Das könne er nun auch behalten. Auf das Angebot von Biermann, ihr jetzt noch Geld zu bringen, geht sie nicht ein. Sie erklärt, daß sie nun nichts mehr essen will. Am 15. März fährt sie zum Drehen zur DEFA. Vorher will sie Geld abheben. Biermann bittet sie, sich vorher mit ihm in Verbindung zu setzen, bevor sie von der DEFA abgeholt wird. Frau Hagen sagt dazu nichts. Beide wünschen sich eine gute Nacht.
(20.40)
Fritz Cremer lädt Biermann und Evamaria Hagen zu einem Atelierbesuch ein. Er erwähnt, daß in den nächsten Tagen eine Figur abgeholt wird, die sie sich ansehen sollten. Frau Hagen bittet Cremer, sich deswegen mit Biermann selbst in Verbindung zu setzen.
FdRdA: ......
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HA XX/1
Gen. Brosche
Berlin, 6. April 1967
26/B/19/66/613/Höf
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 29. 3. 1967
Unterhaltung zwischen Wolf B., Eva-Maria H. und ihrer Mutter. Sie sprechen über das Wohnungsproblem. Wolf bemüht sich sehr darum, daß Eva Kontakt mit seiner Wohnung bekommt, damit sie ihren Lebenskreis erweitern kann und sich nicht in ihrer Wohnung einigelt. Wenn Wolf beispielsweise Besuch in ihrer Wohnung empfängt, der Eva nicht genehm ist, dann könnte sie sich doch in seine Wohnung verziehen. Er findet es wunderbar, daß sie zwei Wohnungen haben. Wenn Otto einmal nach Berlin kommt, dann kann er in Wolfs Wohnung leben. Eva gefällt es nicht, daß sie laufend zwischen zwei Wohnungen hin- und herpendeln. Wolf erklärt Eva, daß sie doch zwei gleichwertige Menschen sind. Wenn sie auch zusammen gehen, so heißt es doch mitunter, gewisse Abstände zu machen. Er schlägt ihr vor, in seiner Wohnung ein Zimmer zu nehmen und dieses nach ihrem Geschmack einzurichten, damit sie sich bei ihm wohlfühlt.
F.d.R.d.A.: .............
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27. Februar 1967
26/BA 19/66 569 - Po
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
(20.04)
Achim Hartmann teilt Frau Hagen mit, daß die für die "Volksbühne" vorgesehene Veranstaltung "Jazz und Volkssong" ausfällt. Es sei alles gestorben; aber er habe alles gerettet. Er nimmt an, daß er mit der Volksbühne so klarkommt, daß sie die Veranstaltung wiederholen. Unter anderem hat Hartmann erreicht, daß in der Presse mitgeteilt wird, die Veranstaltung falle wegen Erkrankung aus. Die (tatsächlichen) Gründe, teilt Hartmann mit, hängen eng mit der neuen kulturpolitischen Linie zusammen, unter dem "Oberwort: DDR-Kunst für DDR-Bürger". Das von ihnen eingereichte Programm wich zu sehr von dieser Linie ab.
Herr Holan von der Volksbühne teilte am 24. Februar nachmittags mit, daß er sich im Einvernehmen mit dem Ministerium gezwungen sieht, die Veranstaltung abzublasen. Vormittags hatte Holan noch von Sellhorn gefordert, das Programm bis zum 27. Februar umzustellen.
Frau Hagen erinnert an die vertraglich schon vereinbarte Bezahlung. Hartmann erläutert, daß es für ihn wichtiger ist, die Veranstaltung in vier oder sechs Wochen durchzuführen als jetzt derartig nur das Geld zu erhalten. Frau Hagen erklärt, daß das für sie einen Ausfall bedeutet. Sie hatte für den Termin auch andere Angebote. Hartmann lasse sich ja von der Volksbühne erpressen. Hartmann vergewissert sich, ob Frau Hagen der Meinung ist, man sollte für den 4. (März) erst einmal das Geld fordern, eine Wiederholung wäre dann eine andere Sache. Nachdem Frau Hagen bejaht hat, meint Hartmann, das würde er aber nicht für besonders diplomatisch halten. Neben den Honorarkosten hätte die Volksbühne ja auch die bereits entstandenen Werbekosten. Das wäre dann aber für sie keine Basis, mit der Volksbühne noch einmal etwas zu machen. Dem stimmt Frau Hagen zu, stellt aber dann fest, daß die Werbekosten sowieso investiert sind. Sie wären doch keine Laienkünstler, es sei ihr Beruf. Da könne man nicht von heute auf morgen absagen. Das müsse bezahlt werden. Hartmann erklärt, daß ihm diese Haltung von Frau Hagen "irgendwo" gefällt. Er läßt sich aber nicht auf weitere Diskussionen dazu ein, sondern berichtet, daß er sämtlichen weiteren Absagen selbst die Krone abgebogen hat: er hat alle Leute, die noch nicht genau informiert waren, verständigt, daß das Programm ab sofort "Jazz und neue Lieder" heißt und daß sie sich programmlich an die zur Zeit gegebenen Forderungen halten, so daß also "die nächsten Dinge erstmal nicht auffallen".
Sie diskutieren einige Zeit über den Begriff "neue Lieder", da Frau Hagen erklärt, sie könne keine neuen Lieder singen. Scherzhaft bemerkt Hartmann: "Die Zeitungen` schreien irgendwie nach Biermann". Frau Hagen bejaht: Biermann habe eine große Menge neuer Lieder, die man anbieten könnte. Hartmann lacht darüber, wie auch Frau Hagen.
Hartmann fragt, ob es stimmt, daß Biermann im VEB Elektrokohle arbeitet. Frau Hagen verneint: "Ach, was der überall machen soll und wann und wo". Das stimme nicht. Hartmann hat es von der Kulturleiterin des VEB Elektrokohle gehört, nicht als Gerücht.
Als Frau Hagen dann wieder auf die 'neuen Lieder' zu sprechen kommt, erläutert ihr Hartmann, daß sein neuer Programmtitel nur eine kurzzeitige Eingebung war. Er wollte damit die Dinge abbiegen, die auf sie zukommen. Der Titel müsse nicht bleiben, Frau Hagen müsse nicht unbedingt neue Lieder singen. Sie müßten sich darüber einmal ausführlich unterhalten: "Wir haben nicht die Absicht, uns den Leuten an den Hals zu werfen und ‚Bau-auf - Bau-auf‘-Lieder zu singen".
Am 27. Februar hatte Hartmann ein Gespräch mit Meier vom Sektor Veranstaltungswesen im Ministerium für Kultur. Man ist dort der Ansicht, daß es darauf ankommt, in einem Programm die richtigen Relationen einzuhalten - also das, was sie in Zukunft sowieso vorhatten: auch deutsche und d.h. DDR-Lieder zu machen. Es ist sehr wenig von dem Vorhandenen brauchbar.
Hartmann fixiert noch einmal seine Ansicht: sie können und wollen sich nicht hinstellen und ein Programm machen, daß zu 100 % aus blödsinnigen DDR-Liedern besteht. Sie können aber auch nicht gegen den Strom schwimmen. Das sei undiplomatisch, zumal sich das - so wie Hartmann es sieht - im Laufe der Zeit ganz schön abbauen wird. Es sei jetzt, wie Hartmann erwähnt, eine Riesenüberspitzung; es gab Dinge, die sagenhaft sind. Z. B. habe die "Junge Welt" gegen den Begriff `Volkssong` geschossen. Die Plakate für die Veranstaltung haben drei Tage gehangen. Teilweise sind sie mit dem neuen Datum 29. März überklebt worden. Das war alles schon fertig; die "Volksbühne" ist halb ausverkauft. Frau Hagen läßt sich berichten, was auf dem Plakat stand. Dabei erwähnt Hartmann auch, der Hootenanny-Klub habe sich dagegen verwahrt, seinen Namen dabei zu verwenden, um die vier Sänger anzukündigen. Übrigens werde der Hootenanny-Klub "umgetauft" und wird jetzt wahrscheinlich "Oktober-Klub" heißen ab sofort. Das wären alles so hübsche Sachen; auch die Worte Boy, Girl usw. gäbe es nicht mehr. Auch `Combo` und `Ensemble` sei irgendwo anrüchig, hat Hartmann gehört. Es gehe nicht nur um das Amerikanische, sondern überhaupt gegen das Ausländische. Das wären alles Überspitzungen, wie sie in den ersten Tagen aufgetreten sind. Frau Hagen bemerkt dazu: "Das ist ja wieder sooo ein Fehler - ein solcher Fehler".
Hartmann bemerkt, gottseidank erfahren das nicht alle. Sonst würde die Stimmung im Volke wieder auf einen Nullpunkt sinken. Es wird auch stark gegen Auslandsgastspiele geschossen, der größte Teil sei wahrscheinlich inzwischen abgesagt. Man schreibt, daß "es nicht sinnvoll ist, unsere guten und teuren Devisen auszugeben für solche Leute". Das Greco-Gastspiel sei wohl das letzte dieser Art. Es gab auch einen großen Artikel von fünf Leipziger Professoren gegen die Single-Singers.
Frau Hagen ist darüber schon von Gerry Wolf informiert. Sie wußte auch von Gerry Wolf etwas zu sagen wegen ihrer Veranstaltung in der "Volksbühne", darüber aber nichts genaues, da sie sich nur während der Vorstellung auf der Bühne darüber unterhalten haben.
Beide vergleichen ihre gemeinsamen Termine: 24. März in Luckenwalde, 26. März 19.00 Uhr in Schwedt/Oder. Hartmann sagt, das wären die ersten Termine, bei denen sie sich auf der (erwähnten) Ebene bewegen müssen. Hartmann schlägt vor, sich über die Dinge ausführlicher zu unterhalten. Frau Hagen lädt ihn für den 28. Februar zu sich ein. Falls Sellhorn abends Zeit hat, soll er mitkommen. Beide wollen das noch vereinbaren.
(21.10)
Wolf Biermann informiert Eva-Maria Hagen, daß Kurt und Erika Grünwald aus Hamburg gekommen sind. Sie wollen alle drei noch zu Frau Hagen kommen. Eva-Maria Hagen gibt deutlich zu verstehen, daß sie keinen Besuch mehr haben möchte. Nach längerem Hin und Her ist sie dann doch einverstanden. Sie kündigt an, daß sie noch spazieren gehen will, um frische Luft zu atmen.
(21.30)
Inge erkundigt sich bei Eva-Maria Hagen, ob sie und Biermann gut wieder nach Berlin gekommen sind. Inge und Kurt hatten Bedenken, daß sie unterwegs nicht mehr tanken können. Sie sind deshalb ein Stück hinterher gefahren, bis die beiden ‘weg‘ waren.
Eva-Maria Hagen hatte Inge und Kurt zur Vorstellung am 2. Februar nach Dessaus eingeladen. Dazu will sie noch die Karten besorgen, für das Nachtquartier ist schon alles klar. Inge und Kurt sollen sich um 19.00 Uhr am Bühneneingang melden und nach Frau Hagen verlangen.
Frau Hagen gibt ihrer Freude darüber Ausdruck, daß Inge sich gemeldet hat.
FdRdA: .......
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Berlin, 15. März 1967
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 28.2.1967
Unterhaltung zwischen Eva-Maria H., Wolf B. und Herrn Hartmann von den Jazz-Optimisten.
Hartmann berichtet, daß die "Absagebesprechung" am Freitag nachmittag war. Dabei brachten sie zum Ausdruck, daß sie Wert darauf legen, an Stelle von Cherry Wolff eigene Darsteller zu bringen. Der Werbeleiter nahm auch mit an dem Gespräch teil. Man sagte Hartmann, daß sie etwas anderes machen müssen. Hartmann hatte den Eindruck, während des Gesprächs eine richtige Freundschaftsovation zu erleben. Immer, wenn irgend etwas verboten ist, dann kommt es zu diesen komischen Sympathiekundgebungen. Im Raum, in dem die Besprechung stattfand, sah Hartmann einen ganzen Haufen Plakate herumliegen. Es waren die Werbeplakate für die geplante Veranstaltung in der Volksbühne. Hartmann erschien die Unterhaltung insofern unangenehm, weil die Gesprächspartner einerseits seine Gegner waren, andererseits konnte er jedoch auch nichts dazu. Hartmann setzte schließlich durch, daß die Krankmeldung in die Zeitung kam. Wolf fragt, warum Hartmann auf dieser Meldung bestanden hat. Hartmann erwidert, er konnte in diesem Augenblick noch nicht absehen, was sie heute über diese Angelegenheit wissen. Die Veranstaltung in der Volksbühne war die erste von dem neuen Programm. Von dem Programm hat Hartmann jedoch bis in den Herbst hinein 50 Veranstaltungen verkauft. Sollten nun weitere Absagen kommen, so muß man ihnen trotzdem das Honorar zahlen. Wolf findet das nicht einmal so schlecht. So wäre Hartmann für das gesamte Jahr das Geld gesichert, ohne daß er dafür zu arbeiten braucht.
Wolf fragt, ob Hartmann in irgend einer Weise den Eindruck bekommen konnte, daß etwas gegen Eva in Vorbereitung war. Hartmann verneint. Evas wegen wurde die Veranstaltung nicht abgesagt. Hartmann berichtet, daß sie einen Programmentwurf durchgeben mußten, bei dem jedoch die Texte fehlten. Es hat dann jemand die Texte besorgt, aber in der Zwischenzeit hat man an allen möglichen und unmöglichen Stellen des Textes etwas auszusetzen gehabt. Wobei Hartmann heute selbst einsieht, sie hätten ihr Programm bereits vorher den heutigen Gegebenheiten anpassen sollen.
Eva fordert Hartmann auf, über den gegenwärtigen Stand der Dinge zu sprechen. Hartmann sagt, die nächsten Termine sind der 24.3.1967 in Luckenwalde und der 26.3. in Schwedt. Woran Hartmann allerdings noch nicht glaubt, das ist der Termin für den 25.3. abends in der Kongreßhalle.
Hartmann stellt fest, daß die Zeitungen alle nach Wolf B. schreien, denn es wird allgemein nach neuen Liedern verlangt. Wolf erwidert, daß man ihn damit nicht in Verlegenheit bringen kann, da er genügend zur Verfügung stellen kann. Er könnte ja einmal an die Zeitungen schreiben. Hartmann bemerkt, "Klein Lieschen" würde sicherlich glauben, wenn einer an die Zeitung schreibt, dann wird das auch gedruckt. Es müßte mal einer schreiben: "Warum bringt Ihr denn nicht die Lieder von Wolf B.?"
Eva erzählt, daß sie zwar jeden Monat vom Deutschen Fernsehfunk ein festes Gehalt bezieht, aber über ein Jahr hat sie dort nichts zu tun gehabt.
Herr Hartmann berichtet, daß er die erste weitere Absage nach dem Verbot der Veranstaltung in der Volksbühne von der Konzert- und Gastspieldirektion Halle erhielt. Daraufhin rief Hartmann die anderen Konzert- und Gastpieldirektionen an und teilte ihnen mit, warum sie kurzfristig in der Volksbühne absagen mußten. Dann hat er verboten, Plakate mit der Beschriftung "Volkssong" herauszugeben und darauf verwiesen, daß sie ihr Programm entsprechend den neuen kulturpolitischen Gegebenheiten umändern. Wolf fragt, was für neue Lieder Hartmann in das Programm nehmen will. Hartmann gab diese Hinweise zunächst einmal an die Direktionen, wo die Plakate und Werbung bereits eingeleitet war.
Sie unterhalten sich dann über neue Lieder. Hartmann ist der Ansicht, wenn ein Lied bereits ein Jahr alt ist, dann zählt man es ebenfalls noch zu den neuen Liedern. Neu ist ein Lied, wenn es aktuelle Probleme enthält. Die neueren Lieder von König sind von der Problemstellung ebenfalls nicht mehr so aktuell. Eva fragt, was der Rainer Schöne jetzt macht. Hartmann weiß nur soviel, daß wahrscheinlich einige Aufnahmen von ihm gemacht wurden. Eva erläutert, daß sich ihre Stimme mehr zu alten Volksliedern eignet. Hartmann ist der Ansicht, Eva könnte ruhig ihre alten Volkslieder bringen. Eva schlägt vor, daß sie zwei neue Lieder bringt und dazu noch ein paar Lieder bekommt, die man auch bringen kann.
Wolf erklärt, Eva könnte doch sagen, da es keinen guten neuen Text gibt, hat sie Text von Heinrich Heine selbst vertont. Da Eva das nicht kann, wird sie nicht in die Verlegenheit kommen, derartiges zu sagen. Wolf erklärt, daß er nur seine eigenen Texte vertont. Eva erkundigt sich, wann Sellhorn bei ihr sein könnte, wenn er bis 21.30 Uhr zu tun hat. Er könnte 21.45 Uhr bei Frau H. sein, sagt Herr Hartmann. Hartmann ist davon überzeugt, daß Sellhorn noch zu Eva kommen wird.
Hartmann erzählt, daß am Sonntag einer vom Oktoberklub da war, der ihnen einiges vorsang. Bei diesen Liedern wüßte man überhaupt nicht, was sie damit zum Ausdruck bringen wollen.
Neulich hat Hartmann mit dem Meier vom Ministerium für Kultur telefoniert. Meier sagte zu Hartmann, sie sollen sich nicht von solchen Überspitzungen leiten lassen. Die Hauptsache, daß im Programm die richtigen Relationen hergestellt sind.
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HA XX/1 - Gen. Brosche Berlin, 31. März 1967
26/B/19/66/607/Höf
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 3.3.1967
Unterhaltung zwischen Eva-Maria H., Wolf B., Helga P., Arwed G. und Ronald P.
Wolf erzählt, daß er heute abend mit Fritz Cremer telefonierte. Danach entsteht eine ausführliche Unterhaltung über Kunstsammlungen und Gemälde.
Wolf berichtet von seinem Aufenthalt an der Ostsee. Er war dort mit einem Maler zusammen, der allein in einem Haus lebt. Mit ihm ging Wolf einmal auf Entenjagd.
Die Besucher sehen sich Fotos von Eva an. Wolf betont, daß Roger diese Aufnahmen gemacht hat.
Wolf singt dann ein Lied, das er aus dem Amerikanischen übersetzte: "Meine Liebe, leb du wohl ...". Danach erzählt Wolf, daß die Veranstaltung in der Volksbühne verboten wurde und die Karten wieder zurückgenommen werden. Der Zentralrat der FDJ hat eine Gegenveranstaltung organisiert. Wolf und Eva singen dann gemeinsam das Lied: "Schlaf mein Kind ...".
Die Mitbewohner des Hauses klopfen, weil ihnen offensichtlich der Gesang und das Gitarrenspiel zu laut ist. Wolf ist darüber sehr empört, er schreit in der Wohnung herum. Eva fordert ihn auf, ruhig zu sein, da ihnen die Hausbewohner sonst wieder die Polizei auf den Hals schicken. Wolf ist der Ansicht, daß er einmal im Monat das Recht hat, in seiner Wohnung Krach zu machen. Es kommt dann zu einer heftigen Auseinandersetzung im Treppenhaus. Die Besucher unterhalten sich über die Möglichkeiten, die die Polizei hat, wenn sie einer solchen Beschwerde nachgeht. Wolf schlägt Eva vor, mit ihm zusammen zur Polizei zu gehen und die Volkspolizisten um Hilfe zu bitten, da sie von den Hausbewohnern belästigt werden. Wolf hatte vor längerer Zeit eine ziemlich lange Auseinandersetzung mit einer Frau aus dem Haus. Wolf stellt in diesem Zusammenhang zynisch fest, daß es durchaus im Interesse der Staatssicherheit liegt, wenn sie in ihrer Wohnung laut sprechen und singen können. Deshalb fände er es nett und angemessen, wenn ein Genosse von der Staatssicherheit zu dieser Frau ginge und ihr klarmachte, daß sie Wolf und Eva laut reden lassen soll.
Wolf und Eva behaupten, daß Manfred Krug das schönste Haus von Berlin besitzt. Jedes Zimmer in diesem Haus ist ein Museum für sich. Allerdings hängen dort Gorella, Paris, Graf und andere nicht an den Wänden.
Sie unterhalten sich über den Privatbesitz von Gemälden, die sehr wertvoll sind. Ronald Paris ist darüber ungehalten, daß es noch solchen Privatbesitz gibt, weil man damit der Öffentlichkeit wertvolle Kunstschätze entzieht.
Sie sprechen auch über die "Delikatgeschäfte". Wolf ist der Ansicht, daß in diesen Läden kein Arbeiter etwas kaufen kann.
Wolf erwähnt, daß er immer bei Otto Manigk wohnt, wenn er an der Ostsee ist. Da die Besucher Manisch nicht kennen, erläutert Wolf, daß dieser Maler und ansonsten ein ausgezeichneter Kumpel ist. Wolf versteht sich sehr gut mit ihm, obgleich Manigks Werk bedeutend kleiner ist als das von Niemmeyer.
Sie unterhalten sich dann über H a r t m u t L a n g e.
Wolf billigt Langes Republikflucht absolut nicht. Es ist ihm verständlich, wenn Menschen die Republik verlassen, die keine Kommunisten sind, aber von Lange mußte man etwas anderes erwarten können. Arwed erklärt zu Langes Entlastung, daß dieser eine andere Konzeption hat. Hartmut sagte zu ihm, daß er Stücke schreiben will, von denen er genau weiß, daß sie in der DDR nicht aufgeführt werden. Paris hatte den Eindruck, daß Lange in der DDR keine Schwierigkeiten überwinden mußte. Wolf weiß genau, daß Hartmut Lange Schwierigkeiten hatte und Eva ist darüber ebenfalls orientiert. Paris findet, daß Lange sich besonders nach dem 11. Plenum durchsetzen konnte. Arwed erläutert dann weiter die Konzeption von Hartmut Lange, der sich mit der jüngsten Geschichte des Sozialismus beschäftigen will. Diese Stücke werden höchstwahrscheinlich in der DDR nicht aufgeführt, allerdings werden diese Probleme, von dem Publikum in Westdeutschland überhaupt nicht verstanden. So sitzt nun Lange zwischen zwei Stühlen. In Westdeutschland hat er ein uninteressiertes Publikum, aber er kann seine Stücke wenigstens bringen. In der Zwischenzeit mußte Lange jedoch einsehen, daß es ohne Publikum auch nicht geht. Auch bei der Aufführung in der Westberliner Volksbühne gab es einen Mangel an Beteiligung.
Wolf zeigt seinen Gästen etwas. Er sagt dazu, daß ihm das der Leiter des Verlages "Welt und Kunst" schickte.
Wolf fragt Arwed, was dieser sagen würde, wenn Wolf eines Tages vor dessen Wohnungstür stünde und ihm erklärte, daß er soeben aus dem Autokoffer des Herrn Generaldirektor "yxz" käme. Die Anwesenden lachen darüber. Arwed sagt, in der heutigen Situation kann er sich Wolf schlecht im Westen vorstellen, weil er dort seine Funktion als Kommunist und Sozialist unzureichend erfüllen könnte. Herr Paris geht sogar soweit, daß er behauptet, Wolf B. wäre im Westen in vier Wochen tot. Zwar bekäm Wolf in den ersten vier Wochen 100.000. Mark, aber dann wäre für ihn alles aus. Wolf ist mit Paris Ansicht durchaus nicht einverstanden. Er ist davon überzeugt, daß er drüben Millionär werden könnte, aber nicht in den ersten vier Wochen. Paris ist der Meinung, daß man auch einen Wolf B. fallen ließe, wenn genügend Propaganda mit ihm gemacht wurde. Wolf ist empört, denn ihn braucht keiner zu halten, er kann selbst fliegen. Arwed glaubt, daß Wolf im Westen Karriere machen würde, allerdings sei es fragwürdig, ob Wolf dort leben kann. Wolf wirft ein, daß dies auch der Grund sei, warum er die DDR nicht verläßt.
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Berlin, 13. März 1967
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 13. März 1967
(18.05)
Frau Hagen informiert ihre Wirtschafterin Frau Hellmund, daß sie erst am 14. März aus Leipzig zurückkommen wird. Frau Hellmund soll daher am Abend bei Nina bleiben. In Leipzig, so teilt Frau Hagen dann mit, haben sie viele gute Bekannte getroffen. Frau Hellmund berichtet, daß am 12. März noch gegen 22.00 Uhr Herr Havemann mit seiner Tochter Sybille und seinen Söhnen da war. Sie wären bald gegangen.
Nina berichtet ihrer Mutter, daß Post von der Oma gekommen ist. Die Oma fragt an, wie die Strümpfe passen. Frau Hagen sagt ihrer Tochter, daß sie andere Strümpfe bekommt, da die geschickten Strümpfe zu groß für sie sind.
(18.50)
Nina Hagen unterhält sich ausführlich mit ihrem Vater Hans Hagen Dabei erwähnt Hans Hagen, daß am 10. März Katja bei ihm war. Sie hat ihn gebeten, in ihrem Zirkel Junger Sozialisten über "Staat und Staatsmacht" zu sprechen. Er will das tun.
Nina erwähnt, daß ihre Lehrerin Frl. D. (Direktor der Theodor-Neubauer-Oberschule Prenzlauer Berg) auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der SED gesprochen hat. Sie hätte anschließend gesagt, daß sie mit ihrer Rede nicht zufrieden war. Andere Teilnehmer waren aber der Meinung, sie hätte gut gesprochen. Frl. D. hätte starkes Herzklopfen gehabt, da sie nur einen Meter entfernt von Walter Ulbricht stand.
Am 18. März will Nina zu ihrem Vater kommen.
FdrdA: ....
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HA XX/1, Gen. Brosche
Berlin, den 14. März 1967
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 14. März 1967
(19.16) Herr Baetz von der DEFA verhandelt mit Evamaria Hagen über Termine wegen einer Kostümprobe. Dabei erwähnt er, daß Prof., Maetzig ursprünglich in der nächsten Woche mit dem Drehen beginnen wollte. Daraus wird aber noch nichts. Erforderlich ist zunächst also nur die Kostümprobe. Frau Hagen weiß noch nicht genau, ob sie am kommenden Montag in Babelsberg vorbeikommen kann; sie hat noch einen anderen Drehtermin für die DEFA am gleichen Tag in Magdeburg. Falls daraus nichts wird, kommt sie zur Anprobe. Baetz notiert sich, wie Frau Hagen in Dessau am Landestheater zu erreichen ist. Frau Hagen bestätigt den Eingang eines Drehbuches.
(20.32) ....
(20.40)
Fritz Cremer lädt Biermann und Evamaria Hagen zu einem Atelierbesuch ein. Er erwähnt, daß in den nächsten Tagen eine Figur abgeholt wird, die sie sich ansehen sollten. (....)
FdRdA: ...........
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Berlin, 14. März 1967
Informationsbericht
(22.35)
Herr Hartmann, Leiter der "Jazz-Optimisten Berlin", unterhält sich längere Zeit mit Evamaria Hagen über Termine. Am 18. März soll Frau Hagen mit den Jazz-Optimisten und einem Quartett des Oktoberklubs Berlin in Weimar auftreten. Ursprünglich war Manfred Krug vorgesehen. Dieser hat eine Beteiligung wegen der Sache in der Volksbühne abgelehnt. Hinsichtlich der Gage einigen sich beide auf 500 MD. Hartmann erinnert sich daran, daß Manfred Krug immer mit 600 MD arbeitet, die bisherige Gage von Frau Hagen war 400 MD. Sie rechnen aus, daß Frau Hagen etwa 6 Titel zur Gitarre singen soll. Orchesterbegleitung ist nicht möglich, da keine Proben mehr erfolgen können. Eine endgültige Zusage zum 18. kann Frau Hagen allerdings erst nach Absprache mit der DEFA am 15. März geben. Sie glaubt, daß keine Schwierigkeiten entstehen. Am 15. März wollen beide auch weitere Termine für den Monat April durchsprechen. Z. B. soll am 15. April in Berlin eine Veranstaltung im Kulturhaus des VEB Elektrokohle Lichtenberg stattfinden, zu der Hartmann gern Frau Hagen haben möchte. Am 21. April wollen sie zusammen in Neustrelitz auftreten; am 23. und 24. April sollten Veranstaltungen in Greifswald und Rostock sein. Frau Hagen hat an diesen Tagen Vorstellung in Dessau. Am 29. April wollen sie in Leipzig auftreten, am 30 April eventuell in Torgau. Zum 27. April möchte Hartmann Frau Hagen gern nach Aschersleben mitnehmen.
Da Hartmann die von Frau Hagen gesungenen Titel noch in der Nacht nach Weimar durchgeben will, legen beide eine Reihe von Liedern fest, aus denen der Bedarf ausgewählt werden soll. Dies sind:
- Ein Weib Heinrich Heine
- Schatz, geh`nach Haus dt. Volkslied
- Altfranzösiches Schäferlied
- Ritterballade (frz.)
- Der Traum dt. Volkslied
- "Sehnsucht" schwedisches Lied, gesungen deutsch und schwedisch; übersetzt von Peter Hacks
- La belle el mira Berliner Lied (Gebet einer 15 3/4jährigen)
- Ich habe meine Tante geschlachtet Wedekind
- "Brigitte B." Klabund
- "Das gehorsame Mädchen" Volkslied
(Der goldene Mittelweg)
- Puntila-Lied Brecht
- Ballade vom Förster und der schwedischen Gräfin Brecht
- Pflaumenlied (o. ä.) aus "Puntilla" Brecht
- Moldaulied aus "Schwejk im 2. Weltkr." Brecht
Hartmann will von dieser Aufstellung acht Titel durchgeben. Eine genaue Programmfolge wird er nicht festlegen. Das soll erst am 18. März geschehen, evtl. auf der gemeinsamen Fahrt mit dem Bus nach Weimar. Falls Frau Hagen noch zu den Dreharbeiten der DEFA in Magdeburg sein sollte, wird sie in Weimar informiert.
Das Programm der in Weimar stattfindenden Veranstaltung bildet, wie aus der Unterhaltung hervorgeht, den Rahmen für die nächsten Veranstaltungen.
Frau Hagen betont mehrfach, daß sie nichts singen möchte, was "denen" nicht gefällt. Hartmann äußert dazu, das sei auch für ihn klar. Er bemerkt, daß die ganze Sache seiner Meinung nach nicht mehr lange andauern kann - dann sei das wieder weg.
Frau Hagen erwähnte zu Beginn der Unterhaltung, daß sie mehrere neue Texte hat, u. a. aus in der DDR veröffentlichten Lyrik-Bänden. Die Musik dazu müsse sie noch komponieren. Beide sind sich jedoch darin einig, daß sie zum 18. März keine solcher Lieder nehmen. Frau Hagen hat auch keine Zeit mehr dazu, Melodien zu schreiben.
FdRdA: ...........
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Berlin, 30. März 1967
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 15. März 1967
Kurz nach 19.30 Uhr kommt ein Herr zu Besuch. Eva spricht ihn mit "Herr Zimmermann" an und Wolf nennt ihn Rainer (oder Reinhard). Eva begibt sich bald darauf in die Küche, um Brote zuzubereiten. In dieser Zeit unterhalten sich die Herren über Wolfs Arbeit. Rainer betont, Wolf solle sich nicht lange nötigen lassen, soll etwas vorsingen. Wolf entschuldigt sich, er müsse erst einmal sehen, ob er spielen kann, er hätte sich gestern tief in den Finger geschnitten, die Wunde könnte wieder aufplatzen. Dann erzählt Wolf, daß sie am Sonntag (evtl. auf einer Rückreise) auf der Messe waren und eine Nacht in Leipzig geschlafen haben. U. a. berichtet Wolf, daß er viel Bücher geschenkt bekam, für 300 Mark habe er bekommen und für 100 Mark geklaut. Wolf spricht über einzelne Bücher, erwähnt dabei auch eine Prachtausgabe. Rainer möchte wissen, ob Wolf dort als Biermann aufgetreten ist. Es entwickelt sich zwischen beiden Herren ein Gespräch über Literatur, ohne daß Einzelheiten entnommen werden können. Wolf berichtet auch, welche Messestände er besucht hat. Ausführlicher unterhalten sich beide über ein Buch von Ernst Fischer "Kunst und Koexistenz", das bei Rowohlt erschienen ist. Es werden Betrachtungen zum Schriftsteller Ernst Fischer angestellt. Wolf bezeichnet Fischer als ehrlichen Mann mit großer Konsequenz und großer Aufrichtigkeit und ist erstaunt, daß ein son steinalter Mann noch eine solche enorme Wandlung durchzumachen imstande ist zum Unterschied von Kurella, der doch der privilegierten Klasse angehöre.
Wolf wird von seinem Gast dann noch einmal aufgefordert, zu singen. Er läßt sich nicht lange nötigen, sondern spielt, pfeift, summt und singt viele seiner bekannten Lieder, wie z. B. "...mögen sie Blumen verdorren", "Du, laß dich nicht verbittern." (s. Ber. vom 4.4.66), "Wenn die neuen Leiden kommen", "Bilanzballade" (...doch die Hundeblume blüht ...).
Zwischendurch wird die Unterhaltung weitergeführt. Rainer fordert aber immer wieder auf, noch zu singen. So singt Wolf dann auch "Wie eingepfercht in Kerkermauern, tief in den Mauern dieser Stadt, Wolf Biermann beißt mit gelben Hauern in Steine nur und hat es satt ...", "Ballade von meiner Mutter einzigen Sohn" (... nicht sehen, nicht hören, nicht schreien)".
In der dazwischen geführten Unterhaltung betont Rainer, daß er die Lieder schön findet verschiedene wären für ihn neu. Er spricht von neuen Effekten in den Melodien. Rainer betont, daß er vor allem die Soldatenlieder schön findet, so daß Wolf diese Lieder singt. Er nennt ein "Barraslied", singt dann noch einmal "Sag, wann haben diese Leiden endlich mal ein Ende - wenn die neuen Leiden kommen, haben sie ein Ende ...".
Dann zitiert Wolf seine 4 Versuche über "die alten Genossen" (s. Ber. vom 25.4.66) und erklärt seinem Gast, welche Gedanken ihm zu diesem Text bewogen haben.
Von der Unterhaltung sind keine Zusammenhänge zu erkennen, da Eva sich im Zimmer beschäftigt. Die Herren polemisieren über Wolfs Texte.
Rainer bringt wiederholt zum Ausdruck, daß er Wolfs Lieder sehr schön und seine Vortragsweise sehr gut findet.
Später singt Eva ein amerikanisches Wiegenlied, von beiden werden noch einige Lieder in englischem Text vorgetragen.
Eva macht darauf aufmerksam, daß sie nur bis 10 Uhr Krach machen können, die Leute im Hause regten sich sonst auf. Wolf bringt darüber seinen Ärger zum Ausdruck.
Sie unterhalten sich im Verlaufe des Abends dann über Eva`s Reise nach Polen. Herr Zimmermann zeigt Fotografien von Batumi. Daraus ergeben sich gemeinsame Erinnerungen. Rainer war schon wiederholt in der Sowjetunion und ist auch bis nach Jalta gekommen. Er erzählt von den vielen Aufnahmen, die er gemacht hat. Von beiden werden Reiseerlebnisse geschildert. Auch vom Obstmarkt in Jalta wird gesprochen. Dabei erzählt Eva, wie sie mit dem Schiffsarzt Sascha diesen Obstmarkt besucht hat. Wolf kann sich nicht verkneifen, zu erwähnen, daß dieser Sascha noch heute an Eva schreibt. Herr Zimmermann fragt Eva, ob sie sehr stark beschäftigt ist. Eva erzählt dann von ihrer Arbeit als Schauspielerin, spricht von ihrer Verpflichtung in Dessau und ladet Herrn Zimmermann ein, sich das doch auch einmal anzusehen.
Wolf summt und spielt dann noch einmal und trägt plötzlich ein Lied vor, das er bisher noch nicht sang (s. Ber. vom 15.3.67). Eva ermahnt, nicht so laut zu singen. Es werden noch einige bekannte Lieder gesungen, später wird die Unterhaltung wieder aufgenommen. Vor allem sprechen sie dann über Theatervorstellungen, u. a. über "Ödipus".
Gegen 22.30 Uhr kommen noch Gisela und Gerd Schröder hinzu. Denen stellt Wolf seinen Gast mit Herr Zimmermann vor. Eine belanglose Plauderei beginnt, auch über den Messebesuch wird noch einmal gesprochen. Eva unterhält sich mit Gisela (....) In der Folge wird viel über Bücher gesprochen, dabei auch über ausländische Erscheinungen. Herr Zimmermann erläutert, daß diese Bücher auch in der DDR bezogen werden können, man müsse sie nur rechtzeitig bestellen.
Während sich die beiden Frauen in der Küche beschäftigen, erzählt Wolf, daß sie heute bei Cremers ..... waren im Atelier. Darüber gibt es eine längere Plauderei, wobei Wolf zum Ausdruck bringt, daß Czimeck der große Konkurrent von Cremers ... wäre. Rainer schätzt dann ein, daß Cremers, obwohl er ein guter Bildhauer sei, doch nicht die Gelassenheit habe, die bei Czimeck zu finden wäre. Wolf führt das darauf zurück, daß Cremers als Mitglied der Partei und durch seine Treue zu ihr sich nicht hat so frei entfalten können. Seine größte Arbeit wäre wohl "Deutschland, du bleiche Mutter".
Das Thema wird gewechselt, da sich die Frauen wieder mit im Zimmer befinden. Eva erzählt viel von ihrer Arbeit, spricht vor allem über ihre Rolle als Eliza in "My fair Lady". Daraus ergibt sich eine lange Diskussion über Dialekt allgemein. Im Verlaufe dieses Gesprächs kommt auch zum Ausdruck, daß Herr Zimmermann aus Erfurt stammt.
Eva spricht auch von ihrer Rolle und von schönen Szenen im Film "Fahne von Kriwoi Rog".
Alle Anwesenden stellen Betrachtungen darüber an, daß anläßlich des 50. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution bestimmt irgendetwas Tolles passiere, daß entweder das Farbfernsehen kommt, daß eine besondere Rakete gestartet würde o. a..
Weiter unterhalten sie sich über den Spielplan der Komischen Oper. Dabei wird ein Stück erwähnt, wofür Westdeutschland die Aufführungsrechte hat. Gerd Sch. spricht von Lizenzbestimmungen für dieses Stück.
In der Folge der Unterhaltung zeigt Wolf seinen Gästen Malereien oder Zeichnungen, die von einem jungen Maler in Dresden gemacht wurden, der tagsüber einen Lastkraftwagen fährt.
Sie kommen dann wieder auf Theatervorstellungen und Schauspieler zu sprechen. Dabei wird Ekkehard Schall erwähnt. Gisela drückt Empörung über Schall aus. Laut und durcheinander wird dann über den Gründungskongreß des Verbandes der Theaterschaffenden gesprochen. Jemand habe dort nachweisen wollen, warum der Verband völlig überflüssig sei. Es wird die Theaterkammer erwähnt und Wolf bringt zum Ausdruck, daß man ja die Interessen der Regierung vertreten mußte. Es wird weiter betont, daß Mäde seinen Theaterverein brauche. Alle lassen sich weiter über Herrn Mäde aus. Auch wird gesagt, daß mit dem DT kein Staat zu machen wäre, da ginge kein Mensch hinein. Es wird von Barbara Berg gesprochen, von "Machenschaften mit der Thalbach" und Wolf erzählt von Agnes Kraus, die wohl in seiner Nähe, in der Chausseestraße, wohnt. Von Agnes Kraus wird im guten Sinne gesprochen.
Wolf berichtet dann von einer Begebenheit, wo er mit anderen Personen, nach dem 11. Plenum, plötzlich vor Konrad Wolf gestanden habe. Beide hätten sich erkannt und gesprochen.
Wolf erzählt, daß er zu Konrad Wolf gesagt hat, daß das ja gar nicht stimme, was da im "Spiegel" gestanden habe von Peter Weiss, er habe sich erkundigt. Da hätte doch gestanden, daß Peter Weiss verlangt hätte, daß von Wolf Biermann die Arbeit anerkannt werden müsse (sinngemäß), wenn Weiss den Preis annehmen soll. Das habe man Peter Weiss auch versprochen. Konrad Wolf habe daraufhin gesagt, daß das ja alles Zweckmeldungen gewesen wären. Irgendwie habe Wolf dann geantwortet, daß er ja nun beruhigt sein könnte. Plötzlich habe Konrad Wolf dann angefangen zu singen "Völker hört die Signale ...", wäre gar nicht mehr auf die Worte von Wolf eingegangen. Wolf erklärt die Situation recht ausführlich. Dieses Begegnen war während einer Demonstration, wo sich beide zufällig sahen, beide kamen aus entgegengesetzter Richtung. Es wird noch festgestellt, daß Konrad Wolf in der Nähe der Kongreßhalle wohnt.
Die Unterhaltung geht dann weiter über neue Filme, u. a. wird über "Mädchen auf dem Brett" gesprochen. Dieser Film wird als gelungen bezeichnet.
Später liest Wolf etwas aus einem ND vor (es kommt aus einem Gedicht von Hölderlin etwas vor), das er als Brechtismus bezeichnet, als ungelenk und dilettantisch. Später werden auch politische Witze erzählt.
Es werden auch noch einmal Fotos betrachtet, u. a. vom Baikalsee.
Während Wolf seine Gäste hinausbegleitet, etwa gegen 0.30 Uhr, erzählt Eva Herrn Zimmermann, daß Gisela an der Volkshochschule arbeitet. Eva ladet dann Herrn Zimmermann auch ein, doch bestimmt einmal nach Dessau in das Theater zu kommen.
In einem Zusammenhang weist sie darauf hin, unter welchen Bedingungen Wolf Biermann arbeiten müsse, das mache Eva traurig. Wolf beruhigt sie, er habe ja die "Drahtharfe", die hätte ja die größte Auflage.
Herr Zimmermann bringt dann zum Ausdruck, daß er etwas nicht besitzt. Es ist anzunehmen, daß er die "Drahtharfe" meint. Er betont, daß er sie zum ersten Male bei seinem Parteisekretär gesehen habe. Wenn Wolf ihm einmal eine beschaffen könnte, würde er sich freuen.
Weiter wird von einem Aufenthalt am Stechliner See gesprochen. Herr Zimmermann empfiehlt einen dortigen Erholungsaufenthalt. 80 km von hier in Richtung Oranienburg, zwischen Reisbrei und Falkenberg/Havel läge der See, man könne dort wunderbar Zimmer mieten. Der Ort hieße Neuglobsow (o. ä.), ein Gasthaus gäbe es dort auch. Eva wäre damit einverstanden, daß sie einmal dorthin fahren und würde sich freuen, wenn sich Herr Zimmermann ihnen anschließen könnte.
Später spricht Herr Zimmermann von einem Flötisten, der bei ihnen arbeitet. Er habe eine Flöte aus reinem Gold.
Im Verlaufe der Unterhaltung möchte Herr Zimmermann auch wissen, warum das "Ding" abgesetzt wäre. Sie sprechen dabei vom Oktoberklub im Zusammenhang mit Manfred Krug, sprechen auch von einer FDJ-Veranstaltung in der Volksbühne.
Eva erwähnt dabei, daß ihr jemand vom Ministerium gesagt habe, daß das ein großer Erfolg gewesen wäre. Sie erläutert, wie dort schon vor Beginn im Foyer gesungen wurde. Eva spricht dann von einem Durcheinander zwischen Bühne und Publikum.
Alles wird sehr leise gesprochen. Im Gespräch weist Eva einmal auf einen Teppich hin, den sie gekauft hat weil er schalldicht wäre. Herr Zimmermann erklärt auch, daß man eine schalldämpfende Decke einziehen könne. Eva nimmt an, daß die Töne durch den Ofen gehen. Daraus entwickelt sich ein längeres Gespräch über Akustik allgemein. Dabei führt Herr Zimmermann auch Beispiele aus seinem Orchester an.
Nach einer Gesprächspause fragt Herr Zimmermann wörtlich: "Mir hat man erzählt, daß Ihnen Herr Adameck einen Brief geschrieben hat, daß Sie beim Fernsehen nicht beschäftigt werden können, wenn Sie sich nicht von Biermann trennen (sinngemäß), was ist daran wahr?"
Eva bestätigt, daß sie einen solchen Brief bekam. Sie berichtet auch, was nach ihrer Vermutung der Anlaß zu diesem Brief war. Es war einmal auf der Probe, die letzte Szene war zu Ende, da holte Biermann sie vom Fernsehen ab. Die Instrumente und alles habe noch dagestanden, so daß Biermann das benutzte und dort im Raum anfing zu singen. Biermann betont hier, daß er 5 Lieder gesungen habe. Mit Eva wurde seinerzeit gesprochen, daß so etwas nicht angeht, im Proberaum zu singen. Eva habe darüber nur gelacht. Eva spricht ausführlicher darüber, auch, daß sie betont hat, daß man von ihr nicht verlangen könne, sich von Wolf zu trennen.
Eva spricht sehr ausführlich über diese Angelegenheit. Betont dann auch, daß man aber anläßlich der Verleihung des Silbernen Lorbeer sehr freundlich und entgegenkommend zu ihr gewesen wäre. Sie berichtet auch, daß sie zwischenzeitlich wenig Arbeit hatte, daß das Fernsehen jedoch wieder angeboten hat, mit ihr einen neuen Vertrag zu machen.
Eva betont wörtlich: " Der Denunziant, der uns verpfiffen hat, war NPT ...... Das habe ihr Annelore (oder Annedore) erzählt, die es von Müller-Lankow erfahren habe. Herr Zimmermann betont, daß er das seinen Kollegen mitteilen will.
Eva spricht weiter, daß die Leute erzählten, sie wäre bei der Staatssicherheit. Eva spricht dabei von Gerüchten. Dazu meint Wolf, Eva solle zugeben, daß sie für die Staatssicherheit arbeitet, dann würde er auch zugeben, daß er der Sohn von Adolf Hitler ist.
Dazu lacht Eva nur.
Gegen 1.15 Uhr verläßt auch Herr Zimmermann die Wohnung mit dem Versprechen, bis zum nächsten Besuch nicht wieder so lange zu warten.
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Berlin, 20. März 1967
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 20. März 1967
(7.45) Evamaria Hagen berichtet Wolf Biermann von den letzten Tagen in Weimar, Dessau und Magdeburg. Zunächst schildert sie die Fahrt nach Weimar. Sie hatten sich verspätet, da schlechte Straßenverhältnisse waren. In Weimar wollten "die" wieder ihre ganzen Texte sehen. "Sie" liefen immer herum und flüsterten. Die Ritterballade hat man ihr gestrichen. Später hat man zum Sellhorn gesagt, wenn sie gewußt hätten, daß Frau Hagen das so schön singt, hätte sie auch die Ballade singen können. Biermann äußert daraufhin nur: "Scheißköpfe - Idioten". Frau Hagen schildert, daß sie anschließend mit dem Taxi von Weimar nach Magdeburg gefahren ist. Sie war morgens um 2.30 Uhr da. Heinz Thiel hatte noch auf sie gewartet, das fand sie sehr nett. Um 5.30 Uhr mußte sie wieder aufstehen, um zu den Dreharbeiten zu gehen. Bis 12.00 Uhr hat sie gedreht, ist dann weggegangen. Die Vorstellung (My Fair Lady) war sehr gut. Sie ist dann mit dem Zug wieder nach Magdeburg gefahren (2 1/2 Stunden Fahrzeit) und war demzufolge etwa gegen 22.00 Uhr wieder in Magdeburg. Anschließend hat sie im Hotelzimmer noch ferngesehen, im "International".
Der 20. März ist der letzte Drehtag in Magdeburg. Abends soll Frau Hagen noch zu dem "Modeschöpfer" Bormann. Für den nächsten Kriminalfilm, in dem sie wieder eine Rolle hat, soll noch die Aufnahme ihrer Körpermaße stattfinden. Die Besprechung für einen anderen Film wird sich um zwei oder drei Tage verschieben. Biermann erinnert daran, daß sie zusammen wegfahren wollten. Frau Hagen erklärt, sie wollte ihm sagen, daß er allein fahren soll. Sie hätte hin und her überlegt und wollte an sich gern mitkommen. Es sei aber zu viel für sie. Biermann stellt fest, daß er auf keinen Fall jetzt so wegfährt. Er versucht sie davon abzubringen, noch zu Bormann zu gehen. Frau Hagen sagt ihm, daß sie nach dem Drehen nicht gleich wieder nach Hause fahren kann. Sie gibt zu, daß am Abend noch eine Feier stattfindet, will aber versuchen, noch am Abend mit dem Zug zu kommen. Allerdings weiß sie nicht genau, wie sie fahren kann. Beide versichern sich ihrer Liebe. Biermann erklärt, es passe ihm nicht, wenn sie immer weg von ihm ist.
Frau Hagen fragt, ob Biermann noch Besuch aus Hamburg hatte. Biermann bejaht, er will dann später davon erzählen. Es war sehr schön. Er hat jetzt auch schöne schwedische Lieder, mit Übersetzungen.
Biermann sagt wiederum, er brauche ihre Hilfe, sie müsse gefälligst bei ihm sein. Frau Hagen erklärt daraufhin, sie hätte sich das mit dem Singen überlegt. Wenn das jetzt so ist, sei ihr das zu affig. Sie hätte so viel andere Arbeit, mit "My Fair Lady" und dem Film. Sie wäre kaum noch bei ihm, wenn sie auch noch singt. Daher - und auch weil es ihre Kräfte überfordert - will sie vorläufig nicht mehr singen. Sie stellt die Frage, was sie davon hat, wenn sie so viel verdient, aber kaputt ist und nicht bei ihm. Biermann findet das sehr richtig. Frau Hagen meint, sie müßten dann etwas sparsam leben. Biermann sagt daraufhin, sie brauchten weniger Geld, seitdem er selbst einkauft. Es sei alles viel billiger.
Zum Singen sagt Biermann noch, wenn "die" so affig mit den Texten sind, dann "sollen sie dich doch gern haben". Das hat sich Frau Hagen auch gedacht. Biermann findet das eine "Schande: wozu bespitzeln die uns denn, wenn sie nicht einmal wissen, daß du wirklich keine Sachen von mir singst?" Frau Hagen hat das (in Weimar) auch immer laut und deutlich gesagt: sie würde doch keine Biermann-Texte singen usw... Hinterher waren "die" zu ihr sehr freundlich.
Frau Hagen berichtet in diesem Zusammenhang ausführlich von Weimar. Sellhorn hatte ihr erzählt, daß er ein Telefongespräch von 1 1/2 oder 2 Stunden hatte. Er mußte sämtliche Texte durchsagen vorher. Dann wurde ausgesucht. Frau Hagen beschreibt, daß sie dann die Texte ansagen mußte, weil sie noch etwas umgestellt haben. Der Mann habe sich den Text mitstenografiert, sei dann weggegangen irgendwohin mit dem schwedischen Lied. Er kam wieder und sagte, das müßten sie leider auch weglassen, Frau Hagen verstehe das doch sicher. Sie antwortete dem Mann, sie verstehe das nicht. Das Moldaulied von Brecht durfte sie auch nicht singen, Brecht sei nicht gewünscht. Biermann macht zwischendurch immer wieder Einwürfe wie: "die zittern ja - die Scheißköpfe - - o Gott -". Frau Hagen schildert nochmals, daß man anschließend sehr nett zu ihr war. Sie kommt darauf zu sprechen, daß für die Veranstaltung ursprünglich Manfred Krug angesagt war. Man mußte alles auf sie umdisponieren. Wie man ihr später sagte, war das Publikum von ihrer Art zu singen sehr angetan; besonders die Höhen hätten sie fasziniert. Das hätte ihr der nette Junge "von der Kultur" gesagt. Biermann sagt dazu dann: "Furchtbar. Wie die verstümmelt werden. Die könnten alle erstklassige Leute sein und müssen nur zittern vor diesen Gaunern, vor diesen Amokläufern. Frau Hagen stimmt dem zu. Sie findet es lustig, wie die Leute wegen der Texte immerzu hin und her liefen und damit in ein unheimliches Büro gingen. Frau Hagen kommt sich jetzt wirklich fast vor wie in den Kafka-Geschichten: "Ja - wirklich! Ich denke, da sitzt irgendwo so ein unheimlicher Apparat, man kann gar nichts machen" - .
Die Unterhaltung nimmt dann folgenden Verlauf:
Frau Hagen: Die kleinen Misthunde huschen da umher und haben selbst ... sind selbst Erreger in diesem Werk ... Mensch!
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HA XX/1, Gen. Brosche Berlin, 4. April 1967
26/BA 19/66/609-E
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 4. April 1967
(15.00 Uhr)
Herr Köppke vereinbart mit Frau H., am Mittwoch, dem 5.4.67, um 13 Uhr in ihrer Wohnung einige Lieder durchzusehen. Er betont, daß Frau H. doch sicher noch verschiedene Lieder hat, die er noch nicht kennt. Um 17 Uhr müsse er im Funk sein. Frau H. ist mit dem Termin einverstande.
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HA XX/1, Gen. Brosche Berlin, 7. April 1967
26/B 19/66/616-E
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 18. März 1967
In den Mittagsstunden empfängt Wolf einige Leute aus Westdeutschland (Hamburg).
Im Durcheinander der Plaudereien ist zu erkennen, daß Wolf zu einer Person erwähnt, daß er ein Gespräch mit dem Leiter des Verlagswesens hatte. Er beschreibt, daß dieser Leiter über alle Verlage der DDR sei, ein alter Genosse. Dabei erwähnt Wolf auch etwas von dem Generalstaatsanwalt und dem Harichprozeß vor 10 Jahren. Es kommt zum Ausdruck, daß Wolf sich mit diesem Mann darüber unterhalten hat, wer wirklich die guten Kommunisten sind. Einer der Besucher berichtet von einem Erlebnis, das er hatte, als er mit dem Motorrad nach Buckow gefahren ist.
Wolf erwidert darauf, daß die Leute lügen, weil sie ein schlechtes Gewissen hätten, weil sie wüßten, daß das nicht in Ordnung sei, was sie machen und weil sie sich dafür schämten. Wörtlich sagt Wolf weiter: "Aber weil sie sich so festgefahren haben mit dieser Pogromhetze und dieser Kampagne auf dem 11. Plenum, daß sie nicht wissen, wie sie wieder umkehren sollen, ohne sich zu blamieren".
Wolf betont, daß seine Mutter furchtbar unter diesen Zuständen leide und nicht zur Ruhe käme.
Ein Herr erwidert, daß man einfach die Zeit abwarten müsse, etwas müsse ja kommen.
In einem anderen Zusammenhang wird der Name Rodenberg erwähnt. Dazu meint Wolf, es gäbe Leute, die meinen es ganz ehrlich oder sie wären doof. Er meine z. B. "solche Leute wie die Rodenberg, diese Kuh". Ein Besucher charakterisiert Frau Rodenberg als Organisationstier. Darauf antwortet Wolf:
"Mickymaus, die ist doch gar nichts, doch nur, weil sie die Frau von dem Rodenberg ist, der übrigens auch ein Wörtchen mit redet. Ein kleines Mäuschen, das hier als Tiger rumläuft".
Auf eine Antwort darauf erwidert Wolf wieder, daß er das früher habe auch nicht einsehen wollen. Das sei so, wenn man jung ist, man studiert, falle einem das schwer vor allem wenn man gerade auf dem Gebiet ist, wo man sehr viel Vertrauen und Vernunft hat. Aber auf die Dauer könne man nicht einen Stein von oben nach unten fallen sehen und sagen, er fällt nicht.
Wolf spricht dann von Angehörigen der privilegierten Kaste innerhalb des Sozialismus und vom Verdienst derer, die gegen Faschismus gekämpft haben, daß aber die Erkenntnis ganz furchtbar sei.
Wolf begründet, warum das aber gar nicht das Problem wäre. Es gäbe kaum einen einzelnen Mann hier im Staat, in der Führung, den er persönlich hasse, das könne er gar nicht. Im Gegenteil, wenn er Gelegenheit habe, mit einem von diesen zu sprechen, nehme Wolf das wahr. Der Bruno H.... (o.ä.) wäre der gewesen, mit dem Wolf nach dem 11. Plenum die erste Unterhaltung hatte. Wolf wäre nicht beleidigt gewesen usw. wegen dessen Auftreten. Wörtlich sagt Wolf: "Stell dir mal vor, die wären nicht so verhaßt in der Bevölkerung, da hätten die Leute auf der Straße mich gelyncht. Jetzt muß ich sagen, die Leute auf der Straße sind alle sehr freundlich zu mir, die Marktfrauen, die im Gemüseladen, alle sind nett zu mir. - Schlimm, daß man von den Genossen so behandelt wird. Sie sollen ja nicht widerspruchslos hinnehmen, was ich bringe. Ich bin ein junger Mensch, kein Politiker, bin ein Dichter. Ich habe Irrtümer, manches weiß ich besser. Ich bin eine Person genau wie die. Sollen sie doch schreien, aber doch erkennen, daß ich Kommunist bin. Ich sage von ihnen doch auch nicht, daß sie keine Kommunisten sind. Sollen doch meine Sachen drucken und verbreiten und sollen dann die Presse - sowieso monopolisiert, was ein Verbrechen außerdem ist - sollen das Volk sich äußern lassen, aber sie haben kein Vertrauen in das Volk".
Wolf will sich weiter über die Demokratie auslassen. In dem Augenblick teilt ihm Eva mit, daß sie mit ihrem Wagen eine Panne hat und nicht weiterkann. Wolf verspricht, sie sofort abzuholen bzw. seinen Wagen zu bringen. Er wird die Leute nach Hause schicken, antwortet er auf eine diesbezügliche Bemerkung von Eva. Wolf erklärt seine Besucher dann auch, worum es geht und bittet die Gäste, für heute das Gespräch abzubrechen.
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 6. Juni 1967
26/B 19/66/658 - Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 6. Juni 1967.
Unterhaltung zwischen Gisela und Eva Hagen. Gisela erzählt vom jüngsten Kriegsgeschehen in Nahost.
Eva ist darüber erstaunt, da sie davon noch nichts weiß. Gisela meint, daß Nasser offiziell mit dem Krieg begonnen hat, da er keine Schiffe durch den Suezkanal ließ.
Über die Zahl der Toten kann Gisela keine Angaben machen. Sie erzählt, daß viele Länder (Algerien, Jordanien, Irak) die VAR durch Soldaten unterstützen.
Danach sagt Gisela, daß die gestrige Panorama-Sendung dieses ganze Problem behandelt hat. Sie erzählt zum Teil, was in dieser Sendung gezeigt wurde.
Abschließend meint sie: wenn der Rausch der Araber vorbei ist, vielleicht wird dann ein Waffenstillstand zustandekommen.
Eva weiß zu dieser israelischen Aggression nicht viel zu sagen. Sie bemerkt, daß es furchtbar sei.
F.d.R.d.A. ...........
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XX/1, Gen. Lohr Berlin, 8. Juni 1967
26/BA 19/66/661-Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 8. Juni 1967
(20.10)
Wolf fragt Eva, ob sie ihm untreu war, da gestern sein Ring zerbrach. Eva meint, daß sie Wolf so treu wie nie war. Eva hat große Sehnsucht. Wolf erklärt, daß er heute nacht zu ihr kommen wird. Eva wär sehr froh darüber, aber sie gibt ihm den Rat, erst morgen früh von Koserow abzufahren. Er soll nicht in der Nacht fahren. Sie hat schreckliche Angst um Wolf. Sie erzählt, daß sie in den letzten Tagen viele schlimme Unfälle gesehen hat.
Wolf entschließt sich, morgen früh abzufahren und ist gegen 18.00 Uhr in Berlin. Eva ist einverstanden.
Weiter teilt Eva Wolf mit, daß sich Andreas Reimann nach ihm erkundigt hat. Neulich war auch Martin Remanee (o. ä.) bei Eva. Martin hat ihr allerhand erzählt. Sie wird es Wolf noch schildern.
Eva sagt dann, daß sie beide (Eva u. Wolf) von Brigitte Martin anläßlich ihres Geburtstages nach Grünheide am kommenden Sonnabend eingeladen wurden.
Eva bemerkt, daß sie dem Böttcher bereits wegen des Urlaubsplatzes Bescheid gesagt hat. Er hat sich sehr darüber gefreut.
Abschließend sagt Wolf, daß er herrliche Sachen erlebt hat.
Er wird es Eva noch berichten.
(20.40)
Andreas Reimann erkundigt sich bei Eva, ob Wolf morgen kommt. Eva meint, daß Wolf gegen 18.00 Uhr in Berlin sein wird. Andreas kann es noch nicht genau sagen, ob er morgen in Evas Wohnung kommen kann, da er erst Kurt Bartsch anrufen muß, um zu fragen, ob er dort übernachten darf. Eva sagt, daß Andreas in ihrer Wohnung schlafen kann. Andreas ist damit einverstanden. Er wird nach 23.00 Uhr kommen.
Andreas erwähnt abschließend, daß er mit dem Lektor noch sprechen muß, weil sie heute den Vertrag abschließen wollen.
F.d.R.D.A.: R.....
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Bezirksverwaltung für Greifswald, d. 12.06.1967
Staatssicherheit Rostock Ma/894/67
Kreisdienststelle Greifswald
Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Rostock
Abteilung XX - Gen. Major Scherwinski -
Rostock
Information zu Wolf Biermann
Ergänzung zu unserem Bericht vom 18.05.1967, Tgb.-Nr.: 690/67
In einer weiteren Unterhaltung mit dem Genossen ...... vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Greifswald brachte der Dr. M. in Ergänzung zu der letzten Aussprache über Biermann noch folgendes zum Ausdruck:
Am Ostersonnabend, als Biermann in Ückeritz weilte, hat er von seiner Freundin - der Schauspielerin Eva-Maria Hagen aus Berlin - einen Anruf erhalten, worin die H. dem B. mitgeteilt hat, daß sie in Berlin von der Staatssicherheit beschattet werde. Nach Einschätzung der anderen freischaffenden Künstler und besonders durch ..... habe sich der B. wegen des Anrufes zu so negativen Äußerungen und gewissen Aufbegehren hinreißen lassen. Durch den Gen. Dr. M. wird aber eingeschätzt, daß Biermann an diesem Ostersonnabend seine wahre Haltung offenbart habe.
Leiter der Kreisdienststelle
Tromp, Major
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 28. Juni 1967
26/BA 19/66/ 668 -Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 28. Juni 1967
(09.30)
Helga Nowak aus Island erkundigt sich bei Eva Hagen, ob Wolf Biermann zu sprechen ist. Eva kann der Dame nicht sagen, wo sich Wolf zur Zeit aufhält. Sie gibt der Dame die Telefonnummer von Wolfs Wohnung in der Chausseestraße.
Helga N. bemerkt, daß sie extra aus Island gekommen ist, um Wolf zu sprechen. Wolf wüßte von ihrem Erscheinen. Auf alle Fälle soll Eva dem Wolf sagen, daß sie (Nowak) in Berlin ist.
(10.38)
Aus einem Gespräch zwischen Wolf und Robert Havemann geht hervor, daß gegen 17.00/18.00 Uhr Johannes zu Robert kommt. Robert erklärt, daß Wolf und Eva auch eingeladen sind. Wolf will kommen.
(11.38)
Helga N. fragt Eva, ob Wolf da ist. Eva bejaht.
Wolf spricht mit Helga N..... Helga erzählt, daß sie vom Bahnhof Friedrichstraße einige Leute angerufen hat. In ca. einer Stunde wollen sich beide in der Chausseestraße treffen.
Wolf fragt Helga, ob sie schon einmal in seiner Wohnung war. Sie sagt, daß sie bereits dort war, aber es war schon lange her.
(11.50)
K u r t erkundigt sich nach Wolf. Eva teilt Kurt mit, daß Wolf zur Zeit in der Chausseestraße ist.
Kurt erklärt, daß er vielleicht nächste Woche, bevor Eva wegfährt, noch einmal zu ihr kommt.
F.d.R.d.A.: Röbisch
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XX/1 - Gen. Lohr Berlin, 17. Juli 1967
26/BA/19/66/682 - Hg
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem - GI - Bericht vom 17. Juli 1967.
14:57 Uhr
Ein Herr Bloch meldet sich bei Frau H. Beide erkundigen sich erst einmal nach ihrem Befinden. Er teilt dann mit, daß er eben aus Eisenach einen Anruf bekommen hat, die suchen eine Elaisa, als Gast. Sie möchte wissen, wer das macht. Herr Bloch sagt, daß das der Walter Schmidt macht, das ist ein junger Regisseur. Frau H. möchte wissen, wie Herr Bloch dazu kommt, ob er in Eisenach ist. Herr Bloch ist nicht in Eisenach, er ist beim zentralen Bühnennachweis. Frau H. meint, daß das eigentlich eine schöne Sache ist. Herr Bloch bemerkt, daß Anfang August die Proben beginnen, im September ist die Premiere. Frau H. bemerkt, daß das schon etwas wäre, sie ist daran interessiert, weil sie das gern spielt. Herr Bloch wird dem Karl Ball (?) sie nennen, der könnte dann alles weitere mit ihr besprechen. Frau H. findet das richtig.
Frau H. sagt jetzt, daß er also beim Bühnennachweis ist. Sie möchte wissen, ob er in Berlin wohnt. Herr Bloch bestätigt das. Frau H. meint, daß sie sich dann vielleicht mal besuchen könnten. Herr Bloch fügt ein, daß sie mit dem Wolf zusammen ist. Frau H. bestätigt das. Dann möchte sie ihn von ihm grüßen. Herr Bloch bemerkt, daß sie doch einen gemeinsamen Bekannten haben - den Jonny Löhr - der ist gestorben. Sie sollte doch mit dem Wolf sprechen, daß er mit zur Beerdigung geht. Herr Bloch erwähnt, daß seine Eltern im Moment nicht da sind, der Jonny Löhr war gut befreundet mit seinen Eltern. Im Moment weiß er nicht, wie er sich verhalten soll. Er müßte aber dahin gehen. Herr Bloch glaubt, daß der Wolf da auch hingehen wird. Frau H. möchte wissen, wann die Beerdigung ist. Herr Bloch weiß das nicht. Er bittet darum, daß sich der Wolf mal bei ihm meldet. Frau H. wird es dem Wolf sagen.
Frau H. sagt noch einmal, daß er doch beim Bühnennachweis ist, da hört er doch manchmal - sie weiß nicht, ob es dem Wolf recht ist, wenn sie das sagt - der Wolf war am Berliner Ensemble Regieassistent, der könnte sehr gut Brecht machen, wenn irgendwo - als Gastregisseur. Frau H. hat gehört, daß sie in Magdeburg jemand suchen für "Die Mutter". Frau H. fände es sehr schön, wenn er irgendwie etwas machen könnte, damit er mal unter Menschen kommt. Da darf bloß nicht so ein schlotteriger Oberspielleiter sein, denn es kann ihm niemand etwas (o.ä.), wenn er "Die Mutter" inszeniert oder so etwas.
Herr Bloch würde so vorschlagen, sie sollte mit ihm sprechen in der Löhr-Sache. Er meint, daß sie sich vielleicht einmal treffen. Frau H. bemerkt, daß man vielleicht etwas machen kann, wenn er etwas hört. Herr Bloch wäre auch daran interessiert, ihn wirklich wieder einmal zu sehen. Dann kann man ja über bestimmte Sachen sprechen. Frau H. findet das sehr schön. Sie bedankt sich auch bei ihm.
Beide kommen noch einmal auf die Sache in Eisenach zu sprechen. Herr Bloch wird dem ein Telegramm schicken, daß sie daran interessiert ist. Frau H. wirft ein, daß sie in drei Tagen an die Ostsee fährt, aber das macht ja nichts, sie ist am 1. August wieder hier.
15:03 Uhr
Frau H. spricht jetzt mit Wolf B.. Sie teilt mit, daß sich der Bloch eben bei ihr gemeldet hat. Er möchte wissen, ob er mit zu der Beerdigung zum Jonny Löhr gehen würde. Wolf sollte sich mal bei dem melden, der ist jetzt beim Bühnennachweis 22 28 65 oder 64.
Wolf bedankt sich.
F.d.R.d.A.
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HA XX/1 Gen. Lohr Berlin, 17. Juli 1967
26/BA 19/66/683 - Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 17. Juli 1967
(19.10)
Eva-Maria Hagen fragt Wolf Biermann, ob er mit dem Streichen der Regale fertig ist. Er verneint.
Wolf hätte es gern, wenn Eva in die Chausseestraße kommen würde. Eva erwidert, daß sie die Wohnung aufräumen muß. Danach erkundigt sich Wolf, wann sie an die Ostsee fährt. Eva kann es z. Z. nicht genau sagen.
Morgen muß Eva zunächst zum Arzt. Es wird dort eine Weile dauern. Wolf möchte wissen, zu welchem Arzt sie geht. Eva will es Wolf später erzählen.
Sie vereinbaren, daß Wolf heute Abend noch in die Zelterstraße kommt.
Abschließend fragt Wolf Eva, ob sie ihn noch liebt, sie möchte es sachlich erklären. Eva sagt darauf: "Ja, ich liebe dich".
(21.35)
Günter Simon erkundigt sich nach dem Befinden von Eva. Eva erzählt, daß es ihr gut geht.
Dann fragt Günter, ob sie am Donnerstag an einer Abschlußveranstaltung des Kinderferienlagers mitwirken möchte. Eva würde es gern tun, sie hat aber die Absicht, an die Ostsee zu fahren, da ihr Urlaub sowieso durch die verschiedensten Arbeiten zum Teil versaut wurde. Günter hat dafür Verständnis. Eva sagt, daß sie gelegentlich gern mal zu Günter rauskommen möchte. Sie bemerkt, daß es mit ihm in Moskau so schön war. Günter fragt, ob sie ihrem Mann schon alles erzählt hat. Eva bejaht die Frage.
Günter erwähnt, daß er zwei Tage keinen Alkohol angefaßt hat. Heute sei der erste Abend, wo er wieder einen Wodka getrunken hat. Eva meint, daß es ihr auch nicht besonders gegangen ist (mit dem Magen). Jetzt ist sie jedoch darüberweg. Abschließend bemerkt Eva, daß sie am 05. August wieder von der Ostsee zurückkommt. Sie läßt Günters Frau schön grüßen
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Kreisdienststelle Wolgast, d. 31.07.67
- W o l g a s t -
Bericht
Aufenthalt des Lyrikers Wolf Biermann in Ückeritz
Durch die KP Kannenberg wurden nachfolgende Feststellungen über die Bewegungen des B. gemacht:
04.07.67 B. wurde um 17.30 Uhr festgestellt. Er kam mit dem VW-IB 80-83. Bei ihm befand sich die Schauspielerin Eva-Maria Hagen. Gegen 23.00 Uhr begaben sich beide in das Fremdenzimmer von Manigk, wo sie schliefen.
05.07.67 Abends hat ihn die KP angesprochen. B. war verschlossen. Er sagte nur, daß er mit Eva auf dem Achterwasser segeln gewesen wäre und das Boot von Matthias Wegehaupt benutzte.
06.07. + 07.07.67 B. fuhr mit Badesachen mit der Hagen in Richtung Wolgast. Er war vermutlich am FKK-Strand in Zempin.
08.07.67 Gegen 12.30 Uhr fuhr er mit dem PKW in Richtung Wolgast. Die Hagen fragte dabei: "Fahren wir jetzt zu Erwin?"
09.07.67 Im Laufe des Vormittags ist er wieder mit der Hagen abgefahren.
Während seines Aufenthaltes versuchte die KP mehrmals mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Er war sehr unzugänglich. Der B. war fast ausschließlich mit der Hagen zusammen.
Die KP teilte mit, daß sein Telefon nicht in Ordnung war und als er mich anrief die Möglichkeit bestand, daß das Gespräch von .... aus mitgehört wurde. Er hatte nämlich am gleichen Tage ein Gespräch von .... mitgehört.
Inzwischen ist das Telefon wieder in Ordnung. Bei seinem Anruf hatte die KP nur ihren Namen gesagt und mir mitgeteilt, er hätte wieder Besuch.
Am 21.07.67 um 12.30 Uhr kam B. gemeinsam mit Eva-Maria Hagen und einem 14 - 16jährigen Mädchen erneut nach Ückeritz mit einem PKW VW. Alle 3 schlafen in dem Fremdenzimmer des .....
Das Mädchen hat Ähnlichkeit mit der Hagen und ist vermutlich deren Tochter.
Aus einem Gespräch des B. im Zimmer mit der Hagen konnte die Frau der KP folgende laute Äußerungen hören: "Warum lassen sie mich nicht rüberfahren und warum gehen sie keine Kompromisse ein?"
Aus dem Gespräch war zu entnehmen, daß B. eine Einladung aus Westdeutschland erhalten haben muß.
Am 21.07.67 gegen 14.15 Uhr fuhren alle 3 Personen in Richtung Zempin. Gegen 22.00 Uhr kamen sie wieder zurück.
Am 22.07.67 fuhr die Hagen mit dem Mädchen nach Koserow zum Einkauf.
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Bezirksverwaltung für Rostock, 4. Aug. 1967
Staatssicherheit Rostock
Abteilung XX
Ministerium für Staatssicherheit
Hauptabteilung XX
Gen. Oberst Kienberg
Berlin
Aufenthalt des Wolf Biermanns bei den Usedomer Künstlern
Biermann, Eva-Maria Hagen und das Kind Biermanns aus 1. Ehe (Sohn ca. 4 Jahre alt) waren in der Zeit vom 4.7. bis einschl. 9.7.1967 bei den Usedomer Künstlern und wohnten bei dem Kunstmaler Manigk in Ückeritz.
Biermann war mit dem Volkswagen, pol.-Kennz. IU 52-47 in Ückeritz.
Während dieser Zeit war Biermann vorwiegend mit den Kunstmalern ..... und ..... zusammen. Tagsüber war Biermann mit Eva-Maria Hagen am FKK-Strand und mit der Segeljacht des Kunstmalers Wegehaupt auf dem Achterwasser segeln.
Seit dem 21.7.1967 ist Biermann erneut mit dem o. g. Personenkreis bei den Usedomer Künstlern und wohnt wiederum bei dem Kunstmaler Manigk in Ückeritz.
Durch die KP Kannenberg wurde bekannt, daß Biermann im Gespräch mit Eva-Maria Hagen auf dem Hof bei .... in sehr lauter Form geschimpft hat. In diesem Gespräch ging es darum, daß Biermann nicht nach Westdeutschland fahren darf. Offensichtlich hat Biermann eine Einladung aus Westdeutschland bekommen, die abgelehnt wurde. Bei diesem Gespräch äußerte Biermann, wie man so etwas machen kann und er möchte wissen, was er verbrochen hat.
Obengenannten Sachverhalt konnte die KP nur sinngemäß wiedergeben, da sie das Gespräch nur aus dem Fenster des Hauses beobachten bzw. verfolgen konnte.
Leiter der Abteilung XX Scherwinski, Major
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 8. August 1967
26/B/A/19/66/691/Bl
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 8. August 1967
(9:35 Uhr)
Frau Eva-Maria H. unterhält sich mit Herrn S c h i l l i n g (Cottbus) über ihr Programm von morgen, 9. August 1967.
Eva-Maria H. und Herr Schilling werden morgen zusammen im Kur-Theater Bad Elster ein Programm gestalten. Herr Schilling erklärt, das ganze Programm sei auf das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen untereinander abgestimmt; nicht im gesamten politischen Sinne, sondern rein menschlich. Er wird dort kurze Stücke u. a. von Heine und Goethe rezitieren, und Eva-Maria H. soll u. a. aus der deutschen und französischen Folklore etwas singen, so weit wie möglich zur Gitarre. Sie vereinbaren, das vorher noch genau abzustimmen.
In bezug auf die Fahrt nach Bad Elster erläutert Eva-Maria H., ihr Auto sei nicht in Ordnung, und sie und ihr Mann hatten sich vorgenommen, zusammen mit der Bahn zu fahren. Ihr Mann will mitfahren, da er in Markneukirchen zu tun hat. Herr Schilling erwidert, er beabsichtigt, ihr ein Auto zur Verfügung zu stellen. Ihr Mann könnte da selbstverständlich mitfahren. Herr Schilling kann hinsichtlich des Autos z. Z. noch nichts Genaues sagen.
(10:10 Uhr)
Wolf B. informiert Emma, daß er heute doch nicht weg muß. Er wird ihr das nachher erzählen. (Emma ist mit Manuel u. a. zusammen).
(14:13 Uhr)
Wolf B. schlägt Eva-Maria H. vor, zusammen essen zu gehen. Er möchte wissen, ob es ihr etwas ausmacht, wenn sie mit den Kindern gehen würden, mit Jonas usw. Eva-Maria H. hat nichts dagegen.
Wolf B. bemerkt kurz, daß auch K u r t da ist.
(14:40 Uhr)
Herr Wendler von der Kreisfilmstelle Frankfurt/Oder erläutert Frau Eva-Maria H., daß am 12. August in Rathsdorf bei Eisenhüttenstadt ein großes internationales Jugendtreffen stattfindet, das von der Kreisfilmstelle veranstaltet wird. Der Herr möchte wissen, ob es Frau H. möglich wäre, daran teilzunehmen. Frau H. erkundigt sich, ob sie da singen soll. Herr Wendler entgegnet, in dieser Form seien keine Grenzen gesetzt. Sie hatten an ein Gespräch über die Sibylle und an eine Autogrammstunde gedacht. Frau H. erläutert, wenn sie singt, ist sie es von der Konzert- und Gastspieldirektion gewohnt, daß man mit ihr einen Vertrag macht und das entsprechend honoriert. Ihr reicht es, wenn man ihr ein Telegramm schickt und so den Vertrag fixiert. Herr Wendler ist damit einverstanden. Die Uhrzeit für ihre Anreise am 12. August wird Frau H. in diesem Telegramm auch mitgeteilt.
F.d.R.d.A.: Berg
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HA XX/1, Gen. Brosche Berlin, 28. August 1967
26/BA 19/66/713 - Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 28. August 1967
(19:25)
Robert Havemann fragt Eva, wie es ihr und Wolf Biermann geht. Eva erklärt, daß Wolf für ein paar Tage mit Manuel nach Feldberg gefahren ist. Außerdem erzählt sie Robert, daß Emma bereits einen Monat hier ist.
Eva meint, daß sie sich morgen oder übermorgen sehen werden. Robert ist damit einverstanden. Sie wird sich jedoch vorher bei Robert anmelden. Abschließend meint Robert, daß er vorläufig in der Stadt wohnt.
(20:15)
Wolf Biermann spricht mit Eva-Maria Hagen. Er meint, daß er nach ihr große Sehnsucht hat. Eva geht es genau so. Sie kann es gar nicht mehr aushalten.
Morgen gegen 17:00 Uhr kommt Wolf aus Feldberg zurück.
Wolf bittet Eva, daß sie morgen an das Heim "Hollerbusch" (o ä.) in Feldberg, zu Händen des Herrn Hübner, 120,--Mark schicken möchte. Eva will das Geld telegrafisch überweisen. Wolf meint, daß es die Kosten seines Aufenthaltes sind. Es wär etwas teuer geworden. Pro Tag 30.-- Mark.
F.d.R.d.A.:
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HA XX/1, Gen. Brosche Berlin, 1. September 1967
26/BA 19/66/719 -Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. September 1967
(15:18)
Herr Borkowski spricht mit Eva-Maria Hagen.
Er hat den Artikel bzw. das Interview durchgelesen. Fünf kleine Korrekturen hat er vorgenommen. Es sind kleine, aber Korrekturen von sehr prinzipieller Bedeutung.
Eva fragt, ob er den Artikel von Herrn Kirfel meint. Herr Borkowski bejaht und fügt hinzu, daß er den sogenannten Artikel von Kirfel meint.
Außerdem hat Herr Borkowski Evas kleine Aufzeichnung als Interview an die Tageszeitung "Neue Zeit" verkauft. Er erwähnt, daß die "Neue Zeit" sehr schöne Wochenendausgaben, schöner wie andere Tageszeitungen, herausbringt.
Trotz der vorgenommenen Änderungen ist der Artikel keine schöne Sache. Es ist allerdings so, daß jeder Mensch, der aus der Branche ist, weiß, daß der Autor Herr Kirfel heißt. Wenn man aber jetzt die Änderungen vornimmt, dann hat Eva nach seiner Meinung wenigstens ihre persönliche Würde gewahrt.
Weiter erzählt B., daß Kirfel ein raffinierter geschäftstüchtiger Bursche sei und nebenbei einen kleinen Job bei der "Neuen Zeit" hat. Allerdings nur als Lokalreporter oder Lokalredakteur.
Da Herr B. einen guten "Draht" zu dem Filmredakteur der "Neuen Zeit" hat, hat er ihn gleich über die Hagen-Story informiert. Eben, daß Eva-Maria Hagen früher gar keine gute Schauspielerin war, und nun ihre Erfolge und besonders ihre Reise zu den Filmfestspielen nach Moskau.
In der kommenden Woche wird Herr B. mit dem Filmredakteur persönlich sprechen. Das Interview ist also praktisch verkauft. Herr Kirfel kann dann in seiner eigenen Zeitung lesen, was er abgelehnt hat. Eva findet das nett.
Diesen Artikel werden dann auch die großen Chefredakteure Lippert und Reichow lesen, dazu verhilft der Ausschnittdienst. Eva bemerkt, daß dies sehr schön sei. Es ist auch gut, daß Herr B. die Sache nicht umsonst tut. Herr B. sagt, daß es ihm bei dieser Publikation nicht auf das Geld ankommt, sondern er tut das aus menschlicher Kameradschaft zu Eva, da sie doch derartig primitiv überfahren wurde.
Er gibt Eva den Rat, das abgeänderte Interview Herrn Kirfel nicht zu zeigen, er könnte seine Handschrift erkennen.
Eva soll Kirfel den abgeänderten Artikel für den Filmspiegel durchtelefonieren.
Sie vereinbaren, daß Herr B. anschließend zu Eva kommt, damit sie die Sache noch einmal durchsprechen und Eva ihre Meinung zu den Abänderungen sagt.
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HA XX /1 - Gen. Lohr Berlin, 6. September 1967
26/B/19/66/
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. 9. 1967
Unterhaltung zwischen Eva-Maria H. und Herrn Dieter Borkowski. Der Besucher gibt Eva Hinweise, wie sie das von Herrn Kirfel formulierte Interview verändern kann. Eva hatte bereits Herrn Kirfel gesagt, daß sie grundsätzlich etwas gegen Interviews hat. Es ist immer dasselbe dumme Gerede, hinter dem nichts steckt. Herr Borkowski bemerkt, daß es mit dem Interview nichts auf sich hat. Wenn die Leute vom Fach das Interview und als Gesprächsführenden den Namen Kirfel lesen, dann entschuldigt man viel. Den meisten ist Kirfels Art bekannt. Man weiß auch um dessen Jargon. Da Borkowski freiberuflich arbeitet, kann er es sich erlauben, eine Korrektur vorzunehmen. Als Kollege würde er das selbstverständlich ablehnen. Trotzdem soll Eva dem K. nicht von Borkowskis Hilfe sagen.
Später kommen Wolf und seine Mutter hinzu. Wolf klärt Dieter Borkowski darüber auf, daß es zwischen ihm und seiner Mutter Streit gibt über einen Brief. Sie findet das Geschriebene lächerlich. Emma sagt, sie begreift nicht, warum Wolf schreibt, daß sie hier raus wollen, wenn man sie doch nicht läßt. Borkowski erklärt hierzu, damit hätten sie schwarz auf weiß gesagt: Wir würden uns als Kommunisten betätigen. Er spricht auch von einer mehrfolgigen Einreise ins Ausland, um deren Genehmigung es geht. Wörtlich sagt er: "Der kann niemals bestreiten, daß im Juli 1967 gesagt worden ist von zwei Männern, die als Verbrecher, Schweine, als Agenten bezeichnet werden: Wir betrachten uns als Kommunisten". Darum ginge es offensichtlich. Jedenfalls sieht er es so. Wolf bestätigt, daß Borkowski recht hat. Dieter B. erklärt weiter, es ginge hierbei um die Würde. Wenn er etwas weniger bekannt wäre, dann würde er das auch tun. Er selbst trug sich mit dem Gedanken, nicht an ihr, aber z.B. an den Mann, der für die Ausreisen bei Fernsehfunk zuständig ist, zu schreiben, daß er seine Ausarbeitungen über bestimmte faschistische Probleme gern weiterschreiben würde. Da er heute in Besitz eines Hauses ist, eine Frau und zwei Kinder hat, besteht also gar keine Gefahr, daß er seine Frau und die Kinder im Stich läßt. Dazu kommt noch seine politische Überzeugung. Beispielsweise würde Dr. .... für ihn bürgen, daß er wiederkommt. Das wäre eine ähnliche Sache, bloß mit einer anderen Argumentation. Emma unterbricht den Herrn. Sie erfuhr von Brigitt, daß man in Künstlerkreisen, als Beispiel führt sie Ronald an, davon spricht, Biermann und Havemann haben einen Brief an Ulbricht geschrieben. Sie möchten nach Westdeutschland, weil sie beide von dort kommen.
Der Besucher fragt, um welchen Ronald es sich hier handelt. Emma erklärt, daß sie Ronald Paris meint. Der Herr gibt ihr den Rat, sich nicht beirren zu lassen. Auslegungen sind immer unterschiedlich. Jeder muß in erster Linie seine Handlungen vor sich selbst verantworten können. Er z.B. würde niemals für so eine "beschissene Zeitung" wie das Neue Deutschland schreiben. Emma kannte den Brief vorher nicht. Sie fand es jedenfalls irre, wenn er dorthin schreibt, daß er raus will. Das hat sie auch gesagt, weil sie ja sowieso nicht rausgelassen werden. Wolf unterbricht seine Mutter und erklärt, wer etwas Derartiges annimmt, das sind Idioten. Der Besucher sagt zu Emma, in diesem Staat leben nicht Hunderte, sondern Tausende von Menschen, die ihre eigene Korruption, ihren eigenen Schmutz auf andere abladen und hier alles mitmachen, um der guten Gehälter und des guten Lebens willen. Zynisch sagt er: "Das Arschloch Biermann, dieser Idiot Havemann, diese Wahnsinnigen, was wollen die denn eigentlich?" Der Besucher kennt das. Er hat vor zehn Jahren hier mit Schriftstellern diskutiert, die behaupteten, die "dämliche" Annemarie Reinhardt, seht einmal wie bürgerlich die sich ausdrückt, und die alte Meier-....., die jetzt 70 wurde, so könnte man es doch nicht sehen. Aber wie kann man es denn sehen? Er erwähnt auch die größte "Stalinistin" Hedda Zinner. Herr Borkowski führt einen Professor an, das wäre das letzte, was man anbieten kann.
Jedenfalls betrachtet der Besucher diesen Brief als eine großartige Sache, und es sei ein riesiger Fortschritt, daß er überhaupt beantwortet wurde. Borkowski kennt solche Briefe. Er hat selbst mit Manfred Bieler und einem ganzen Schwarm junger Leute 1955/56 solche Briefe geschrieben, als Dieter Borkowski (o.ä.) verhaftet wurde und zwölf Jahre bekam, der dann auch Belastungszeuge in dem Prozeß ... wurde. Diese Briefe wurden damals von den hohen Persönlichkeiten nicht beantwortet. Wolf bemerkt, daß die Antwort auf ihren Brief nach drei Wochen eintraf.
Dieter Borkowski spricht über eine Montage aus der Presse der Deutschen Bauernpartei. Eines Tages kam eine Einladung für den besten parteilosen Redakteur der Bauernzeitung ins Zentralkomitee. Einberufen wurde dieses Gespräch von der Abteilung Agitation, Genosse Siegfried Lorenz. Zusammengekommen waren 15 Parteijournalisten von führenden Parteiblättern. Dort wurde den Journalisten mitgeteilt, daß eine große Veranstaltung mit Biermann-Liedern stattfinden soll. Vorgeschickt werden soll Eva-Maria Hagen, die entsprechende Stimmung machen soll. Anschließend werden die Biermann-Anhänger nach Biermann brüllen. Eva erläutert, daß es sich um die Veranstaltung in der Volksbühne handelt. Sie stand bereits unter Vertrag. Es wurde von ihr und Wolf behauptet, sie hätten die Karten für diese Veranstaltung aufgekauft. Mit dieser Maßnahme, so berichtet Borkowski, wurde durch die Kulturredaktion eine Kampagne gestartet. Dabei griff man auf ein Rezept von Dr. Goebbels zurück, das dieser 1931 im Reichstag praktizierte, als er soviel Karten für den Reichstag nachdrucken ließ, daß die 450 Zentrumsleute nicht mehr in den Reichstag hinein paßten. Nach diesem Prinzip druckte die Agitationsabteilung beim ZK der SED ebenfalls Karten nach mit der Behauptung, daß die Anhänger von Wolf B. schon fleißig die Karten aufgekauft hätten. Wolf bemerkt, man müßte doch annehmen, daß "die" einen einigermaßen funktionierenden Geheimdienst haben. Dann hätten sie wissen müssen, daß Wolf 1. nicht die Absicht hatte, in die Veranstaltung zu gehen und 2. Eva nicht daran dachte, auch nur ein Lied von ihm zu singen. Wolf und Eva haben mit keinem Menschen vorher über eine solche Version gesprochen. Dieter Borkowski ist der Ansicht, daß Wolf die Leute in dieser Beziehung unterschätzt. Man traut Wolf ohne weiteres zu, daß er zu Eva sagt, sie soll die Ballade vom großen Statthalter singen. Emma lacht über den Titel. Der Besucher hat das nur als Beispiel angeführt, weil er nicht genau weiß, wie die Ballade heißt. Er sagt wörtlich: "Der Onkel Erich läßt sich nicht damit abspeisen, daß Eva erst acht Tage vorher angibt, was sie singt, andernfalls kommt sie nicht hin. Erich geht bei solchen Sachen ganz sicher".
Wolf erzählt, daß er von einem Freund gewarnt wurde, nicht in die Volksbühne zu gehen. Wolf verweist auf die Provokation, die man gegen Eva starten wollte. Man hatte geplant, daß die Zuschauer Eva mit einem Ruf- und Pfeifkonzert empfangen.
Dieter Borkowski glaubt, daß sich diese Geschichte in irgend einer Weise in der Presse widergespiegelt hätte. Das wollte man unbedingt vermeiden. Niemand hatte daran Interesse, daß sich die Geschichte von der Kongreßhalle wiederholt. Der Herr vermutet, daß Eva wieder gefördert wurde, weil man annimmt, die Dankbarkeit läßt nicht lange auf sich warten.
Eva bestreitet das. Es sind ganz andere Umstände, die dazu führten, daß sie wieder spielen kann. Es gibt bei der DEFA ein paar Kollegen, die eine Truppe bilden. Dort wurde ihr eine Rolle angeboten. Nachdem sie eine Probeaufnahme gemacht hat, wurde sie von den Kollegen für diese Rolle vorgeschlagen. Der Vorschlag ging an die Direktion, aber dort waren alle dagegen. Nun haben aber ihre Kollegen für sie gebürgt, daß sie diese Rolle nur aus künstlerischen Erwägungen heraus spielen wird. Die Direktion hat Vertrauen zu den Kollegen und ließ sich umstimmen. Eva war an der Rolle selbst sehr interessiert, weil sie einmal etwas völlig anderes spielen wollte.
Herr Borkowski erfuhr, daß die Besetzung der Rolle durch Eva-Maria H. sehr viele Diskussionen auslöste. Viele haben das als Provokation aufgefaßt. Wolf fragt nach den Gründen, die zu dieser Auffassung führen. Es gibt nur zwei Gründe: weil Eva immer Huren spielte oder weil sie mit Wolf B. zusammen ist. Eva erzählt, daß sie während des VII. Parteitages zur gleichen Zeit in einem anderen Film eine Hure spielen sollte. Siegfried Wagner und andere Kollegen haben ihr geraten, das nicht zu machen.
Borkowski kommt dann wieder auf Evas Interview zurück. Eva wird Kirfel anrufen.
Wolf spielt ein paar Takte auf seiner Gitarre. Dieter Borkowski bittet ihn, etwas zu singen. Wolf singt das Lied: "In diesem Lande leben wir wie Fremdlinge im eigenen Haus....". (Die Meinung des Besuchers zu diesem Lied wurde uns nicht bekannt). Anschließend singt Wolf das Lied über die Mitarbeiter des MfS. Dieses Lied gefällt dem Besucher sehr.
DIE STASI-BALLADE
1
Menschlich fühl ich mich verbunden
mit den armen Stasi-Hunden
die bei Schnee und Regengüssen
mühsam auf mich achten müssen
die ein Mikrophon einbauten
um zu hören all die lauten
Lieder, Witze, leisen Flüche
auf dem Clo und in der Küche
Brüder von der Sicherheit
ihr allein kennt all mein Leid
Ihr allein könnt Zeugnis geben
wie mein ganzes Menschenstreben
leidenschaftlich zart und wild
unsrer großen Sache gilt
Worte, die sonst wärn verscholln
bannt ihr fest auf Tonbandrolln
und ich weiß ja: Hin und wieder
singt im Bett ihr meine Lieder
dankbar rechne ich euchs an:
die Stasi ist mein Ecker
die Stasi ist mein Ecker
die Stasi ist mein Eckermann
2
Komm ich nachts alleine mal
müd aus meinem Bierlokal
und es würden mir auflauern
irgendwelche groben Bauern
die mich aus was weiß ich für
Gründen schnappten vor der Tür
sowas wäre ausgeschlossen
denn die grauen Kampfgenossen
von der Stasi würden wetten?!
mich vor Mord und Diebstahl retten
denn die westlichen Gazetten
würden solch Verbrechen wetten?!
Ulbricht in die Schuhe schieben
(was sie ja besonders lieben!)
dabei sind wir Kommunisten
wirklich keine Anarchisten
Terror (individueller)
ist nach Marx ein grober Feller
die Stasi ist, was will ich mehr
mein getreuer Leibwäch
mein getreuer Leibwäch
mein getreuer Leibwächter
3
Oder nehmen wir zum Beispiel
meinen sexuellen Freistil
meine Art, die so fatal war
und für meine Frau ne Qual war
nämlich diese ungeheuer
dumme Lust auf Abenteuer
seit ich weiß, daß die Genossen
wachsam sind, ist ausgeschlossen
daß ich schamlos meine Pfläumen
pflücke von diversen Bäumen
denn ich müßte ja riskiern
daß sie alles registriern
und dann meiner Frau serviern
sowas würde mich geniern
also spring ich nie zur Seit
spare Nervenkraft und Zeit
die so aufgesparte Glut
kommt dann meinem Werk zugut
kurzgesagt: die Sicherheit
sichert mir die Ewig
sichert mir die Ewig
sichert mir Unsterblichkeit
4
Ach, mein Herz wird doch beklommen
solltet ihr mal plötzlich kommen
kämet ihr in eurer raschen
Art, Genossen, um zu kaschen
seis zuhaus bei meinem Weib
meinen armen nackten Leib
ohne menschliches Erbarmen
grade, wenn wir uns umarmen
oder irgendwo und wann
mit dem Teufel Havemann
Wenn wir singen oder grad
Konjak kippen, das wär schad
ach, bedenkt: ich sitz hier fest
darf nach Ost nicht, nicht nach West
darf nicht singen, darf nicht schrein
darf nicht, was ich bin, auch sein
holtet ihr mich also doch
eines schwarzen Tags ins Loch
ach, für mich wär das doch fast
nichts als ein verschärfter
nichts als ein verschärfter
nichts als ein verschärfter Knast
Nachbemerkung und Zurücknahme
Doch ich will nicht auf die Spitze
treiben meine Galgenwitze
Gott weiß: es gibt Schöneres
als grad eure Schnauzen
Schönre Löcher gibt es auch
als das Loch von Bautzen
In irgend einem Zusammenhang sagt der Besucher: "Je länger der Alte lebt, desto geiler auf die Macht. Das ist eine ganz irre Dialektik". Borkowski hat sie zwei Jahre erlebt, die "Hintermänner".
Borkowski sagt dann, er würde das trotz seiner Erfahrungen in der Normannenstraße unterschreiben. Wenn man sich der letzten drei Jahre erinnert, dann könnte man wirklich nicht mehr anders.
Dieter Borkowski lädt Wolf und Eva in seine Wohnung nach Heinersdorf ein.
Borkowski erzählt Witze über Walter, Nikita und Mao.
Später spricht er über Filme von Werner von Braun und über die Aussage der Werner-Holt-Filme. Borkowski erwähnte einen Leonhardt, den sie Wolodja nannten.
Als Stalin starb, so berichtete Dieter Borkowski, konnte man im Neuen Deutschland folgende Schlagzeile lesen: "Das größte Herz der Welt hat aufgehört zu schlagen". Der Beschluß der Partei, Stalins Vermächtnis in Ehren zu erfüllen, hängt heute noch in seiner Toilette.
Herr Borkowski erinnert sich, daß der Beschluß vom Neuen Kurs im Jahre 1953 nachts über den Rundfunk von Berlin-Niederschönhausen verlesen wurde.
Dieter B. schildert seine Vernehmung durch das MfS. Der Vernehmer war ein hübscher junger Mann und sah aus wie Juri Stahl (o. ä.) vom Kaukasus. In diesen Zellen wird heute niemand mehr verhört, das ist jetzt der Altbau. In der Zwischenzeit wurde ein Neubau mit 400 Zellen aufgebaut. Dort ist alles bestens eingerichtet. Wolf ergänzt zynisch, daß auch Rummelsburg schöner und größer geworden ist. Dieter B. meint aber den großen Komplex in Berlin-Hohenschönhausen. Im Jahre 1943 war Hohenschönhausen ein Nebenlager der Prinz-Albrecht-Straße. Die 60 Zellen da unten im Hof, in denen auch Harrich, Janka, er und alle anderen saßen, reichten nicht mehr aus. Sie saßen in einer Zelle im Keller, dort gab es nicht einmal eine Entlüftungsanlage. Wenn man heute im Fernsehen westdeutsche Zuchthäuser mit den berüchtigten "Scheißhauskübeln" sieht, bei ihnen war es damals nicht besser.
Dieter Borkowski stellt sich vor, damit nicht der Eindruck entsteht, daß er tatsächlich ein Agent ist. Dazu erzählt er folgendes: Als junger Mann war er Luftwaffenhelfer und wurde 1944 noch eingezogen zur Flak. Berlin hat er als unwissender 15- oder 16-jähriger Junge noch verteidigt. Dann war er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach der Gefangenschaft ist er mit allen Fasern aus seiner bürgerlichen Verwandtschaft ausgebrochen. Er trat in die Partei ein und baute die FDJ in Westberlin mit auf. Er machte das unter Erichs Leitung. Sie sahen sich jeden Monat zwei- bis dreimal. Dort sah er auch die kleine Margot Feist aus Halle, die gestern im Fernsehen auftrat. Emma sagt, daß Margot damals Telefonistin war. Herr Borkowski bestätigt das. Sie kam schließlich hoch bis zum großen Erich. Erich war damals mit seiner eigenen Großmutter verheiratet, mit Edith Baumann. Auf Grund seiner kleinbürgerlichen Herkunft hat sich Dieter Borkowski niemals zu einem kritiklosen Menschen entwickelt.
Er hatte eine Begegnung mit Wilhelm Pieck wegen eines alten Genossen, der sich wie ein Schwein benahm. Von Wilhelm Pieck bekam er einen sehr guten Eindruck; er behielt auch in dieser Sache recht.
1951 ist er in die Hauptstadt der DDR gezogen. Er arbeitete als Journalist beim Rundfunk, seine FDJ-Arbeit in Reinickendorf erledigte er noch jahrelang. Als Stalin in die letzte Phase eintrat, schlug sich das hier in der sogenannten Parteikonferenz nieder. Auf der Parteikonferenz saßen im Präsidium noch Menschen neben Ulbricht und Grothewohl, die später als Agenten und Verbrecher entlarvt und aus der Partei ausgeschlossen wurden. In der CSSR wurde Slansky als Schwein und faschistische Bestie entlarvt; in Ungarn wurde Reicz der Kopf abgeschlagen. Die Großen wurden entlarvt, und in dieser Zeit erhielt auch Wolfgang Langhoff eine Rüge von der Partei, Genosse Kreikemeier wurde entlarvt und der Genosse Fechner im Zusammenhang mit dem 17. Juni verfolgt. All diese Geschehnisse sind nicht ohne Spuren an ihm vorbeigegangen. Eine der "schönsten Spuren" war die Sache mit dem Sohn des Generalsekretärs der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei, der gerade noch acht Tage vor seiner Verhaftung einen Glückwunsch von Walter Ulbricht erhielt mit folgendem Inhalt: "Du bist der treueste Sohn des tschechischen Volkes, der tschechischen Arbeiterklasse - meinen innigsten Glückwunsch zu Deinem alten proletarischen Kampf. Vorwärts zum Sieg unter dem Genossen Stalin!". Acht Tage später wurde Slansky verhaftet. Es stellte sich heraus, daß Slansky seit 20 Jahren eine üble faschistische Bestie, ein angelernter Spion und Agent des internationalen Weltkapitalismus war. Slansky Sohn stellte sich in aller Öffentlichkeit hin und erklärte: "Die faschistische Sau ist nicht mein Vater. Mein einziger Vater ist der Genosse Gottwald". Der Sohn hat sich später das Leben genommen.
Im Mai 1953 nach einer Diskussion mit einem höheren Funktionär wurde Dieter B. von der Parteikontrollkommission verhört. Dieses Gespräch stand im Zusammenhang mit einem richtigen Agenten, der hier in der DDR zehn Jahre gesessen hat und damals versuchte, Dieter B. abzuwerben. Das war der Agent Bioch (o. ä.).
In dem Zusammenhang nennt Borkowski auch den Agenten Erich Heimann, der ebenfalls sieben Jahre Zuchthaus bekam. Erich Heimann ist der Sohn von dem Sozialdemokraten Heimann, den die Faschisten in Sachsenhausen totgeschlagen haben. Erich Heimann war der Mitbegründer der FDJ in England. Nach seiner Rückkehr in die Heimat baute er hier die FDJ mit auf. 1951 wurde er verhaftet nach einem Gespräch im Zentralkomitee, Wilhelm-Pieck-Straße 1. Von sieben hat er sechs Jahre abgesessen. Danach hat er ein Jahr als Bügler im VEB "Fortschritt" gearbeitet.
Borkowski kommt dann wieder auf B.... zurück. Er bekam eine Vorladung von der Partei und mußte dort erzählen, was er mit Bruno B.... besprochen hatte. Heute arbeitet B.... als Direktor bei Progress. Neulich traf Dieter Borkowski ihn beim Henschelverlag. Borkowski erhielt von der Partei eine Rüge, weil er keinen schriftlichen Bericht über die Begegnung mit Bruno B..... in dessen Westberliner Wohnung, nachdem dieser geflohen war, gegeben hatte. Allerdings war der Parteisekretär von Borkowski davon unterrichtet, daß er zu dem B..... gehen will. Das war 1951. Nach 1 1/2 Jahren kam es wegen dieser Sache zu seinem Ausschluß aus der Partei. Borkowski sagte, daß er damals seinem Parteisekretär ausführlich über seine Begegnung mit B... in Westberlin berichtet hatte und dieser von ihm keinen schriftlichen Bericht verlangte. B..... war ein richtiger Agent und somit hatte sich die Sache für Dieter Borkowski erledigt. Bei dieser Aussprache vor der KK (?) erlaubte sich Borkowski ein paar kritische Bemerkungen. Beispielsweise, daß in dieser Zeit die Normen ungeheuer erhöht wurden und die Handwerker keine Lebensmittelkarten erhielten. Dort sagte er auch, er habe das Gefühl, daß der Genosse Walter Ulbricht als Generalsekretär des ZK den Kontakt mit dem Volk ein bißchen verloren habe. Er führte als Beispiel den Besuch des Genossen Walter Ulbricht zu irgend einem Anlaß im Zeughaus Unter den Linden an. Das hätte er nicht sagen dürfen. Daraufhin erhielt er eine strenge Rüge. Das war am 24. Mai 1953. Es verging der Juni mit seinen politischen Ereignissen und Ende August befand er sich in Urlaub auf Hiddensee. Dort erreichte ihn ein Telegramm, in dem stand, er solle sofort nach Berlin zur Landes-Partei-Kontrollkommission kommen. Hier wurde ihm folgendes mitgeteilt: "Genosse Borkowski, Du bist als Parteifeind entlarvt und aus der Partei ausgeschlossen im Sinne der staats- und parteifeindlichen Fraktion Herrnstadt, Zeißer, Ackermann und Elli Schmidt, die gegen den Kern unserer Führungsgruppe wühlen usw". Vorher nahm man ihm sein Parteibuch ab mit der Begründung, die Beiträge kontrollieren zu wollen. Darüber erhielt er niemals etwas Schriftliches.
Auf jeden Fall war er seit diesem Tag aus der Partei ausgeschlossen, entlarvt als Agent. Das war im August 1953, nachdem im Politbüro solche Berüchtigten faschistischen Schweine wie Zeißer, Herrnstadt, Anton Ackermann, Elli Schmidt und Jendretzki entlarvt wurden. Sie hatten gesagt: Walter, der die Verantwortung für diesen Kurs trägt, sollte zweckmäßigerweise eine kleinere Funktion bekommen, vielleicht die Gewerkschaft übernehmen oder etwas ähnliches. Darüber wurde vier Wochen diskutiert. Und dann hat der Genosse Chruschtschow, der sich bereits in Moskau mächtig stark machte, die Linie gegeben, daß mit dieser Parteigruppe reinen Tisch gemacht wird. Und so wurden diese Agenten ausgeschlossen.
Emma stellt eine Frage und Borkowski erwidert, die Gruppe vertrat den Standpunkt: "Walter, es ist ganz klar, das, was die Bevölkerung als den alten Kurs bezeichnet, dafür trägst Du die Verantwortung. Du bist ja Generalsekretär des ZK seit der Gründung der Partei. Es ist zweckmäßig, daß Du von dieser Funktion zurücktrittst und daß eine neue Spitzengruppe formiert wird, wobei wir den Präsidenten und Ministerpräsidenten belassen würden, nur der Generalsekretär muß ein anderer sein. Außerdem muß man sich überlegen, welche Minister in das Kabinett zu berufen sind". Emma erkundigt sich, wer Zeißer war. Borkowski antwortet, es war der alte Kommunist Zeißer, der General Gomez aus dem Spanienkrieg.
Herr Borkowski bringt zum Ausdruck, wenn es in dieser volksdemokratischen Ordnung nicht möglich ist, daß irgend ein Arbeiter oder Handwerker erklären kann, er kann diese Parteiführung nicht akzeptieren, so müßte man doch annehmen, daß im Politbüro ehrlich und offen über solche Fragen gesprochen werden kann. Im Politbüro saßen damals der Minister für Staatssicherheit, Genosse Zeißer, der Chefredakteur vom Neuen Deutschland, Rudolf Herrnstadt und all die anderen. Sie waren die stärkste Gruppe im Zentralkomitee. Anton Ackermann war der Theoretiker der Partei, der drei Jahre zuvor mit Billigung der Führung die Theorie ausgearbeitet hat, daß es keine Sowjetisierung Deutschlands geben darf, weil wir Westdeutschland für den sozialistischen Weg gewinnen wollen. Wegen dieser Theorie wurde er bereits 1948 oder 1949 entlarvt und bekam schwere Parteistrafen. Emma sagt, sie kann sich nicht erinnern, daß über die Vorkommnisse um diese parteifeindliche Gruppe diskutiert wurde. Herr Borkowski sagt zynisch, in unserem Staat wurde niemals diskutiert, hier wurde immer akzeptiert. Sogar telefonisch wurden viele Probleme entschieden. - "Im Kreml brennt noch Licht ...".
Fünf Wochen danach sagte Walter Ulbricht: "Widerwärtiges sozialdemokratisches Schwein, ekelhafter Verräter, schleimiger Milchhändler Max Fechner. Da wurde der Justizminister der DDR entlarvt und bekam sieben Jahre. Vor einem halben Jahr in seiner Fernsehsendung mit Poneski haben sich Ulbricht und Fechner auf der Bühne in aller Öffentlichkeit umarmt und abgeküsst. Emma versteht nicht, warum Fechner das mitmacht. Borkowski meint, Fechner habe 100.000,-- Mark als Entschädigung erhalten, warum sollte er sich dafür nicht umarmen lassen.
Bei der Parteiführungsausbildung war Fechner eine Hauptfigur. Zur Gründung der Partei wurde die Parteiführung gebildet durch die Genossen: Pieck, Grothewohl, Ulbricht, Fechner, Matern und ....
Als Walter Ulbricht den biederen Sozialdemokraten Fechner als Agent entlarvte, war alle Welt erstaunt. Fechner wurde entlarvt, weil er sagte, er sei der Meinung, man muß zwar die faschistischen Provokateure des 17. Junis entlarven und verhaften, aber nicht die streikenden Arbeiter, die glaubten, daß sie von dem in der Verfassung garantierten Streikrecht Gebrauch machen können. Natürlich mußte man auch die Arbeiter belehren. Das alles sei nachzulesen in einer Ausgabe vom Dietz-Verlag 1953, 15. Plenum des ZK der SED. Dieter hat das in seinem eigenen Archiv. Das hat Erich nicht gefunden. 500 Bücher hat er geklaut, es waren Gesetzbücher. Aber das war im Keller und wurde nicht gefunden. Es gibt immer noch Chancen, das eine oder andere zu retten, wenn Erich zugreift. Wolf wirft ein, das müßte man sich merken. Auf eine Frage von Emma B. entgegnet Dieter B., daß er erst 1960 verhaftet wurde. Wolf sagt: "Arme Emma, man bringt sie zur Verzweiflung, ihre Kinder, sie rauft sich schon die Haare".
Borkowski unterbreitet Wolf und Eva den Vorschlag, bereits morgen abend nach Heinersdorf zu kommen. So könnten sie bis zum Milchhof fahren und dort an der Ecke käme Dieter ihnen entgegen. Sie vereinbaren, daß Wolf und Eva zuvor anrufen. Morgen und übermorgen abend sind Dieter und seine Frau zu Hause.
Bieter B. hat in seinem Leben eine Dummheit gemacht, die darin zu sehen ist, daß er glaubt, für sein Anliegen, den Faschismus zu bekämpfen, drüben mehr arbeiten zu können. Seine hiesigen Möglichkeiten sind viel zu eng. Er kann nichts machen. Seinen Weg hatte er sich anders vorgestellt. Aber nachdem die Kulturpolitik 1959 so geändert wurde, ist er bewußt auf das faschistische Problem eingegangen. Das ist für ihn die einzige Möglichkeit, wo er alles klar und uneingeschränkt vertreten kann. In der Kulturpolitik konnte er das bereits 1958 nicht mehr. Er hatte damals viele Kritiken über Hedda Zinner geschrieben, aber sie wurden nicht gedruckt. Unter diesen Umständen hatte das Arbeiten keinen Sinn mehr.
In der Begründung für seine Strafe steht: "Der Angeklagte hat wiederholt in hetzerischer Weise geäußert, daß Gotthold Ephraim Lessing sich im Grabe umdrehen würde, wenn er erführe, daß eine Dichterin wie Hedda Zinner den Lessing-Preis erhielt". Das war ein Verstoß gegen § 19 des STGO. Das Urteil ist aus dem Jahre 1961. Die Anklageschrift von zehn Seiten wurde ihm lediglich gezeigt. Das zehn Seiten umfassende Urteil besitzt er nicht.
Nachdem sich Dieter B. verabschiedet hat, daß dieser wie ein Maschinengewehr so schnell spricht, aber ein ausgezeichnetes Gedächtnis besitzt. Er ist ein alter FDJ-Funktionär. Emma B. fand seine Ausführungen äußerst interessant, aber sie kann sich nur ein Bruchteil dessen merken.
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HA XX/4 - Gen. Lohr Berlin, 16. September 1967
26/B/19/66/746/Hof
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 15. 9. 1967
Unterhaltung zwischen Eva-Maria H. und Herrn Heinz Thiel. Herr Thiel hat sich heute erstmalig einen zusammenhängenden Schnitt "Brot und Rosen" angesehen. Eva ist zur Zeit vollkommen durcheinander und möchte am liebsten alles, was mit ihrer Arbeit zusammenhängt, hinschmeißen. Der Inhalt des nächsten Films, in dem sie eine Rolle übernehmen soll, ist gut und interessant. Sie sprechen darüber, daß sich die Größe eines Schauspielers darin zeigt, daß er die verschiedensten Menschentypen gestalten kann. In einem anderen Film wird Eva eine Agentin spielen. Das ist für sie auch etwas Neues. An einem Interview hat Eva kein Interesse.
Herr Thiel findet, daß Evas und Borkowskis Gedanken, ein Interview über Evas Entwicklungsweg als Schauspielerin zu formulieren, recht gut sind. Das wäre dann nicht so eine nichtssagende Geschichte, wie sie von Kirfel vorgesehen ist. Was Kirfel geschrieben hat, ist eine rein theoretische Sache. Eva will sich die Fragen morgen noch einmal vornehmen. Falls Borkowski noch etwas wissen möchte, so soll er versuchen, Herrn Thiel telefonisch zu erreichen.
F.d.R.d.A.: Höfner......
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HA XX/1-Gen. Lohr Berlin, 19. September 1967
26/BA 19/66/ 750 /Höf
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 16. 9. 1967
Unterhaltung zwischen Eva-Maria H. und Dieter B o r k o w s k i . Eva berichtet, daß sie dem Heinz T h i e l die Arbeit von B. zeigte und dieser das als sehr schön bezeichnet. Heinz T. war der Ansicht, daß man zu einer Frage noch etwas einfügen könnte. Eva befürchtet jedoch, daß das bereits zu spät ist. Dieter B. sagt, daß man durchaus noch etwas verändern kann. B. ist erstaunt, daß Eva sich mit Heinz Thiel über diese Sache beraten hat. Ebenso verwundert ist er, daß Thiel das schön findet. Eva erwidert, Herrn Thiel gefällt, daß die Geschichte so persönlich aufgezogen wurde. Um eine Veränderung bittet Eva bei der Frage: "Beim Filmfestival in Moskau, war es eine Reise unter vielen oder gab es besondere Eindrücke?" Bei den besonderen Eindrücken hat Eva nur den "Vater" erwähnt. Da Heinz Thiel mit in Moskau war, machte er sie darauf aufmerksam, daß das Moskauer Filmpublikum Eva insbesondere durch den "Schlüterfilm" in Erinnerung behalten hatte. Darüber war Eva sehr erstaunt. Sie wurde von vielen Moskauern wegen dieses Films angesprochen. Ganz besonders beeindruckt war Eva von einem spanischen Farbfilm. Der Film heißt "Gespensterliebe".
Interessant waren für Eva auch die Filmkritiken aus den anderen Ländern. Sie erwähnt eine Kritik aus einer japanischen Zeitung. Dieser Kritiker brachte zum Ausdruck, daß ihm durch diesen Film das erste Mal richtig klar wurde, wie sich das andere Deutschland entwickelt hat. Herr B. hat diese Kritik aus einer japanischen Zeitung gestern in der DDR-Presse gelesen. In dem Zusammenhang verweist er Eva auf einen Artikel, der heute im Neuen Deutschland steht. Er wurde verfaßt von dem Autor des Filmes.
Dieter ist das Theater um den Film schon wieder viel zu dick. Borkowski hat eine sehr kritische Haltung zu diesem Film, obgleich er die Meinung vertritt, daß der Film trotz allem nützlich ist. In diesem Falle teilt er die Meinung von Kurt Maetzig. Sie haben neulich über die ganze Art, wie man es in "Brot und Rosen" macht, gesprochen. Dabei kamen sie zu der Meinung, daß man im Grunde genommen von einer ernsten und schöpferischen Kritik her dem "Brot- und Rosen-Kollektiv" schweren Schaden zugefügt. Der Schaden ist entstanden durch den Ausspruch von R o s e n b e r g , der sagte "das ist ein heroischer Film". "Heroisch" ist der Film gar nicht. Das sei völliger Quatsch. Darin ist Eva mit ihm einer Meinung. B. meint, es ist eine Schande, daß solche Leute überhaupt noch Worte finden dürfen und diese Worte veröffentlicht werden. Das tragischste daran ist, daß die Worte nun als Dogma für alle Filmschaffenden zu gelten haben.
F.d.R.d.A.: Höfner
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Berlin, 25. September 1967
26/BA/19/66/752 - Hg
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem - GI - Bericht vom 25. 9. 1967, 15.39 Uhr
Eine G i s e l a spricht mit einem Herrn S. Sie erkundigt sich nach seinem Befinden. Er findet es nett, daß sie sich bei ihm meldet. G. erwähnt, daß sie bei der Eva in der Wohnung ist. Er hat sich das denken können.
Der Unterhaltung konnte entnommen werden, daß G. dem Herrn S. erzählt, daß die Eva jetzt für 6 Wochen in Bulgarien ist. Am Wochenende war sie noch einmal für einen Tag hier.
Es wird dann über allgemeine Dinge gesprochen. Herr S. spricht u. a. von der Arbeit seiner Frau. Sie hat schon wieder eine Fernsehaufzeichnung gehabt, er war schon mal bei einer Aufführung in Potsdam bei "Peter und der Wolf" in dem Pioniertheater. G. spricht vom zweiten Programm, das soll im nächsten Jahr eingerichtet werden. Sie meint dazu, daß das die große Chance wäre. Herr S. erkundigt sich nach ihrem Befinden. Sie teilt mit, daß sie ausgelastet ist, dann hat sie viele Pläne, der Gerd ist leider damit nicht ganz einverstanden. Sie möchte nach Conakry. In dem Zusammenhang erwähnt sie, daß doch eine Frau vom Ministerium für Außenwirtschaft bei ihr Französisch lernt. Diese Frau hat ihr erzählt, daß die dort in der Handelsvertretung ganz dringend eine junge Kraft brauchen. G. könnte sofort los, aber drei Jahre ist ihr zu lange. Ein dreiviertel Jahr könnte sie auch allein hin, aber das möchte der Gerd nicht.(.....) Herr S. sagt dann, daß sie jetzt Kindermädchen macht. Sie bestätigt das, die Nina ist bei ihnen die ganze Zeit (.........) Entnommen werden konnte der Unterhaltung noch, daß die Gisela heute in die Volkshochschule muß.
F.d.R.d.A. ...............
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Aus einem GI-Bericht vom 7. Okt. 1967 -15.00 Uhr
Gisela Schröder gratulierte Nina Hagen zum Tag der Republik. Nina erzählte, daß sie im BE war. Dort hat ihr das Stück, ›Die Tage der Kommune‹, in der Inszenierung ganz gut gefallen. Gisela erwidert ... man sieht so viel über rote Fahnen, da kann man gar nicht glauben, daß das von Brecht ist. Nina berichtete, daß sie auch ein schönes Plakat von Wolf Biermann hat. Da stehen ein paar Lieder drauf ... Nina sagte, daß sie jetzt im Jugendverband (FDJ) ist. Sybille Havemann will nun auch eintreten. Nina meinte, daß das besser sei, wenn man in der FDJ ist. Da kann man doch viel mehr machen, als wenn man nicht drinne ist. Wenn man in der FDJ ist, kann man seine Meinung viel besser anbringen. Genauso verhält es sich auch mit der Partei. Doch Gisela sagte, daß das in der Partei ein wenig schwieriger ist. Sie könnt ja eintreten, aber das ist ... Gisela brach dann ab und meinte, daß sie sich mit Nina darüber ein andermal unterhalten möchte. Nina entgegnete, daß sie schon gerne später einmal in die Partei eintreten würde.
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HA XX/1
Berlin, 7. Oktober 1967/Bi
26/A 10 791/420/66
Bd. 657
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 7. 10. 1967 gegen 20.50 Uhr führte Eva aus Sofia mit dem Wolf eine Unterhaltung.
Wolf war sehr erfreut, Evas Stimme zu hören. Sie soll doch bald kommen, denn er hält es nicht mehr aus. Eva ergeht es nicht anders. Sie hat es schon mehrmals versucht, aber immer bekam sie keine Verbindung. Jetzt ist sie ganz aufgeregt. Am 16. wird sie zurückommen. Wolf bat, daß sie eher kommen soll. Er vergeht bald vor Sehnsucht. Das kann Eva nicht machen. Für den 16. ist der Flug gebucht und außerdem haben sie um diese Zeit auch noch Drehtage. Jetzt ist schlechtes Wetter und da geht es nicht voran. Sie bedankt sich dann für die Post. Wolf hat ihr jeden Tag einen Brief geschrieben. Er bedankt sich auch für die Briefe von Eva. Leider kommen sie immer spät an, weil sie bei "denen" liegen. Die Zeit ist so einsam und langweilig. Immer muß er an sie denken. Eva sehnt sich auch nach ihm. Jetzt ist sie ganz aufgeregt. Wenn es dem Wolf möglich ist, so möchte er sich doch morgen einmal melden. Sie ist in Burgas unter - 3137 - zu erreichen.
Wolf wird es machen. Am besten wird sein, daß sie sich auf das Wiedersehen vorbereiten.
Eva erkundigte sich dann, wie es der Nina geht. Wolf sagte, daß alles in Ordnung ist. Heute hat er mit ihr Drachen steigen lassen.
Man verabschiedete sich dann. Wolf beruhigte die Eva. Sie soll nicht Trübsal blasen, sondern oft an ihn denken und Gitarre üben. Besonders soll sie sich vor den Balkanmenschenfressern vorsehen. Eva versprach, daß alles in Ordnung geht. Mit vielen Küssen verabschiedete man sich.
Billhardt
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 9. Oktober 1967/Schr
26/A 10791/424/66
Bd. 658
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Wolf B. teilte am 8.10.67 gegen 24.00 Uhr der Eva-Maria H. - Burgas 31 37 - mit, daß er heute schon mehrmals versucht hat sie zu erreichen. Es war immer vergeblich. Er hat sie doch so lieb und mußte unbedingt heute mit ihr sprechen. Er denkt nur noch an sie und ist vor Liebe krank.
Eva war sehr erfreut, daß sich Wolf gemeldet hat. Sie hat schon geschlafen. Sie wird ja bald zurückkommen. Wolf kann ihr aber noch einmal nach Varna schreiben. Dort ist sie im Hotel Zlatna Kotwa zu erreichen. Die Straße heißt Zlatni Piasatzi. Wolf wird ihr schreiben. Er hat doch große Sehnsucht nach ihr. Das kann sich Eva vorstellen. Ihr geht es ebenso.
Seit 3 Tagen ist schlechtes Wetter, so daß sie nicht drehen können. Sie wird aber trotzdem nicht länger bleiben, weil sie doch am 17. Vorstellung hat. Sie wird deshalb am 16. abends kommen. Wolf möchte sich erkundigen, wann abends die Maschine auf Sofia kommt, damit er Bescheid weiß, falls Eva ihm das nicht mehr mitteilen kann. Die Post von Wolf hat sie erhalten. Sie hat auch geschrieben und den Brief müßte Wolf die nächsten Tage bekommen.
Wolf freut sich schon darauf.
In der weiteren Unterhaltung wollte Eva wissen, ob Wolf schon in der Zelter Str. gewesen ist. Sie hatte ihn doch gebeten nach der Post und den Zeitungen zu sehen.
Wolf war noch nicht dort, er wird aber morgen gleich hinfahren. Dem Wolf paßt es gar nicht, daß Eva so lange weg ist. Ihm gefällt das nicht mehr. Er möchte einfach nicht mehr ohne sie sein.
Eva kann das verstehen und sie würde ja auch gern bei Wolf sein. Sie will nur hoffen, daß das Wetter besser wird, denn sonst müßte sie noch einmal wieder runterkommen.
Eva soll sich einmal erkundigen, ob ihre Rollen nicht eher gedreht werden können, damit sie eher abfahren kann. Wenn das nicht geht, dann soll Eva wenigstens für einen Tag nach Berlin fliegen. Wolf kann nicht so lange warten.
Eva will versuchen was sich machen läßt. Sie wird sich morgen früh erkundigen und vielleicht kann sie für ein paar Tage kommen. Wolf würde sich sehr freuen.
Sie wünschen sich alles Gute und Eva wird sich wieder melden.
Vor 8.00 Uhr teilte Emma - Hamburg - dem Wolf mit, daß er nicht den Geburtstag vergessen soll. Sie möchte ihn noch einmal daran erinnern.
Wolf ist der Meinung, daß es reicht, wenn er seinen eigenen Geburtstag nicht vergisst. Er wird "ihr" aber ein Telegramm schicken. Ansonsten geht es dem Wolf gut. Seine Kopfschmerzen haben auch wieder nachgelassen.
Darüber ist Emma erfreut. Sie bemerkt, daß sie eine nette Karte von Eva bekommen hat.
Zur Zeit fühlt sich Wolf sehr einsam, weil Eva doch nicht da ist. Er kann ohne sie nicht mehr sein. In jedem Brief schreibt er ihr, daß sie ganz schnell zurückkommen soll.
Wolf würde sich auch freuen, wenn Emma wieder einmal kommen würde. Wenn es gehen würde, würde Wolf auch zu ihnen kommen. Emma soll die Oma schön grüßen und man verabschiedet sich.
Den Worten von Emma konnte nur schlecht gefolgt werden.
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HA XX/1 Berlin, 12. Oktober 1967/Schu
Gen. Lohr 26 A/10791/428/66
Bd. 687
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Evamaria Hagen meldete sich am 11. 10. 1967 nach 22.00 Uhr bei Wolf B., sie befand sich zur Zeit in Bulgarien.
Sie bringt zum Ausdruck, daß sie bald verrückt wird. Es dauerte sehr lange bis sie die Verbindung bekommen hat. Ferner erwähnte sie, daß es mit der Rückfahrt von Warna aus kompliziert werden wird.
Wolf erkundigte sich dann, wie es mit der Post aussieht. Seit 5 Tagen hat er von ihr keinen Brief mehr erhalten. Worauf Eva beteuerte, daß sie immer geschrieben hat. Auch Wolfs Post hat sie nicht regelmäßig erhalten. Sie bekam auf einmal 3 Briefe von ihm. Ihr geht es gar nicht so gut, denn Wolf fehlt ihr sehr. Sie betont, daß Wolfs Briefe für sie sehr wichtig sind.
Sie erkundigte sich, wie es ihm geht und wie er aussieht. Wolf berichtete, daß er sehr einsam ist. Eva bat ihn durchzuhalten, denn bald ist sie in Berlin. Sie bringt in dem Zusammenhang zum Ausdruck, daß sie es körperlich und seelisch nicht mehr aushält, dieses wird gemildert, wenn sie ihm schreiben kann und darauf von Wolf Antwort erhält.
Daß die Briefe so lange gehen, sieht Wolf darin begründet, weil sie von sehr vielen Leuten gelesen werden. Die Briefe untersucht man immer nach Wasserzeichen und eventuellen Codetexten.
Eva meinte, daß sie es ruhig sollen, die Hauptsache ist, sie bekommt regelmäßig Post.
Wolf erwartet sie sehnlichst und er bittet die Unterhaltung abzubrechen, weil es sonst zu teuer wird. Abschließend bringt sie zum Ausdruck, daß sie sich auch erholte und es geht ihr gut.
Der Unterhaltung konnte sehr schlecht gefolgt werden.
Schubert
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Berlin, 19. Oktober 1967
26/BA/ 19/66! 762 - Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
(15.54) Peter Hacks erkundigt sich nach Eva H.s Befinden. Er gratuliert ihr zum Geburtstag. Sie bemerkt, daß sie Gäste eingeladen hat. Es kann kommen, wer will. Er ist auch herzlichst eingeladen. Sie unterhalten sich über Evas Arbeiten bei der Defa und am Theater. Sie bemerkt u.a., dass sie an einem Auftragsfilm für den VII. Parteitag teilgenommen hat. Mit diesem Film war sie in Moskau. Der Film ist ganz schlecht. Für Eva war der Film aber ganz gut, weil sie in ein anderes Fach kam. Peter fragt, was ein Auftragsfilm ist. Eva sagt, daß das ein Film zu Ehren eines großen Tages ist, Sie kann das aber nicht alles an dieser Stelle erzählen. Sie sagt aber sonst auch immer alles, was sie denkt. Eva erwähnt, dass sie auch in dem Film "Die Fahne von Kriwoi Rog“ mitgespielt hat. Der Film ist nach einem Roman gedreht worden. Sie ist froh, daß nicht viel von diesem Roman übrig geblieben ist. Der Film ist zum Teil ganz ansehbar. Peter bemerkt, dass die ganz einfach die Story genommen haben, die sonst ganz gut ist. Eva meint, daß ein paar Stellen im Film sind, die ins Heroische gehen. Auf eine Frage sagt sie, daß diesen Film der Maetzig gedreht hat. Der Film ist jetzt fertig. Es war auch schon Pressevorstellung. Das Kino war knackvoll. Der Film wird ganz groß aufgebauscht zum Oktober. Peter bemerkt, daß der Maetzig sich nicht einmal den Hals brechen soll. Eva meint, daß der das nicht macht, der findet immer wieder einen Weg. Peter sagt, daß man weiß, daß man sich nicht auf Maetzig verlassen kann, so etwas hat die Regierung am liebsten. Solche käuflichen Schurken. Eva bemerkt, daß man von Peter nichts hört. Er sagt, daß es ihm aber gut geht. Er fügt noch etwas Unverständliches hinzu. Eva fragt, was übrigens Peters Stück macht, was er angekündigt hatte. Er sagt, daß niemand erwartet hatte, daß er das Stück schreibt. Er fragt, wo sie das gelesen hat. Sie hat das in verschiedenen Zeitungen gelesen. Er meint, wenn Eva das im "Spiegel" gelesen hat, hat sie möglicherweise die Ein- und Ableitung nicht gelesen, die die nicht mit abgedruckt haben. Eva bemerkt, daß sie das im "Spiegel" gelesen hät. Sie fügt hinzu, daß das eigentlich jeder angenommen hatte. Peter bemerkt, daß er mitgeteilt hat, daß das keine Fabel ist. Er traut sich nicht zu, ein Stück zu schreiben ohne Fabel.
Eva fragt, warum er das dann gemacht hat. Peter sagt, daß er es eine sehr amüsante Form findet, seine literarischen Gegner zu beschimpfen. Eva lacht darüber. Sie bemerkt, daß viele davon überzeugt waren, daß es so ist. lm Londoner Rundfunk ist darüber gesprochen worden. Sie waren da aber ziemlich gegen Peter Hacks. Sie konnten das nicht verstehen, ihn für einen ernsthaften Dramatiker halten usw. Eva bemerkt, daß sie sich einmal sehen sollten. Peter sagt, daß er Anfang nächsten Monats wieder zurück ist. Er wird sich dann bei Eva melden. Peter ist damit einverstanden. Sie bemerkt, daß er aber auch schon heute abend zu ihr kommen kann. Für Peter ist das aber unmöglich. Er fügt hinzu, daß es heutzutage leicht ist, nach Prag zu fahren. Er ahnt heute, daß er morgen vielleicht sein Visum bekommt. Er rennt nun schon zwei Tage herum und erledigt Paß- und Paßbildgeschichten, Eva ist verwundert darüber. Sie bemerkt, daß man jetzt doch ohne Einladung nach Prag fahren kann. Peter erzählt, daß er nicht wußte, wie man das macht, nach Prag zu fahren. Er hat sich an die Auslandsabteilung des Schriftstellerverbandes gewendet. Es wurde ihm mitgeteilt, daß er nur zur Polizei gehen muß. Dort bekommt er einen Fetzen Papier. Er hat sich darauf verlassen. Vier Tage vorher meldet er sich bei der Polizei. Es wurde ihm gesagt, daß das mindestens 10 Tage dauert. Außerdem kommt die Polizei nicht in Frage. Er braucht ein Dienstvisum. Dabei stellte sich auch heraus, daß er einen neuen Paß braucht. Er geht einen Tag später hin und bringt den Paß und das Paßbild. Jetzt stellte sich heraus, daß das Paßbild nicht gilt. Es gelten nur noch Passbilder mit Krawatten. Er hatte aber kein Paßbild mit einer Krawatte, dafür mit einem sehr viel teueren Hemd. Mit sehr viel Bestechungsgeld ließ er sich am gleichen Tag ein Paßbild anfertigen. Danach stellte sich heraus, daß das Außenministerium eine Sache, welche sich nicht in einem Zimmer abspielt sondern in zwei Zimmern des Außenministeriums, nicht an einem Tage erledigen. Danach wurden dann Autoritäten eingeschaltet, die das Außenministerium überzeugten, daß die Sache doch an einem Tag erledigt werden kann. Auf eine Frage sagt Peter, daß er in Prag zauberhaft beschäftigt ist. Er trifft dort einen Haufen Leute. Eva fragt, ob ein Stück von ihm in Prag läuft. Peter verneint. Er fügt hinzu, daß doch von ihm kein Stück bei den Tschechen läuft. Eva ist verwundert darüber. Peter sagt, daß die Tschechen auch seine politischen Gegner sind. Sie haben ihn doch als Stalinisten mit recht entlarvt. Eva ist das neu. Peter bemerkt, daß er in allen anständigen Volksdemokratien als Stalinist entlarvt worden ist. Eva bittet, daß er ihr das alles einmal genauer erzählen soll. Er verspricht ihr das. Sie bittet, daß er versuchen soll, noch heute abend zu ihr zu kommen.
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 26. Oktober 1967
26/BA/19/66/766 - Fin
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 26. Oktober 1967
15.47 Uhr
Peter Haacks meldet sich bei Eva-Maria Hagen. Er hatte ihr versprochen, sich bei ihr zu melden, wenn er aus Prag wieder zurück ist. Das geht nun aber nicht, weil er gar nicht in Prag war. Er erklärt, daß er seinen Paß nicht rechtzeitig bekommen hat. Er fügt hinzu, daß die hier zu blöd waren. Eva-Maria meint, daß das ja ein Ding ist. Peter bemerkt, daß er tagelang seinen Koffer ein- und ausgepackt hat. Die hatten ihn immer für eine halbe Stunde vertröstet. Eva-Maria fragt, was die gegen ihn haben. Er erwidert, daß die gar nichts gegen ihn haben. Er fügt hinzu, daß die sicher auch gegen ihn etwas haben werden. Das Schlimme ist, daß das das ist, was jede Behörde gegen jeden Menschen hat. Die sind heute einfach schlicht unfähig alle miteinander. Eva-Maria bemerkt, daß sie in großer Eile ist. Sie hat heute große Premiere. Gestern war sie in Eisleben. Peter hat davon gelesen. Er wünscht ihr viel Erfolg.
Beide verbleiben anschließend so, daß sie sich am kommenden Mittwoch gegen 20.30 Uhr bei Frau Eva-Maria treffen.
F.d.R.d.A. ...........................
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1. 11. - Unterhaltung zwischen Eva-Maria Hagen, Wolf Biermann, Peter Hacks. Eva meint zu Peter Hacks, daß er gesagt hat, daß ihm der Walter Ulbricht fünfzigmal lieber ist, als der Biermann. Wolf bemerkt, daß das ja bekannt sei. Nach einer nicht zu ermittelnden Unterhaltung sagt Peter: ›Ich formuliere also und tadel wieder: Der Biermann hält es für sein Berufsrecht ... seine private Meinung zu verallgemeinern und eine Theorie daraus zu machen. Der Biermann ist der Meinung ... Leute sich nach Biermanns Geschmack zu richten.‹
Wolf bemerkt, daß er gar nicht so beleidigt ist, wie es Peter vielleicht annimmt.
Er versucht, sich zu ändern, soweit es möglich ist. Sie sprechen über Grass. Peter schildert: ›Wenn jemals in Westdeutschland eine Spur von einer Klassenfrage gestellt wird, da werde ich Herrn Grass hinter dem Maschinengewehr sehen, welches ... getroffen und zwar durch Feuer. Und ich hoffe sehr mit ihrem Gunsten, daß ich sie hinter dem Maschinengewehr sehe, das Herrn Grass ins Feuer ...‹ Peter bezeichnet Herrn Grass als einen fanatischen Verteidiger. Er ist ein verfluchter Bourgeoisie, der immerfort leugnet. Weiter führt Peter aus: ›Es gibt nicht mehr einen Nazi, der erklärt, daß er keiner ist.‹ Wolf findet das witzig. Peter sagt, es ist nicht witzig, es war eine völlig klare Bemerkung. Eva erzählt, daß Wolf wunderbare Gedichte und Balladen schrieb. Wolf sagt, daß eine Stelle für ihn die einzige Verbesserung wär, die es in der Welt für ihn gibt. Das wünschte er sich.
Sie sprechen über Havemann. Auf eine Feststellung (nicht zu ermitteln) sagt Wolf: ›Ob Havemann nun ein Clown ist oder nicht, also seine Quote als Philosoph, ist weiß Gott eine Clown-Quote.‹ Peter ist in diesem Haus vollständig zufriedengestellt, daß er nicht mit Havemann eingeladen ist. Das verlangt er gar nicht. Wolf: ›Das haben Sie gesagt.‹ Peter sagt etwas Unverständliches über Havemann. Eva möchte, daß Peter sich deutlicher ausdrückt. Er fragt, ob sie das mit dem Spießerideal meint. Sie bejaht. Peter erklärt, daß jeder Spießer gern ins Bordell geht. Eva meint, daß das mit Havemanns philosophischen Anschauungen nichts zu tun hat. Peter sagt, daß es mit seinen philosophischen Anschauungen sofern zu tun hat, daß er unbekümmert über die Lage, in der er sich befindet, über die Möglichkeiten, die nicht vorhanden sind, herumgeht, nie erzählt, was seit Monaten und Jahren ... Eva bemerkt, daß es nicht Havemanns Hauptthema ist. Peter betont, daß es nicht sein Hauptthema ist, es sind Einzelheiten. Eva kennt Havemann bereits 2 1/2 Jahre. Sie ist nicht mit Havemanns Theorien über die Moral einverstanden. Peter sagt, daß Havemann ... diese ganzen verdammten unpolitischen Zahnärzte, Fabrikdirektoren und sonstigen chemischen Fakulatenzen (o. ä.) vertritt. Wolfs und Evas drauffolgendes Stöhnen bringt zum Ausdruck, daß sie mit Peters Auffassung nicht einverstanden sind. Eva äußert, daß es überhaupt nicht so ist. Peter sei da verdammt schlecht informiert. Wolf würde es gut finden, wenn Peter mal mit Havemann sprechen möchte. Peter sagt, daß Havemann moralisch bei den philosophischen Genossen unaktuell geworden ist. Havemann ist ein Langweiler, der zurückgeht auf die dämlichen liberalen Vorschläge. Peter betont, daß er nichts gegen liberale Vorschläge hat. Wenn man ihm sagt, man muß die Anti-Baby-Pille einführen, die freie Liebe, und alle Leute sollen glücklich sein; es muß aber dabei überlegt werden, welche Formen von Zusammenleben zwischen verschiedenen oder gleichen Geschlechtern bestehen sollen. (Eva wirft ein, daß sich Herr Havemann darüber auch Gedanken macht). Aber das herumlehren, was jeden Menschen am liebsten wäre, einfach als Glück zu predigen, ist langweilig.
Wolf erwähnt Walter Ulbricht. Eva bemerkt, daß Herr Ulbricht alt ist und nicht mehr so kann. Darauf äußert Peter, daß Herr Ulbricht viele interessante Sachen geschrieben hat. Als interessante Sache führt Peter etwas von der bürgerlichen Gesellschaft an. W. Ulbricht schreibt: Das, was die im Westen immer vorgeben zu haben, in Wirklichkeit nicht besitzen. Herr Ulbricht überlegt tatsächlich, wie man die Verschiedenheit von Qualität nutzbar machen kann für eine sozialistische Gesellschaft. Z. B. ist Herr Ulbricht nicht daran interessiert, die Unterschiedlichkeit der Eigentumsformen abzuschaffen, sondern ganz im Gegenteil. Er will lauter einzelne Subjekte herstellen und zwar verantwortliche Subjekte. Auf eine Frage von Wolf, erklärt Peter die Entstehung und die Rolle der Kooperationsbetriebe.
In der weiteren Unterhaltung (Einzelheiten konnten nicht ermittelt werden) spricht Peter davon, daß sein Chef auch etwas können muß. Wolf bemerkt, daß es nicht darum geht, nachzuweisen, daß Ulbricht ein Trottel ist. Das ist er weiß Gott nicht. Es geht auch nicht um die persönliche Qualifikation einzelner Leute. Wolf hat z. B. einen Brief an Ulbricht geschrieben. Wolf weiß, warum er den Brief schrieb. Weil er doch nicht blöde ist - er will sich doch nicht - Peter vollendet den Satz: lächerlich machen vor der Nachwelt. Wolf erklärt, daß er ja nicht Herrn Ulbricht abschaffen will. Peter ist der Meinung, daß sich Wolf aber persönlich macht. Peter: ›Herr Ulbricht hat eine Eigenschaft; er umdichtet mich in jeder Mission als mich gut zu leiden. Das unterstell ich ihm nicht. Aber das ist eine soziologische Frage, ob ein Mann, der nun einmal ...‹ Sie reden darüber, was sein wird, wenn Ulbricht nicht mehr ist. Peter glaubt nicht, daß es dann einen Rückfall gibt. Es sei ökonomisch nicht mehr drin. Die Person wird dann eben durch einen Kompromiß: Stoph, Verner oder so ersetzt. Eva erwähnt Erich Honecker.
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Aus einem GI-Bericht vom 28. 10. 67 - 20.20
Wolf Biermann meldet sich bei Frau Hagen.
Er sagt zu ihr, daß er es ohne sie nicht aushält, er möchte gern zu ihr kommen. Eva ist einverstanden, er möchte sich ein Taxi nehmen. Wolf meint, daß sie lieb sein wollen, es ist doch alles Scheiße, wenn sie sich nicht vertragen. Er hat sie doch lieb. Eva hat ihn auch lieb, das ist doch grade das Blöde. Das ist nicht das Blöde, sagt Wolf, sondern das Gute. (...)
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Berlin, 12. November 1967
26/BA/19/66/783 -Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 12. November 1967
14.41 Uhr
Manfred Spiet (o. ä.) teilt Wolf Biermann mit, daß er jetzt mit Wolf's Mutter in die "Bärenschenke" essen geht. Wolf schlägt vor, daß sie sich dann anschließend in der Höhle treffen. Wolf wartet dort auf sie.
19.06 Uhr
Nina H. erkundigt sich bei Wolf Biermann, ob ihre Mutti bei ihm ist. Er bejaht. Er erkundigt sich, ob Nina etwas für das Thema "Auf den Spuren des roten Oktober" haben will. Sie bejaht. Emma Biermann will ihr dabei helfen. Sie erzählt eine Geschichte aus dem Leben. Sie bittet, daß Nina das dann noch ein bißchen umarbeitet. Emma diktiert Nina folgendes: "Der Vater von Wolf hieß Dagoberg Biermann. Der Schlosser und Hafenarbeiter Biermann, dessen Frau und dessen Schwager, der Hafenarbeiter Karl Dietrich aus Hamburg, wollten in der Zeit des spanischen Bürgerkrieges helfen. Der Hamburger Hafenarbeiter Karl Dietrich merkte eines Tages, daß ein Schiff im Hafen lag, welches niemand betreten durfte. Dort standen überall zivile Polizei (Gestapo). Weil der Hafenarbeiter Karl als roter Betriebsrat im ganzen Hamburger Hafen bekannt war, hatte er auch viele Freunde. So gelang es ihm, auf das Schiff zu kommen. Dort stellte er fest, daß auf diesem Schiff heimlich Munition geladen wurde. Er steckt sich zwei Geschoßhülsen heimlich in die Tasche. Er konnte unbemerkt das Schiff verlassen. Nun erzählte er das seinem Freund und Schwager Biermann und dessen Frau. Sie beschlossen, alle diese Waffenladungen als Meldung weiterzugeben". Wolf bemerkt dazwischen, daß Tina keine Namen schreiben soll. Sie soll nur den Anfangsbuchstaben benutzen. Tina versichert das. Emma fährt for: "Sie gaben diese Meldungen Genossen, die das weitermeldeten. Auf Grund dessen konnten sie in der folgenden Zeit noch mehr Schiffe, die mit Waffenladungen nach Spanien gingen, feststellen. Sie notierten die Schiffsnummern und die Abfahrtszeiten. Das haben sie weitergegeben an gute Genossen. Leider konnte später die Gestapo einen Agenten in ihren Reihen unterbringen. Dieser hat alles verraten. Die Sache ist aufgedeckt worden. Sie wurden von der Gestapo verurteilt. Einige kamen ins KZ, andere wurden umgebracht. Diese Genossen wollten dem spanischen Volk in ihrem Kampf gegen den Faschismus helfen. Das waren nur einfache Arbeiter. Sie fühlen sich aber mit dem spanischen Volk eins. Dafür haben sie ihr Leben gewagt. Sie haben gewußt, wenn das rauskommt, daß das den Kopf kostet. Sie haben trotzdem den Kampf gewagt. Das hat uns gelehrt, wachsam zu sein".
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 14. November 1967
26/BA 19/66/784/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 14. November 1967
(12.45 Uhr)
Emma Biermann teilt Wolf Biermann mit, daß eine Benachrichtigung von der Post zugeschickt wurde in der steht, daß er etwas aus Frankfurt/Main beim Postamt Nr. 4 abholen soll. Wolf bemerkt, daß er bei der nächsten Gelegenheit auf die Post gehen wird.
Emma fragt dann, ob er weiß, daß Kuba gestorben ist.
Wolf verneint.
Emma erzählt, daß Kuba in den letzten Tagen, anläßlich eines Gastspieles, in Frankfurt/Main weilte.
Es soll auch Krawalle gegeben haben, Kuba sei jedenfalls einem Herzschlag erlegen.
Die Leiche soll man bis jetzt noch nicht freigegeben haben, da sie in Frankfurt/Main obduziert wird.
Ein DDR-Arzt soll dort auch zugegen sein.
Emma äußert, daß ein Schlag nach dem anderen folgt. Die großen Künstler gehen weg.
Wolf meint, daß Kuba nun auch noch beim Klassenfeind starb; er hat sich das ja immer gewünscht.
Doch, da er jetzt tot ist, wollen sie doch nur Gutes über ihn reden. Er war eigentlich auch ein großer Dichter. Emma betont noch einmal, daß Kuba ein großer Dichter war.
Wolf weist sie darauf hin, daß er (Wolf) es ernst meint. Emma erklärt, daß aber Brecht über Kuba sehr abfällig sprach. Wolf bemerkt darauf, daß Kuba einmal ein großer Dichter war; er ist nachher auf den Hund gekommen. Trotzdem ist sein Gedicht "Über den Menschen" eine bedeutsame Dichtung. Seine schönsten Sachen schrieb er auf Stalin. Die hat er ehrlich gemeint, die sind schön. Nachher ist er (Kuba) aber immer mehr verkommen. Emma findet es schade, daß Kuba dann so abgerutscht ist. Wolf betont, daß Kuba eine viel größere Potenz war, als die Mikky-Mäuse, die so herumspringen. Er war vollkommen verblendet. Wolf lernte Kuba ja noch kennen. Emma erinnert sich, da es Wolf ihr erzählte, im ZK. Wolf erklärt, daß es später nochmals zu einem Zusammentreffen kam. Abschließend sagt Wolf, daß Kuba nicht mehr von dieser Welt war.
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Berlin, 16. November 1967
26/BA/19/66/785/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 16. November 1967
(17.50 Uhr)
Hans-Oliva Hagen fragt Eva-Maria, wie es ihr geht. Eva geht es gut.
Auf Evas Frage, wie es ihm geht, antwortet er: "Naja, besser".
Eva sagt dann, daß sie den Brief erhalten hat und er soll sich keine Sorgen machen, wenn er Geld hat, wird es Eva ja bekommen. Falls er kein Geld hat, kann ihm Eva etwas borgen. Hans bemerkt, daß er so schon über die Runden kommt.
Anschließend unterhält er sich mit seiner Tochter Nina.
F.d.R.d.A.:
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XX/1, Gen. Lohr
Berlin, 16. November 1967
26/BA 19/66/786/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 16. November 1967 (20.10 Uhr)
Eva-Maria teilt Wolf Biermann mit, daß in einer halben Stunde der Wolfgang Kohlhaase zu ihr kommen wird. Sie informiert Wolf, damit es ihm (Wolf) nicht unangenehm ist, falls er später zu ihr kommt.
Wolf bemerkt, daß der Kohlhaase wohl angenehmer ist, als der Hacks.
F.d.R.d.A.: .........
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XX/1, Gen. Lohr
Berlin, 24. November 1967
26/B 19/66/765/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 16. November 1967
Unterhaltung zwischen Eva-Maria Hagen und Wolfgang Kohlhaase. Eva fragt, ob er die "Fahne von Kriwoj Rog" sah. Wolfgang entgegnet etwas, worauf Eva sagt, daß er (der Film) so schlimm wiederum auch nicht ist. Wolfgang hat den Film in einer Voraufführung gesehen. Er hatte es nicht so gemeint.
Wolfgang ist der Meinung, wenn er die speziellen Schwierigkeiten und Umstände in der er entstand betrachtet, so findet er, daß es eine spektable spezielle Leistung ist.
Für Eva war der Film ein Erfolg, da sie nun den Sprung ins Charakterfach getan hat.
Die weitere Unterhaltung umfaßt folgende Themen:
- Eva erzählt von ihren Erlebnissen beim Moskauer Filmfestival,
- ihr letztes Interview für den Filmspiegel
- Wolfgang berichtet vom Kauf eines Bauernhauses in Kölpin (........) - Eva erzählt von ihren letzten Filmaufnahmen in Bulgarien. Er bemerkt, daß er vor einigen Wochen an der Adria war.
Eva berichtet dann, daß neulich der Peter Hacks bei ihr war. Peter H. behauptet, daß Walter Ulbricht der größte Politiker sei... In diesem Zusammenhang nennt Eva die Namen Grass und Peter Weiß. Nähere Einzelheiten konnten nicht ermittelt werden. Wolfgang äußert, daß er den Hacks lange nicht sah. Eva bezeichnet H., als eine richtigen Snob.
Eva erwähnt ironische Lieder von Wolf Biermann. Es fällt auch der Name Hussel, der die Illustrationen dazu machte.
Sie trägt nachfolgende Verse vor......
Gegen 22.40 Uhr erscheint Wolf Biermann. Er bringt für Eva Parfüm mit, das Emma aus Westberlin mitbrachte.
Wolf erzählt von seinen Erlebnissen an der Ostsee (Segelbootfahrten). Er betont, daß er besonders viele Freunde an der Ostsee hat. In Thüringen dagegen hat er fast keine bekannten Leute.
Sie essen Dörrfisch und unterhalten sich über 70 mm Filmtechnik und Filme.
Wolfgang äußert, daß bestimmte Filmstoffe gar nicht erst zur Diskussion gestellt werden bzw. Ideen geboren werden, wo später mal ein Film gemacht werden könnte, da sie dann doch nicht genehmigt werden.
Wolf bemerkt, daß dies eine Krankheit ist. Der Filmautor würde gleich von vornherein, an bestimmte Themen bewußt nicht denken.
Wolfgang erwähnt, daß es seit längerer Zeit wieder von seiten des Filmverbandes Informationsvortäge gibt. Zu diesen Vorträgen gehen jedoch nur wenige Interessenten. Es hat sich eine Haltung von einer Abstinenz in dieser Richtung gebildet. Wolf meint, daß es kein Wunder ist. Er spricht von einem Dokumentarfilm von Jürgen Böttcher, den (?) er hoch schätzt.
Wolfgang berichtet von seiner Arbeit. Zur Zeit beschäftigt er sich mit einem Thema, das den Kommunistenprozeß behandelt. Des weiteren schrieb er fürs Fernsehen einen Biedermeier-Krimi; die Dreharbeiten konnten jedoch noch nicht begonnen werden. Abschließend bringt Wolfgang zum Ausdruck, daß er sich demnächst Evas "Lady" in Dessau ansehen möchte. Sie unterhalten sich über die Dessauer Inszenierung.
F.d.R.d.A.: Röbisch
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XX/1, Gen. Brosche
Berlin, 27. November 1967
26/BA/19/66/795/Ho
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 27. November 1967
19.52 Uhr
Wolf B i e r m a n n sagte der E v a - M a r i a H., daß er sie lieb habe und daß er sie gegen 23.00 Uhr besuchen möchte. Eva-Maria versicherte, daß sie aber doch schon darüber gesprochen haben, daß sie erst einmal alleine bleibt. Sie bestätigte ihm, daß sie nicht möchte, daß er kommt.
Eva-Maria bat, daß er sie lieber alleine lassen möchte. Sie meine es wirklich so. Es falle ihr hier alles sehr schwer, aber sie glaube, daß es nicht gut ist, wenn er wieder komme. Irgend etwas müsse sich ändern. Sie mache kein Theater.
Eva-Maria war damit einverstanden, daß Wolf sie morgen wieder anruft. Er dürfe sie aber nicht quälen. Sie habe sich doch entschlossen und sie möchte das auch durchführen. Wolf wollte wissen, wozu sie sich entschlossen hat. Eva-Maria antwortete, daß ihm das doch bekannt sei. Wolf wollte sich bestätigen lassen, daß sie sich entschlossen hat, sich von ihm zu trennen. Eva-Maria lehnte das ab. Sie wolle das jetzt nicht noch einmal besprechen. Er solle sie jetzt nicht ganz kaputt machen. Sie sei im Moment nur ein kleines Licht. Sie bat, daß er ihr erst einmal ein viertel- oder ein halbes Jahr Zeit läßt. Sie würden dann ja sehr gut sehen können, wie es dann gehe. Vielleicht sei es dann möglich, daß sie nach seinem Geschmack leben kann.
Wolf übermittelte von S t e f f i und von G e o r g (Eisler) viele Grüße. Eva-Maria bedankte sich dafür.
F.d.R.d.A.: .......
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Berlin, 5. Dezember 1967
26/BA/19/66/803-Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 5. Dezember 1967
15.22 Uhr
Eva Hagen teilt Wolf Biermann mit, daß sie jetzt zur Polizei gehen will. Sie will dort das von ihrer Mutter erledigen. Sie fragt, ob Wolf das für Emma schon gemacht hat. Er verneint. Eva bemerkt, daß ihr damals gesagt wurde, daß das heute der letzte Tag ist für Weihnachten. Wolf fragt, wann Eva möchte, wann Emma kommt. Er hat mit ihr telefoniert. Emma sagte dabei, daß sie genauso gut nicht kommt. Sie könnte auch woanders hinfahren. Sie könnte auch später kommen. Eva ist der Meinung, daß es für Emma für Weihnachten doch besser ist. Sie glaubt aber nicht, daß Emma noch die Genehmigung für Weihnachten bekommt. Sie müßte dann über Westberlin kommen. Sie vereinbaren, daß Eva die Aufenthaltsgenehmigung für ihre Mutter und für Emma einreichen will.
Auf eine Frage sagt Eva, daß sie sich nachher schlafen legen möchte. Wolf schlägt vor, daß sie zu ihm kommt. Sie könnte sich auch bei ihm hinlegen. Im Moment hat er nur Leute zu Besuch. Sie schlägt vor, daß er später zu ihr kommt.
20.04 Uhr
Eva Hagen teilt Wolf mit, daß sie von der Polizei zurück ist. Sie haben dort beide Anträge entgegengenommen. Wolf ist jetzt allein. Er hat schon gearbeitet.
Sie vereinbaren, daß Wolf jetzt zu Eva kommt.
F.d.R.d.A. .............
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Berlin, 16. Dezember 1967
26/BA/19/66/809 -Hg
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem - GI - Bericht vom 16. Dezember 1967.
11.18 Uhr
Robert Havemann meldet sich bei Eva. Er erkundigt sich nach ihrem Befinden. Ihr geht es wieder gut. Robert bemerkt, daß er mit Wolf gesprochen hat. Er findet es prima, daß das Auto wieder geht. Robert möchte, daß sie wieder einmal zu ihm kommen. Eva meint, daß doch der Wolf rauskommen wollte. Eva hat heute abend eine Veranstaltung. Robert meint, daß dann heute nicht mit ihr zu rechnen ist. Mit Wolf hat er noch gar nichts vereinbart. Wolf wollte sich noch einmal bei ihm melden. Eva wünscht dem Robert ein schönes Wochenende. Er wünscht ihr auch alles Gute.
13.37 Uhr
G i s e l a meldet sich bei Eva. Gisela teilt mit, daß sie eine Grippe gut überstanden hat. Eva sagt, daß sie erst spät aus Halle zurückgekommen ist. Neulich mußte sie auch ganz plötzlich weg. Sie hatte mit Gerd ausgemacht, daß sie bei ihr vorbeikommt, als sie krank war. Gisela meint, daß sie sich vor Weihnachten schon noch einmal sehen werden. Eva bemerkt, daß sie am Montag wieder nach Halle muß, sie kommt vor Weihnachten gar nicht wieder her.
Beide verbleiben so, daß Gisela morgen für etwa eine halbe Stunde vorbeikommen wird.
Gisela bemerkt, daß sie von einem guten Fernsehmechaniker weiß, daß der sich bei ihr (Eva) melden wird, dem hat sie die Telefonnummer gegeben. Eva findet das sehr nett und möchte den Namen wissen. Diesen hat Gisela vergessen.
Eva sagt abschließend, daß sie allein ist. Der Wolf ist bei Freunden. Wolf war aber in diesen Tagen mit in Halle, es war ganz schön.
13.58 Uhr
Wolf meldet sich bei Eva. Wolf wollte nur sagen, daß er da ist. Sie möchte wissen, was er macht. Wolf arbeitet. Eva bemerkt, daß sie heute nach Schwedt fährt. Sie erkundigt sich, ob er nicht nach Grünheide wollte. Wolf hat keine Lust. Wolf möchte, daß sie sich bei ihm meldet, wenn sie wieder zurück ist. Eva meint, daß sie vielleicht über nacht dort bleibt, sie wird sich aber bei ihm melden.
F.d.R.d.A. .........
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Eva-Maria Hagen
20. 12. 67
An die VOLKSPOLIZEI-INSPEKTION - Berlin-Prenzlauer-Berg
Abteilung Kriminalpolizei, Komm.III
Über den Zwischenfall am 12. 12. 67 möchte ich eine schriftliche Erklärung abgeben, weil ich fürchten muß, daß ich mich zu Äußerungen hinreißen lasse, die aus dem Affekt kommen und nicht meiner wirklichen Meinung entsprechen. Ich hatte erst kürzlich, am 22.11.67 durch Überarbeitung einen Nervenzusammenbruch, der einen Aufenthalt in der Nervenklinik in der Charité bei Prof. Dr. Müller nötig machte. Da ich aber in einigen wichtigen Produktionen des Fernsehfunks, des Theaters in Dessau und der DEFA dringend gebraucht wurde, ließ ich mich so früh wie möglich gesund schreiben.
Genau am 12. 12. 67 hatte ich Premiere, das heißt eine große Aufzeichnung beim Deutschen Fernsehfunk aus dem Musical MY FAIR LADY. Eine Stunde vor meinem Termin war ich gerade fertig mit einigen wichtigen Besorgungen für meine Schwester, die im Krankenhaus liegt. Ich war in Eile und hatte zusammen mit Wolf Biermann die Einkäufe erledigt. Wir gingen durch die Kanzow-Straße, die zur Zeit gesperrt ist, weil da Bauarbeiten stattfinden und in der kein Auto fuhr. Wir gingen auf der Fahrbahn, zwischen uns trugen wir ein schweres Einkaufsnetz. Plötzlich brüllte uns von der Seite eine Männerstimme an, brutal und feindselig, als wären wir Verbrecher: ›Verschwindet sofort von der Fahrbahn, sonst helf ich euch da runter!‹ Als ich hinsah, sah ich, daß es ein Volkspolizist war. Da ich Hosen trug und wir beide die Kapuzen unserer Mäntel hochgezogen hatten, denn es fiel nasser Schnee, hatte er uns wohl für Halbstarke gehalten, erschrocken gingen wir sofort auf den Bürgersteig zu. Aber da parkten zwei Wagen und wir mußten noch drei Meter weitergehn. Dabei sagte ich noch freundlich, um einzulenken: ›Na, Sie frieren wohl ...‹ Es war wirklich kalt draußen und er konnte einem leid tun, weil er in der Kälte auf der Straße stehen mußte. Aber er ging auf meinen freundlichen Ton nicht ein und brüllte, als wir schon fast auf dem Bürgersteig waren: ›Na, los, los!!‹ Darauf sagte ich: ›Sehn Sie denn nicht, daß wir schon gehen? Wir können doch nicht fliegen! So ein blöder Hammel.‹ - Ich weiß nicht, ob es verboten ist, oder sogar ein Verbrechen, so ein kleines Stück auf einer stillen Nebenstraße zu gehen, aber ich bin sicher, daß kein Volkspolizist die Pflicht hat, Menschen für so etwas so haßerfüllt anzuschreien. Wir waren ja inzwischen auf dem Bürgersteig und wollten weitergehen, da legte er seine schwere Hand auf meine Schulter, stellte sich mir in den Weg und sagte: ›Sie haben mich eben beleidigt, Ihren Personalausweis!‹ Darauf sagte ich: ›Sie haben mich auch beleidigt, so einen Ton bin ich bis jetzt von der Volkspolizei nicht gewöhnt.‹ Und obwohl ich meinen Ausweis in der Tasche hatte, sagte ich: ›Den Ausweis hab ich nicht bei mir.‹ Ich war sehr erregt und empört. Als ich weiterging, stellte er sich wieder vor mich hin und sagte: ›Wenn Sie keinen Personalausweis haben, kommen Sie mit zur Wache!‹ Ich ging aber einfach weiter. Vor dem Bahnhof Prenzlauer Allee holte er so etwas Ähnliches wie Handschellen aus der Tasche und sagte: ›Los kommen Sie mit, sonst wende ich Gewalt an. Wir fahren mit der S-Bahn!‹ - Natürlich versuchte ich nicht wegzulaufen, denn ich fühlte mich im Recht. Als er aber versuchte, mich an seine Kette zu legen, riß ich meinen Arm weg. Er wurde dann brutaler, tat mir sehr weh und verletzte mich an der linken Hand. Ich fing an zu weinen. Ich konnte es einfach nicht fassen, daß ein so großer starker Mann und dazu noch ein Angehöriger der Volkspolizei es fertig bringt, eine schwache Frau auf offener Straße mit einer Kette zu überfallen und wie einen Schwerverbrecher abzuführen.
Wolf Biermann, der die ganze Zeit versucht hatte, mich zu beruhigen, gelang es endlich, mich dazu zu bringen, meinen Ausweis doch noch zu zeigen und brachte auch den Polizisten dazu, mich nicht weiter mit der Knebelkette zu verletzen. Nachdem er meine Personalien aufgeschrieben hatte, verlangte ich seine Dienstnummer. Er gab sie mir und sagte: ›Beschweren Sie sich ruhig, ich habe den längeren Arm!‹ - Dann kam eine alte Frau, die brachte mir ein kleines Teil von meinem Armband, das nicht nur für mich persönlich einen großen Wert hat, sondern außerdem über 2000 Mark kostet. Das Armband muß zerrissen sein, als der Polizist mit seiner Kette an meiner Hand riß. Wir suchten dann noch überall nach den anderen Teilen des Armbandes, fanden sie aber nicht mehr. Als ich mir von dem Polizisten die Nummer geben ließ, hatte ich die Absicht, mich über sein brutales Vorgehen zu beschweren. Da ich aber sofort zum Fernsehen fahren mußte - die Aufzeichnung ging von 17 Uhr bis morgens halb fünf - da ich dann schon um elf Uhr vormittags nach Halle zur Probe fahren - und dort dann in Dessau und anderen Orten auftreten mußte, fand ich keine Zeit dazu.
Heute, mitten in der Probe in Halle, wurde ich von einem Kriminalbeamten herausgebeten. Er teilte mir mit, daß ich morgen früh um 8 Uhr im Polizeipräsidium Berlin zu erscheinen habe und übermittelte mir die Drohung, daß, falls ich nicht erscheinen würde, man mich zwangsvorführen werde. Zuhause fand ich dann einen Brief vor, der noch einen Zusatz enthält, der mich unangenehm berührt: ›Wir ersuchen Sie weiterhin, den Herrn Biermann, welcher zur Zeit bei Ihnen wohnen soll, zum genannten Termin ebenfalls zum Präsidium der Volkspolizei - Zimmer 5627 - zu bitten, da die derzeitige Wohnanschrift nicht bekannt ist‹.
Hauptmann Noack von der Kriminalpolizei, der diesen Brief unterschrieben hat, müßte doch wissen, daß Wolf Biermann seit etwa zehn Jahren in der gleichen Wohnung, nämlich 104 Berlin, Chausseestraße 131 wohnt und daß, wenn er ihn zu sprechen wünscht, er sich direkt an Wolf Biermann selbst wenden kann.
Es erschreckt und erschüttert mich, daß ein verhältnismäßig geringer Anlaß solche Folgen haben kann. Jetzt fürchte ich sogar, daß der Polizist, den ich beschimpft habe, den ganzen Vorgang so hinstellen wird, als hätte ich die Absicht gehabt, unseren Staat und die Volkspolizei zu beleidigen; schon, um sein provokatives Verhalten zu rechtfertigen, wird er das wohl von mir behaupten. Aber er wird wissen, daß ich ihn persönlich meinte, ihn, der mich in unhöflicher, provozierender Weise brutal angebrüllt hatte.
Jetzt, nachdem einige Tage vergangen sind und ich immer und immer wieder an diesen entsetzlichen Tag denken mußte, weiß ich, daß ich mich trotzdem nicht dazu hätte hinreißen lassen dürfen, diesen Mann ›blöder Hammel‹ zu nennen, und ich weiß, daß ich ihm trotz meiner Empörung meinen Ausweis sofort hätte zeigen müssen, denn er war ja im Dienst und hatte ein Recht dazu. Deshalb habe ich auch diesen Brief geschrieben, um ihnen nicht nur den Vorgang zu schildern, sondern um mich auch in aller Deutlichkeit zu entschuldigen.
Eva-Maria Hagen
Aktenkundig
(1968)
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Berlin, 1. Januar 1968
26/BA/19/66/822-HG
Informationsbericht
Auszug aus einem - GI - Bericht vom 1. Januar 1968. 21.43 Uhr
Herr Bunge meldet sich bei Eva-Maria Hagen. Beide wünschen sich alles Gute für das neue Jahr. Eva möchte wissen, wie sie in das neue Jahr gekommen sind. Herr Bunge teilt mit, daß sie bei Paris gewesen sind. Es waren sehr viel Leute dort, es war aber sehr lustig. Sie sind aber gegen 2.00 Uhr nach Hause gegangen. Herr Bunge erkundigt sich, wie sie in das neue Jahr gekommen ist. Eva antwortet, es war gedämpft. Sie waren im kleinsten Kreis zusammen. Eva spricht hier von ihrer Arbeit. Herr Bunge teilt mit, daß er von dem Perten kurz vor Weihnachten ein Angebot bekommen hat. Eva bemerkt dazu, daß ihr das der Heiner Müller erzählt hat, der war neulich bei ihr. Sie meint, daß er dann doch nach Rostock müßte. Herr Bunge antwortet, daß das noch eine große Frage ist. Er erwähnt, daß er im Frühjahr das "Flüchtlingsgespräch" inszenieren wird. Was dann wird, muß man erst einmal sehen. Jedenfalls hat er ihm einen Zweijahresvertrag angeboten. Eva meint, daß sie sofort nach Rostock gehen würden, wenn sie könnte. Sie möchte sofort für zwei Jahre aus Berlin heraus. Herr Bunge erwähnt, da der Perten ihn als völlig gleichberechtigt akzeptiert, würde er es nicht so schwer haben. Er bemerkt, daß sie die Wohnung nicht aufgeben wollen, Herr Bunge erkundigt sich, wann sie wieder einmal in Berlin ist, da könnten sie sich doch einmal sehen. Sie sollte sie doch einmal besuchen. Sie ist immer herzlich eingeladen. Eva bedankt sich, das ist ihr sehr willkommen. Eva berichtet, daß sie am 16. Januar eine Aufzeichnung hat. Dann will sie eine zeitlang nichts machen. Eva erwähnt, daß sie während dieser Zeit noch einmal hier ist. Sie hatte doch einen Zusammenstoß mit der Polizei, sie muß deshalb noch einmal zur Kriminalpolizei. Das hat man Herrn Bunge schon erzählt. Er weiß im Moment nicht, wer ihm das erzählt hat. Eva meint, daß das mit Aufregung verbunden war, die haben sich ganz schön blöd benommen. Sie wird ihm das mal genau erzählen. Herr Bunge erwähnt, daß er beim Fernsehen jetzt auch etwas macht, nachdem der Perten ihn rehabilitiert hat, es geht um Liebeslyrik mit Kaiser und May. Das wird im Februar aufgezeichnet. Eva meint, daß das herrliche Aussichten sind. Beide verabschieden sich bis nach dem 16. Januar.
F.d.R.d.A. Herzog
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Auszug aus einem GI-Bericht vom 7. Januar 1968 - 10.14
Eva-Maria H a g e n teilte Wolf B i e r m a n n, der sich bei Robert Havemann aufhielt, mit, daß sie morgen wieder zur Polizei muß, sie wolle sich vorher mit dem Rechtsanwalt in Verbindung setzen, weil die das so ausbreiten, jetzt möchte sie doch jemand haben. Wolf möchte ihr die Adresse oder Telefonnummer von dem Rechtsanwalt sagen. Wolf antwortete, daß der Kohn heiße und im Telefonbuch stehe. Der wisse Bescheid. Er erkundigte sich, was die denn jetzt wollen.
Eva-Maria antwortete, daß sie das letzte Mal nicht hingegangen war. Der Arzt von Halle hat dort angerufen und sie entschuldigt. Die wollten dann nach Halle kommen. Ihre Mutter habe ihr berichtet, daß zu Haus jemand war, der sie holen wollte. Sie müsse nun morgen hin. Wolf fand das unerhört. Die würden sie doch fertig machen. Eva-Maria wiederholt, daß sie an dem 4. nicht hingefahren ist, weil sie gerade zwei Tage in Halle war, am gleichen Tag Vorstellung hatte. Da sei dann ein Theater gewesen. Die würden sich wirklich wie die Fürsten fühlen (...)
16.40 Robert Havemann teilt Eva H. mit, daß er sich mit Wolf über die Sache mit der Polizei unterhalten hat (...) daß er sich das so überlegt hat, man muß nicht den Polizisten angreifen.
Er wird von Eva unterbrochen. Sie bittet, daß sie an dieser Stelle nicht darüber sprechen (...) Robert bemerkt, was die sich überhaupt vorstellen, ob die einen Prozeß haben wollen; Maria H. mit Wolf Biermann als Zeugen. Eva meint, daß es so ungefähr sein soll. Robert meint, daß Eva dann nichts zu befürchten braucht. So dämlich wird doch keiner sein. Eva bemerkt, daß sie auch gar nichts befürchtet. Sie wollte nur die Adresse von diesen Herrn Kohn (o. ä.).
Auf eine Frage sagt Eva, daß sie morgen früh wieder vorgeladen ist. Robert ist der Meinung, daß es ganz gut ist, wenn Eva denen fragt, was sie sich überhaupt vorstellen. Eva berichtet, daß sie von denen auch in Halle aufgesucht wurde. Sie ist beim vorigen Termin nicht hingegangen, weil sie gearbeitet hatte. Sie hat sich durch einen Arzt über Fernschreiber entschuldigen lassen. Das ist aber nicht an der richtigen Stelle angekommen (...) Die waren zu Hause bei Evas Mutter (...) Robert bemerkt, daß nur einmal einer den Polizisten klarmachen muß, daß sie dabei sind, den größten Unsinn zu machen. Was die sich eigentlich vorstellen, ob die das an die große Glocke hängen wollen. Das ist doch das Blamabelste von der Welt: Eva-Maria H. kommt vor Gericht, weil sie angeblich, was sie bestreitet, die hiesigen Verhältnisse mit dem Nazisystem verglichen hat; der Zeuge dafür, daß sie das nicht gesagt hat, ist Wolf Biermann. Das wollen die wahrscheinlich in aller Öffentlichkeit publiziert haben in Zeitungen und im Radio. (...)
Eva bemerkt, daß der Wolf keine Angst zu haben braucht. Sie sollten sich nicht darüber aufregen. Robert meint, daß sie nur wollen, daß sie nicht soviel geärgert wird von diesen Halunken. Hinterher bekommen sie alle ihr dienstliches Strafverfahren wegen dieses Blödsinns. Robert betont lautstark, daß er hofft, daß die Stasi das auch hört, damit diese denen das gleich mitteilt. Eva meint lachend, daß das eine Lappalie ist. Robert bemerkt, daß Eva durch diesen Ärger in ihrer Berufsarbeit gestört wird (...) daß die Leute bekanntlich gern quatschen, was viel bequatscht wird, kommt auch in die Zeitung. Die brauchen nur noch drei Wochen herumrühren, dann steht es in den Westzeitungen und bringen es auch im Radio. Er betont, daß das ganz selbstverständlich ist. Jede Woche verdreifacht sich die Zahl der Quatschenden. Eva meint, daß sie es schnell abschließen wollen, darum wollen sie nach Halle kommen, wenn sie nicht nach Berlin kommt.
Robert wünscht ihr alles Gute im neuen Jahr.
Am 10. 1. 1968 - 18.10 - fand eine Unterhaltung zwischen Herrn Biermann und Prof. Müller (Charité, Nervenklinik) statt. Herr B. erzählt, daß es der Eva eigentlich ganz gut geht. Es ist aber eine ganz dumme Komplikation eingetreten. Sie hat sich mit einem Polizisten geprügelt. Die wollen nun einen Prozeß gegen sie machen. Herrn M. interessiert, ob der Polizist in Uniform gewesen ist. Herr B. bejaht das. Herr M. möchte weiter wissen, ob sie angetrunken gewesen ist. Herr B. verneint das, sie war völlig normal. Es war Widerstand. Herr M. meint, daß es da ja noch geht. Es ist allerdings ein bißchen fehl gelaufen. Er fragt, ob sie einen Rechtsvertreter haben. In solchen Sachen macht man das ja so, daß man sich einen Verteidiger nimmt und der erledigt die Angelegenheiten, er besorgt sich ein ärztliches Attest. Er persönlich hätte sich nicht entschuldigt.
Herr B. hatte mit dem Verteidiger gesprochen. Er weiß ja, wie diese Leute gebaut sind, die zittern selber mehr als ihre Klienten. Eigentlich hat Herr B. gedacht, daß die Sache erledigt ist. Es scheinen aber noch höhere Interessen im Spiele zu sein, die er im Moment nicht überblicken kann, aber die Art und Weise wie die Sache weitergeführt wurde zeigt ihm, daß das ziemlich ernst ist. Die Eva ist im Moment in Halle und steht in sehr schweren Proben. In ›Der Mann des Schicksals‹ spielt sie eine Hauptrolle. Jetzt hat man sie noch einmal vorgeladen und ist sogar mit einer Delegation nach Halle gefahren um sie nochmal zu vernehmen. Sie ist nun völlig aufgelöst. Er hat ihr gesagt, daß sie keine weiteren Aussagen machen soll. Scheinbar hat man sie dort dermaßen geknebelt und bedrängt, daß sie ihm nicht einmal gesagt hat worum es dort gegangen ist. Herr M. meint, daß die Sache ja einfach ist. Sie braucht nur zu sagen, daß sie bei ihnen in ambulanter Behandlung ist, die VP soll sich dann an sie wenden. Herr B. denkt, daß die daran gar kein Interesse haben. Herr M. sagt, daß sie darauf bestehen sollen, daß es sich um eine kranke Person handelt, grade aus dem Krankenhaus entlassen. Herr M. ist jederzeit bereit in entsprechender Form Auskunft zu geben. Gegen Kranke darf nämlich nicht so vorgegangen werden. Das müßte der Verteidiger machen. Wenn er solche Möglichkeit außer acht läßt, ist er ein schlechter Verteidiger. Herr M. kann von sich aus keine spontane Aktion starten. Herr B. findet es sehr besorgniserregend, daß sie jetzt diesen Belastungen ausgesetzt ist. Das würde Herr M. auch ärztlich bestätigen. (...)
Gen. Lohr ....
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Am 11. 1. 1968 - 10.05 - unterhielt sich Herr B., Wolf mit Frau Hagen, z. Zt. in Halle bei der Familie Höhne (...) Herr B. möchte wissen, wie es seiner Frau geht. Frau Hö. kann nur sagen, daß es ihr schlecht geht. Sie ist gar nicht mehr sie selbst. Sie ist sehr traurig und daher sollte er einmal herkommen. Das arme Ding wird ganz krank. - Wolf führte die Unterhaltung mit der Eva fort. Er möchte sie bitten einen kleinen Schriebs an den Rechtsanwalt Karl Cohn zu machen, ihn beauftragt sich um ihre Sache zu kümmern. Sie meinte, daß sie das nicht möchte. Wolf führte aus, Prof. Müller wollte ihr in der Sache helfen. Er sprach mit ihm, weil es ihr behandelnder Arzt ist.
Eva möchte nicht, daß er sich um die Sache kümmert. Wolf soll die Hände aus dem Spiel lassen. Dieses hat Gründe. Das bedauerte Wolf und er stellte sich die Frage, was man mit ihr gemacht hat. Mit den Dingen will sie allein fertig werden und das wird sie auch. Sie möchte sagen, daß man nicht an ihn herankommt. Wolf geht es nicht um sich, er bittet sie nicht so stur zu sein. -
Eva weinte dann und bringt zum Ausdruck, daß sie nicht mehr kann. (...) Nachts kann sie nicht schlafen. Vom Wolf wurde beteuert, daß er sie liebt, sie müssen zusammenkommen, dann wird alles vernünftig, das weiß sie doch. Dieses sieht Eva als sinnlos an. Ihr wird alles zugetragen und die Worte die gebraucht worden sind, kennt sie, sie stammen vom Wolf. Wolf betont, daß alles Lüge ist. Sie haben miteinander darüber gesprochen, wie man aus Wahrheiten Lügen machen kann. Wolf möchte sie bitten, mit den Leuten keine Gespräche mehr zu führen. Sie wollte nur verhindern, daß es sich ausbreitet und die Sache erledigt wird. Wolf ist der Ansicht, daß es falsch ist, wenn sie überhaupt Gespräche führte. Sie möchte ihm noch einmal sagen, daß es ihn nicht betrifft. Da er sie liebt, betrifft es ihn genauso. Endlich sollte sie das begreifen.
Schubert
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Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 22. Januar 1968
20.20 Uhr
Jürgen Böttcher meldet sich bei Eva. Eva ist erfreut, daß er etwas von sich hören läßt. Sie haben große Sehnsucht nach ihm. Eva betont, daß sie sich mit Wolf wieder vertragen hat.
Am Sonnabend wollen sie gemeinsam an die Ostsee fahren.
Jürgen geht morgen abend in die Camera/Deutsche Museum, um sich einen wichtigen Film von Eisenstein anzusehen. Eva würde sich diesen Film auch gern ansehen, sie wird Wolf fragen, ob er mitgeht. Sie verbleiben so, daß sie sich morgen abend in der Camera treffen.
Auf Evas Frage, ob er viel zu tun hat, antwortet er, daß es gar nicht soviel ist. Er war in der letzten Zeit in keiner guten Verfassung und zog sich deshalb etwas zurück.
Eva erzählt, daß sie in der vergangenen Zeit in Halle arbeitete. Sie hat sich selbst gewundert, daß sie alles schaffte. Eines Tages kam Wolf in Halle an. Sie hatten dort sehr interessante Begegnungen. Wolf wurde dort von der Fernsehleitung halb offiziell anerkannt. Eva wird es Jürgen noch alles genau erzählen.
Sie verabschieden sich bis morgen abend.
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Aus einem GI-Bericht vom 23. Januar 1968:
Eva H. unterhält sich mit Emma Biermann. Sie bittet, daß Eva sich das Leben nicht so schwer machen soll. Sie sollte glücklich sein, daß ein Mann wie Wolf sie liebt. Manche Frau würde sonst was dafür geben. Eva macht nun solch einen Zirkus. Emma fährt fort, daß Eva tausend andere Männer haben könnte. Man ist aber nun mal für einen bestimmten. Was nützen ihr die vielen, wenn sie nicht bekommt, wen sie haben möchte. Eva sollte sich überwinden. Wie Emma die Eva kennt, möcht diese am liebsten noch mit den Beinen strampeln. Eva sollte so vernünftig sein, wie es sich gehört, sich nicht um das kümmern, was vorher war. Emma stellt fest, Eva ist doch kein kleines Mädchen, die denkt, man kann ihr was von ihrem Stolz wegnehmen. Es gibt andre Sachen, worauf man stolz sein kann. Hier ist das Quatsch. Sie machen sich nur das Leben schwer.
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Angenommen: Kn./1523
Greifswald, d. 9. 2. 68 / 3
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
Betr.: Biermann, Wolf
Am 6. 2. 68 erfuhr ich folgendes über Eva-Maria H a g e n, die sich zur Zeit bei Biermann aufhält: Sie sprach mit einem Herrn B.... o.ä. aus Berlin (440801). B. hatte folgendes Anliegen: Sie haben die Delegation für die Filmwoche in Mali nicht zusammen bekommen. Er hatte auch Frau Hagen telegrafiert, aber sie hatte nicht geantwortet. Sie unterbrach und erklärte, sie hält sich ja auch in Ückeritz auf. B. fuhr fort, nun wollen sie abwarten wie die in Mali darauf reagieren. Sollte doch noch eine kleinere Delegation zum 2. Termin im März nach Mali reisen, ob Frau Hagen prinzipiell einverstanden wäre, mitzufahren. Frau Hagen bejahte. Sie wäre ab 15. wieder in Berlin. B. wollte ihr dann Bescheid zukommen lassen.
Weiterhin sprach Frau Hagen mit Susanne Kandt. Beide duzten sich. Frau Hagen erkundigte sich, ob Susanne mit Manfred mal rüberkommt. Sie hat mit Wolf gerade eine gute Flasche Wein. Susanne wollte mit Manfred sprechen. Wahrscheinlich werden sie kommen. Susanne ließ noch einen schönen Gruß an Wolf bestellen. (..............)
"A n i t a"
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Berlin, 14. Februar 1968
26/BA/19/66/855/Ho
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 14. Febr. 1968
20.48 Uhr
Eva-Maria H a g e n teilte Wolf B i e r m a n n mit, daß sie schon gegessen haben. Wolf sagte zu ihr, daß er hier noch wartet und fragte, ob W a l t e r da sei. Eva-Maria bestätigte, daß W a l t e r da sei.
21.09 Uhr
Eva-Maria Hagen erkundigte sich bei Herrn B u n g e , ob sie nicht kommen wollen. Herr B. brachte zum Ausdruck, daß er dachte, daß sie zu ihnen kommen, weil sie wegen S a b i n e nicht weg könnten. Eva-Maria erklärte, daß vereinbart war, daß sie sich bei ihr treffen. Herr B. wiederholte, daß sie nicht kommen könnten. Peter W e i s s sei noch im "Brotladen" und könnte vor 22.00 Uhr auch nicht kommen.
21.39 Uhr
Eva-Maria Hagen erkundigte sich bei Herrn Bunge., ob er schon etwas von Peter Weiss gehört habe. Herr Bunge verneinte. Eva-Maria sagte, daß Wolf auf Peter und Cornelia sowie Cremers warten würde. Herr Bunge hoffte, daß sie sich wieder einmal sehen würden. Er fahre erst Anfang März und T h e r e s e werde dann auch bald hochkommen.
22.43 Uhr
Eva-Maria Hagen teilte Peter Weiss mit, daß sie auf ihn noch warten würden und fragte, ob er noch kommen könnte. Peter W. erwähnte, daß gerade der S t r e h l e r aus Milano gekommen sei und auf ihn warte. Eva-Maria Hagen bat, daß er den doch mitbringen könnte. Peter W. ging darauf nicht ein. Eva-Maria Hagen erklärte, daß sie extra Freunde aus Potsdam eingeladen hätte. Peter Huchel und Heiner Müller seien da. Peter Weiss versicherte, daß er sich gern einmal mit Peter Huchel unterhalten hätte. Eva-Maria bot an, ihn abzuholen. Peter Weiss nahm die Einladung mit der Bemerkung an, daß er das mit Strehler kurz machen wolle.
23.20 Uhr S t e f f i erkundigte sich bei Eva-Maria Hagen, ob G i n k a ihnen schon sagte, daß sie sie für Freitag gerne haben möchte. Eva-Maria erklärte, daß die noch nichts sagte. Sie müsse am Freitag nach Dessau wegen der Vorstellung. Steffi teilte ihr mit, daß da einige Leute aus Paris da seien.
Steffi fragte Wolf B i e r m a n n, ob er am Freitag zu ihr kommen könnte. Es seien drei französische Genossen bei ihr, die ihn sehr gerne kennenlernen möchten. Die möchten auch einiges von ihm hören. Wolf nahm die Einladung an. Steffi ließ sich bestätigen, daß Peter Weiss bei ihm ist. Sie fragte, ob der eventuell auch kommen könnte. Wolf antwortete, daß der wohl morgen schon nach Westberlin fahren wird. Steffi erkundigte sich nach Bunge. Wolf teilte ihr mit, daß der nicht da sei. Steffi brachte zum Ausdruck, daß sie den auch einladen wird.
Steffi erkundigte sich bei Heiner M ü l l e r , ob er am Freitag ebenfalls zu ihr kommen könnte. Heiner nahm die Einladung an. Steffi führte aus, daß am Freitag der Dramaturg aus dem Theater de la Commune in Oberville da sei. Ferner seien Brecht (nicht der Dichter) und Cotie da. Die möchten ihn und Wolf gerne sehen.
F. d. R. d. A.: Höfner
Aus einem GI-Bericht vom 14. 2. 1968:
Eva-Maria H. unterhält sich mit Walter Janka, dessen Frau, Peter Huchel, Glinka. Frau Janka (vermutl.) berichtet über den ›Brecht-Dialog‹. Sie erwähnt, welche Persönlichkeit aus dem Anlaß erschienen war und wie die Veranstaltung abgelaufen ist. Herr Janka fragt die Anwesenden, wieweit sie über die Rennschlittensportler informiert sind. Eva findet, daß die Geschichte ein Skandal ist. Da nicht alle über die Vorkommnisse in Grenoble informiert sind, erläutert Eva, daß die DDR-Rennschlittensportler disqualifiziert wurden, weil sie angeblich die Kufen angeheizt haben sollen. Herr Janka ergänzt, daß die DDR heut eine Pressekonferenz gab. Herr Huchel bemerkt dazu zynisch, Bonn wird doch nicht die Kufen der DDR-Rennsportler angeheizt haben.
Nina, die ebenfalls an der Unterhaltung teilnimmt, sagt, da alle Proteste der DDR zurückgewiesen wurden, sei anzunehmen, daß die DDR-Sportler sich doch unfair verhalten haben. Eva meint, selbst wenn es die DDR-Sportler gemacht haben, dürften sie es keinesfalls zugeben.
Frau Janka hält es für ausgeschlossen, daß Westdeutschland dahinter steckt, da nicht die Westdeutschen für die DDR-Rennrodlerinnen die Konkurrenz darstellen sondern die Rumänen.
Anschließend berichtet Eva von einer Anzeige, die gegen sie erstattet wurde wegen Staatsverleumdung. Sie schildert die Auseinandersetzung, die zwischen ihr u. dem Volkspolizisten stattfand. Eva teilte den Anwesenden mit, Wolf kennt Peter Weiß seit 3 Jahren und daß sich P. W. sehr für die DDR interessiert. Allerdings kann er nicht alles richtig einschätzen, weil er hier nicht lebt. Eva spricht über Prof. Fritz Krämer. Krämer, so sagt sie, bekäme hin und wieder einen Wutanfall und brüllt dann wie ein Stier. Frau Janka bemerkt, wenn K. wieder etwas Großes geschaffen hat, werfen sie ihm den Nationalpreis an den Hals und dann ist er wieder einmal ruhig.
Später kommen Wolf Biermann u. Heiner Müller dazu. Sie sprechen dann wieder über die DDR-Rennschlittensportler. Wolf äußert dazu, im Grunde genommen wärmen alle Rennschlittensportler ihre Kufen an. Lediglich heute hätten sich die Westdeutschen mit den andern Sportlern verabredet, ihre Kufen nicht anzuwärmen und dafür die DDR-Sportler zu kontrollieren.
Wolf berichtet, daß er eine Karte von Manfred Krug bekam. Dieser ist jetzt bei den Soldaten.
Gegen 23.30 holt Eva Herrn Peter Weiss vom ›Hotel unter den Linden‹ ab (...)
Sie unterhalten sich über den Krieg in Vietnam. Wolf erläutert, daß die Auseinandersetzungen zwischen China und der Sowjetunion ein großes Hindernis für eine wirksamere Hilfe gegenüber dem vietnamesischen Volk darstellt. Auch in der Öffentlichkeit vertritt man die Ansicht, u. U. hätte der Krieg verhindert werden können, wenn das sozialistische Lager einig gewesen wäre.
Wolf unterhält sich mit Herrn Peter Weiss über Informationen und bringt zum Ausdruck, daß es für die Menschen in der DDR wenig Informationsmöglichkeiten gibt. Selbst über die Entwicklung in den sozialistischen Ländern, wie beispielsweise in Kuba, wird völlig unzureichend informiert.
Wolf schildert Probleme, die in der Westberliner Jugendbewegung - besonders in der Kommune - aufgetreten sind. Ausgehend von einer Zusammenkunft, zu der Teufel erschienen war, erzählt Wolf, daß die Anhänger der Kommune keinerlei theoretische Voraussetzungen für wirksame Aktionen besitzen. Das führte dazu, daß ihnen von den Anhängern der Kommune vorgeschlagen wurde, sie sollten nicht diskutieren, sondern eine Vietnamdemonstration nach Potsdam zur Militär-Mission durchführen. Z. Zt. sei im Westen ein solcher Stand zu verzeichnen, daß sie nicht gegen die sie bedrohenden Notstandsgesetze demonstrieren, sondern nur noch gegen den Vietnam-Krieg (...)
Wolf erklärt, daß er fest davon überzeugt sei, daß er hier sein muß. Hartmut Lange dagegen besitzt diese Überzeugung nicht. Wolf bringt zum Ausdruck, als Kommunist und Bürger der DDR quält es und beschämt es ihn sehr, wenn ein so bedeutender Mann weggeht. Wenn alle guten Leute die DDR verlassen, wird ihre Lage noch mehr erschwert. Andererseits bietet das den Stalinisten Argumente, indem sie sagen können: Seht her, diese Scheißer, sie hauen einfach ab. (...)
Wolf spricht dann über Hacks. Er weiß, daß die Menschen nicht ewig halten.(...) Hacks hat jahrelang ziemlich mutig gekämpft, wenn er sich auch immer wieder in seine Antiquitäten flüchtete. Für einen bürgerlichen Menschen hat er sich sehr tapfer geschlagen. Jetzt hat er plötzlich die Nerven verloren. Das ist der Ausdruck seiner tiefen Verzweiflung. Nun ist er politisch auf den Hund gekommen. Arwed ist der Meinung, daß Hacks im Grunde genommen noch nie politisch klar war. Wolf bestreitet das. Für Wolf ist Hacks heute noch ein bedeutender Schriftsteller. Er ist zu gut für die DDR und zu schlecht für die Welt. Wolf war eigentlich nie gegen Hacks. Wenn jedoch Hacks Wolf ›ein hübsches Talent zubilligt‹ und behauptet, sie wären Kleinbürger, wenn auch nur halbe, so muß Wolf seine Einstellung zu Hacks ändern. (...)
F.d.R.d.A.: Höfner
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 27. Februar 1968
26/BA/19/66/857/Ho
Vertrauliche Dienstsache
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Auszug aus einem GI-Bericht vom 27. Febr. 1968
12.28 Uhr
Frau Worner vom Stadtbezirksgericht Prenzlauer Berg bestätigte der Eva-Maria Hagen, daß am 1. März 1968 9.00 Uhr (Saal 283) in der Sache: Strafbefehlsverfahren wegen Beleidigung eines Angehörigen der Volkspolizei gegen sie verhandelt wird.
F.d.R.d.A.:
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HA XX/1, Gen Lohr Berlin, 4. März 1968
26/BA/19/66/859/Ho
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 4. März 1968
14.15 Uhr
Ingrid erkundigte sich bei Eva-Maria Hagen, ob alles in Ordnung sei. Eva-Maria bejahte diese Frage. Das sei in einem richtigen Gerichtssaal gewesen. Sie mußte aufstehen und dann seien die reingekommen. Da seien zwei Schöffen, eine Beisitzerin und der Direktor gewesen. Dann sei noch ein Zeuge vom Fernsehfunk gekommen. Man habe ihr eine Geldstraße über 200,-- Mark ausgesprochen. Sie könne auch Berufung einlegen, aber sie schätzte ein, daß das sie noch eine Menge Geld kosten werde, weil sie die Kosten des Verfahrens tragen müsse.
Sie habe nun so ein schönes Schriftstück und da stehe blöder Hammel ... weil sie ihn blöder Hammel genannt haben". Das sei doch ein ulkiger Ausdruck. Das entbehre nicht einer gewissen Komik, weil das doch eine Lappalie sei. Das wurde vom Direktor selbst bearbeitet. Jedenfalls sei alles okay.
F.d.R.d.A.: Fechner
Aus einem GI-Bericht vom 4. März 68 - 14.15
Eva-Maria berichtete Wolf Biermann, daß sie ihr Gerichtsurteil erhalten habe. Das sei in einem richtigen Gerichtssaal gewesen. Sie mußte aufstehen und dann seien die reingekommen. Da seien zwei Schöffen, eine Beisitzerin und der Direktor gewesen. Man habe ihr eine Geldstrafe über 200.- Mark ausgesprochen. Sie wunderte sich, was sie alles gesagt haben soll. Herr Nehring vom Fernsehfunk habe sie in Superlativen gelobt. Sie wäre eine disziplinierte und zuverlässige Schauspielerin (...) Sie habe nun so ein schönes Schriftstück und da stehe ›blöder Hammel‹ drauf: ›weil Sie ihn blöder Hammel genannt haben‹. - Das sei ein richtiges Affentheater gewesen.
Berlin, 5. März 1968 26/Ba/19/66/ 861 / Ri
Vertrauliche Dienstsache
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Auszug aus einem GI-Bericht vom 5. März 1968
15.52 Uhr
Wolf B i e r m a n n fragte Frau Eva-Maria H., ob sie sich freue. Sehr, bestätigte Frau H., sie habe vorhin schon die Vorfreude genossen, weil die sie schon mal angerufen haben, aber dann haben die gesagt, daß es noch eine Weile dauert.
Frau H. teilte Wolf mit, daß der K u r t den ganzen Abend dagewesen sei, der J ü r g e n sei auch noch gekommen. Wolf wollte wissen, ob es schön gewesen sei, was Frau H. bejahte. Sie hätten sich schön unterhalten. Sie habe denen das "Lied von dem Kalb" vorgesungen, die hätten schön mitgesungen. Der Kurt habe es sich gleich noch abgeschrieben, der Jürgen habe es sich auch mitgenommen. Sie habe auch gesagt, daß es sein könne, daß es noch nicht vollständig sei.
Sie diskutiert mit Wolf um Worte, die in dem Lied verbessert werden müßten. Wolf fragte, ob sie morgen komme. Frau H. meinte, Donnerstag sei sie noch da, sie habe schon gedacht, er sei mit dem Auto weg. Sie fragte, ob sie am 11. das Auto nehmen könne, sie fahre nach Dessau und von da nach Sangerhausen. Sie habe gedacht, daß er am 11. bei Nina sein könnte. Wolf bejahte. Frau H. fuhr fort, sie habe am 8.. und am 10. in Dessau Vorstellung, sie würde mit der Bahn hinfahren und habe gedacht, daß er sie dann von dort aus abholt am 11.. Das sei ganz schön weit von da.
Sie sprachen dann über das Wetter. Frau H. teilte Herrn Biermann mit, daß morgen der Reiner H... zu ihr kommen wolle, der sei in (Pezow o.ä.), habe angerufen. Wolf meinte, sie solle eine Axt hinter die Tür stellen. Frau H. erwiderte, sie habe keine. Sie solle sich eine kaufen, die gebe es gleich in dem Eisenladen. Frau H. fragte Wolf, ob er oben bißchen aufräume, nicht, daß er so eine Räuberbude verlasse.
F. d. R. d. .....
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 2. April 1968
26/BA/19/66/876 /Ho
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Auszug aus einem GI-Bericht vom 2. April 1968
10.12 Uhr
Eva-Maria H a g e n war dagegen, daß Hans Oliva am 10. nach Sangerhausen fährt. Hans erklärte ihr, daß er nur diese Möglichkeit habe, weil er wieder ins Krankenhaus gehen muß.
Eva-Maria teilte ihm mit, daß seine Tochter seit Donnerstag im Krankenhaus liegt mit einem Beinbruch. Wenn die einen Gehgips habe, wolle sie die wieder nach Berlin holen. Hans bat, daß sie die nicht wieder nach Berlin holen soll, weil dann die ganze Clique wieder zusammen kommt. Hans kündigte an, daß ihr das Sorgerecht über ihre Tochter entzogen werden wird. Er habe sich darüber mit dem Minister für Volksbildung beraten. Wenn er das Sorgerecht nicht bekomme, solle das eine neutrale Person bekommen. Ihr werde nach Ostern das Sorgerecht entzogen. Der Prozeß sei schon in Vorbereitung. Er bestätigte ihr, daß er jetzt schon wisse welchen Ausgang der Prozeß nehmen wird, weil die Fragen der Jugendfürsorge beim Ministerium für Volksbildung liegen und er kenne den Minister sehr gut. Der Minister sei darüber informiert. Das sei im Prinzip schon entschieden. Das sei nur noch eine Frage des Termins. Eva-Maria machte ihn darauf aufmerksam, daß sie dann gegen ihn einen Prozeß führen wird, weil er schon zwei Jahre keinen Unterhalt bezahlt hat. Hans meinte, daß sie das machen könne, aber das Sorgerecht werde ihr entzogen. Eva-Maria fragte, was mit ihm los sei. Er werde langsam wieder reif. Sie habe keine Lust mit ihm darüber zu reden. Seit zehn Jahren kenne sie das ja, daß er versuche ihr N i n a wegzunehmen, und wenn er die dann eine Woche habe, dann würde er sagen, daß sie wieder weg soll, weil er krank sei.
F.d.R.d.A.: Wolf
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 5. April 1968
26/BA/19/66/879ZEd
Vertrauliche Dienstsache
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Auszug aus einem GI-Bericht vom 5. 4. 1968
20.30 Uhr
Eva-Maria H. erzählt Wolf B i e r m a n n , daß sie ganz aufgeregt ist. Als sie jetzt nach Hause kam, stand eine große Gruppe FDJler vor ihrer Tür. Diese sagten, daß an ihrem Balkon Nein dranstehe. Nach langem Hin und Her seien sie jetzt raufgekommen und hätten sie gebeten, daß sie das abwischen möchte. Eva meinte, daß das überhaupt nicht stimmen kann. Wolf stellte ihr die Frage, wer denn das gemacht hat. Eva weiß das nicht. Wolf bemerkte, daß das eine Provokation sei. Sie hätten dann gemeint, so berichtete Eva weiter, ob sie es lieber selbst machen sollen. Und dann seien sie zu ihr reingekommen und hätten es abgewischt. Wolf wollte wissen, wo das dranstand. Eva erklärte, daß da nicht nur Nein stand. Sie nimmt an, daß sich N i n a sicher früher einmal unterhalten hat mit "Was?", und dann hatte sie "Nein" drangeschrieben. Eva nimmt an, daß sich Nina auf diese Art und Weise mit den Kindern von unten unterhalten hat. Sie fragt Wolf, ob er sich das vorstellen kann. Da hätten so ganz große "Schränke" in FDJ-Hemden vor ihrer Tür gestanden. Das sei ein richtiges Rollkommando gewesen. Sie hätten ihr auch gesagt, wie groß denn das gewesen sei. Eva erklärte, daß das schon vergilbt war. Es war nicht so groß geschrieben. Das sei von E r i c h (o.ä.) gewesen, der hat da mal Figuren rangemalt auf dem Balkon. Die Schrift war vielleicht 15 cm hoch. Sie sagte nochmals, daß sie annimmt, es ist von Nina. Aber die hätten nun gedacht, es sei -. Wolf meinte, daß das eine verrückte Sache ist.
F.d.R.d.A.: Adler
Tagebuchaufzeichnung von E.-M. H.: 25. 4. 68 Ein Tag vor der Volksabstimmung der neuen Verfassung. Überall wird künstlich Hochstimmung erzeugt. Ich fahre in die Zelterstraße, sehe paar Gestalten an der Tür hantieren. Freunde wohl von Frank Havemann, denk ich, der jetzt nebenan zur Untermiete wohnt. Fränki ist bei Wolf z.Zt. hat teilgenommen an der Kundgebung mit selbstgemachten Schildern: ›Nieder mit den Mördern von Dr. Martin Luther King‹. Auf dem, das ein Freund trug: ›Vietnam ist einsam‹. Sie mußten einem Polizisten die Ausweise zeigen. Als ich es im Treppenhaus rumoren hör, öffne ich die Tür: Da stehen FDJ-ler, um die 3040 rum, mit Bauchansatz, fettigem Haar. Einer sagt, an meinem Balkon stünde: Wähle Nein und fordert mich auf, es abzuwischen.
Ich denke, die wollen mich aufn Arm nehmen, sage, das kuck ich mir an. Da stand, verwittert von Wind und Wetter, mit Kreide: WAS NEIN. Ich mußte laut lachen. Das hat Nina rangemalt, als sie sich mit Kindern auf der Straße unterhielt, etwas nicht verstand, das sagt das WAS, wo das ›S‹ noch spiegelverkehrt ist und NEIN war wohl die Antwort. Ich gab den Männern einen Schwamm, damit sie die Schmach tilgen. Als sie weg warn, klopfte mir das Herz, Entsetzen kroch mir in den Nacken. Wie kann man sich von Kindergekrakel bedroht fühlen. Was haben sie zu befürchten in diesem perfekt funktionierenden System, der militärstabsmäßigen Vorbereitung der Farce.
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Hauptabteilung XX / 1 - V e r m e r k
Am 16. 4. 1968 teilte Hans Oliva HAGEN mit, daß er in der vergangenen Woche seine Tochter Nina in Thüringen besucht hatte. Nach seiner Auffassung ist sie dort bei (...) in besserer Obhut als bei ihrer Mutter der Schauspielerin Eva Maria HAGEN. Bei der Gelegenheit kümmerte sich HAGEN auch um die Einflüsse, die gegenwärtig durch Briefe und Besuche auf seine Tochter schädlich einwirken könnten. Dabei stellt er fest, daß ihr einige Briefe zugegangen sind, die einen schädlichen Einfluß auf seine Tochter ausüben. Hagen hat diese Schriftstücke mit der Begründung an sich genommen, daß es besser sei, wenn sie von derartigen Dingen ferngehalten wird. Bei den Schriftstücken handelt es sich um beiliegend aufgeführte Briefe und einer Broschüre aus Westdeutschland, die Hagen dem Unterzeichneten übergab.
1. Ein Brief Wolf BIERMANNs an Nina HAGEN vom 18. 3. 1968
2. Ein Lied von W. BIERMANN zum 13. Geburtstag der NINA H.
3. Sechs verschiedene Briefe
4. Eine westdeutsche Broschüre ›Song‹ Nr. 1 1966 in die Biermann nach Mitteilung des HAGEN auf Seite 39 ein Blatt mit einem eigenen Gedicht eingeklebt hat. Hans Oliva HAGEN versprach volles Stillschweigen über die Übergabe der aufgeführten Schriftstücke zu bewahren.
Brosche - Major
(Brief Hans Oliva-Hagens aus den Stasi-Akten)
Silvester 1965/66 war ich mit dem Genossen Adameck und seiner Frau auf dem Ball des DFF. Auch E. M. Hagen war dort. Wir brachten sie mit dem Dienstwagen des Gen. Adameck nach Hause. In ihrem Wohnzimmer hing ein sehr grosses Foto von Biermann. Ich nahm es von der Wand, zerriss es. Ich kannte Biermanns Einstellung, wünschte nicht, dass meine Tochter in seinen Einflussbereich gelangt. In Gegenwart des Gen. Adameck sagte ich das in starker Erregung.
Von diesem Zeitpunkt an begann das Verhältnis Biermann-Frau Hagen immer enger zu werden. Er wohnte fast ständig in der Zelterstrasse und führte Frau Hagen in den folgenden Monaten in seinen Kreis ein. So lernte sie Prof. Havemann kennen, und zwischen der jüngsten Tochter Havemanns und meiner Tochter begann ein kindlich-freundschaftliches Verhältnis. Im Sommer 1964 traf man sich oft in Grünheide, wo Prof. Havemann ein Haus hat. Dort waren auch gelegentlich Manfred Krug, der Maler ...... und andere Personen, die ich nicht kenne.
In dieser Zeit verstärkte sich Havemanns Einfluss auf Biermann. Die Folge: Biermanns Einfluss und seine politischen und künstlerischen Ansichten wurden von Frau Hagen übernommen. Meine Tochter geriet also mit 9 - 10 Jahren unter diese Einflüsse. Es ist leicht zu überprüfen, dass auch in dieser Zeit die schulischen Leistungen meiner Tochter nachliessen, dass sie im Unterricht störte und negativ auf die Klasse zu wirken begann. Die damalige Klassenlehrerin, (...) wird dies bestätigen können. Seit dieser Zeit ist meine Tochter für das Lehrerkollektiv ein schwieriges Problem. Auch Hausbesuche und Gespräche in der Schule mit Frau Hagen hatten nur kurze Wirkung. In dieser Zeit sind auch die politischen Ansichten meiner Tochter immer konfuser geworden. Vom Song Biermanns, über Ostermarschabzeichen, Hippy-Blume und dem Zeichen ›Enteignet Springer‹ war ein relativ kurzer Weg. Auch in ihrer Kleidung wurde meine Tochter Nachbild der Hippies. Jeans, schloddrige Pullover, ungepflegtes Haar gehörten zur Tagesordnung. Biermann und Frau Hagen unternahmen nichts, um Nina, die viele hübsche Kleider, Röcke, Pullis besitzt, zu vernünftiger Kleidung anzuhalten.
Im Zeitraum des 11. Plenums, wo ich beim DFF und bei der Defa staatliche Aufgaben übernehmen musste, kulminierte Biermanns Einfluss auf Frau Hagen und automatisch auch auf meine Tochter. Direkte und indirekte Lieder und Gedichte gegen die Staatsmacht der DDR entstanden damals und Biermann sang sie in Gegenwart meiner Tochter in der Wohnung und in Grünheide. Auch die Platten, die Biermann mit Neuß in WD. herausbrachte, wurden häufig gespielt. Im Zusammenhang mit dem Film ›Spur der Steine‹ entwickelte sich Biermann zum Märtyrer.
Er hatte für den Vorspann des Filmes Musik und Texte gemacht. Sie wurden vor der Aufführung herausgenommen und neu, von Anderen angefertigt. Die Zurückziehung des Films war Gesprächsstoff Nr.1 in der Wohnung, und meine Tochter bekam die ganze Liste der Argumente Biermanns mit. ›Was erlaubt sich das ZK, das Volk, die Zuschauer sind mündig genug um zu entscheiden, ob dieser gut und richtig ist oder nicht.‹ Ich selbst publizierte damals im ND einen Artikel, in dem ich mich rückhaltlos hinter die Beschlüsse des 11. Plenums stellte.
Natürlich geriet durch diesen Konflikt, Vater für die Beschlüsse der Partei und Biermann, Frau Hagen gegen die Beschlüsse, das Kind in eine schwierige Situation. Wem sollte es glauben? Es begann bei mir, mir Recht zu geben und zu Haus, der Mutter Recht zu geben. Der Artikel von Klaus Höpke im ND über Biermann trug ein weiteres dazu bei, dass meine Tochter in Biermann einen Menschen sah, zu dem man halten müsse.
In dieser Zeit war auch Havemann öfter bei Frau Hagen und Biermann zu Besuch. Natürlich ist Havemann für ein Kind eine starke Persönlichkeit, sie mochte Herrn Havemann, sie hatte Vertrauen und Zuneigung zu Biermann, schon weil Biermann das erste Verhältnis ihrer Mutter war, das eine bestimmte Stabilität besaß. Auch benahm sich Biermann meiner Tochter gegenüber nett, er kümmerte sich um sie, half ihr bei Schularbeiten und lehrte sie Gitarre spielen. Natürlich waren die Lieder, die er ihr beibrachte, nicht direkt staatsfeindlich, aber sie gingen in eine Richtung, die sich von denen, die sie in der Schule und Pionierorganisation lernte, stark unterschieden. Es waren fast ausschließlich amerikanische Songs, Antivietnamsongs, die sie billigte und in ihnen zu spüren glaubte, dass Biermann auf der richtigen Seite steht. Im vergangenen Sommer war meine Tochter mit ihrer Mutter und Biermann in Ückeritz bei dem Maler (...) Sie lernte dort den Nacktbadestrand kennen, wo sich die ›Künstler‹ trafen, spielten, sich sonnten und politisierten.
Als Frau Hagen im November 67 einen abermaligen Selbstmord versuchte, kümmerte sich Biermann sehr um die Mutter meiner Tochter. Dadurch wuchs die menschliche Zuneigung zu ihm noch mehr. Meine Tochter sieht ja in ihrer Mutter das Leitbild. Sie möchte auch Schauspielerin werden. (Ich möchte das übrigens nicht!) Meine Meinung ist, dass durch das erotische Verhältnis Biermann-Frau Hagen, diese in Biermanns und dessen Umgebung geriet, diese Einflüsse nicht abwehrte und bewusst oder unbewusst das Kind mit einbezog.
In den letzten Wochen tauchte in der Bekanntschaft Biermanns auch Fritz Teufel auf. Meine Tochter lernte ihn bei Besuchen bei der Bildhauerin Hunzinger kennen. Hier wurden neue Maßstäbe für das Kind gesetzt. Kommune I, Mao. So war es fast selbstverständlich, dass alles was nur irgendwie opponierte, ob in WD mit dem Ostermarsch, oder Biermann, Havemann, hier, in einen Topf gerieten und das Kind die Form der Opposition auch in politisch-moralischer als die attraktivste Lebensform annahm. Ihr Geltungsbedürfnis wurde nicht gebremst, sondern unterstützt, ihre konfusen Ansichten wurden nicht paralysiert, sondern Biermann und Frau Hagen liessen sie sich in dieser Richtung festigen. Obwohl das Kind die Mutter liebt und nach Wärme bei ihr sucht, wurde sie gröblichst vernachlässigt.
Das vor wenigen Wochen eingeleitete Verfahren wegen Staatsverleumdung gegen Frau Hagen, wurde ausgiebig besprochen, meine Tochter hörte alles und stand natürlich auf der Seite der Mutter, die alles bagatellisierte. - Ich überwinde mich nur schwer zu dem Entschluss, das Kind, das die Mutter liebt, von der Mutter zu trennen, aber eine so grobe Verletzung der Sorgepflicht in moralischer und politischer Hinsicht, zwingt mich dazu, zu bitten, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen. Da ich zur Zeit physisch und psychisch nicht fähig bin, das Kind zu mir zu nehmen, bitte ich sie in ein Internat zu bringen. Ich kenne keines das ich empfehlen kann, höchstens vom Hörensagen das des MAA, wo die Kinder unserer Diplomaten untergebracht sind ...
Ich bitte mir das Sorgerecht zu übertragen. Zu einem Zeitpunkt, da ich meine Gesundheit und Arbeitskraft wieder voll zurück gewonnen habe, werde ich sicher eine andere Lösung finden, als das Internat. Nach meiner Eheschließung im Herbst dieses Jahres und nach einer Einwilligung meiner Frau, könnte meine Tochter zu einem späteren Zeitpunkt zu mir ziehen. Aber das kann ich im Moment nicht übersehen, weil mich die Ereignisse der letzten Tage völlig aus dem Gleichgewicht gebracht haben. - Vielleicht finde ich auch eine nette Familie, in der meine Tochter leben kann. Selbstverständlich werde ich mich soviel wie es in meinen Kräften und Möglichkeiten steht, um mein Kind kümmern. Ich bitte, da ich selbst die ganze Sache den Staatsorganen übertrug, mir zu helfen, daß meine Tochter liebevoll und vom pädagogischen Standpunkt aus, so gut wie nur irgend möglich behandelt wird. Ich habe meine Eltern durch den Faschismus früh verloren, alle meine 5 Geschwister leben im Westen. Ich hänge sehr an meinem Kind.
Hans Hagen
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XX/1, Gen. Lohr Berlin, 2. Mai 1968
26/BA 19/66/887 /Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 2. Mai 1968
21.10 Uhr
Evas Mutter erkundigt sich, wie es geht. Eva übt gerade auf ihrer Gitarre. Die Mutter fragt, ob sie immer noch mit der Gitarre auftritt. Eva hat die Absicht, ihre Auftritte mit Gitarre und Gesang weiter auszubauen. Film und Fernsehen interessiert sie jetzt weniger. Viel Spaß bereitet ihr noch das Theaterspielen. Sie berichtet von ihrem Auftritt in Zwickau. Sie war am letzten Wochenende mit Wolf dort.
Wie gesagt, filmen mag sie nicht mehr so oft. Dann müßte man ihr schon eine tolle Rolle anbieten. Letztens hat sie zwei Fernsehrollen abgelehnt, obwohl sie beim Fernsehen angestellt ist. Eine Filmrolle hat sie heute ebenfalls abgelehnt, da es großer Mist war. Beim Fernsehen möchte sie am liebsten kündigen. Überall, wo sie hinkommt, sagen die Leute:
Ach, d a s haben sie gespielt. Es sind dann diese oberflächlichen leichtsinnigen Menschendarstellungen in den verschiedenen Stücken gemeint.
Die Leute denken dann, daß sie in ihrem Leben auch so sei und das möchte sie nicht.
Eva möchte gute Rollen spielen. Sie erinnert sich an ihre Rolle im Schlüter-Film, die sie sehr gut fand.
In Berlin hat sie noch keine Arbeit an einem Theater gefunden. Sie hat nicht so viel Kraft, um sich mit ihren Ellenbogen in dieser Sache durchzusetzen. Trotzdem spielt sie an den Bühnen der DDR-Theater sehr gern.
Nächstes Jahr will Eva eine Freundin mit dem Namen Karla, die Erzieherin in einem Lehrlingswohnheim ist, für ein Jahr zu sich nehmen. Die Karla soll sich dann um Nina kümmern.
F. d. R. d. A. : R....
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 3. Mai 1968
26/BA/19/66/ 888/Ho
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 3. Mai 1968
9.29 Uhr
Eva-Maria H a g e n versprach Rolf Z i m m e r m a n n , daß sie in Dessau wegen seines Stückes einmal mit dem Oberspielleiter Peter B.... sprechen wird. Beim letzten Male waren dieser und der Chefdramaturg nicht anwesend. Sie schätzte ein, daß das dort alles nette Leute seien. Rolf Z. erwähnte, daß sein Stück am 12. Mai in Halle Premiere hat und daß dort bis jetzt alles gut läuft. Rolf Z... hat an dem Stück zusammen mit Eidam gearbeitet.
Eva-Maria Hagen berichtet, daß sie jetzt auch die "Lady" in Zwickau spielt. Sie versicherte, daß ihr die Rolle sehr gut gefällt. Rolf Z. will sie sich einmal in Dessau ansehen.
10.54 Uhr
Eva-Maria Hagen teilte Herrn J e r i n g vom DFF-DEFA mit, daß sie die Rolle der Dorett in dem dreiteiligen Fernsehfilm "Die Stunde des Skorpion" aus künstlerischen Erwägungen heraus ablehnt. Sie schätzte ein, daß das eine Rolle für eine Kleindarstellerin sei und daß das für sie eine künstlerische Herabsetzung sei. Sie würde gern beim Fernsehfunk wieder eine Aufgabe übernehmen, aber diese Rolle könne sie nicht annehmen. Sie müßten dann eben den Vertrag kündigen. Herr Jering meinte, daß die Rolle ausbaufähig sei, und sagte eine Prüfung bzw. nochmalige Beratung zu.
10.20 Uhr
Manfred K ö c k (!) (o.ä.) von der Akademie vereinbarte mit Eva-Maria Hagen, daß er gegen 15.00 Uhr heute zu ihr kommt. Er versprach ihr, daß er sie anschließend mit dem Wagen zum Zug nach Sangershausen bringen wird.
F.d.R.d.A.: H...
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HA XX/1 - Gen. Lohr Berlin, 19. Mai 1968
26/B/19/66/ 772/RI
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 17. Mai 1968
12.10 Uhr
Eva-Maria H. trug einem Herrn Gedichte vor.
Anschließend sprachen sie über Rudi D u t s c h k e. Eva sagte, daß jemand bei ihm gewesen sei, und dieser habe ihr alles erzählt. Sie erklärte, Dutschkes Vater, der ja aus der DDR ist, fahre immer rüber. Dutschke ginge es jetzt besser. Mit seinem Gehirn sei aber noch etwas. Einfache Zusammenhänge könne er schon erkennen, aber bei kleinen komplizierten Sachen -.
Der Herr sagte, daß sie das telefonisch machen könnten. Eva brauche bloß am Telefon zu sagen: "Ja, Dienstag oder Mittwoch". Er komme dann noch mal her und würde gleich noch ein Band anhören.
Der Herr berichtet von alten Genossen.
Beim Abschied fragt der Herr Eva, ob er alle beide mitnehmen könne, was sie bejahte. Er wies Eva darauf hin, daß außer Dienstag jeder Tag in Frage käme, und er (gemeint ist eine andere Person) möchte -.
Die Unterhaltung fand per "du" statt.
F.d.R.d.A.: ...........
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 22. Mai 1968
26/B/19/66/773 Ri
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 22. Mai 1968
14.00 - 15.20 Uhr
Eva-Maria H. unterhielt sich mit einer Dame und einem Herrn.
Der Herr bemerkte, daß die gerne auf Kommune machen würden. Die sollten mal zu uns kommen, denen würde das dann schon vergehen. Eva meinte, daß die Kommune nichts gegen das System machen wolle. Die würden etwas ganz anderes wollen. Die hätten eine ganz andere Ausgangsbasis. Der Herr sagte, daß man sich das nicht vorstellen könne. Eva fand, daß es doch schon schöne Ansätze gebe, daß sich die Arbeiter mit den Studenten verbinden und gemeinsame Programme machen. Sie sprach von Warnstreiks und vom Generalstreik. Das sei aber kompliziert. In der Tschechoslowakei hätten die Studenten schon ganz schön -.
Der Herr bemerkte, daß das kein Fakt sei, der wirke. Der Herr hatte den Eindruck, "als würden wir mal wieder gerne mal nach Prag ziehen". Eva sagte, daß vor Jahren eine Sache gewesen sei mit dem Korella, da habe sich doch die CSSR offiziell beschwert. Die Dame erwähnte Kafka, worauf Eva erwiderte, daß das später gewesen sei.
F.d.R.d.A.: ........................
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Berlin, 23. Mai 1968
26/BA/19/66/859/Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. Mai 1968
09.02 Uhr
Eva-Maria H. teilt Wolf Biermann mit, daß sie ziemlich deprimiert ist. Sie möchte alles absagen. Sie ist überhaupt nicht auf dem Posten. Sie möchte die heutige Vorstellung und die anderen Veranstaltungen absagen. Sie will zum Arzt gehen, um sich krankschreiben zu lassen. Wolf fragt, ob sie sich das leisten kann. Sie bejaht. Er fragt, ob sie nicht laufen kann. Sie meint, daß sie ziemlich schwach ist. Sie kann diese Fahrt nicht unternehmen. Sie bittet Wolf, daß er freundlicher zu ihr ist, dann geht es ihr auch besser. Wolf bemerkt, daß sie ja wissen muß, was wichtiger ist. Sein Auto steht ihr noch weiterhin zur Verfügung. Vielleicht überlegt sie sich das noch anders. Die warten dort auf Eva. Es wird sich herumsprechen, daß sie andauernd nicht zu ihren Veranstaltungen kommt. Er empfiehlt ihr, sich noch ein bißchen zu erholen. Vielleicht kann sie dann doch noch fahren.
12.20 Uhr
Eva-Maria H. teilt Wolf Biermann mit, daß sie eine Menge Sachen hat. Sie vereinbaren, daß er sie abholt. Sie bringt ihn dann wieder zurück.
F.d.R.d.A.:
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XX/1 - Gen. Lohr Berlin, 27. Mai 1968
26/B/A/19/66/893/Höf
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 27.5.1968
11.00 Uhr
Unterhaltung zwischen Eva und Wolf B.. Da Eva ein paar freie Tage hat, möchte sie an die Ostsee fahren. Wolf erwidert, daß sie noch heute mit Otto beraten, der gerade in seiner Wohnung ist. Eva wird sofort in die Chausseestraße fahren.
11.05 Uhr
Unterhaltung zwischen Eva und Frau Klein, Abt. Wohnungswesen beim Rat des Stadtbezirks Mitte. Eva sagt, sie ist nach wie vor an der Wohnung in Stadt Mitte interessiert. Frau Klein entgegnet, sobald sie Neubauwohnungen von Pankow erhalten hat, bekommt die Familie eine 3-Zimmer-Wohnung und dann kann Eva diese Wohnung bekommen.
F.d.R.d.A. Höfer
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XX/1, Gen. Lohr Berlin, 19. Juni 1968
26/BA 19/66/899/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 19. Juni 1968
10.25 Uhr
Eva Hagen bestellt bei Frau Grafenstein (Progress-Filmvertrieb) 500 Starpostkarten. Sie betont, daß sie zur Zeit ca. 1000 Briefe beantworten müßte. Die überwiegende Mehrzahl der Briefschreiber wohnen in der CSSR. Wie Eva meint, müssen die dort irgend etwas von ihr populär gemacht haben.
11.55 Uhr
Eva hat am Sonnabend einen Auftritt (organisiert von der KGD Schwerin) in Schwerin. Herr Bonsack (o.ä.) von der dortigen KGD möchte unbedingt die Texte ihrer Lieder lesen. Eva findet das merkwürdig. Sie gibt ihm die Texte der Lieder: "Schäferlied", "Schatz geh nach Haus", "Der alte Trinker". Dazu kommen noch ein plattdeutsches und Berliner Lied.
Das plattdeutsche Lied wird sie den Pastor Kleinschmidt vorsingen, bei dem sie wohnen wird.
Eva bemerkt abschließend, daß viele ihrer Lieder bereits von Radio DDR aufgenommen wurden.
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Berlin, 21. Juni 1968
26/BA/19/66/900/Oe
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 21. Juni 1968
15.30 Uhr
Frau H. vereinbart mit der Möbeltransportfirma Hoffmann den Umzug von Frau H.. Am Montag, den 24. Juni kommt ein Packer zu Frau H., der alles in Kisten verstaut. Am Mittwoch erfolgt dann der Umzug in die Wilhelm-Pieck-Straße.
17.50 Uhr
Frau H. spricht mit Herrn Bonsack von der Konzert- und Gastspieldirektion Schwerin. Frau H. hat ein Telegramm bekommen, in dem ihr mitgeteilt wurde, daß ihre Lieder nicht zu dieser Veranstaltung passen. Es sind bei der Veranstaltung viele Jugendliche von zwölf Jahren. Frau H. soll trotzdem kommen, sie kann doch noch mehr Sachen spielen. Wenn Frau H. morgen um 16.00 Uhr in Schwerin ist, kann sie ein paar Titel vorspielen, und man wird sich dann einige aussuchen, die Frau H. dann bringen kann. Frau H. ist damit einverstanden. Wenn man sich mit Frau H. trotzdem nicht einig wird, macht Frau H. Herrn Bonsack darauf aufmerksam, daß der Vertrag volle Gültigkeit behält.
18.00 Uhr
Frau H. teilt Wolf Biermann mit, daß sie morgen unter den veränderten Bedingungen nach Schwerin fährt. Wolf fragt, ob sie das überhaupt nötig hat. Frau H. hat es nötig, es sind immerhin 400 Mark. Sie braucht jetzt unbedingt noch für den Umzug und die Ferien Geld. Wolf findet das übertrieben gesagt. Frau H. verneint das, sie sagt, daß sie das andere für das Auto aufheben muß. Und das andere ist auf einem Sperrkonto, davon kann sie nichts nehmen. Wolf berichtet, der Alex hat angerufen. Frau H. weiß Bescheid, Alex wollte, wenn Frau H. am 29. nach Eisenhüttenstadt fährt, daß Frau H. auf den Weg etwas mitnimmt. Sie soll 250 Mark dafür bekommen. Frau H. hat das abgelehnt.
18.15 Uhr
Frau H. spricht mit Frau Simnowski. Sie teilt ihr mit, daß sie am Mittwoch umziehen wird. Bei Frau Simnowski wird es erst am Freitag. Sie macht zwei große Zimmer frei, daß Frau H. bis zum Freitag wenigstens zwei Zimmer hat. Frau H. sagt, Herr Simnowski soll das Telefon vorläufig nicht umschreiben lassen, Frau H. will das übernehmen. Frau H. soll Frau S. am Mittwoch anrufen wenn Frau H. mit dem Möbelwagen kommt. Dann kommt Frau S. von der Arbeitsstelle und Frau H. kann in die Wohnung.
18.35 Uhr
Herr Kleinschmidt will mit Frau H. morgen nach Schwerin fahren. Herr K. soll zwischen 11.00 und 12.00 Uhr bei Lotte (?) sein, Frau W. nimmt ihn dann in den Wagen. Herr K. bedankt sich bei Frau H.
18.45 Uhr
Frau H. fragt bei einer Dame nach, ober Herr Jurek bei ihr wohnt. Die Dame kennt diesen Herrn nicht. Frau H. sagt, der Herr soll zur Untermiete dort gewohnt haben. Er ist nämlich Maler und Frau H. sucht einen Maler, der ihre Wohnung malt. Die Dame kann Frau H. nicht helfen, weil sie den Herrn Jurek nicht kennt.
F.d.R.d.A. .......................
HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 25. Juni 1968
26/BA/19/66/901/Ed
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 24. Juni 1968, 13.50 Uhr
Eva-Maria H. erzählte Gisela ......, daß sie am Mittwoch umzieht. Zur Zeit ist sie beim Packen. Eva benötigt nun dringend einen Maler. Gisela möchte Eva beim Umzug gern behilflich sein, aber zur Zeit ist es ihr leider nicht möglich.
Sie sprachen über den Urlaub. Gisela möchte evtl. im August mal für ein paar Tage nach Hiddensee fahren. Sie frage, was Eva im August macht. Wie Eva ihr sagte, beginnen bei ihr im August ja schon wieder die Proben. Aber Anfang August wollte Eva auch noch an der Ostsee sein.
Beide Damen vereinbarten, daß Gisela am Freitag zu Eva kommt. Eva machte sie darauf aufmerksam, daß sie aber dann nicht mehr in ihrer alten Wohnung ist. Sie muß sich dann beim W o l f melden.
F.d.R.d.A.: ........
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HA XX/1, Gen. Lohr Berlin, 15. Juli 1968
26/BA 19/66/ 905/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 14. Juli 1968
nach 23.00 Uhr
Eva-Maria Hagen meldet sich bei Wolf Biermann. Er möchte gern zu ihr kommen. Sie hat Angst, ihn zu sehen. Sie fühlt sich nicht stark genug. Sie war in den letzten Tagen sehr unglücklich und sehr allein.
Eva möchte noch abwarten, ob es klappt (ihre Bulgarienreise). Wenn es nicht der Fall sein sollte, dann möchte sie Wolf bitten, daß sie mit Nina wenigstens 14 Tage an die Ostsee fahren kann. Sie meint, daß der August ja noch frei sei und er könnte mit Manuel in dieser Zeit an die Ostsee fahren. Sie benötigt unbedingt einige Tage der Erholung. Sie wird von Tag zu Tag nervöser und ist bald am Ende. Wolf rät ihr unbedingt die Zeit zu nutzen, um an die Ostsee zu reisen.
Falls Eva den Auslandsplatz nicht bekommt, würde sie am Dienstag an die See fahren. Am 10. August beginnen wieder die Proben für sie.
Sie berichtet weiter, daß der M a t h i a s und der Peter G r a f bei ihr waren. E r (?) wollte ja Wolf am Donnerstag besuchen. Sie teilte es Wolf bereits mit.
In der Tschechoslowakei sei auch wieder ganz schön was los, erklärt sie. Wolf möchte wissen, was dort los sei. Sie mag jetzt nicht darüber sprechen, sie hat keine Lust. Er soll doch die Nachrichten hören. Er wiederholt noch einmal seine Frage, was dort los sei. Eva wirft ihm vor, daß er sie nicht so anfahren soll. Sie sei wieder am Rande -. Wenn er sie ein bißchen scharf anspricht, dann fängt sie gleich an zu heulen. Mit schluchzender Stimme sagt sie, daß sie nicht mehr kann. Sie sei nahe einem Nervenzusammenbruchs.
F.d.R.d.A.: Röbisch
IM-Bericht: (7/8 1968)
In der Zeit vom 19. 7. bis 4. 8. 1968 weilten Biermann, dessen Sohn sowie die Schauspielerin Eva-Maria Hagen und deren Tochter Nina bei dem freischaffenden Künstler Manigk in Ückeritz, Waldstr. 26. Die gesamten Personen kamen mit dem PKW des Biermann, VW IB 80-83 und dem PKW der Hagen ›Wartburg‹ IS 41-34. Mit diesen Fahrzeugen wurden wechselhaft Fahrten innerhalb und außerhalb des Ortes Ückeritz unternommen. Diese Fahrten wurden häufig sehr früh angetreten und endeten meistens in den späten Abendstunden. Das Reiseziel war vorwiegend der FKK-Strand zwischen Zempin u. Koserow. An diesem FKK-Strand halten sich während der Sommermonate eine Vielzahl von Kunst- und Geistesschaffenden auf, die z. T. dort Wochenendhäuser besitzen. Während des Aufenthaltes von Biermann-Hagen in Ückeritz konnte festgestellt werden, daß beide Personen laufend bei dem Kunstmalerehepaar (...) auf den Frequenzen 1400 und 1500 Khz den Sender Prag in deutscher Sprache abhörten.
Als Hagen am 1. 8. 68 kam, hörte die KP, wie die H. enttäuscht äußerte, daß die Tschechen mit den Russen zusammengesessen hätten und alles zum Positiven verlaufen wäre. Die Art ihrer Äußerung läßt erkennen, daß sie offensichtlich erhofft hatte, daß die CSSR-Regierung sich mit der SU nicht einig würde.
Festgestellt werden konnte auch, daß Biermann mit dem Autosuper VW den Sender Prag u. a. westliche Sender abhörte. Während eines Einkaufs in Ückeritz stellte B. seinen PKW vor einem Geschäft ab, ließ aber das Radio in voller Lautstärke die Nachrichten des Senders Prag verbreiten.
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Aus einem GI-Bericht vom 21. August 1968 -17.36 Frank Havemann erkundigt sich bei Eva-Maria H., ob sie weiß, wo Wolf B. ist. Eva verneint, erklärt, sie sei extra nach Berlin gekommen, sie wisse es nicht. Darauf fragt Frank, ob sie wisse, wo sein Vater sei. Eva berichtet, daß sie heute morgen mit Herrn Havemann telefonierte. H. konnte ihr nicht sagen, wo Wolf war. Sie telefonierte mit allen möglichen Leuten deswegen. Darauf brach sie ihre Probe in Dessau ab und kam her (...) Frank erklärt, Billy und er suchen beide. Als Frank fragt, was man machen könne, erzählt Eva, daß sie ein Gespräch zur Emmy angemeldet hat. Er meint, daß man evtl. irgendwelche Stellen anrufen könnte. Eva erklärt, daß man das nicht machen könne, das wär ganz unmöglich.
17.51 - Als Utz Havemann sich bei Eva H. meldet, erklärt sie ihm, daß sie nichts wisse - der Frank habe auch schon mit ihr gesprochen. Auf seine Frage, ob sie es noch irgendwo probiert habe, erwidert Eva, sie habe es überall schon probiert. Eva meint, man müsse abwarten. Sie hat versucht Emmy zu erreichen.
18.30 - Auf Fragen von Utz H. erklärt Nina, sie wisse nicht, wo ihre Mutter ist. Eva ist weggefahren, hat nicht gesagt, wo hin und wann sie wiederkommt.
18.40 - Eva H. erkundigt sich bei ihrer Tochter Nina, ob sich jemand nach ihr erkundigte. Nina erzählt, daß Utz sie sprechen wollte. Auf Ninas Frage sagt Eva, sie sei bei Hussels, ›er‹ sei jedoch nicht da. Nina erinnert ihre Mutter daran, daß sie sich nachher noch umsehen müssen, wo sie, Nina, bleiben kann. 20.25 - Robert Havemann erkundigt sich bei Nina Hagen, ob sie nicht einmal ihre Mutter, Eva-Maria Hagen, die bei Hussels ist, anrufen kann. Havemann meint, Eva Hagen könne mal bei Peter Huchel anrufen, vielleicht ist ›er‹ dort. Nina erwidert, Eva habe schon angerufen. Ungläubig fragt Havemann, ob Eva bei Huchel in Potsdam angerufen habe. Nina erklärt, daß Eva bei Huchel in Michendorf angerufen habe, Wolf ist dort nicht. Havemann hält für möglich, daß ›er‹ aber inzwischen dort ist. Wolf wird dann aber auch zu Hause anrufen. Er fragt, ob Wolf weiß, daß Eva und Nina da sind. Nina erklärt, daß sie früh anriefen - wenn Wolf dort wäre, wüßte er es ja. Havemann vermutet, daß Eva von Dessau aus angerufen hat, was Nina bejaht. Nina wird sich mit ihrer Mutter in Verbindung setzen, ihr zu sagen, daß Havemann mit ihr sprechen möchte.
20.30 - Eva-Maria H. teilt Robert H. mit, daß Sybille und Frank ihn wie eine Stecknadel suchen. Er fragt, ob Eva weiß, wo die sind. Eva erklärt, daß sie vor ca. 20 bis 30 Minuten mit ihnen zusammen war. Sie wollten nach Hause gehen. Eva setzt hinzu, daß Frank mit der E r i da war. Sie haben sich große Sorgen gemacht. Havemann fragt, ob Eva es schon bei Peter Huchel probiert hat. Eva bejaht - heut morgen. Havemann meint, daß Wolf doch sicher nicht wissen wird, daß Eva in Berlin ist. Aus dem Grunde wird er gar nicht erst versuchen, anzurufen. Darauf sagt Eva, sie glaube nicht, daß Wolf bei Huchel ist - es war auch schon gegen Mittag, als sie dort anrief. Havemann hält trotzdem für möglich, daß Wolf inzwischen hingefahren ist. Eva will es nochmal versuchen. Sie hat bei allen anderen angerufen, bei denen Wolf sein könnte.
20.40 - Eva-Maria H. teilt Fr. R., ihrer Putzfrau mit, daß sie für einen Tag in Berlin ist. Eva möchte wissen, ob Nina bis zum Schulanfang bei ihr sein kann ...
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Aus einem GI-Bericht vom 25. August 1968 - 11.35 Uhr
Eva-Maria H. erkundigte sich bei Robert Havemann, wie es ihm geht. Havemann wollte von ihr wissen, ob sie eine Nachricht hat. Sie bejahte die Frage, sagte, daß Wolf bißchen weggefahren ist, er schrieb Eva eine Karte. Es geht ihm gut. Robert findet, daß das beruhigend ist. Er stellte an Eva die Frage, wann sie zu ihm rauskommt. Eva erklärt, daß sie Proben hat. Sie ist nur hin und wieder nach Berlin gekommen, um nach Post zu gucken. Wolf schreibt, daß es ihm gut geht. Er wollt auch mal Freunde in Dresden besuchen ...
Vielleicht wird er die Sache mit dem Häuschen da erledigen, er hat jetzt sowieso keine Ruhe. Eva versprach, sobald sie Zeit hat bei Robert vorbeizukommen. Eva sagte, daß der Paris so komische Sachen umher erzählt, daß Wolf einen Unfall gehabt hätte. Daraufhin fragte Robert nochmals, ob alles in Ordnung ist. Sie bejahte das.
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Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Rostock, Abteilung XX/1
Rostock, den 11.9.1968
Bericht über das Auftreten Wolf Biermann`s in der Zeit vom 19.7.1968 bis 4.6.1968 im Kreis Wolgast
In der Zeit vom 19.7.1968 bis 4.8.1968 weilten der Lyriker Wolf Biermann, dessen Sohn sowie die Schauspielerin Eva-Maria Hagen und deren Tochter Nina Hagen bei dem freischaffenden Kunstmaler Otto Manigk un Ückeritz, Waldstr. 26. Untergebracht waren sie während dieser Zeit im Fremdenzimmer des M., welches sich über seinem Atelier befindet. Die Wohnung des M. selbst befindet sich im Nebenhaus.
Die gesamten Personen kamen mit dem PKW des Biermann VW IB 80-83 und dem PKW der Hagen, Wartburg IB 41-34. Mit diesen Fahrzeugen wurden wechselhaft Fahrten innerhalb und außerhalb des Ortes Ückeritz unternommen. Diese Fahrten wurden häufig sehr früh angetreten und endeten meistens in den späten Abendstunden. Das Reiseziel war vorwiegend der FKK-Strand zwischen Zempin und Koserow.
An diesem FKK-Strand halten sich währen der Sommermonate eine Vielzahl von Kunst- und Geistesschaffenden auf, die z. T. dort Wochenendhäuser besitzen. Welche Personen sich im Einzelnen dort aufhielten zu dieser Zeit und ob Zusammenkünfte mit Wolf Biermann stattfanden, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
Während des Aufenthaltes von Biermann und Hagen in Ückeritz konnte festgestellt werden, daß beide Personen laufend bei dem Kunstmalerehepaar Kandt, Manfred und Susanne, auf den Frequenzen 1400 bis 1500 Khz den Sender Prag in deutscher Sprache abhörten.
Als Hagen am 1.8.1968 von Kandt kam, hörte die KP, wie die Hagen enttäuscht äußerte, daß die Tschechen mit den Russen zusammengesessen hätten und alles zum Positiven verlaufen. wäre.
(Die Art ihrer Äußerung läßt erkennen, daß sie offensichtlich erhofft hatte, daß die CSSR-Regierung sich mit der Sowjetunion nicht einig würden.)
Festgestellt werden konnte auch, daß Biermann mit dem Autosuper VW den Sender Prag und andere westliche Sender abhörte. Während eines Einkaufs in Ückeritz stellte B. seinen PKW vor einem Geschäft ab, ließ aber das Radio in voller Lautstärke die Nachrichten des Senders Prag verbreiten.
In der Zeit vom 31.7.1968 bis 2.8.1968 erhielt Biermann Besuch durch zwei jugendliche Personen, die während dieser Zeit bei dem freischaffenden Kunstmaler Matthias Wegehaupt und Manfred Kandt übernachteten. Die Namen und nähere Angaben zu den Personen konnten nicht ermittelt werden.
Am 1.8.1968 erhielt Hagen Besuch von dem Arzt Seiboth, Hans Dieter, geb. am 24.5.1940, wohnh.: Greifswald, Erich-Weinert-Str. 13, PKW Forth AB 85-49.
Dieser gab an, bei der Hagen angemeldet zu sein. Im PKW des S. befanden sich 3 weitere Personen. Eine dieser Personen war vermutlich Angehöriger der Volksmarine, da im PKW eine Uniformmütze der Volksmarine festgestellt wurde.
Organisierte Zusammenkünfte des Biermann wurden während der Zeit seines Aufenthaltes in Ückeritz nicht festgestellt. Reaktionen von seiten der Bevölkerung und Künstler des Kreises Wolgast und des Bezirkes Rostock, die auf die Anwesenheit des B. schließen lassen, wurden nicht bekannt.
Während der Zeit ihres Aufenthaltes bemühte sich die Hagen im Kreis Wolgast um ein Grundstück für ein Wochenendhaus und die Genehmigung um den Bau desselben. Hierzu verhandelte sie bei den Räten der Gemeinden Balm/Neppermin und Neuendorf. Als sie diese Genehmigung nicht erhielt, nahm sie Kontakt zu dem Rentner Dannenfeld, Albert, geb. am 20.1.1899 in Zecherin in Lütow-Neuendorf auf, der dort ein Haus verwaltet. Mit diesen verhandelte sie, die Renovierung des Hauses auf ihre Kosten mit der Zusicherung, daß für sie zu jeder Zeit ein Zimmer freigehalten wird.
Das Haus liegt in der Nähe des Wochenendhauses des Schauspielers Wolf Kaiser. Dieser hat sich beim Rat der Gemeinde Neuendorf auch dafür eingesetzt, daß die Hagen in seiner Nähe ein Grundstück erhält.
Hagemann, Unterleutnant
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Aus einem GI-Bericht vom 7. Okt. 1968 -15.00 Uhr
Gisela Schröder gratulierte Nina Hagen zum Tag der Republik. Nina erzählte, daß sie im BE war. Dort hat ihr das Stück, ›Die Tage der Kommune‹, in der Inszenierung ganz gut gefallen. Gisela erwidert ... man sieht so viel über rote Fahnen, da kann man gar nicht glauben, daß das von Brecht ist. Nina berichtete, daß sie auch ein schönes Plakat von Wolf Biermann hat. Da stehen ein paar Lieder drauf ... Nina sagte, daß sie jetzt im Jugendverband (FDJ) ist. Sybille Havemann will nun auch eintreten. Nina meinte, daß das besser sei, wenn man in der FDJ ist. Da kann man doch viel mehr machen, als wenn man nicht drinne ist. Wenn man in der FDJ ist, kann man seine Meinung viel besser anbringen. Genauso verhält es sich auch mit der Partei. Doch Gisela sagte, daß das in der Partei ein wenig schwieriger ist. Sie könnt ja eintreten, aber das ist Gisela brach dann ab und meinte, daß sie sich mit Nina darüber ein andermal unterhalten möchte. Nina entgegnete, daß sie schon gerne später einmal in die Partei eintreten würde.
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Aus einem IM-Bericht vom 15. 10. 1968 - 16.07 Herr Robert Havemann informiert Eva-Maria H. und Herrn Wolf B., daß heute in beiden Wohnungen Hausdurchsuchungen stattfanden. Die Leute seien gerade gegangen. Er wollte das Wolf nur schnell sagen. Weiter sagt Herr H., sie hätten wieder eine ganze Menge Sachen - auch von Wolf - mitgenommen - alles, was einigermaßen gut und teuer ist. Herr H. äußert den Wunsch, bei Wolf vorbeizukommen. Wolf B. erwidert, dann würden sie sicher auch bald zu ihm kommen. Herr H. entgegnet, damit müßte Wolf rechnen. Herr Robert H. schlägt vor, daß sie sich in Wolfs Wohnung treffen. Er fährt sofort los.
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Aktenkundig
(1969)
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HA XX/ 1
Gen. Lohr
Berlin, 20. Februar 1969/ Schu
26 A/ 10 7 91 1216 /66 Bd. 2809
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM - Bericht: Evamaria Hagen meldete sich beim Wolf B. aus Rittersgrün 263 . Sie möchte ihm berichten, daß es ihr gut geht. Wolf hatte die Absicht, heute in Dessau anzurufen. Wolf erkundigte sich ferner, ob sie sein Gedicht erhalten hat und sie soll ihm auch gleich sagen, wie sie es findet.
Eva fand das Gedicht sehr schön, aber es ist traurig. Wolf wollte damit gerade das Gegenteil erreichen, denn es ist fröhlich. Wenn sie es als traurig auffasst, hat sie es falsch verstanden.
Ferner möchte der Wolf wissen , wie ihre Vorstellung war. Eigentlich hatte sie davor Angst, aber dann ging es ganz gut, wenn sie auch noch ein bißchen schwach war.
Wolf bringt dann zum Ausdruck, daß er am Sonnabend wegfahren wird. Er hatte vor den Manuel mitzunehmen, aber auf Bitten von B. nimmt er auch den Jonas mit. Der ist immer so erkältet und braucht daher Luftveränderung.
Am liebsten würde er die Eva aufsuchen. Eva meinte, daß es mit Strapazen verbunden ist, hierher zu kommen. Es ist aber hier sehr schön. Sie wohnt in einem richtigen Bauernhof und die Karla ist auch bei ihr. Dieser liegt auf einem Berg und Eva nutzt die Zeit mit Skifahren aus. Das würde Wolf nicht machen und er mahnte sie zur Vorsicht. Am liebten würde er sie dort besuchen. Eva meinte, daß es sich nicht lohnen würde, denn sie wird am Sonnabend hier wegfahren, weil sie am Sonntag Vorstellung hat. Das sieht auch Wolf ein.
Im Verlauf der weiteren Unterhaltung kommt Eva auf die Emma zu sprechen. Wie ihr bekannt ist, wollte sie doch bald einmal kommen. Wolf konnte sich auch daran erinnern. Schon lange wollte er sich mit ihr in Verbindung setzen, aber leider weiß er ihre Nummer nicht. Eva hat die Nummer und wird sich morgen noch einmal melden, darüber würde sich Wolf freuen. Er versicherte ihr, daß er sie noch liebt und wenn sie dort allein wäre, würde er ihr noch ganz andere Dinge sagen.
Sie verabschiedeten sich herzlichst.
19. 2. 1969 22.40 Uhr.
------ Schubert
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HA XX/1 Berlin, 24. März 1969/Weg.
Gen. Lohr 26/A 10791/1244/68
Bd. 2848
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Eva-Maria Hagen meldet sich aus Dessau beim Wolf und betont, daß bei ihr jetzt Frühling ist.
Beim Wolf ist auch Frühling, nur nicht in seinem Herzen. Das versteht Eva nicht. Wolf ist aber der Meinung, daß sie den Grund kennt.
Eva hat eine gute Laune, sie hat lange geschlafen und wird nun in den Frühling fahren. Vorher wollte sie Wolf aber einen schönen Tag wünschen.
Mit wem sie fährt.
Solche Fragen versteht sie nicht. Sie soll dem Wolf von allen Kollegen schöne Grüße ausrichten, sie gratulieren Wolf usw. Mehr möchte sie hier nicht sagen, da man bestimmt zuhört. Jedenfalls sind alle begeistert.
Wann Eva kommen wird.
Dazu fragt sie, ob er denn möchte, daß sie morgen noch kommt.
Das möchte Wolf.
Es ist nicht schön, daß sie nie ein Wochenende haben, daran dachte Eva jetzt weil sie immer am Sonntag arbeiten muß. Nie können sie wo hinfahren. Dieser Meinung schließt sich Wolf an.
Jetzt hat Eva frei, morgen am Tage und abends hat sie erst Vorstellung, deshalb wollte sie etwas raus.
Mit wem.
Er soll nicht so fragen, sie wird allein fahren.
Zur Zeit ist sie bei .......
Allein ist Wolf auch nicht, denn der Manu ist bei ihm. Nach Eva hat er aber Sehnsucht.
Sehnsucht hat sie ja auch, denn sonst hätte sie sich nicht gemeldet.
Heute war Wolf mit einem Freund aus Kopenhagen verabredet, dieser ist aber nicht gekommen. Sicher wurde er nicht durchgelassen, denn gegen zehn Uhr wollte er schon kommen.
Eva möchte doch jetzt zum Wolf kommen.
Dazu sagt sie, daß sie morgen gegen 16 Uhr Vorstellung hat. Das geht bis 19 Uhr, der Zug fährt aber erst gegen 23 Uhr, so daß sie gegen 1 Uhr auf dem Ostbahnhof eintrifft. Vorgestern hatte der ............... Geburtstag, gestern waren nun die Gäste hier. Der Regisseur mit seiner Familie war auch da.
Abschließend verspricht Wolf einmal mit der B. zu sprechen. Sollte sie einverstanden sein, wird Wolf mit dem Manu heute noch zur Eva kommen und morgen dann mit ihr und Manu gemeinsam zurückfahren.
22.3.1969 13.13 Uhr
Wolf B. teilt der Eva-Maria Hagen - Dessau 7651 - mit, daß sie kommen werden. Vorher müssen sie aber noch zur B., da sich der Manu umziehen soll. Eva ist einverstanden. Sie wird dann in zwei Stunden zu Hause sein.
Jetzt wird sie in den Park gehen, da sie in die Sonne will.
Gern ist sie bereit zur Autobahn zu kommen.
Damit ist Wolf einverstanden.
Für die Übernachtung muß sich Eva noch was einfallen lassen, denn sie hörte gerade, daß hier alles voll ist.
Wolf denkt, daß sie zu dritt im Zimmer schlafen können.
13.25 Uhr
........
22.49 Uhr
Wegner
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HA XX/1 Gen. Lohr Berlin, 16. April 1969/Bi
26/A 10 791/1257/66
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Klarissa oder Larissa meldete sich bei dem Wolf B. und wollte wissen, ob er noch etwas Zeit für sie hat. Wolf bejahte. Wo sie jetzt ist. Sie sagte, daß sie am Haus der Gewerkschaften in der Nähe von Wolf ist. Wolf versprach sie gleich abzuholen.
15.4.69 20.42 Uhr
Eva-Maria Hagen meldete sich aus Halle bei dem Wolf und erkundigte sich, was er so macht. Wolf sagte, daß es nichts Besonderes ist. Heute war er bei dem Herrn ..... und hat sich einen Rat geholt. Dort traf er auch den Herrn Wagner - Regeny, dessen Lieder sie beide ja gern haben. Eva war erfreut, das zu hören. Wolf bat dann, daß Eva morgen so zeitig wie möglich kommen soll. Die Lotte würde sich auch darüber freuen. Eva versprach das Möglichste zu tun.
15.4.69 21.07Uhr
Billhardt
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HA XX/1 Berlin, 24. September 1969/Schu
Gen. Lohr 26 A/10791/1381/66
Bd. 2581
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Herr R... vom Sender Schwerin erkundigte sich bei Herrn Biermann nach der Frau Hagen. Herr B. verweist darauf, daß sie sicherlich in ihrer Wohnung unter der bekannten Nummer zu erreichen ist.
Herr R. will es dort einmal versuchen, da er von ihr wissen möchte, ob sie für eine Veranstaltung am 30. 9. in Wittenberge frei ist. Das kann Herr B. nicht übersehen und daher soll er mit ihr persönlich sprechen.
23. 9. 1969 14.35 Uhr
Herr R. konnte Frau Hagen nicht erreichen und so möchte er Herrn B. darüber informieren, daß die Veranstaltung am 30. 9. um 20.00 Uhr in Wittenberge stattfindet.
Sie dachten, daß Frau Hagen in einem geschlossenen Auftritt von 20 Minuten dort teilnehmen kann.
Sie haben auch eine ausgezeichnete Combo da, die gewöhnlich die Frau May begleiten. Herr B. glaubt, daß sie viel lieber mit der Gitarre auftritt. Jedoch sollte Herr R. das lieber mit ihr persönlich besprechen. Unter der Nummer - 8910 - ist Herr R. in Schwerin zu erreichen, wenn sich Frau Hagen einmal melden sollte.
23. 9. 1969 14.40 Uhr.
Schubert
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HA XX/1 Gen. Lohr
Berlin, 28. September 1969/ Schu
26 A/ 10791 1385 /66 Bd. 2581
Auszug aus einem IM - Bericht:
......... Sie vereinbarten dann, daß sie sich heute um 20.45 Uhr im Foyer des Theaters treffen.
Im Verlauf der weiteren Unterhaltung führte der Wolf an, daß ihnen die Staasileute etwas bezahlen müßten. Ihnen wird die Arbeit doch dermaßen erleichtert. Diese Meinung teilte der Robert auch. Wolf meinte ernsthaft, daß sie in einem so verantwortungsvollen Maße zur Herabsetzung der Kosten der Bespitzelung beitragen, daß sie ihnen einen Teil davon geben müssen. Außerdem sollen die materiellen Interessiertheiten wachgehalten werden. Robert meinte ironisch, daß sie sagen werden - es sind raffinierte Hunde, die nur so tun. Es ist auch unheimlich, zu sehen wie sie lange darüber "grübeln" werden, um herauszubekommen, was es wieder bedeutet.
27. 9. 1969 13.45 Uhr.
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HA XX/1
Gen. Lohr
Berlin, 29. September 1969/Schu
26 A/10791 1984 /66
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM - Bericht:
Herr B. unterhielt sich mit der Frau Frost. Frau F. hob hervor, daß sie gestern auch in den No-Spielen waren. Es hat ihr sehr gut gefallen. Herr B. möchte dann wissen, wie es mit dem Mittagessen ist. Frau F. konnte darauf keine Antwort geben, denn sie haben gestern ein bißchen genippt.
Die beiden Mädchen Susanne und Nina sind hinüber gegangen. Sie kochen sich allein etwas. Außerdem wollten sie baden. Mit anderen Worten von Frau F. gesagt, wollen sie sich einen guten Tag machen. Im Verlauf der weiteren Unterhaltung erzählte Frau F., daß es gestern hier eine schwere Debatte mit dem Thomas gab.
Bei ihm stellte sich etwas heraus, was ihn in ihren Augen abwertet. Das findet Herr B. schade. Auch Frau F. findet es bedauerlich, wie man sich so irren kann.
Die Frau F. ist dann begeistert mit welcher Perfektion Herr B. mit der rechten Hand Klavier spielt.
28. 9. 1969 13.55 Uhr
Evamaria Hagen meldete sich beim Wolf B.. Sie ist zur Zeit in Dessau. Wolf dachte eher, sie wäre in Berlin. Nach Berlin hätte Eva es nicht mehr geschafft. Sie bittet den Wolf um Verständnis, was er auch hat. Zur Zeit hält sich Eva bei der Ilona in Dessau auf, die sie dann morgen mit nach Berlin bringen wird.
Er bittet alle dort zu grüßen. Wolf will auch seine Arme vorbereiten, damit er die Eva recht fest damit einschließen kann. Das kann Eva auch gebrauchen.
28. 9. 1969
Schubert
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Aktenkundig
(1970)
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Abschrift vom Tonband
Treff mit "Schwarz" am 20. 2. 1970
Bericht zu Eva-Maria Hagen
Vor gut einem Jahr lernte ich Frau Hagen anläßlich eines Gastspieles in Dessau kennen und aus dieser Verbindung heraus ergab sich, daß Frau Hagen in der vergangenen Spielzeit bei uns am Kreistheater Annaberg 23 mal in "My fair Lady" gastiert hat. Das heißt, daß Frau Hagen durch meine Vermittlung nach Annaberg kam.
Es wurde damals auf Grund des guten "Ankommens" von Frau Hagen schon vereinbart, daß sie in dieser Spielzeit bei uns gastieren sollte und zwar als "Pistache" in dem "Can-Can-Musical".
Die Verhandlungen sind jetzt soweit gediehen, daß Frau Hagen in der nächsten Woche bei uns eintreffen wird und hier ständig an den Proben teilnehmen wird.
Aus diesem Grunde wird sie auch für das nächste Vierteljahr in Annaberg wohnen, zusammen mit ihrer Tochter. Und zwar in einer Wohnung auf der Königswalder Straße in Annaberg, welche an und für sich mir vom Wohnungsamt zugesprochen worden ist. Ich habe diese Wohnung solange abgetreten, wie sie hier in Annaberg arbeitet, und ich werde erst im Juni 1970 in diese Wohnung umziehen. Zwischen uns besteht also schon durch die Zeit des gemeinsamen Gastspieles in Dessau und jetzt hier durch die gemeinsame Arbeit in "Can-Can" eine gute, ich möchte sagen, schon freundschaftliche Verbindung, die sich auch beruflich niederschlägt. Allerdings ist Frau Hagen für mich auch privat ein sehr wertvoller Mensch.
Aus dem ersten Gastspiel hier bei uns in Annaberg ergab sich eine enge Verbindung zu unserem techn. Leiter Winter und zur Sängerin Carla Ullmann. Diese Verbindung, die für meine Begriffe zu Winter auch intimer Art ist, geht als soweit, daß Frau Hagen bei Ihren Besuchen in Annaberg auch bei Winter schläft und daß Winter, wenn er zu seinen Seminaren, zu seinen Fortbildungsseminaren nach Berlin fährt, regelmäßig bei Frau Hagen wohnt. Da Frau Hagen mit ihrem Lebensgefährten Biermann immer noch zusammen lebt, ist es durchaus wahrscheinlich, daß der Winter auch Verbindung zu Biermann hat. Die gesamte polit. Einstellung, wie ich das also aus dem Zusammensein mit Frau Hagen entnehmen konnte, ist von ihrer Seite aus durchaus progressiv, obwohl sie natürlich auf der anderen Seite 100%ig zu ihrem Lebensgefährten hält und dessen Ansichten teilt.
Sie sagte mir, nachdem ich im Fernsehen gesehen hatte, daß der B. den Literaturpreis von WB erhalten hat, und ich sie fragte, nun sei der B. wohl vollkommen hier durch, daß der B. dieses Geld für den Preis auf das Vietnamkonto überwiesen habe.
Mit Frau Hagen werden sich sicherlich in den nächsten Monaten noch engere Kontakte während ihres Aufenthaltes in Annaberg ergeben.
Die Wohnung der Frau Hagen hier in Annaberg wird durch den Winter eingerichtet, allerdings mit Theatermöbel.
gez. Schwarz
F.d.R.d.A.
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HA XX/7, Gen. Herzberg Berlin, 5. März 1970
26/BA 142/69/8/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 4. März 1970
(5187)
Reinhard unterrichtet Wolf Biermann, daß er etwas für ihn hat. Einige freundliche Grüße möchte er Wolf ausrichten.
12.44 Uhr
Eva-Maria Hagen (z. Z. in Magdeburg) berichtet Wolf, daß sie heute abend zwei Veranstaltungen in Magdeburg hat.
Morgen fährt sie nach Potsdam. Danach fährt sie zurück nach Karl-Marx-Stadt/Annaberg.
Im Moment ist Florian H. bei Wolf, d. h. er geht jetzt nach Hause.
Wolf will Eva bald in Annaberg besuchen.
Eva erzählt, daß das Auto wieder defekt ist. Ca. 1000 Mark muß sie voraussichtlich für die Reparatur bezahlen.
Wolf hat große Sehnsucht nach Eva. Sie schreiben sich fast jeden Tag Briefe.
Wolf fragt, ob sie den Brief mit dem komischen Gemälde erhalten hat. Sie verneint. Darauf meint Wolf, diese Schweine, diese alten Schweine. Den Brief müßte sie längst haben.
20.15 Uhr
Eva-Maria informiert Wolf, daß sie in Berlin ist. Sie befindet sich in Weißensee, sie ist mit einigen Leuten im Auto mitgefahren. Wolf wird sie gleich abholen.
23.54 Uhr
F.d.R.d.A.: ...............
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Abschrift vom Tonband
Treff mit "Schwarz" am 18.3.70
Bericht zu Eva-Maria Hagen
Wie bekannt ist, ist Eva-Maria Hagen seit ungefähr drei Wochen bei uns als ständiger Gast und nimmt an den Proben zu "Can Can" teil, wo am 4.4.70 Premiere sein wird.
Durch unser freundschaftliches Verhältnis zu Frau Hagen, hat sie sich neulich einmal mit mir ausgesprochen.
Es kam so zustande, daß sie einmal während einer Probe auf ein dringendes Ferngespräch aus Berlin wartete, wo es um einen DEFA Film ging wo sie eine Rolle hat und wo drei Drehtage in Prag sein sollten. Frau Hagen erzählte mir das schon während der Einteilung der Proben und wollte für diese Zeit frei haben.
Als das Telephongespräch kam ging Frau Hagen raus und kam nach einer Weile wieder, sie heulte furchtbar und erzählte mir dann unter anderem, daß man ihr gesagt hätte, obwohl sie schon Kostüm und Maskenproben gemacht hätte, daß ihr die Rolle abgenommen worden sei, daß sie umgesetzt worden sei, daß sie kein Visum für die CSSR bekommen würde.
Ich fragte sie darauf, worauf das zurück zuführen sei und da erzählte sie mir einiges.
Sie sagte, sie habe große Schwierigkeiten, man will mich beruflich tot machen, und das geht seitdem ich mit Biermann zusammen bin. Ich bin seit über einem Jahr beim Fernsehen nicht mehr aktiv beschäftigt, ich bekomme zwar mein Geld, aber man gibt mir nichts mehr zu tun und auch meinen Freundinnen, die beim Fernsehen arbeiten, hat man den Rat gegeben, den Umgang mit mir aufzugeben, sonst würden sie nicht mehr beschäftigt.
Sie sagte weiterhin, daß die Tochter Nina in der Schule große Schwierigkeiten hätte und es kam eben immer wieder zum Ausdruck, daß, seitdem sie mit Biermann zusammen wäre, sie wahnsinnige Schwierigkeiten hätte.
Auf der anderen Seite sagte sie, daß sie dem Filmregisseur am Telephon gesagt hätte, das sei Rufmord, was man mit ihr macht und daß sie jetzt dementsprechende Schritte einleiten wird. Sie wollte an den Staatsrat schreiben und sich über dieses Verhalten beschweren. Sie wollte weiterhin anführen, daß es während der Nazizeit man von Frauen verlangt habe, daß sie sich von einen Juden scheiden lassen sollten und ob das jetzt auch hier der Fall sei.
Sie war also in einer sehr niedergedrückten Situation, brachte dann aber zum Ausdruck, daß sie sich nun schon so langsam an diese Dinge gewöhnt habe.
Auf meine Frage hin, um also noch etwas zu erfahren, warum sie denn nicht eine Ausreisegenehmigung nach WD beantrage um dann drüben zu arbeiten, sagte die Frau Hagen: "Ich bin ein 100%iger Sozialist und werde auf keinen Fall so etwas machen. Aber ich sehe auch rein beruflich bald keinen Ausweg mehr".
Sie sagte, sie hätte das Gefühl, daß man von ihr vielleicht verlangt, daß sie zu Kreuze kriechen würde und um eine Rolle betteln würde, aber daß sie das auf keinen Fall tun würde, daß sie jetzt mit ihren Chansonabenden und mit den Gastspielen genug Geld verdiene.
Im großen und ganzen hatte ich den Eindruck, daß sie doch sehr traurig über diese Angelegenheit war. Ich muß aber auch sagen, daß sie in ihrer Arbeitsauffassung bei uns hervorragend ist und ich sehr froh bin, daß sie bei uns arbeitet.
Zur Frage der Verbindungen zu einzelnen Personen unseres Theaters wäre zu sagen, daß es sich bestätigt, daß die gute Verbindung zu .......... weiterhin besteht. Man besucht sich gegenseitig, kommt zum Kaffeetrinken zusammen oder ißt zusammen. Weiterhin besteht auch aus beruflichen Gründen eine gute Verbindung zur ..... , die auch des öfteren bei Frau Hagen zu Gast ist.
Zur polit. Einstellung von Frau Hagen möchte ich vielleicht noch sagen, daß sie eine gute und progressive Einstellung zu unserem Staat hat.
Wegen der oben genannten Sache war sie nur ziemlich verbittert und sagte, obwohl sie das nicht gerne tut, es aber doch noch machen müßte, daß sie ihre ganzen polit. Auszeichnungen, die sie erhalten hätte, doch mal vorzeigen müßte, vielleicht würde das dann helfen.
Sie hat also Auszeichnungen von der Volksarmee, wie sie ihre Einsätze kostenlos gemacht hat, dann von der SED Kreisleitung in Berlin, wo sie für Vietnam Solidaritätskonzerte und eigene Abende gegeben hat.
Ich kann auch sagen, daß ihre Ausstrahlung hier am Theater auf die Kollegen eine sehr positive ist, daß sie eine sehr gute Arbeitseinstellung hat, eben vier Stunden probiert, ohne mit der Wimper zu zucken.
Auf der anderen Seite kann man zu jeder Zeit an sie heran treten mit gesellschaftlichen Aufgaben, sie hat hier bei den Rentnern kostenlos gesungen, sie hat kostenlos für Frauentagsfeiern im Waldschlößchen gearbeitet, nimmt jetzt aktiv in unserem Jugendclub als Gast teil, der alle 14 Tage montags stattfindet und sie ist meiner Ansicht nach von ihrer Grundeinstellung her sehr progressiv eingestellt.
F.d.R.d.A. Schwarz
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Aus einem IM-Bericht vom 4. März 1970
20.15 Wolf hat große Sehnsucht nach Eva. Sie schreiben sich fast jeden Tag Briefe. W. fragt, ob sie den Brief mit dem komischen Gemälde erhalten hat. Sie verneint. Darauf meint Wolf, diese Schweine, diese alten Schweine (...)
23.54 - Eva-Maria informiert Wolf, daß sie in Berlin ist. Sie befindet sich in Weißensee, sie ist mitgefahren im Auto ... Wolf wird sie gleich abholen.
6. März - 10.08 Eva-Maria H. teilt Jochen Hellwig, Kreistheater Annaberg mit, daß sie nicht fahren konnte, weil der Zug nach Karl-Marx-Stadt ausgefallen ist. Eva möchte sich deswegen keine Sorgen machen, die Proben wurden abgesagt, da andere Künstler ebenfalls nicht können. Eva bittet, man möchte sich um Nina kümmern. Jochen H. verspricht das. Karla kümmert sich um Nina.
Röbisch
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Kreisdienststelle Annaberg Annaberg 22. 3. 70
Bericht zum Treff mit dem IMV "Schwarz"
am 18.3.70 17.30 - 19.00 Uhr in der Wohnung des IMV.
Berichterstattung:
- Bericht zum Auftrag Hagen op. Wert Kat. 2
- Bericht zum Auftrag Milchbar op. Wert Kat. 2
- Bericht zum Auftrag Theater inf. Wert Kat. 4
Mit dem IMV wurde bezüglich seiner Berichterstattung gearbeitet, um zu erreichen, daß diese konkreter und gewissenhafter wird. Hier wurde festgestellt, daß es sich hier im wesentl. um eine Einstellungsfrage des IMV zu diesen Problemen handelt und er eben diese Vorkommnisse von seinem Standpunkt aus sieht.
Z. B. zum Bericht Hagen war er der Ansicht, das sei eine Schweinerei, was man mit der Frau Hagen macht. Dieser Standpunkt setzt natürlich der Berichterstattung Grenzen.
Maßnahmen:
- Verstärkung der polit. Überzeugungsarbeit mit dem IMV.
- Bericht zu H. abschriftlich zum Material und an Berlin HA XX, weitere Beauftragung dazu.
- Bericht Milchbar zum op. Material.
- KK Erfassung und Informationen.
Neuen Auftrag:
Nächster Treff:
Der IM wird bei Vorkommnissen sofort anrufen, ansonsten kann nächster Treff auf Grund der Premiere von "Can Can" erst am 7.4.70 stattfinden.
Scheer Oltn.
Abschrift vom Tonband
Treff mit "Schwarz" am 14.4.70
Bericht zum Auftrag Hagen
Zur Verbindung der H. zu den Kolleg. Winter, Johannes und ...... möchte ich entgegen den ersten Berichten sagen, daß die Verbindung, nachdem Frau Hagen jetzt hier ist, nur noch eine lockere Verbindung ist.
Seitdem Frau Hagen eine Wohnung hat kann man nur noch wenig von einem Zusammentreffen des W. und der U. mit der H. sprechen. Meiner Ansicht nach ist das auch eine Frage der Eifersucht von seiten der Kolleg. ....., die jetzt also da irgendwie die Hände dazwischen hat. Jedenfalls zu den festen Freudeskreisen die bei Frau Hagen verkehren gehören sie nicht mehr.
Wir sind von Frau Hagen eingeladen, in dieser Woche mal zu ihr zu kommen, um einen Schallplattenabend zu machen. Frau Hagen hat sehr interessante Platten mit Texten von Biermann, die von M. Krug und W. Kaiser gesungen werden und von meiner Seite ist das Interesse natürlich vorhanden, ich werde mir das auch anhören. Da Frau Hagen auch weiterhin auswärtige Verpflichtungen hat, z. B. in Dessau und in Rostock, jeden Monat zweimal ein festes Engagement hat in einer Nachtbar Chansons zu singen, ist die Tochter, die jetzt hier zur Schule geht, immer bei der Fam. Charly Krause untergebracht, sie betreuen die Tochter Nina.
Durch meine Beobachtungen ist festzustellen, daß in letzter Zeit ein Bemühen der beiden Kollegen ...... und ...... sich der Frau Hagen zu nähern, zu verzeichnen.
Allerdings ist das eine rein sexuelle Frage und ich glaube, Frau Hagen ist dem auch nicht abgeneigt, weil sie sich sehr gern verwöhnen läßt und auch als Star fühlt.
Wir hatten neulich eine sehr nette Zusammenkunft bei mir in der Wohnung gehabt, wo es also ziemlich eindeutig war, daß der ...... auf sie stand und Frau Hagen es sich auch gefallen ließ. Ob sie nun etwas zusammen haben, das kann ich allerdings nicht sagen.
F.d.R.d.A. Schwarz
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Kreisdienststelle Annaberg Annaberg 11. 5. 70
Betr.: IMV "Schwarz"
Der IM verständigte am heutigen Tag den Mitarbeiter, daß Besuch aus Berlin eingetroffen sei.
Der IM meinte damit den Biermann, welcher die Hagen besuchte. Der B. sei am 10.5.70 eingetroffen und fahre am 12.5.70 mit der H. zusammen wieder weg nach Dessau.
Ein Treff sei dem IM diese Woche nicht möglich, aus Zeitgründen und es wurde festgelegt, daß der IM am 15.5.70 vormittags anruft um einen neuen Termin zu vereinbaren.
Scheer Oltn.
Abschrift vom Tonband
Treff mit "Schwarz" am 2.6.70
Bericht zu Frau Hagen
Zu neuen Verbindungen von Frau H. wäre folgendes zu sagen. Durch ihr Gastspiel am Landestheater in Dessau hatte sie dort Gelegenheit, mit einen bulgarischen Solotänzer Verbindungen aufzunehmen bez.. in freundschaftl. Beziehungen zu treten. Ob es einen erotischen Hintergrund hatte kann ich leider nicht sagen.
Es entwickelte sich hier bei uns am Theater eine sehr starke Verbindung seitens der H. zur Tänzerin Ilona Vorberg, wo der Mann bei uns Beleuchtungsmeister ist und sie schon als Tänzerin hier engagiert war, beim "Can-Can" nur gastiert hat. Diese Verbindung ist für meine Begriffe sehr intim, denn die V. schlief bei den Gastspielen immer bei Frau Hagen, da von seiten des Ehemannes der V. ein Einwand dagegen bestand, daß seine Frau als Tänzerin auftritt.
...........(geschwärzt)
Ich hatte anläßlich einer der letzten Vorstellungen die Gelegenheit, den bulgarischen Tänzer in Annaberg kennen zu lernen, da er hier die H. und die V. besucht hat.
Der Name des Tänzers ist mir im Moment nicht geläufig, aber ich könnte diesen kurzfristig berichten.
Seine Besuche in Annaberg führte er im eigenen PKW "Moskwitsch" mit ausländischer Nr. durch.
Das offizielle Gastspiel von Frau Hagen wurde mit der Vorstellung am 31.5.70 beendet.
Frau Hagen wird ungefähr noch bis zum 6.6.70 in Annaberg bleiben.
Ihre Tochter Nina bleibt weiterhin in Annaberg in der EOS, sie wird hier im Internat schlafen und über die Wochenenden bei der Fam. Krause sein. Dieser Aufenthalt wird sich bis zu den Weihnachtsferien erstrecken, da sie hier gute Resultate in der Schule erzielt hat.
Ende Dezember 1970 kommt Frau H. nochmals nach Annaberg um mit mir zusammen einige Veranstaltungen in Oberwiesenthal und im Waldschlößchen Buchholz durchzuführen. Sie wird dann ihre Tochter Anfang Januar 1971 wieder mit nach Berlin zurücknehmen.
Die Veranstaltungen in Oberwiesenthal finden im Fichtelberghaus statt am 28. und 31.12.70 und am 29.12. und 30.12.70 im Waldschlößchen.
F.d.R.d.A. Schwarz
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Abschrift: Kö.
Auszug aus dem Treffbericht mit GMS "Taube"
Der GMS berichtete, daß die Schauspielerin Eva-Maria Hagen vom 19.9. - 5.10.70 mit ihrer Tochter sich in Lütow/Neuendorf aufgehalten hat. Der Lyriker Biermann war während dieser Zeit nicht dort.
Der GMS ist im o. g. Zeitraum des öfteren mit Eva-Maria Hagen in Kontakt gekommen und hat auf dieser Grundlage den Kontakt weiterhin gefestigt. In Gesprächen mit dem GMS hat die H. geäußert, daß sie wohl ab 1.1.1971 bei der DEFA gekündigt wird nur aus dem Grunde, weil sie mit Biermann in Verbindung steht. Die Äußerung brachte sie im erregten Zustand zum Ausdruck.
Über den Gastgeber der Hagen und Biermann hat der GMS in Erfahrung gebracht, daß der für Lütow/ Neuendorf, stellv. Bürgermeister Darms, des öfteren zu Volker geäußert hat, daß Biermann schon viel weiter ist, als mancher denkt. Darms bezeichnet Biermann als Kommunist und brachte weiterhin zum Ausdruck, daß B. als Kommunist mit der in der DDR praktizierten Politik nicht einverstanden ist, deswegen von der Partei und Regierung der DDR isoliert und überwacht wird.
In Gesprächen mit Volker wurde dem GMS bekannt, daß Hagen während des o. g. Zeitraumes ihres Aufenthaltes in Lütow /Neuendorf des öfteren mit Biermann in Berlin telefoniert hat. Hagen telefonierte ständig von dem Telefon des Konsums. Bei den telefonischen Gesprächen zwischen Hagen und Biermann soll es oftmals zu Auseinandersetzungen gekommen sein. V. will selbst gehört haben, daß Hagen geäußert hat, daß B. auflegen soll, denn die Gespräche werden doch alle mitgehört. In einem Gespräch soll es darum gegangen sein, daß Hagen evtl. in Weimar oder einer anderen Stadt auftreten soll. Ob es nun tatsächlich Weimar war, konnte der GMS nicht mehr genau sagen.
Hagemann/Ltn.
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Abschrift vom Tonband
Treff mit Schwarz am 10.12.70
Bericht über Eva-Maria Hagen
Am 30.12.70 kommt die Kollegin. Hagen wieder in unseren Kreis. Sie wird zusammen mit dem Kollg. Hellwig im Fichtelberghaus Oberwiesenthal eine Veranstaltung durchführen. Gleichzeitig soll am 30. oder 31.12. eine Veranstaltung mit dem Garnveredelungswerk Sehma durch die H. bestritten werden. Auf dem Fichtelberg tritt die H. am 31.12. zur Silvesterveranstaltung auf.
Wie lange die H. in Annaberg bleibt und wo sie wohnt ist zur Zeit noch nicht ersichtlich, aber ich werde dazu noch die Informationen liefern.
F.d.R.d.A. Schwarz
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Betreff: Information H a g e n / B i e r m a n n
Im Jahre 1968 besuchte uns die Schauspielerin Hagen und bat um eine Aussprache mit dem Bürgermeister der Gemeinde. Grund: Frau Hagen stellte den Antrag auf Genehmigung das Haus Dannenfeld, Lütow, käuflich zu erwerben, zum Zwecke der Erholung wie sie sagte.
Anmerkung: Das Gebäude war in einem schlechten baulichen Zustand, diesen Vorwand benutzte sie, um mich zu agitieren, da könnte ich doch zustimmen, sie würde dafür sorgen, daß die beiden alten Leute menschlich wohnen würden. - Meine Antwort war, stellen sie bitte einen Antrag, dann werden wir weitersehen. Danach habe ich mich mit dem Rat des Kreises in Verbindung gesetzt, besonders mit der Abteilung Kultur, wie man dazu steht. Zu dem Zeitpunkt war mir die Verbindung Biermann sowie ihr Bemühen in andern Gemeinden nicht bekannt. Durch kreisliche Organe wurde ich informiert, daß für Privatpersonen solche Zugeständnisse nicht gemacht werden. Der Vorsitzende des Bezirkes, Gen. Deutscher, hat mich anläßlich der Auswertung Bäderwesen informiert.
In einer Ratssitzung hab ich dazu Stellung genommen 1968 in unserer Gemeinde, daß wir an Frau Hagen nicht interessiert sind, habe auch meine Beweggründe gesagt, nämlich in bezug auf die Haltung von Biermann, daß wir ihm und seiner Bekannten keine Extra-Wurst braten.
Schlußfolgerung meinerseits im Rat war, daß, wenn wir schon eine solche Zustimmung geben, dann nur mit Betrieben, von denen wir als Gemeinde auch einen guten Nutzen haben. Keiner der anwesenden Ratsmitglieder unserer Gemeinde, außer Franz Dahms, war gegen meinen Vorschlag, den Antrag abzulehnen. Franz Dahms erklärte in der Ratssitzung: »Das ist aber nicht unsere Meinung, ich bin dafür, daß Frau Frau Hagen im Haus Dannenfeld unterkommt«.
Das war für mich nicht sehr verwunderlich, denn D. unterstützt von je her stets Dinge, die nicht in unserm Interesse waren. Seine ganze Haltung ist auf Rückversicherung eingestellt.
Ein halbes Jahr danach im Frühjahr 1969 kann es gewesen sein, bekam ich Besuch von Wolf K a i s e r, der zunächst seine Unterhaltung mit mir damit einleitete, er wollte in Neuendorf am Fischerberg bei dem Fischer Heß bauen. Ich sagte, nun warum nicht, sie sind ja ein bekannter Mann, bloß ich kann ihnen das nicht genehmigen, da müssen sie zum Kreis gehen. Mit dem Fischer Heß steht Kaiser in Verbindung, das kann mit was zu tun haben, denn Heß bekam kurze Zeit darauf den Wartburg von Kaiser, der 2 Jahre gefahren war.
Als diese Unterhaltung beendet war, ging Kaiser auf sein eigentliches Ziel los mit den Worten, na Bürgermeister, warum gibst du Evchen nicht die Genehmigung für Lütow, weißt du eigentlich wer Biermann ist, sein Vater ist im KZ umgekommen, das ist vielleicht ein besserer Genosse als manch andrer. Er ist eben frech und sagt offen seine Meinung, das kann uns weiterbringen, oder hilft uns in der Entwicklung ... Schließlich kann Evchen doch pennen mit wem sie will. Ich sagte darauf, dann soll Biermann sich besinnen wo er gelernt hat und seinem Vater alle Ehre machen. Weiter sagte ich, daß mich das nicht beeindruckt, da ich die Gestapo am eigenen Leib kennengelernt habe. Für solche Leute, die nicht zu uns stehen, tue ich nichts. Danach nahm er Abschied. Wir sprachen noch von seinen Rollen und ich fragte ihn, wie er das macht, so überzeugend zu spielen, darauf er: ›Innere Begabung‹. Meines Erachtens hat er die Hand im Spiel und gibt Fürsprache in Lütow mit seiner ganzen Person. Die Menschen sind beeindruckt, daß er den einfachen Mann spielt. - Dahms, Köster, Volkwarth, in Lütow machen auch die Politik im Kleinen. Frau Hagen bekam von mir keine Genehmigung, das Haus Dannenfeld haben wir durch Ratsbeschluß an einen Fuhrbetrieb vergeben. Dieser Betrieb half uns mit Straßenschotter. Im Oktober 1969 ging ich zur Schule Agrar in Stralsund. Im Winter 1970 erhielt die Hagen durch meinem Stellvertreter Dahms, die Erlaubnis in Lütow ein ständiges Ferienquartier zu beziehen. Ich erhielt davon Kenntnis im Monat März durch den Parteisekretär, Gen. Krüger. - Volkwarth, der im Herbst 1969 fragte, ob Frau Hagen bei ihm wohnen könne, erklärte ich damals, aber nur über das Reisebüro. Mehr kann ich über die Angelegenheit nicht sagen, bemerken würde ich noch, daß ich im Mai eine Aussprache hatte mit Frau Hagen.
____________________
Abteilung XX/7 Rostock, 8. Mai 1970
A k t e n v e r m e r k
über das Aufklärungsergebnis der Abt. VI/SRT zu den
Personen Biermann / Hagen
Nachdem bekannt wurde, daß Eva-Maria Hagen über Ostern in der Newa-Bar/Interhotel Rostock gastieren sollte, wurde über SRT überprüft, ob schon für Hagen eine Zimmerbestellung vorlag. SRT teilte mit, daß 2 Einzelzimmer für Hagen vorbestellt waren.
Daraufhin wurden mit SRT folgende Maßnahmen abgesprochen:
- Biermann und Hagen in Zimmer einweisen, in der operative Technik vorhanden ist;
- Koordinierung zwischen SRT und -O- zwecks Ausnutzung der operativen Technik bei Bedarf sowie der ständigen Information;
- Einleitung einer M-Kontrolle für das gesamte Objekt;
In der Absprache und Auswertung mit SRT, Gen. Borowski, vom 1.4.70 wurde folgendes mitgeteilt:
Durch den IMS "Enders" wurde eingeleitet, daß B. und H. in je einem Einzelzimmer einquartiert werden, in dem operative Technik vorhanden ist.
Da B. und H. am 26.3.70 abends gegen 18.30 Uhr ankamen, war der IMS selbst nicht mehr anwesend. Die Einweisung nahm der Empfangssekretär Sprenger vor. Nach Aussage des Sprenger verlangte die H. ein Doppelzimmer, das der Empfangssekretär, trotz vorheriger o. g. Festlegung eigenmächtig auf die Doppel-Zimmer veränderte. Als morgens der IMS die Anwesenheit des B. kontrollierte, stellte er fest, daß B. und H. in ein nicht vorgesehenes Zimmer einquartiert wurden. Daraufhin veranlaßte er, daß B. und H. je ein Einzelzimmer bekamen, da sie nicht verheiratet sind. H. und B. zogen ohne Kommentar in die vorgesehenen Zimmer. Der IMS "Enders" hat dann am 26.3.70, gegen 10.00 Uhr den OvD der BV Rostock angerufen und mitgeteilt, daß der Gen. Borowski von SRT unbedingt im Interhotel anrufen soll. Gen. Borowski wurde durch den OvD nicht verständigt, dadurch wurde auch nicht die -O- verständigt, so daß die operative Technik nicht zum Einsatz kam.
Gen. Borowski wurde durch den Gen. Riechelmann der Abt. VIII informiert, daß der Hotelgast von Zimmer 101 sich beschwert hat, daß er keinen Platz zum Frühstück bekommen hat und bemerkte, daß er unbedingt einen Platz bekommen müsse, da er extra von Zittau gekommen ist, um mit Herrn Biermann zu sprechen.
Ermittlungen zu diesem Hotelgast ergaben, daß es sich um die Person Kretschmer aus Zittau handelt.
Durch die eingeleitete M-Kontrolle durch SRT für das gesamte Objekt wurde der in der Anlage befindliche Brief des Sohnes von K. an eine westdeutsche Adresse gefunden.
Hagemann
Leutnant
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Beobachtungsbericht 24. 4. 1970 Rostock
Betr. Hagen, Eva-Maria Deckname: „Stella“
...
›Sanjo‹ ist identisch mit: (...) Arbeitsstelle: Empfangschef der Newa-Bar
Personenbeschreibung: Geschlecht: männlich Alter: ca. 25 30 Jahre
Größe: ca. 1.68 1.73 m Gestalt: schlank
Kopf: oval Gesicht: voll Haar: mittelblond, Fasson, gescheitelt, glattes Haar
Gang: flott Haltung: aufrecht
Bekleidung: dunkler Anzug, hellgraue Weste, hellgraue Krawatte, schwarze Schuhe
›Stella‹ und ›Sanjo‹ begeben sich durch den Verbindungsweg zum Foyer des Hotels.
Auf Höhe des Service verabschiedeten sich beide mit Handschlag.
›Stella‹ begab sich zum Fahrstuhl. Bei Kontrolle um 00.15 Uhr wurde kein Licht mehr in dem Zimmer von ›Stella‹ und ›Puck‹ gesehen. ›Sanjo‹ ging, nachdem er sich von ›Stella‹ verabschiedet hatte, zurück zur Newa-Bar und betrat hier die Wirtschaftsräume.
Die Beobachtung von ›Stella‹ wurde 00.30 Uhr unterbrochen.
›Puck‹ wurde während des ges. Abends nicht gesehen.
2. Tag.: für den 27. 03. 70, v. 07.00 04.30 Uhr
Die Beobachtung von ›Stella‹ und ›Puck‹ wurde am 27.03.70, um 07.00 Uhr am Interhotel W a r n o w wieder aufgenommen.
›P u c k‹ ist identisch mit: B i e r m a n n, Wolf geb.: 15. 11. 1936 in Hamburg
wohnh: Berlin, Chausseestr. 131 DPA: XV 0048315
10.25 Uhr verließen ›Stella‹ und ›Puck‹ den Fahrstuhl im Hotel und begaben sich in das Restaurant des Hotels. Hier nahmen sie an einem freien Tisch für 4 Personen am Fenster Platz. Zuvor hatten beide ihre Oberbekleidung an der Garderobe abgegeben bis auf eine große dunkelbraune Handtasche, die ›Puck‹ mit ins Restaurant genommen hatte.
In der folgenden Zeit nahmen ›Stella‹ und ›Puck‹ im Restaurant das Frühstück ein. ›Stella‹ war bekleidet mit einem schwarzen langen Pullover, hellblauen nach unten ausgestellten Strickhosen, schwarzen Pumps.
›Puck‹ war bekleidet mit einem grauen Hemd, grauen Sacco, dunkelblauer Hose. Während des Frühstücks unterhielten sich beide. Um 11.21 Uhr betrat ein Hotelboy das Restaurant, begab sich zu ›Stella‹ und fragte diese etwas. Anschließend verließ dieser das Restaurant wieder und kam kurz darauf mit einer unbek. jüngeren männl. Person zurück. Diese unbek. männliche Person erhält in diesem und weiteren Berichten den Decknamen ›S t e r n‹. ›Stern‹ ist identisch mit: (...)
Personenbeschreibung ›Stern‹ Alter: ca. 18 23 Jahre Größe: ca. 1.80 1.85 m
Gestalt: schlank Kopf: oval Gesicht: lang, schmal
Haare: mittelblondes, sehr langes Haar bis über den Nacken reichend Gang: flott
Haltung: aufrecht, beim Gehen Oberkörper leicht nach vorn gebeugt.
Bekleidung: hellgrauer Anzug, dunkelblauer Rollkragenpullover, brauner Wintermantel mit schwarzen Karos, rote Strümpfe, schwarze Schuhe
›Stern‹ unterhielt sich ganz kurz mit ›Stella‹, ging daraufhin aus dem Restaurant zur Garderobe und gab hier seine Oberbekleidung ab. Anschließend begab sich ›Stern‹ wieder ins Restaurant und setzte sich zu ›Stella‹ und ›Puck‹ an den Tisch. Hier unterhielt er sich sehr angeregt mit ›Stella‹ während ›Puck‹ unbeteiligt saß.
Um 11.35 Uhr stand ›Puck‹ auf, verließ das Restaurant, ging zum Fahrstuhl und begab sich auf das Zimmer. ›Stella‹ unterhielt sich weiterhin angeregt mit ›Stern‹. Um 11.53 Uhr betrat ›Puck‹ vom Fahrstuhl kommend das Restaurant wieder und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Um 12.00 Uhr verließ ›Stern‹ das Restaurant, holte sich seine Garderobe und verließ dann das Hotel (Bild 1)
›Stern‹ wurde weiterbeobachtet.
Kurz darauf verließen ›Stella‹ und ›Puck‹ ebenfalls das Restaurant und begaben sich zum Intershop des Hotels. Um 12.19 verließen sie diesen wieder. Außer ihrer braunen Tasche hatte ›Stella‹ und ›Puck‹ einen gefüllten Plastebeutel bei sich, ›Puck‹ hatte einen gefüllten HB-Einkaufsbeutel bei sich. Beide begaben sich zum Intershop.
Auf diesem Wege trafen sie mit einer unbek. männl. Person, die zum Hotelpersonal gehört, zusammen und begrüßten sich mit Handschlag. Gegen 12.20 Uhr betraten alle drei die dahinterliegenden Geschäftsräume. Um 12.50 Uhr verließen sie diesen Raum, begaben sich zum Fahrstuhl und weiter auf ihr Zimmer. Um 13.15 Uhr verließen ›Stella‹ und ›Puck‹ den Fahrstuhl, begaben sich zur Garderobe und zogen ihre Mäntel an. Zu bemerken wäre hier, daß ›Puck‹ die große braune Handtasche wieder bei sich hatte. An der Garderobe fragten sie etwas. Die Angestellte zeigte in Richtung Lange Str. Beide verließen daraufhin das Hotel und ›Stella‹ kam sofort wieder rein zum Portier. Hier fragte sie wieder etwas und diese Person zeigte in Richtung Schröder Platz. ›Stella‹ verließ anschließend um 13.23 Uhr das Hotel. ›Puck‹ und ›Stella‹ gingen durch die Lange Str., Breite Str. zum Universitätsplatz. Auf diesem Wege betrachteten sie sich die Auslagen der Schaufenster. Vom Univ. Platz begaben sich beide durch den Klosterhof zur Kröpeliner Str. (Bild 2) am Kröpeliner Tor vorbei zur Doberaner Str. Hier betraten beide um 14.05 Uhr die dortige Imbißstube. ›Stella‹ aß einen Eintopf, während ›Puck‹ 2 Brötchen aß. Um 14.20 Uhr verließen beide die Imbißstube und begaben sich zur Ecke Stampfmüllerstr. Hier sprachen sie zwei unbek. männl. Personen an und fragten etwas. Daraufhin zeigte dieser in Richtung Friedrichstr. Beide begaben sich daraufhin zur Straßenbahnhaltestelle Richtung Reutershagen (Bild 3). Um 14.25 Uhr stiegen beide in eine Bahn der Linie 12 und fuhren bis zur Haltestelle Kuphalstr. In der Bahn hatten beide keinen Kontakt zu anderen Personen. Nach Verlassen der Bahn begaben sich beide zur Kunsthalle, am Schwanenteich, die sie um 14.38 Uhr betraten. Bei einer Kontrolle in der Kunsthalle um 15.26 Uhr wurde festgestellt, daß beide an einem Tisch im dortigen Cafe saßen. ›Stella‹ und ›Puck‹ tranken hier Kaffee. Im Cafe war zu dieser Zeit wenig Betrieb. Außer den beiden befand sich nur noch ein Pärchen dort. Die hatten jedoch zu ›Stella‹ und ›Puck‹ keinen Kontakt. 16.21 Uhr verließ ›Stella‹ und ›Puck‹ die Kunsthalle, begaben sich langsamen Schrittes zur Straßenbahnhaltestelle Kuphalstr. (Bild 4) wo sie um 16.31 Uhr in eine Straßenbahn der Linie 2 stiegen. Nach Verlassen der Bahn am Doberaner Platz gingen beide zum Schröderplatz und betrachteten hier den Straßenübersichtsplan. Anschließend gingen beide ins Hotel zurück, welches sie 16.50 Uhr betraten. Um 21.00 wurde gesehen, wie ›Stella‹ und ›Puck‹ das Hotel durch den Haupteingang betraten.
Zu bemerken wäre hierzu, daß beide in der Zeit bis 18.15 Uhr die Möglichkeit hatten, das Hotel durch die Garagenausfahrt zu verlassen, da dieser Ausgang nicht unter Kontrolle stand. Durch den Haupteingang hatten ›Stella‹ und ›Puck‹ bis 18.15 Uhr nicht das Hotel verlassen. Nachdem beide das Hotel betreten hatten, begaben sie sich zur Rezeption und sprachen mit der dortigen Angestellten. Nach 1 Minute ging ›Puck‹ in Richtung des Portierstandes. Hier sprach er eine unbekannte weibl. Person an, in deren Begleitung sich eine unbek. männliche Person befand. Die unbek. weibliche Person erhält in diesem und folgenden Berichten den Decknamen ›I n e s‹. ›Ines‹ ist identisch mit (...). Personenbeschreibung: (...) Die unbek. männliche Person, die sich in Begleitung von ›Ines‹ befand, erhält (...) den Decknamen ›J u w e l‹. ›Juwel‹ ist identisch mit (...) Personenbeschreibung: (...) ›Puck‹ begrüßte beide mit Handschlag. Kurz darauf stellte ›Puck‹ beide ›Stella‹ vor. In der Folgezeit (2 Min.) unterhielt sich ›Puck‹ vorwiegend mit ›Ines‹. Danach gingen ›Puck‹ und ›Stella‹ auf ihr Zimmer. ›Ines‹ und ›Juwel‹ begaben sich zum Portier und hier konnte gesehen werden, daß ihnen die Schlüssel 121 und 122 übergeben wurden. Anschl. verließen beide das Hotel, begaben sich zu einen PKW Typ: VW pol. Kennz.: 2-0211 (Zollnr.) Anschl. begaben sich beide wieder ins Hotel und auf ihre Zimmer.
21.16 Uhr kamen ›Stella‹ und ›Puck‹ aus Richtung Fahrstuhl und begaben sich ins Restaurant. Hier wurden sie an einen Tisch geleitet, an dem eine unbek. weibl. Person und eine unbek. männliche Person aßen. In der folgenden Zeit kam ›Stella‹ und ›Puck‹ mit diesem Ehepaar ins Gespräch. Die unbek. weibl. Person erhält den Decknamen ›M i k k i‹ und die unbek. männl. Person den Decknamen ›K o s m o s‹.
›Mikki‹ ist identisch mit: (...) ›Kosmos‹ mit: (...) Personenbeschreibung (...)
Um 21.30 Uhr verließ ›Stella‹ das Restaurant und begab sich auf das Zimmer. Sie hatte sich nur mit Kopfnicken von ›Kosmos‹ und ›Mikki‹ verabschiedet. ›Puck‹ unterhielt sich nun weiter angeregt mit ›Kosmos‹. Nach 15 Minuten standen ›Kosmos‹ und ›Mikki‹ auf und verabschiedeten sich von ›Puck‹ indem sie sich ihm gegenüber leicht verbeugten. Anschließend verließen sie das Restaurant und begaben sich auf das Zimmer 516. ›Puck‹ verblieb im Restaurant und kam dann in der Folgezeit mit einem weiteren unbek. älteren Ehepaar (Ausländer) ins Gespräch, die von einer Hotelang. an den Tisch geleitet wurden. ›Puck‹ unterhielt sich vorwiegend mit der männlichen Person. Diese erhält in diesem und folgenden Berichten den Decknamen ›W e i m a r‹. Die unbek. weibl. Person erhält den Decknamen ›W e r r a‹. Bei ›Weimar‹ und ›Werra‹ handelt es sich um Touristen aus der Buckler Gruppe aus Schweden. Personenbeschreibungen (...)
22.10 Uhr verließ ›Stella‹ den Fahrstuhl und begab sich zum Eingang des Restaurants. Hier machte sie durch entsprechende Gesten ›Puck‹ auf sich aufmerksam. Dieser verließ daraufhin das Restaurant, nachdem er sich durch Kopfnicken von ›Weimar‹ und ›Werra‹ verabschiedet hatte. Zu bemerken wäre hier, daß ›Stella‹ bereits ein langes geblümtes Abendkleid an hatte u. eine Gitarre bei sich trug. Beide begaben sich von hier aus in die Bar. ›Weimar‹ und ›Werra‹ verblieben noch im Restaurant und begaben sich zu einem späteren Zeitpunkt auf das Zimmer 204. 22.15 kam ›Puck‹ aus Richtung Bar in die Hotelhalle und begrüßte hier eine unbek. männliche Person, die an der Rezeption stand, mit Handschlag. Beide unterhielten sich ca. 2 Minuten. Während dieser Zeit stellte die unbek. männliche Person ›Puck‹ eine unbek. weibl Person vor, die vorher etwas abseits stand. Kurz darauf verabschiedete sich ›Puck‹ u. begab sich auf sein Zimmer. Die unbek. weibl. Person u. die unbek. männliche Person erhalten die Decknamen ›Donja‹ und ›K r a n a c h‹. Personenbeschreibung (...) 22.27 Uhr kam ›Stella‹ aus Richtung der Bar und begab sich in die Hotelhalle, telefonierte und wählte die Verbindung eines Hotelzimmers. Sie erhielt jedoch keinen Anschluß. Daraufhin begab sie sich zum Fahrstuhl und fuhr in Richtung ihres Zimmers. Um 22.35 Uhr verließ ›Stella‹ und ›Puck‹ den Fahrstuhl und beide begaben sich in Richtung Bar. Um 23.00 Uhr hatte ›Stella‹ ihren Auftritt. ›Puck‹ saß während dieser Zeit an einem reservierten Tisch und trank Sekt. Nach Beendigung des Auftritts begab sich ›Stella‹ kurz in den Umkleideraum neben der großen Bar und begab sich dann zu ›Puck‹. Beide tranken während des Aufenthaltes in der Bar mehrere Gläser Sekt. Hierbei wurden sie von ›Sanjo‹ bedient. Im Laufe des Abends befanden sich die Verbindungen ›Donja‹ ›Kranach‹ ›Mikki‹ und ›Kosmos‹ in der Bar. Alle hatten jedoch in der Bar keinen Kontakt zu ›Stella‹ u. ›Puck‹. ›Donja‹ und ›Kranach‹ wurden nach Verlassen der Bar weiterbeobachtet. ›Stella‹ und ›Puck‹ hatten während des Aufenthalts in der Bar nur Kontakt zu ›Sanjo‹. Um 01.35 Uhr verließen ›Stella‹ u. ›Puck‹ die Bar und begaben sich auf ihr Zimmer. Daraufhin wurde die Beobachtung unterbrochen.
Weiterbeobachtung ›S t e r n‹. Nachdem ›Stern‹ das Hotel W a r n o w um 12.00 Uhr verlassen hatte, begab er sich zu Kröpeliner Str. dann am Schröderplatz entlang durch die Doberaner Str., Windmühlenstr. zum Patriotischen Weg. 12.10 Uhr betrat ›Stern‹ das Haus Nr. 37. ›Stern‹ begab sich in den 2. Stock in die Wohnung von (...) Kurz darauf verließ er diese Wohnung wieder, er hatte jetzt seinen Mantel abgelegt und begab sich mit einem Plattenspieler in die Wohnung von (...) Bis 19.00 Uhr verließ ›Stern‹ das Haus nicht mehr. Daraufhin wurde die Beobachtung beendet.
Weiterbeobachtung von ›Donja‹ und ›Kranach‹. Nachdem ›Donja‹ und ›Kranach‹ um 03.50 die NEWA-Bar verlassen hatten, begaben sich beide mit einer weiteren unbek. männl. u. weibl. Person in die Hotelhalle. ›Kranach‹ sprach hier mit einer Angestellten und fragte nach einer Taxe. Ihm wurde jedoch geantwortet, daß keine zu erreichen sei. Gegen 04.00 Uhr verließen ›Donja‹, ›Kranach‹ und die unbek. männliche und weibl. Person das Hotel und gingen in Richtung Schröderplatz. Um 04.05 Uhr hielt ›Kranach‹ am Schröderplatz ein Taxi an und alle vier fuhren mit diesem nach Lütten-Klein zur Osloer Str. 26. Hier begaben sie sich den hinteren Aufgang hinauf in die 1. Etage rechts. Daraufhin wurde die Beobachtung um 04.30 Uhr beendet. In dieser Etage befinden sich die Diensträume des Baustabes OBL, Nord, IAG Autobahnbau.
Am darauffolgenden Tag wurden ›Kranach‹, ›Donja‹ sowie die unbek. weibl. und männl. Person wieder gegen 15.00 Uhr im Hotel gesehen, als alle aus Richtung Schröder Platz kamen. (Bild 8) Hierbei wurde festgestellt, daß sie einen PKW Trabant, pol. Kennz. IB 8171 bestiegen und mit diesem wieder nach Lütten-Klein fuhren und das Haus Osloer Str. 26 betraten. Hierbei muß bemerkt werden, daß der PKW von der unbek. männl. Person gefahren wurde. Im Haus begaben sich alle Personen in die 1. Etage und betraten hier die Diensträume des Baustabes Berlin, OBL Nord. Die Beobachtung wurde daraufhin beendet.
3. Tag: Für den 28. 3. 1970 v. 08.00 00.20 Uhr.
Die Beobachtung von ›Stella‹ wurde um 08.00 Uhr am Interhotel W a r n o w aufgenommen. Um 11.20 Uhr verließen ›Stella‹ und ›Puck‹ den Fahrstuhl und begaben sich zur Rezeption und danach zur Garderobe. Vom Portier nahm ›Stella‹ einen Brief in Empfang. Danach betraten sie für ca. 5 Min. das Hotelrestaurant MALMÖ.
Nachdem sie dieses verlassen hatten, gingen sie zur Garderobe und nahmen hier ihre Mäntel in Empfang. ›Stella‹ fragte die Garderobenfrau etwas. Daraufhin zeigte diese in Richtung Breite Str. Um 11.31 verließen ›Stella‹ und ›Puck‹ das Hotel durch den Haupteingang und gingen in Richtung Doberaner Platz. Am Brink betraten sie um 11.36 die Buchhandlung. Um 11.50 verließen sie diese. ›Puck‹ verabschiedete sich mit einigen Worten von der Verkäuferin. ›Stella‹ und ›Puck‹ besahen sich anschließend die Auslagen vom Antiquitätengeschäft und gingen zurück zum Hotel W a r n o w, welches sie um 12.01 betraten. Im Foyer begaben sich beide zum Portier. Hier wurde ›Stella‹ von einer unbek. männlichen Person angesprochen, worauf sie etwas erwiderte. Danach trennten sich beide voneinander. Die unbek. männl. Person erhält in diesem und folgenden Berichten den Decknamen ›S t e r e o‹. ›Stereo‹ ist identisch mit (...) Die unbek. männl. Person war in Begleitung einer unbek. weibl. Person. Beide sprachen sächsischen Dialekt, bewohnten Zimmer 101.
›Stella‹ und ›Puck‹ gingen um 12.10 Uhr zum Fahrstuhl. Um 15.50 Uhr verließen beide das Hotel. Beide begaben sich langsamen Schrittes durch die Lange Str. (...) Um 16.19 bestiegen beide eine Straßenbahn der Linie 11 und fuhren damit zum Hauptbahnhof (Bild 6). Beide begaben sich zur Auskunft und ›Stella‹ kaufte hier 2 Liegekarten für den Schnellzug 00.17 nach Berlin. Anschl. begaben sich beide zum Fahrkartenschalter und ›Stella‹ kaufte 2 Fahrkarten 2. Klasse nach Berlin, welche sie mit einem Scheck bezahlte. Dann verließen sie das Bahnhofsgebäude (Bild 7+9) stiegen in die Straßenbahn, in der sie keinen Kontakt hatten zu anderen Personen. Nachdem sie die Bahn verlassen hatten, begaben sie sich zum Filmtheater C a p i o l. Hier sahen sie sich eingehend die Filmreklame an und gingen dann zur Lange Str. u. auf dieser zum Hotel Warnow, welches sie 16.52 Uhr betraten. In der Hotelhalle begab sich ›Stella‹ zur Rezeption und bezahlte etwas. Anschl. verweilten sie im Foyer bis 17.50 Uhr und lasen in den ausgelegten Prospekten. Zu diesem Zeitpunkt begaben sie sich zum Fahrstuhl. Um 17.55 Uhr kam ›Stella‹ zurück ins Foyer und sah in das Hotelrestaurant MALMÖ. Danach ging sie zum Fahrstuhl. Um 22.10 kam ›Stella‹ in ihrer Auftrittsgarderobe vom Fahrstuhl und ging durch das Foyer zum Verbindungsgang. In diesem begrüßte sie ›Sanjo‹, welcher aus den Diensträumen hinter der Rezeption kam und folgte. Beide unterhielten sich, gingen zur N e w a - Bar, wo ›Stella‹ ihre Garderobe betrat. Nach ihrer Gesangsdarbietung betrat sie wieder die Garderobe für ca. 3 Min. Anschl. unterhielt sich ›Stella‹ mit ›Sanjo‹ 5 Min. im Barvorraum. Danach entfernte sich ›Sanjo‹. ›Stella‹ blieb auf dem Platz stehen. Es hatte den Anschein, als ob sie auf jemand wartete. Um 23.00 wurde gesehen, wie ›Sanjo‹ eine unbek. männl. Person aus der Tanzbar in den Vorraum herausgeleitete. Kurze Zeit später wurde gesehen, daß ›Stella‹ und ›Sanjo‹, die unbek. männl. Person und ›Puck‹ an einem Tisch saßen und sich miteinander unterhielten.
Zu bemerken wäre, daß ›Puck‹ um 23.10 Uhr vom Fahrstuhl kam und zur Rezeption ging, wo er mit einer Angestellten sprach. Danach ging er durch den Verbindungsraum zur Newa-Bar. Die unbek. männl. Person erhält den Decknamen ›M a m b o‹. ›Mambo‹ ist identisch mit (...) Personenbeschreibung ›Mambo‹: (...) Haar: dunkelblond, gescheitelt, glatt, Stirnecken, Ohrenbart, starker Bartwuchs, Nasenfalten.
›Sanjo‹ holte für alle Sekt. Gegen 23.35 Uhr wurde gesehen, daß mehrere Geldscheine übereinander in der Mitte des Tisches lagen. Der obere war ein Fünfzigmarkschein. Es konnte nicht gesehen werden, wer dieses Geld dort hinlegte bzw. wegnahm. Um 23.50 verließen ›Stella‹ und ›Puck‹ die Bar und begaben sich schnellen Schrittes zum Foyer des Hotels. ›Mambo‹ wurde weiterbeobachtet. ›Stella‹ u. ›Puck‹ gingen zum Fahrstuhl.
In der Hand trug er den Gitarrenkasten und eine Reisetasche. Er begab sich zur Rezeption, wechselte hier einige Worte und lief dann zum Ausgang. Vor dem Hotel stand zu dieser Zeit ein Wolga-Taxi. ›Puck‹ verstaute das Gepäck in den Kofferraum.
Um 24.00 Uhr kam ›Stella‹ vom Fahrstuhl, in der Hand trug sie ihre Handtasche. Sie begab sich ebenfalls zur Rezeption und verließ danach das Hotel. Um 00.02 Uhr stiegen beide ins Taxi und fuhren zum Bahnhof. Hier gingen sie zum Fahrplan und begaben sich zum Bahnsteig 3. Von hier aus betraten sie den Bahnsteig 7 und stiegen um 00.08 Uhr in den bereitstehenden Zug in Richtung Berlin. 00.17 Uhr fuhr der Zug ab.
Zu diesem Zeitpunkt wurde die Beobachtung von ›Stella‹ und ›Puck‹ beendet.
Nachdem sich ›Stella‹ und ›Puck‹ von ›Mambo‹ getrennt hatten, begab sich ›Mambo‹ in die Tanzbar. Er nahm an einem Tisch Platz u. unterhielt sich mit einer weibl. Person. ›Mambo ging mit dieser einige Male zur Bar. Hier traf er mit ›Sanjo‹ zusammen. 00.30 Uhr verließen ›Mambo‹ und die weibl. Person die Newa -Bar und begaben sich zum Verbindungsgang zum Hotel. Im Gang bog ›Mambo‹ in einen Wirtschaftseingang ein. Die weibl. Person begab sich in das Zimmer 526. 03.38 Uhr wurde gesehen, daß ›Mambo‹ an die Tür dieses Zimmers klopfte. Daraufhin wurde die Tür aufgeschlossen. ›Mambo‹ betrat das Zimmer. Die Tür wurde wieder abgeschlossen. 3.40 wurde die Beobachtung von ›Mambo‹ beendet.
Leiter der Abteilung VIII Lange Major/Leiter des Referats Bethkenhagen O. Leutn.
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/32 Bezirk Karl-Marx-Stadt
In der Kreisdienststelle Annaberg sind keine operativen Materialien bzw. Hinweise vorhanden, daß die Hagen oder Biermann Zusammenkünfte organisierten, um politisch-ideologisch feindliche Theorien zu verbreiten.
Während der Gastspielzeit der Hagen am Kreistheater Annaberg, 1. Halbjahr 1970, wurden mehrere IM zur operativen Kontrolle der Hagen, ihrer Tochter sowie Biermann zum Einsatz gebracht.
Im Ergebnis dieser Maßnahmen konnte festgestellt werden, daß sich der hauptsächliche Verbindungskreis der Hagen aus Personen zusammensetzt, die am dortigen Theater tätig sind. Des weiteren wurde die Familie Krause als lose private Verbindung der Hagen bekannt.
Die festgestellten Personen werden nicht operativ bearbeitet, da keinerlei Hinweise über negatives Auftreten dieser Personenkreise vorliegen.
Durch den IM "Klaus" der BV Karl-Marx-Stadt, Abteilung XX, wurde die Verbindung zur Hagen, Nina hergestellt. Es konnte festgestellt werden, daß die Hagen, Nina Bücher und Broschüren von Biermann mit nach Annaberg nahm.
In koordinierter Zusammenarbeit werden folgende Maßnahmen realisiert:
einer erneuten Verpflichtung der Hagen am Kreistheater Annaberg ist mit allen Mitteln entgegenzuwirken.
Mit Hilfe von IM der KD sowie des IM "Klaus" der BV der Abteilung XX sind umfangreiche Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen
a. zur Feststellung von VerhaItensweisen, Umgangskreis, Auftreten usw. der Hagen, Nina ...
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HA XX/7, Gen. Lohr Berlin, 22. Juni 1970
26/B/142/69/82/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 9. Juni 1970
5273/22.30 Uhr
Zwei Damen und ein Herr befinden sich bei Wolf Biermann. Vorwiegend erzählen die Damen ihre Erlebnisse, die sie während des Urlaubs oder ähnlich hatten. Die eine Dame berichtet von ihrer Tochter.
Wolf erzählt, daß es in Moskau soviel Abhörgeräte gibt, die, wenn sie leuchten würden, Moskau weiße Nächte brächten, wie es in Leningrad ist. Die Anwesenden lachen darüber.
Danach macht er einige undeutliche Ausführungen. Anschließend ruft er laut: "Im übrigen sollen euch die Ohren verfaulen". Alles lacht darüber. Eine Dame wirft ein, bis das Unkraut wieder wachse. Biermann erwähnt etwas von einer Wanze in der Wand (o. ä.).
Weiter berichtet er: "Robert hat doch einmal eine entdeckt, durch einen Zufall, der nur alle tausend Jahre passiert. Weil Stromsperre war, konnte Robert morgens nicht die Nachrichten hören. Deswegen nahm er sein japanisches Transistoren-Radio ... Es ist ein ewiger Kreislauf. Das Mikrofon nimmt auf, sendet aus, das Radio nimmt auf, sendet die Laute, das Mikrofon nimmt wieder die Laute auf und sendet sie als Frequenz aus".
Er macht dann wieder folgende Bemerkung, die er laut ausspricht: "Im übrigen lebt ihr ja bloß von uns, ihr Scheißköpfe. Wenn es uns nicht gäbe, müßtet ihr alle einer ordentlichen Arbeit nachgehen". Eine Dame wirft ein: "Maurerarbeiten verrichten".
Biermann sagt wieder: "Ihr kämpft an der vordersten, blutigen Front der Weltrevolution (o. ä.) ... ihr Helden, ihr Fettärsche. Neulich haben sie wochenlang unter den beiden Zimmern gearbeitet. Ich wußte jeden Tag ganz genau, wann sie ... einbauen". Eine Dame rät Wolf, er soll jedes Mal umziehen.
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Rostock, 7.7.1970
Bericht über das Auftreten Biermann/Hagen in Rostock
Ende des Jahres 1969 wurde ich mit Frau Eva-Maria Hagen bekannt. Es geschah in der Form, daß sie zu einer Veranstaltung in der Newa-Bar des Interhotels "Warnow" verpflichtet wurde.
Sie reiste damals in Begleitung eines jungen Mannes und einer Dame an. Frau H. begründete das damit, daß sie in Begleitung sein müßte, weil das ihr Mann, Herr Biermann, mit dem sie zusammen lebt, so wünsche. Ihr Auftritt in der Newa-Bar war sehr gut. Als Darbietung brachte sie Chansons und freche Lieder. Nach dem Auftritt unterhielt ich mich mit ihr einige Zeit in der Bar. Dabei wurde mit ihr ein neuer Termin für einen weiteren Auftritt im Jahre 1970 vereinbart. Bei diesem Gespräch tranken wir zusammen einen Kognak und kamen dabei auch auf allgemeine Dinge zu sprechen, u. a. auch darüber, daß ihr Mann, Herr Biermann, als Schriftsteller in der DDR verboten ist. Auf meine Frage, warum das eigentlich so sei, gab sie zur Antwort, daß er eben andere Vorstellungen hätte und diese nicht äußern könnte.
Sie sagte ebenfalls noch, daß sie Herrn Biermann 4 Jahre kennt und daß sie dadurch große Schwierigkeiten in unserer Republik habe, teils mit der Arbeit oder irgendwelchen Dingen und außerdem fühlte sie sich ständig beobachtet.
Im Januar des Jahres 1970 fuhr ich nach Berlin und verabredete mich mit Frau Hagen. Wir trafen uns im Lindenkorso gegen mittag, um die genauen Terminabsprachen zu führen. Frau H. kam zu dieser Verabredung alleine und wir berieten über den geschäftlichen Ablauf ihres Engagements.
Später kam dann Herr Biermann hinzu in Begleitung seiner Mutter, die aus Hamburg zu Besuch in Berlin weilte.
Herr Biermann übernahm die Führung des anschl. Gespräches und es ging wieder darauf hinaus, daß seine Arbeiten in der DDR verboten seien und daß er sich bei uns nicht so bewegen könnte, wie er es gerne möchte.
Die Mutter von Herrn B., die sich ebenfalls am Gespräch beteiligte, brachte wiederholt zum Ausdruck, daß sie eine alte Kommunistin ist und über die Art und Weise, wie man hier mit ihrem Sohn verfährt, sehr erbost sei.
In diesem Gespräch brachte Herr B. weiterhin zum Ausdruck, daß er mit seinen Werken die Weltöffentlichkeit schon so begeistert hätte, und sich dadurch einen internationalen Ruf erworben hat, z. B. in Amerika, Japan, Westdeutschland und vielen anderen Länder.
Auf meine Frage, warum er denn nichts für uns schreiben könnte, antwortete er, das ginge nicht und er hätte dafür seine Gründe. Auf weitere Einzelheiten ging er nicht ein.
Im weiteren Gespräch wurde auch beiläufig erwähnt, daß der B. über den Genex-Geschenkdienst einen PKW Wartburg erhalten hat. Nach meiner Meinung kann das Geld dafür aber nicht von seiner Mutter stammen, denn nach Kleidung und Auftreten sah diese Dame nicht so aus, als wenn sie über derartige Mittel verfügt. Ein wesentlicher Teil des Gespräches von Herrn B. drehte sich darum, daß er sich ständig bedroht und beobachtet fühle. Dieses Thema hatten sie auch in der Newa-Bar, als Frau Hagen dort das 2. Mal gastierte. Dabei war sie in Begleitung von Herrn B..
Dieses Gespräch wurde geführt mit Herrn ....., dem Gastronomischen Leiter und mir, im Anschluß an den Auftritt von Frau Hagen. Der Mann, der sich, wie ich beobachtete, unserer Gruppe etwas näherte, wurde von Herrn B. als Mitarbeiter des MfS bezeichnet. Dieses ereignete sich bei 2. Gastspiel Ostern 1970.
Von den charakterlichen Eigenschaften von Frau H. ist zu sagen, daß sie bei Gesprächen ab und zu einen etwas abwesenden Eindruck macht, sehr spät schaltet, wenn man irgendwelche zweideutigen Gespräche führt. Außerdem ist sie meiner Meinung nach dem Personenkreis gegenüber kontaktfreudig, mit dem sie geschäftliche Verbindungen unterhält und die sie besser kennt. Gegenüber anderen Personen verhält sie sich etwas reserviert. Ob sie Bekannte in Rostock hat, konnte ich bisher nicht feststellen. Nach ihren Erzählungen waren beide alleine, haben die ...... Rostock und die Kunsthalle besichtigt und sich auch in Warnemünde aufgehalten.
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Quelle: ›Lerche‹ - Lütow - angen.: Ltn. Hagemann
Bericht über die Kontaktaufnahme zu Eva-Maria H a g e n
Am 21. 7. 70 gegen 20 Uhr, wollte ich H. besuchen. Man sagte mir, sie sei in die Stadt gefahren. Ich ließ einen Gruß von Frau (...) bestellen und daß ich am folgenden Tag vorbeikäme. Am 22. 7. um 18 Uhr suchte ich die Hagen auf, stellte mich laut Legende vor. Ihre Reaktion auf meinen Besuch war abwartend. Sie zeigte mir ihre Wohnung. Sie bewohnt das gesamte Dachgeschoß, 4 Zimmer. Der Flur wird als Küche genutzt, links ist das Zimmer ihrer Tochter, zur Hofeinfahrt hin. Zur Giebelseite liegt das Wohnzimmer, daneben das Schlafzimmer. Rechts vom Treppenaufgang ist der ehemalige Boden, auf der entgegengesetzten Giebelseite. Auf dem Boden besteht die Schlafmöglichkeit für 4 Personen. Gegen 19 Uhr kam ihre Tochter Nina (15 J.) mit ihrer Freundin Trini Kremer nach Haus. H. lud mich zum Abendbrot ein. Der Kontakt war abwartend von Seiten der H. aber nicht abweisend. Wir erzählten über die Schauspielschule. Ihr Interesse war natürlich, nicht neugierig. Sie lud mich ein, mit nach Koserow zu fahren, um ihre Tochter und dessen Freundin ins Kino zu fahren. Vorher fuhren wir zu Kremers, die in Koserow wohnen. Nur die Hagen ging ins Haus. Auf der Rückfahrt von Koserow sprachen wir über die Arbeit der H. Sie sagte mir, daß sie seit fast 5 Jahren kaum noch Aufträge hat. (...) Ihren Vertrag mit der DEFA wollte man im vorigen Jahr lösen, hatte aber keinen exakten Kündigungsgrund. Sie meint, daß man sich in diesem Jahr einen zurechtbasteln wird. Wieder in Lütow angelangt, spielte sie mir auf der Gitarre ihre Chansons vor. Vorher bekam ich von ihr die Einladung, bei ihr zu übernachten, da genug Platz sei und es im Zelt sehr kalt wäre. Bis 23.15 sang sie und erzählte. - Ich erfuhr, daß Biermann vor einer Woche wieder nach Berlin zurückgefahren ist, um zu arbeiten. Sie erzählte mir, daß B. nur in der BRD u. Westberlin noch verlegt. z. B. Quarthefte ›Wagenbachverlag Westberlin‹, ›Mit Marx- und Engelszungen‹ '68, ›Die Drahtharfe‹ '68, - Sie erzählte mir von ihren beschränkten Auftrittsmöglichkeiten in der DDR. Z.B. in Schwerin auf einer Veranstaltung durfte sie nur 2 Lieder bringen, keine Zugabe. Um sie herum Stasi. Sie fragte einen der Beamten ›ob er sie denn nicht kenne?‹ - ›Nein, nein!› Sie, die H. erkennt sie fast alle, wenn sie in der Nähe sind, sagte sie.
Ich schlief bei H. Hatte das Angebot von ihr, mir die o.g. neuen Bücher von Biermann anzusehen, nachdem sie schlafen gegangen war, angenommen. Platten von ihr konnte ich nicht hören, da der Plattenspieler nicht funktionierte. Es wird nachgeholt. Nach dem Frühstück fuhren wir zum FKK nach Koserow und weiter. Dort traf ich Frau Kremer (Prof. Fritz Kremer) mit Tochter Trini, Hagentochter Nina ... Sie bot mir beim Abschied an, weiter bei ihr zu schlafen. Sie und auch ich war müde, vom Sommer ausgelaugt. Es wurde vereinbart, daß ich am 24. früh zum Frühstück kommen soll und wenn das Wetter gut ist, fahren wir wieder zum FKK-Strand. Am morgigen Tag werde ich auf der Grundlage der Absprache, weitere Fragen und Probleme in Erfahrung bringen.
Anschließend an den Bericht vom 23. 7. hier den weiteren Ablauf des Auftrages. Am Freitag Morgen, 9.30 Uhr frühstücken bei H., anschließend Fahrt zum FKK-Strand hinter Kölpinsee. 15.30 Uhr Rückfahrt. Auf dem Rückweg nach Lütow hielt H. in Zempin, um Otto Manigk einen Besuch abzustatten. Sie wollte nur einige Minuten bleiben. Doch ihre Tochter und ich warteten eine gute Stunde im Auto. Sie bat vorher allein diesen Besuch zu machen. Als H. wiederkam war sie aufgelöst, fast erregt. Sie hatte bei M. »doch wieder über Politik gesprochen«, sagte H. Sie sprachen über die Arbeitsmöglichkeiten eines Künstlers bei uns in der DDR. H. ist der Meinung, daß ein Künstler in seiner Arbeit wahr und ehrlich sein muß und einfach anders nicht arbeiten kann. Wahr und ehrlich kann man bei uns nicht sein sagte H. und darin liege das Problem für einen echten Künstler. H. sagte u. verglich, daß Biermann längst Millionär sein könnte, wenn er in seinen Liedern und Gedichten nicht so offen und wahr wäre, doch B. könnt nicht anders.
Um 18 Uhr waren wir wieder in Lütow, haben Abendbrot gegessen. Tochter N. und ich sahen Fernsehen, H. wollte gerne an ihrem neuen Oel-Porträt weitermalen. 10.30 Uhr gingen wir schlafen, da wir 3 wirklich alle sehr müde waren.
Übrigens H. war verblüfft über meine polytechnische Ausbildung, ich baute eine Fernsehantenne an, die ausgezeichnet funktionierte. Dadurch können sie wieder den Apparat benutzen. Sonnabend nach dem Frühstück, 11 Uhr verabschiedete ich mich, da ich abgeholt werden sollte.
H. bot mir am Tag vorher an, wenn ich im August in Berlin bin, sie zu besuchen. Mit Tochter und Ehemann bin ich wahrscheinlich im August 3 Wochen bei meinem Schwager in Berlin. ...
Die H. ist eine kluge, sehr intelligente Frau. Meine weitere Verbindung zu ihr muß sehr vorsichtig erweitert werden. Aufdringlichkeit würde sie sofort mißtrauisch machen. Ich finde es daher sicherer und auch für mich besser, meinen Mann von meiner Mitarbeit beim MFS zu informieren und eventuell sogar mit ihm zusammenzuarbeiten. Das jetzt bestehende freundschaftliche Verhältnis zu H. läßt zu, einen noch besseren offeneren Kontakt zu ihr zu finden. H. sagte, daß sämtliche Anträge von ihr auf Auslandsreisen, auch ins sozialistische Ausland abgelehnt werden. Sie hatte vor zwei Jahren einen Vertrag bei dem verstorbenen Regisseur Klein für eine Filmrolle, die in Polen gedreht werden sollte. Sie bekam keine Ausreise, die Rolle mußte umbesetzt werden. ›Lerche‹
Bericht über den Besuch bei E. M. Hagen am 9. 10. 70 in Berlin
Um 14.30 klingelte ich an ihrer Wohnungstür. Sie machte selbst auf. In ersten Augenblick stutzte sie, da sie mich nicht sofort erkannte. Im Sommer sei ich voller im Gesicht und brauner gewesen sagte sie. Doch als sie mich erkannte, freute sie sich ehrlich und zog mich in die Wohnung.
Sie fragte mich, was ich in Berlin mache, ich erklärte ihr, daß ich eigentlich ja aus Dresden komme und nur auf der Durchreise sei. Sie freute sich, daß ich vorbeigekommen war.
Dann stellte sie mich B. vor, erklärte ihm, woher sie mich kenne, daß ich Schauspielstudentin sei, mich für die Interpretation ihrer Chanson interessiere. Bevor ich kam waren beide damit beschäftigt, Gardinen im Zimmer von Tochter Nina anzubringen. B. hatte nur noch eine viertel Stunde Zeit. Er wollte mit einem ihm bekannten Arzt einen Besuch bei seinem Freund machen ...
Beim Anbringen der Gardinen gabs ›technische Schwierigkeiten‹. B. schaffte es nicht mehr sie vollständig anzubringen. Er verabschiedete sich. Den Eindruck, den ich bei ihm hinterlassen hatte, konnte man ihm von den Augen ablesen. Ich half H. weiter bei den Gardinen. Als wir nach einer halben Stunde damit fertig waren, tranken wir Kaffee. Sie sang für mich einige ihrer neuen Chansons, erzählte, daß sie vor kurzem einen Abend in Hagenow gegeben habe und daß der Erfolg für sie groß gewesen sei. Ihre Wohnung hat vier riesige Zimmer. In dem größten Raum könnte man bequem einige Tischtennisplatten aufstellen.
Tochter Nina ist z. Zt. in Annaberg im Internat. Sie besucht die erweiterte Oberschule.
Zwei Tage vor meinem Besuch war ... (Schauspielerin) bei H. zu Besuch In dem Zusammenhang fiel H. ein Brief ein über den sie mit Biermann gesprochen hatte. Und zwar der Kündigungsbrief. Sie begann davon zu erzählen. Dann entschloß sie sich, ihn mir zu zeigen und holt ihn. Der Inhalt ungefähr: H. habe sich nicht weiter entwickelt, die DEFA sei ein Kollektiv geworden, in das sie nicht mehr passe. Kritisiert wurde ihre Lebensweise, ungenügliche Parteilichkeit. Festgestellt wurde, daß sie nicht mehr in der Lage sei, sozialistische Persönlichkeiten darzustellen. Man riet ihr, sich nach einem andern Beruf umzusehen. Hagen ist mit diesen Argumenten nicht einverstanden. Sie nimmt diesen Kündigungsgrund nicht an. Sie sagte, daß sie mit ihren Freunden und Bekannten über diesen Brief gesprochen habe. Die rieten ihr, den Brief gut aufzuheben, man würde ihn noch einmal von ihr zurück verlangen, reumütig.
Ihr Rechtsanwalt hat sich der Sache angenommen. Außerdem hat sie einen Brief an Lotte Ulbricht zu diesem Thema geschrieben. H. und ihre Bekannten versprechen sich viel von diesem Brief.
Für sie war weiterhin ein Gespräch mit Adameck vorgesehen. Sie sagte, sie will gegen die Kündigung weiter protestieren.
Gegen 16.30 Uhr rief Nina an. Sie erzählte ihrer Mutter, daß sie sich nun doch für den andern Freund entschieden hatte. Es war insofern für H. betrüblich, weil der erst in zwei Stunden Nina, wenn sie zu Hause angekommen war, besuchen wollte. H. mußte wieder zu schlichten versuchen. Bevor ich mich verabschiedete, verblieben wir folgendermaßen: Wenn H. ihren nächsten Chansonabend gibt, werde ich versuchen dabei zu sein. An Hand des Programms wollen wir sehen, welche der Chansons ich gebrauchen könnte. Wenn H. das nächste Mal nach Lütow fährt, will sie mich in Rostock besuchen. Vorher ruft sie an oder schreibt mir. Wenn ich das nächste Mal in Berlin bin, sollte ich sie unbedingt wieder besuchen. Da sie im Augenblick wenig ins Theater kommt, früher ging sie mit ihrer Tochter, freut sie sich darauf, daß wir das zusammengehen werden. Inzwischen hab ich ihr geschrieben (wann der nächste Chansonabend, wann nach L., was nun mit Nina und ihren Freunden.) Mein Besuch bei H. endete 17.15 - da ich zum Zug mußte. - ›Lerche‹
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Berlin, 11. November 1970
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 26. Oktober 1970
8417
Eine Dame, vermutlich S....... befindet sich bei Wolf Biermann. Wolf spricht von einem Herrn namens Roland Haries (o.ä.), mit dem er jahrelang befreundet war. Aber wenn er in einer entscheidenden Sache wie in der Tschechoslowakischen Frage sich auf die Seite der "Konterrevolutionäre" schlägt, dann muß er ihm in aller Deutlichkeit eine runterhauen.
Wolf meint, wenn "wir" Gelegenheit gehabt hätten, das Tschechoslowakische Experiment durchzuführen, dann hätte er (Wolf) bestimmt auf der Seite gestanden, die heftige Kritik an Tendenzen des Liberalismus geübt hätten.
Er als Kommunist weiß ja, Menschen, die zwanzig Jahre lang im Gefängnis saßen, wollen zunächst einmal raus. Und wenn sie draußen sind, haben sie ein sehr ungenaues Bild, was dann kommt.
(....................)
Eva-Maria Hagen kommt hinzu. Sie berichtet von der Zurücknahme ihrer Kündigung von seiten des Deutschen Fernsehfunks. Als sie bei Herrn Nehring war, war dieser sehr freundlich. Sie wußten Bescheid, daß sie einen Brief an Lotte Ulbricht geschrieben hat. Herr Nehring wurde beauftragt, sich um Eva zu kümmern, daß sie entsprechende Rollen erhält.
Man machte sie darauf aufmerksam, daß sie in den Fernsehstudios nicht die Ideen von Biermann verbreiten darf.
Nach einer Weile betont Wolf, wenn man sie (Wolf und Eva) wirklich auseinanderbringen will, dann sollen sie ihm den Nationalpreis überreichen.
12.40 - 13.30 F.d.R.d.A.: .....................
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Abteilung XX/z
Rostock, 23. 11. 1970
Bericht
Quelle: IMV "Jäger"
angen.: Ltn. Hagemann
- A u s z u g -
Der IMV berichtete, daß Eva-Maria Hagen 14 Tage bei Lütow/Neuendorf gemeinsam mit ihrer Tochter war und Montag wieder nach Berlin gefahren ist. Während der Zeit ihres Aufenthaltes hat sie viel Pilze gesammelt und ist desöfteren zu dem Kunstmaler Prof. Niemmeyer Holstein gefahren. Der IMV wurde bekannt, daß H a g e n oft mit Biermann in Berlin telefoniert hat.
Hagen soll während des o. g. Zeitraums ihres Aufenthaltes in Lütow nach Angaben von ..... keinen Besuch bzw. Personen empfangen haben.
Hagemann
Leutnant
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Abteilung XX/7
Rostock, 26. 11. 1970
Treffbericht
Quelle : IMV "Lerche"
Treffort : z. Hause
Treffzeit : 17. 11. 70 - 18.00 Uhr
Mitarbeiter : Ltn. Hagemann, Oltn. Wachlin
n. Treff : Nach Vereinbarung
Bemerkung:
An dem Treff nahm Oltn. Wachlin teil.
Mit dem IMV und dessen Ehemann wurde eingehend und tiefgründig über die weitere Kontaktfestigung und Verhaltensweise gegenüber Hagen/Biermann gesprochen. Gen. Oltn. Wachlin erläuterte im einzelnen auf welche Fragen und Probleme bei Biermann zu achten ist. Der IMV wird ca. in 3 Wochen erneut Hagen/Biermann in Berlin besuchen.
Maßnahmen: keine
Auftrag:
- Voraussetzungen und Möglichkeiten schaffen, um über den Kunstmaler Johannes ...... direkt mit J a s t r a m in Kontakt zu kommen
Hagenmann
Leutnant
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Abteilung XX/7
Rostock, 26. 11. 1970
Bericht
Quelle: IMV "Lerche"
angen.: Lt. Hagemann, Oltn. Wachlin
- A u s z u g -
Umfassend wurde mit dem IM über den weiteren Einsatz zu Biermann/Hagen diskutiert und vereinbart, daß der IM auf der Rückreise von Dresden Biermann/Hagen in Berlin aufsucht und Voraussetzungen schafft, daß der IM auch die Möglichkeit erhält, die genannten Personen von Zeit zu Zeit in Berlin aufzusuchen.
In diesem Zusammenhang wurde mit dem IMV vereinbart, daß auch zum Ehemann des IM am. 3. 10. 70 in diesem Zusammenhang Kontakt aufgenommen wird.
Hagemann
Leutnant
Fahrt nach Berlin am 19. 12. 1970 bis 21. 12. 1970 (IM-Bericht)
Nach Ankunft in Berlin, lt. vorheriger Vereinbarung mit H., Anruf ob Theaterbesuch im DT oder nicht. Gespräch 16.30 Uhr. H. war abgespannt, da sie am Tag vorher Tochter Nina aus Annaberg abgeholt und erst nachts in Berlin gewesen. H. hatte Kopfschmerzen, bedauerte sehr, meine Einladung für ›Tagebuch eines Wahnsinnigen‹ nicht annehmen zu können. Sie war fast traurig, daß ich allein gehn mußte. Wir verabschiedeten uns für den nächsten Tag. Für den Abend planten wir ›Woyzeck‹ im BE. Nachmittags sollte ich sie zum Kaffee besuchen. Da sie nachmittags Einkäufe tätigen wollte, legten wir die genaue Zeit nicht fest (...)
20. 12. - Anruf 15.30 Uhr. Habe mich zu sofort verabredet und auf den Weg gemacht. Ankunft W.-Pieck-Straße 220, 16 Uhr. H. öffnete selbst. Freundliche Begrüßung; gute Laune strahlte sie aus. Nachdem ich Nina begrüßte, begaben wir beide uns ins Wohnzimmer. H. setzte Teewasser auf, bot mir ›F6‹ an, als sie sah, wie ich meine ›Karo‹ vorkramte und begann uns das Neueste zu erzählen.
1. Vertrag wurde verlängert bei der DEFA. Man will sie wieder ›eingliedern‹, ihr eine neue Filmrolle geben, seitdem sind 6 Wochen vergangen. Sie ist ungehalten. 6 Wochen, die sie auf Kosten des Staates lebt, ohne etwas zu leisten. 2. Im Theater von Dessau gibt sie im Großen Haus einen Chansonabend. Termin Anfang Februar. Am gleichen Theater ist ihr das Angebot gemacht worden, die Hauptrolle in ›Das Fräulein wird Minister‹ zu übernehmen. H. hat angenommen. Da das gleiche Stück in Rostock läuft, lud ich sie ein, es sich vorher anzusehen. Der evtl. Besuch in Rostock wäre realisierbar ihrerseits.
3. H. macht eine Schallplatte, auf denen sie Chansons singt. Welche Titel war nicht festgelegt. Deshalb lehnte sie es ab, zwei von den neuen zu zeigen.
4. H. hatte Reise nach Polen beantragt, ins Gebirge. Von dieser Reise wollte sie sich einen Maximantel (Pelz-Leder) Art Gorallenmantel mitbringen.
Jetzt brachte Nina den Tee. Ich fragte sie nach der Schule in Annaberg. Im Internat gefiel es ihr, sie war im großen und ganzen zufrieden. Schwierigkeiten in der Schule macht ihr Mathematik. Ihr Wunsch vom Sommer her, Schauspielerin zu werden, festigte sich, sie fragte mich nach der Ausbildung. Nun nahm H. die Gitarre und spielte ein neues Lied von Belafonte. Die Übersetzung hat ein Freund gemacht, Engländer, David heißt, wahrscheinlich staatenlos ist. 17.30 kam B. Freundliche Begrüßung; trank mit Tee, nahm ›Karo‹ von mir; sprachen über Polen, keine Meinungsäußerung von ihm. Ich spürte, daß er gewöhnt war, nicht viele persönliche Ansichten zu äußern. Wir beschlossen alle zusammen in ›Woyzeck‹ zu gehen. H. trug ein kleines Abendbrot in Form einer Geflügelsuppe auf. Die beiden Frauen machten sich theaterfein. B. blieb im Zimmer. Wir sprachen über das Rostocker Theater, neuen Oberspielleiter, Gastspiel nach Westdeutschland mit Engelstournee. Ich erzählte, wie es verlief. B. hörte zu, bestätigte Vorkommnisse mit der ›Aktion W‹. Fand, daß es eine Schweinerei ist, was man macht dort. Er fragte mich nach meinem Mann. Sprachen über den Verlag. Er war der Meinung, daß der Verlag zuviel nordische Literatur macht. Ich klärte ihn auf, gab als Beispiel, daß Rolf Schneider dort verlegt. Wir fuhren 19.15 los. An der Kasse des ›BE‹ begrüßte ein älterer Herr, der zum Haus gehört, B. freundlich, fragte wieviel Jahre es her sei. B. sagte ›5‹. Die Karten waren 2 für Nina und mich im Parkett. B. u. H. saßen im Rang. In der Kantine standen B. u. H. mit Zimmermann zusammen. Bühnenbildner Komische Oper. H. stellt mich mit meinen Familiennamen vor. Nach Schluß hatte H. Lust, wohin zu gehen. B. mochte nicht, wollt lieber nach Hause. H. war traurig, weil er ihre Laune negativ beeinflußte. Wir verblieben auf weiteres Anrufen. Sie will mir Chansons raussuchen (....)
Lerche
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Aktenkundig
(1971)
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7, Gen. Lohr
Berlin, 2... Januar 1971
26/Ba/19/66/1376 / Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 31. Januar 1971.
8088
Schauspieler Peter D o m m i s c h erkundigt sich bei Eva-Maria H., wann sie sich Montag treffen wollen zwecks Abfahrt zur Probe. Sie berichtet, daß sie gestern in der Komischen Oper waren und sich das Stück "Fiedler auf dem Dach" ansahen. Beim zweiten Bild war sie erstmal erschrocken, als sie diese Opernstimmen hörte.
Wie Eva meint, ist die Geschichte sehr schön. Opernsänger Aßmus spielt seine Rolle sehr gut. Wie gesagt, die ganze Geschichte geht zu Herzen. Es ist ein Wunder, daß dieses Stück bei uns überhaupt aufgeführt werden darf. Eva bemerkt, daß Felsenstein vielleicht Komplikationen mit den ....... bekommt. Dommisch entgegnet, daß Felsenstein mit dem Chef sich gut steht. Eva betont, daß die ganze Geschichte eine Sympathiekundgebung für die Juden bedeutet. Der Applaus war ebenfalls enorm.
Dommisch fragt, was Wolf zu dem Stück sagt. Eva hat noch nicht ausführlich mit ihm darüber gesprochen, aber er vertritt eine ähnliche Meinung. Dommisch schlußfolgert, daß das Stück ein Erfolg ist, was Eva bejaht.
11.27
Eva-Maria äußert zu Gisela Schroeder, daß sie gestern das Stück "Fiedler auf dem Dach" sah. Das Stück hatte einen tollen Erfolg. Das Stück ist großartig. Besonders hat ihr das Auftreten des Fiedlers, diese Auftritte waren gut gemacht.
Gisela entschuldigt sich, daß sie aus Versehen das Kursbuch mitgenommen hat,sie besitzen nun zwei Kursbücher. Demnächst will sie es zurückgeben.
20.03 F.d.R.d.A.: Röbisch
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26/BA/19/6 (?)/1377/Rö
Berlin, 1. Februar 1971
HA XX/7, Gen. Lohr
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 31. Januar 1971.
6149
Ein Herr meldet sich bei Eva-Maria Hagen. Er stellt sich als Dr. Schubert von der Charité vor. Er fragt, ob Wolf Biermann zufälligerweise bei ihr ist. Sie verneint. Der Herr bittet darum, sie möchte nicht erschrecken. Er glaubt, sie müßte mal zur Identifizierung vorbeikommen. Eva entgegnet: "Sie spinnen wohl, sie haben einen Koller".
Anschließend informiert sie Wolf Biermann über diesen Anruf. Sie findet es als eine Gemeinheit, sie ist sehr aufgeregt. Ihr ist es wohl in anderer Weise schon des öfteren passiert, aber trotzdem - sie kann vor Aufregung überhaupt nichts sagen.
Wolf äußert dazu, das sind einfallslose Arschlöcher. Sie muß nur bedenken, daß es intelligentere Schweine gibt, und nicht solche naiven.
Wie Eva abschließend meint, wußte sie sofort, was der Herr nach dem Wort Charité sagen würde.
23.27 Uhr
F.d.R.d.A.: ....
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Berlin, 8. Februar 1971 B 26/BA/142/69/207/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 7. Februar 1971
6965
Eva-Maria Hagen, die sich zur Zeit in Buna befindet, wo die Aufzeichnung des Fernsehspieles erfolgt, meldet sich bei Wolf Biermann, um ihm einen guten Morgen zu wünschen. Christel Bodenstein, die sich ebenfalls in Buna befindet, wünscht Wolf Biermann auch einen guten Morgen. Über diesen Gruß ist er erfreut. Er erkundigt sich, wie die Fahrt verlief. Furchtbar, entgegnet Christel und sagt weiter, es ist wirklich unter aller Sau, daß man einem Menschen so etwas anbietet (gemeint ist wahrsch. das Auto).
Wolf bemerkt, ihr weicher Arsch ist anscheinend sehr verwöhnt.
Sie dachte das zunächst auch, aber die anderen Kollegen sind der gleichen Ansicht. Danach begrüßt Peter Domisch Wolf mit den Worten: "Hier spricht der Landessender Potsdam, angeschlossen der Bayrische Rundfunk, der Hessische Rundfunk und Rias Berlin. Sie hören Nachrichten. Bonn - Grüß dich lieber Wolf!"
Wolf ist über diesen Scherz erfreut.
10.25 Uhr F. d. R. d. A.: Röbisch
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Berlin, 24. Februar 1971
26/BA/142/69/216 /Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht vom 23. Februar 1971
6989 Eva-Maria Hagen meldet sich bei Wolf Biermann und berichtet, daß sie eine Auseinandersetzung mit ihrer Tochter Nina hatte. (Eva und Nina befinden sich zur Zeit in Dessau).
Nina wollte nach Berlin fahren und bei F.... wohnen. Eva war damit nicht einverstanden. Auf Evas Ablehnung reagierte Nina mit der Drohung, sie wolle Eva verlassen und zu ihrem Vater gehen.
Eva ist verzweifelt, unter diesen Umständen kann sie nicht arbeiten. Sie will nichts weiter mehr vom Leben, sie will nur arbeiten. Sie heult und meint, sie kann das nicht mehr aushalten mit Nina. (........) Jetzt will sie zu ihrem Vater, der sich jahrelang nicht um Nina kümmerte. Eva möchte nichts mehr mit Nina zu tun haben, wenn sie zum Vater geht. Durch all diese Umstände ist Eva völlig unzuverlässig und schwach geworden, sie kann sich nichts mehr merken. Die ganze Arbeit geht ihr flöten.
Wolf rät, Eva soll sich ihrer Arbeit widmen. Sie soll Nina nach Berlin schicken, er wird sich um sie kümmern.
9.53 Uhr
Herr Lochmann meldet sich bei Wolf Biermann. Er entschuldigt sich für die Störung in der vergangenen Nacht. Wie er (Lochmann) erläutert, hat er die Idee, Wolf zu besuchen, von Peter Rau, ehemaliger Parteisekretär von Bergmann Borsig.
Herr L. will Wolf anschließend besuchen.
10.24 Uhr
Eva meldet sich bei Wolf. Er teilt ihr mit, daß Nina bei ihm angekommen ist. Sie wird in seiner Wohnung schlafen. Am Wochenende beabsichtigt Eva, nach Berlin zu kommen.
17.53 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Abschrift vom Tonband
Treff mit "Schwarz" am 5.3.71 BStU 000027
Bericht zum Auftrag H a g e n, Nina
Auftragsgemäß unterhielt ich mich vor einigen Tagen mit dem
K r a u s e, Charly über die H.
Er sagte mir das sich die nach wie vor noch über das Wochenende bei ihm in der Wohnung aufhalte. Zur Zeit sei sie aber zu einen Ski-Ausflug mit der ganzen Klasse bis zum Wochenende. Ich steuerte nun auf mein Anliegen zu, und erklärte das ich für einen satirischen Abend einige geistige und stilhafte Anregungen brauchte und ob er nicht wisse ob die H. einiges an Literatur oder Schallplatten hier in Annaberg habe, eventuell von ihrer Mutter oder dem Biermann, vielleicht einige Prosawerke oder ähnliches.
K. sagte mir, ja die Nina hat da einiges da, Bücher und Schallplatten, bei uns zu Hause. Da läßt sich bestimmt etwas für dich tun. Er selbst lese gegenwärtig ein Stück von Biermann, d.h. das erste Musical mit dem Titel "Tra-Tra" welches in Frankfurt/ Main zur Aufführung kommen soll.
Ich sagte dem K. das ich gerne mal etwas von Biermann lesen würde um eventuell seinen Stil als Anregung zu nehmen, mehr sei ja hier nicht gestattet, und ob ich nicht einmal die Nina diesbezüglich sprechen könnte.
K. sagte mir zu das er das gerne vermitteln wird.
Ich werde mich also dann nächste Woche mit der H. in Verbindung setzten und das Notwendige feststellen.
F.d.R.d.A. ........
Abteilung XX/7
Rostock, 7. 5. 1971
Bericht
Quelle: IMV "Jäger"
angen.: Ltn. Hagemann
Der IMV berichtete, daß er in sämtlichen Räumen war, die Biermann/Hagen bei V. in Neuendorf bewohnen. Der IMV konnte nicht feststellen, daß evtl. Adressen von Verbindungen des Biermann oder der Hagen sich in der Wohnung befinden. Nach Angaben des IMV befindet sich dort auch keine Literatur, die sich gegen die DDR richtet.
Der Gastgeber V. wurde zu Ostern von Hagen telefonisch angerufen und zum Fest gratuliert. Dabei hat die H. nicht geäußert, ab wann sie wieder in Lütow ist.
Hagemann
Leutnant
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Abschrift M-Brief Rostock, 18. 5. 1971
Liebe Frau Hagen!
Ich hoffe, daß Sie die Premiere gut hinter sich gebracht haben. Wir haben ganz fest die Daumen gedrückt. Doch nun habe ich eine ganz freudige Nachricht, die uns sehr froh gemacht hat.
Wir haben eine Wohnung, eine richtige kleine Wohnung. Jeder hat sein Zimmer, ein Garten am Haus gehört zur Wohnung.
Es ist eine wunderschöne ruhige Gegend, fast wie auf dem Land. Jetzt sind wir dabei, den Boden für unsere "Sommergäste herzurichten". Ich hoffe, daß wir in der nächsten Woche damit fertig werden. Jetzt können wir unser Versprechen, sie zum Urlaub einzuladen, realisieren. Wir würden uns sehr freuen über ihren Besuch.
Seitdem wir hier wohnen, ist auch unsere Tochter nur noch gesund und munter. Sie macht viel Freude. In der nächsten Woche habe ich eine große Prüfung vor mir, Abschluß des Klassiker-Szenenstudiums. Mein Mann macht im Moment seine letzte Nachhole-Sportprüfung. Die "Karo" macht ihm zu schaffen, die richtige Kondition zu erreichen. Pfingsten, am 31. machen wir eine Exkursion mit der Schule nach Berlin ins Maxim-Gorki-Theater, um den "Schatten" anzusehen. Da ich Dienstag und Mittwoch auch in Berlin bin, um mir noch einige andere Theaterstücke anzusehen, werde ich Zeit finden, sie zu besuchen. Wie gehts Nina? Was machen ihre Pläne?
Wir hatten geplant, im Sommer wieder 1 Woche ohne Kind irgendwo zu zelten, aber wir bekamen nur Absagen von Stralsund. Ich erzählte meinem Mann von Ihren herrlich ruhigen Urlaubsdomizil und er war begeistert und frage nun ganz bescheiden, ob Sie uns weiter helfen könnten. Wir würden uns sehr freuen. Unsere Neue Adresse ist .....
Wir hoffen, daß wir Sie recht bald bei uns begrüßen können.
Mit herzlichem Gruß .... + ...
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Abteilung XX/7 Rostock, 25. 5. 71
Quelle: IMV "Jager" angen.: Lta. Hagemann
B e r i c h t
Der IM gab eine mündliche Information über B i e r m a n n / H a g e n. Der IMV berichtetet, daß sich Biermann/Hagen seit dem 19.5.71 in Lütow aufhalten. Biermann äußerte gegenüber dem IMV, daß Eva-Maria Hagen in Stralsund mit der DEFA einen Kriminalfilm dreht und er aus diesen Gründen mit nach Lütow gefahren ist. Nach Angaben des IMV ist B i e r m a n n täglich mit Eva-Maria H a g e n nach Stralsund gefahren, die dort an den Dreharbeiten teilnahm. Desweiteren wurde durch Biermann geäußert, daß sie sich bei einer Familie in Zinnowitz ein altes Schlafzimmer (Antiquitätenmöbel) gekauft haben. Namentlich wurde diese Familie nicht bekannt. Nach Angaben von B i e r m a n n gegenüber dem IMV, werden sie im Juli und August in Lütow ihren Urlaub verleben, da Eva-Maria H a g e n bis Ende Juni noch am Theater tätig ist.
Der IMV schätzt ein, daß sich das Verhältnis zu Biermann günstig gestaltet hat und in der Perspektive noch ausbaufähig ist.
H a g e m a n n
Ltn.
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1.2
- Abteilung XX/7 - Rostock, 17. 6. 71
Treffbericht
Quelle: IMV "Jäger"
angen.: Ltn. Hagemann, 17. 6. 71
I n f o r m a t i o n
Der IMV berichtete, daß sich B i e r m a n n und H a g e n vom 7. 6. bis 12. 6. 71 in Lütow/Neuendorf aufgehalten haben. Beide Personen kamen unangemeldet. Gegenüber dem Gastgeber hat B. geäußert, daß er in Moskau bei Freunden war.
B. äußerte sich in diesem Zusammenhang, daß er sehr beeindruckt war von dieser Reise und vor allen Dingen von den gastfreundlichen Menschen in der UdSSR.
In einem anderen Zusammenhang schimpfte B. auf die Nazis, die er als Bestien bezeichnete, die seinen Vater im KZ umgebracht haben.
Nach Aussagen und Einschätzung des IMV, ist B i e r m a n n und H a g e n des öfteren bei den Usedomer Künstlern gewesen.
Besucher hat B. während seines Aufenthaltes in Lütow nicht empfangen.
Hagemann, Ltn.
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1.2
- Abteilung XX/7 - Rostock, 18. 6. 71
Treffbericht
Quelle: GMS "Taube"
angen.: Ltn. Hagemann, 18. 6. 71
I n f o r m a t i o n
Der GMS berichtete, daß der Lyriker B i e r m a n n und die Schauspielerin Eva-Maria H a g e n bei Frau Wegner in Neuendorf waren. B. äußerte, ob Frau W. wüßte, wer in Lütow oder Neuendorf für Juli und August ein Zimmer vermietet. Frau W. sagte, daß sie doch bei A. V o l k w a r t Unterkunft hätten. Biermann erklärte, daß er dieses Jahr im Sommer sehr viel Besuch erwartet und jetzt noch 1 Zimmer für einen CSSR-Bürger, der Regisseur ist, benötigt.
B. wurde empfohlen, sich an das Reisebüro zu wenden, was er aber ablehnte, da er gerne ein privates Quartier hätte.
H a g e m a n n , Ltn.
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Greifswald, d. 21. 7. 71
12058/5
Bd. 07/ I.u. II.S./Kn.
handschriftlicher Vermerk:
Interessant ! XX/7
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t / 6.
B i e r m a n n, Wolf
Am 17. 7. 71 hatten Biermann und Eva-Maria H a g e n von 20.00 Uhr bis 0.30 Uhr Besuch. Es handelte sich um Eddi, Willi und Konrad Goltzei, genannt: Conni. Die drei Genannten waren eingeladen, weil sie das Boot von Biermann etwas umbauen sollten und den Bootssteg verändern.
Die Unterhaltung der drei wurde vorwiegend mit Eva-Maria geführt, Biermann spielte dabei sehr oft auf der Gitarre. Der eine erzählte, daß er noch gar nicht zu Hause war, er hat Überstunden gemacht, seine Frau weiß darüber Bescheid. Ein anderer erkundigte sich bei Biermann über dessen Lieder. Biermann erklärte ihm, daß sie hier verboten sind, deshalb schickt er sie nach dem Westen, sie werden dort aufgeführt. Dafür bekommt er dann einen Scheck, den löst er hier ein. Meistens sind es 80.-- Mark bis 100,-- Mark. Er könne natürlich darauf verzichten, aber dann wäre er ja blöde, wenn er es nicht machen würde. Oft bekommt er dann auch eine Flasche. Der Herr konnte das verstehen, mit der Flasche ist doch wohl zu merken der Unterschied, er braucht dann nicht immer diesen blöden Wodka zu trinken.
Sie sprachen dann über einige Likörsorten, die Eva-Maria trinkt. Da alle etwas dazu sagen wollten, waren Einzelheiten nicht zu verstehen. Der eine Herr macht es sich bei einer Flasche Bier gemütlich und hört dann die Westsendungen, besonders am Sonnabend und Sonntag Vormittag.
Sie kamen dann auf die Veränderungen am Boot und am Bau des Bootssteges zu sprechen. Beim Boot geht es um einen größeren Raum zu erhalten. Wegen des Bootssteges wollte Eva-Maria den einen (es wurde kein Name genannt) noch agitieren damit er einverstanden ist. Die Besucher erklärten, daß sie es nicht brauche, das machen sie schon. Biermann wollte mit dem sprechen, es geht ihm darum, daß er dann das Boot immer vom Fenster aus sehen kann. Alle drei Besucher sind einverstanden, wenn sie zwei Wochenenden daran arbeiten, sind sie fertig. Einer der Besucher erzählt Eva, daß alle für ihn eine Frau beschaffen wollen. Die und die wäre frei, Schwester Monika ... aber er ist erst 20 Jahre und hat noch Zeit. Eva-Maria ist auch dieser Meinung, sie hatte ihn erst auf 18 geschätzt. Ein anderer, es war kein Zusammenhang festzustellen, erklärt etwas von der katholischen Kirche, in der Nähe, dort ist auch das Staatssicherheitsgebäude.
Es wurde nicht weiter darauf eingegangen. Ein Kind kam Biermann ans Telefon rufen.
Eva-Maria fing an mit den Besuchern über die Bezahlung für ihre Arbeit zu sprechen. Alle drei ereiferten sich, daß es gar nicht in Frage kommt, sie helfen gerne, dafür sind sie heute eingeladen worden und morgen können sie nochmal einen Kognak zusammen trinken, eine Bezahlung steht nicht zur Debatte. Eva-Maria war zum Schluß damit einverstanden.
Ein Besucher meint dann, er sagt immer Evchen zu ihr und du, und sie haben noch keine Brüderschaft getrunken, sie soll es ihm nicht übel nehmen. Eva-Maria war der Meinung, daß sie eben noch Brüderschaft trinken müßten. Dazwischen erklärt der eine Besucher, Eva würde sie morgen schon finden, wenn sie sie abholt, es stehen dort nur drei Wohnwagen. Danach trank Eva-Maria mit allen drei Besuchern Brüderschaft.
Ein Besucher kam auf eine Erinnerung zu sprechen, ein Bild von Eva-Maria. Sie wehrte ab, die sie hat, taugen nicht viel, sie bringt aber morgen den Fotoapparat mit, dann können sie sich alle fotografieren, sie schreibt dann eine schöne Widmung. Die Bilder entwickelt sie danach und schickt sie den Besuchern.
Sie soll aber auch nicht das andere vergessen, auf jeden Fall so einpacken, daß man das nicht zerreißt, sie wisse schon, so kleine schweinische Lieder und so. Eva-Maria wußte Bescheid, sie wird es schon machen.
Ein Besucher sprach sehr laut über Filme entwickeln und meinte dann, er will mal leiser reden, weil Eva es ja gesagt hat, sie sollen nicht so laut reden. Alle lachten.
Dann wurde Eva-Maria aufgefordert, etwas zu singen, sie hätten immer gesungen:
beim Militär ist es so schön, ich kann dich nicht verstehn. Oder: am Neuendorfer Bahnhof, ein Kumpel stand oder der Buchholzhimmel breitet seine Sterne über unsere Muckerlöcher aus und der Spieß, der schreit schon aus der Ferne mit dem Urlaubsschein da ist es aus. (Alle lachten.) Oder: auf dem Berliner Bahnhof, ein Volksarmist stand, er hielt seine Koffer fest in der Hand, er kennt keinen Kapo keinen Leutnant nicht mehr, Parole heißt Heimat und nie wieder her. Laß die Knarre im Schrank doch verrosten, denn der Staat bezahlt ja die Kosten. Wir fahren nach Hause in eine bessere Zeit und die nach uns kommen, tun uns heute schon leid. (Sie lachten wieder.) Biermann meint, das wäre ja schon Wehrkraftzersetzung. Ein Besucher erklärt in der Ecke von Berlin wo er wohnt, da wohnt auch ein Offizier. Als er ihn mal traf meinte er zu dem, na, er ist ja befördert worden, da stand der stramm und meinte, ich diene der Deutschen Demokratischen Republik. (Sie lachten darüber).
Danach kamen sie wieder auf die morgige Arbeit zu sprechen. Der eine Besucher warf dazwischen, wenn er von Buske was will, spricht er ihn auch als Meister oder als Chef an.
Sie sprachen dann über das Trinken, Eva hat noch drei Flaschen und dazu noch zwei auf dem Boden, etwas wollen sie aber noch zu morgen lassen.
Danach kamen sie auf die Widmung auf dem Bild von Eva zu sprechen, sie wird schon was Schönes drauf schreiben, meinte sie. Eddy warf dazwischen, daß es ihm hier gefällt, er fühlt sich wie zu Hause. Wenn er das Bild hat, dann kann er es zeigen und sagen, so etwas hat keiner mit persönlicher Widmung von Eva-Maria Hagen
Ein Besucher schlug vor, daß sie nach Hause fahren, sie bestellen einfach ein Taxi. Eva lehnte es ab, es wäre auch schon zu spät. Zwei fahren mit dem Fahrrad, wenn sie es noch können, der dritte bleibt da. Er bekommt ein Zimmer. Morgen holt sie dann die beiden ab. Die Besucher waren einverstanden.
Biermann klimperte wieder auf seiner Gitarre, die Besucher begannen dann zu singen, die Lieder die bereits angeführt wurden. Nebenbei wurde noch das Radio eingeschaltet. Gegen 24.00 Uhr zeigte dann Eva-Maria einen Besucher das Zimmer. Die beiden anderen verabschiedeten sich kurz danach.
Bis gegen 0.30 Uhr räumte Eva-Maria mit Biermann das Zimmer auf. Beide brachten zum Ausdruck, daß die drei in Ordnung sind. "B e r n d
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Greifswald, d. 21. 7. 71
12058/ 4 Bd. 16 1. u-II.S./Sch.
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
B i e r m a n n , Wolf
Am 18. 7. 71 kamen am Abend zwei Herren zu Wolf und Eva. Der eine Herr wurde mit Eddi angesprochen. Zwei Herren spielten zunächst Schach.
Eva wollte dann wissen, wie es mit Dienstag ist, Dienstag ist sie wieder da. Der Herr erklärte ihr, daß Eddi am Dienstag mit Günter o.ä. kommt. Es wird alles klar gemacht. Im weiteren Verlauf des Abends wollten sie Evas Adresse haben.
Sie tauschten untereinander Adressen aus. Eddi gab ihr die Adresse von Neuendorf. Dabei fiel noch der Name Konrad Sulizei o.ä. Die Herren wunderten sich über diesen Namen.
Weiterhin erkundigte sich einer bei Eva danach, ob sie seine zukünftige Frau kennt.
Eva konnte sich daran erinnern. Es ist die Frau, die beim Kegeln die meisten Medaillen geholt hat. Es wurde dann zwischendurch viel auf der Gitarre gespielt. Dazwischen wurde viel getrunken. Es fiel dabei auch der Name Rode.
Sie kamen dann weiterhin auf unsere Schuhproduktion zu sprechen. Sie waren der Meinung, daß unsere Schuhe einfach nichts taugen. Ein Herr hatte tschechische Schuhe, die sind wunderbar. Eva wollte dann für sie Abendbrot machen. Einer wehrte jedoch ab, denn er erinnerte daran, daß es bereits 22.30 Uhr ist. Sie müssen noch nach Neuendorf fahren und dann wird es ziemlich spät. Sie alberten dann noch viel umher und brachen gegen 22.30 Uhr auf. Am 19.7.71 waren Eva und Wolf am Abend mit einem Ehepaar zusammen, welches ein Kleinkind bei sich hatte. Sie unterhielten sich zunächst über die Elbschifffahrt und malerischen Landschaften.
Im weiteren Verlauf ihrer Unterhaltung kamen sie auf eine Person zu sprechen, die im KZ gesessen haben soll. Es ging um die politische Anerkennung als VDN in der DDR. In diesem Zusammenhang kamen sie auf die Überlebenden von Auschwitz und Buchenwald zu sprechen. Von den Personen, die den II. Weltkrieg überstanden haben, sind ungefähr 20% Häftlinge die im KZ gesessen haben. Sie unterhielten sich dann noch über populär-wissenschaftliche Bücher. Der genaue Zusammenhang war jedoch nicht zu ermitteln, da zwischendurch das Radio spielte und ab und zu auf der Gitarre gespielt wurde.
Am Vormittag des 20.7.71 hielten sich beide noch mit dem Ehepaar im Zimmer auf. Es wurden die Nachrichten von drüben verfolgt und wieder ab und zu auf der Gitarre gespielt. Im Verlauf des Tages hielt sich nur das Ehepaar mit dem Kind im Zimmer auf.
gez.: "Bernd"
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1.2. Rostock, 27. 7. 1971
Abteilung XX/7
Quelle: IMV "Lerche"
angen.: Oltn. Wachlin
Information über Biermann/Hagen
Der IMV suchte B./H. auftragsgemäß am 17. 7. 1971 in Lütow-Neuendorf auf. Hagen freute sich nach Angaben des IM über das Erscheinen des IM sehr. Der IM erzählte, daß er ab Mitte August 1971 Urlaub in Lütow machen will und auf Quartiersuche ist. B./H. gaben den Hinweis, doch in den umliegenden Häusern einmal nachzufragen. Sie äußerten, daß sie ein neues Motorboot haben (etwa 8 m lang) und man ja gemeinsame Fahrten unternehmen könnte. B./H. erwarten in Kürze auch den Regisseur für Dokumentarfilme Böttcher aus Berlin, der sie besuchen wird. (.....................)
Der IM berichtete dem B. dann, daß er vor längerer Zeit von einer Person Hans P..... aufgesucht wurde, den er bei einer Studentenveranstaltung im kleinen Haus in Rostock kennenlernte. Dieser P. gab an, B./H. sehr gut zu kennen (s. entsprechenden Bericht des IMV).
B. bemerkte hierzu, daß ihn viele Personen kennen und sagte wörtlich "Na Gott, wer kann nicht alles bei der Stasi arbeiten, P......., Sie, ich, wer weiß!"
Der IM bemühte sich nach dem Gespräch mit B./H. um Unterkunft ab 10. 8. 1971.
Er bekam ein Zimmer bei Grete Horn, 2221 Lütow
Wachlin Oberleutnant
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1.2.
Rostock, 30. 7. 1971
Abteilung XX/7
Quelle: IMV "Reinhard"
angen.: Ltn. Hagemann
B e r i c h t
Der IMV berichtete, daß sich der Lyriker Wolf Biermann ein größeres Fischerboot mit Kajüte gekauft hat. Nach Angaben von Biermann will er es vom Fleischermeister Sch. aus Zinnowitz für 12.000 M gekauft haben. Das Boot soll nach Angaben des IMV gut erhalten und mit einer starken Maschine ausgerüstet sein.
Am 13. 7. 1971 war Biermann mit diesem Boot nach Lassan/Kreis Wolgast und hat dort Personen aufgesucht. Über die Namen und den Charakter des Besuches sprach B. nicht. Am 8. 8. 1971 bzw. 9. 8. 1971 soll sich Biermann beim Anschmeißen des Motors von seinem Boot den rechten Arm gebrochen haben, und zwar durch den Rückschlag der Kurbel, die mit der Schwungscheibe gekoppelt ist. Daraufhin ist Biermann sofort nach Berlin zur ärztlichen Untersuchung gefahren.
Desweiteren berichtete der IMV, daß Eva-Maria Hagen ebenfalls krank ist und durch den Zeltplatzarzt von Lütow ärztlich betreut wird.
Hagemann
Leutnant
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20.8.71
B E R I C H T
Am 10. 8. 71 unterhielt sich Spielleiter der mus. Sparte Kollege Hellwig mit mir über das "Hoftheater". Er erkundigte sich wieviel Vorstellungen geplant sind und deutete mir an, dass er Anfang September nach Dessau fahren würde um mit der Eva-Maria Hagen weitere Vorstellungen seitens der Hagen in Annaberg zu verhandeln. Ich gab ihm klar zu verstehen, dass daraus nichts mehr werden wird, da Annaberg die Hagen nicht mehr nimmt. Der H. regte sich auf, warum nicht, was wir dagegen hätten und wir wären nur deshalb dagegen, weil die Hagen mit dem Biermann liiert sei. Aber der Biermann sei garnicht so schlecht in WD. werde er anerkannt und der H. vertrat praktisch den Biermann sowie die Hagen in politischer Hinsicht. Diese Angelegenheit habe ich dann in der Parteileitungssitzung zur Sprache gebracht um zu verhindern, dass die Hagen in Annaberg wieder Fuss fassen kann. Der Intendant hat daraufhin Stellung genommen und hat ebenfalls entschieden, dass die H. hier nicht wieder arbeitet. Alle Mitglieder der Parteileitung lehnten den Einsatz der H. in Annaberg ab. Am nächsten Tag traf ich den H. und er sagte zu mir, warum ich gepetzt habe und gleich zum Intendanten gerannt wäre. Ich gab ihm darauf die richtige Antwort.
WAGNER
_________________
XX/7
Greifswald, den 18.8.71
12058/ 6
292/II.S./286 I.S. Sch.
Informationsbericht
Biermann, Wolf
Am 11.8.71 hielten sich am Vormittag Wolf und Eva mit den Kindern Jonas und Manuel im Zimmer auf.
Wolf beschloß, daß sie gemeinsam mit dem Boot nach Ückeritz fahren wollen. Nachdem er sich mit Ückeritz verständigt hatte, fuhren sie gegen Mittag los.
Am 13.8.71 sprachen sie kurz über den 13.8.61. Wolf meinte, daß heute ein denkwürdiger Tag ist. Vor 10 Jahren wurde in Berlin die Mauer errichtet. Weiter wurde darauf nicht eingegangen. Sie beschäftigten sich wieder viel mit den Kindern und Biermann spielte auf der Gitarre dem Jonas Kinderlieder vor. Am Abend des 13.8.71 war Wolf mit Eva und einem Herbert mit seiner Frau kurz im Zimmer, Herbert erzählte vom II. Weltkrieg. Er war mit einem Dänen in einem Luftschutzkeller eingeschlossen. Durch die Geistesgegenwart des Dänen konnten sie sich wieder aus dem Raum befreien.
Er erzählte dann noch von Onkel Kallimann o. ä. der auch im Spanienkampf gewesen war. Onkel Kallimann war auch an der Organisierung von Streiks im Jahre 1950 im Hamburger Hafen beteiligt. Zu bemerken wäre, daß Biermann sich zu all diesen Dingen wenig äußerte.
Kurz darauf verließen sie wieder das Zimmer.
Am vergangenen Wochenende waren sie nur ab und zu mit den Kindern zu hören.
Am 16.8.71 war am späten Nachmittag Jürgen mit seiner Frau bei Wolf und Eva. Es wurde zunächst sehr laut das Radio eingestellt. Sie alberten gemeinsam viel umher. Jürgen erzählte ihnen dann einige Geschichten aus seiner Jugendzeit. Sie hielten sich nur für kurze Zeit im Zimmer auf. An den folgenden Tagen waren sie nur mit den Kindern zu hören. Sie waren viel mit dem Boot unterwegs, um zu angeln.
gez.: „ Bernd “
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Greifswald, d. 29. 8. 71
12058/7
288/II.S./294/I.S./Kn.
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
Biermann, Wolf
Am 27. 8. 71 erfuhr ich folgendes:
Gegen 14.00 Uhr kam ein Herr, dessen Name nicht bekannt wurde, zu Besuch bei Biermann. Eva-Maria Hagen brachte ihn hinauf. Biermann begrüßte ihn sehr herzlich. Der Besucher meinte, er hat sich damals schlecht benommen. Biermann wehrte ab, so war es doch nicht. Eva war auch dieser Meinung, der Besucher hätte doch gemeint, daß er in schlechter Verfassung ist. Der Besucher blieb aber dabei, daß er sich schlecht benommen hat. Er wechselt das Thema und meinte, Biermann kenne doch den ganzen Kreis, den er - Besucher - hat. Der eine hat eine wunderbare Frau und vor 14 Tagen hat er nun das letzte, was er besaß über seine Mutter mitgegeben, so daß er jetzt gar nichts mehr hat. Biermann wollte wissen, ob er keine Container hat. Der Besucher erklärte, er hat sich jetzt welche anfertigen lassen. Er hat damals einen Trost gesucht, den er glaubte im Alkohol zu finden. Als Student trug er Tucholski unter dem Rock, aber den ging es auch nicht anders, der hat auch keinen Ausweg gefunden. Nun hat er ein kleines Büchlein bekommen als er in Berlin war. Ihm gefällt es, es ist von Biermann. B. solle seine Eigenart weitermachen und nichts verändern. Sein Patensohn hat auf Tonband mitgeschnitten von einem aus dem Westen, der wohl mal Lieder bei Biermann aufgenommen hat. Dann hatte der Besucher einen Trost und eine Frage, ob sie sich nicht mal heute abend zusammensetzen könnten oder ob B. was vor hat. Biermann verneinte, aber er ist noch wacklig auf den Beinen. Außerdem wäre es gut, wenn er Eva dabei hätte. Der Besucher konnte das verstehen. Er hatte dann noch eine Bitte, er wollte gerne einen mitbringen, er ist Geologe, der kommt nächste Woche. Der will auch sein eigenes Leben führen. Er möchte gerne, daß Biermann mal mit dem spricht. B. war einverstanden. Der Besucher fuhr fort, der findet Biermann auch gut nur ist er den Meinung, daß es mit dem Sexuellen nicht stimmt. Eva lachte und erklärte, da kann er beruhigt sein, das stimmt auch.
Danach erzählt der Besucher von Niemeyer-Holstein, daß er eine Ausstellung anlässlich seines Geburtstages machen wollte, er hat eine Abfuhr erhalten. Er ist sehr böse gewesen. Man hat ihn auch gefragt wie er zu Biermann steht, positiv, hat er gemeint. Wie der Besucher wußte, geht es da um politische Dinge. Biermann äußerte, er hat vor Niemeyer-Holstein große Hochachtung. Weiter meinte B. dann, mit dem Gespräch wollen sie noch warten, der Besucher soll nochmal vorbeikommen. Dieser war einverstanden. Abschließend bat der Besucher noch, Biermann solle ihm doch von seinen Büchern etwas besorgen. Es ist so schwierig, sie zu bekommen, weil nichts veröffentlicht wird. Biermann erklärte, daß seit 6 Jahren nichts mehr veröffentlicht wird. Danach gingen beide Personen hinaus.
Gegen 18.00 Uhr besuchte eine Annaberger Familie Biermann und Eva-Maria Hagen.
Da sie noch nichts gegessen hatten, aßen sie erstmal. Biermann begann auf der Gitarre zu klimpern. Er pfiff und sang, aber ohne Text zuerst.
Danach sang Eva-Maria mit Biermann zusammen. Es war dadurch oft kein Zusammenhang zu verstehen.
Ein Lied handelte von ... all mein Leid ist bald vorüber. Es war eine Übersetzung aus dem Amerikanischen. ... ich habe das kleine Wort Freiheit gedruckt in meinen Büchern ... dort steht mein Bruder und fragt ... Refrain: all mein Leid ist bald vorüber. Danach sang Biermann ein Lied von mageres Essen und Schmalz und mager sind Arme und Hals, das werden auch die Würmer feststellen, wenn er gestorben ist.
Ein weiteres Lied handelte von Träume, die durch Gras und Disteln wandern.
Eva erklärte dann, daß B. mal eines seiner "heißen Lieder" singen wird.
Biermann begann: (Der Anfang war nicht zu verstehen)
... Berlin die Stadt ... die Landung war für ihn kriminales... wie bei Canaris ... mit Marx und Engelszungen sehen sie die Heuer rinnen, so brachten sie im Kreuzverhör noch keine Mann zum Singen.
Refrain: Ach, kratze Verner, Paul, ein Spatzenhirn mit Löwenmaul. Der Herr macht es sich selber schwer, er war nicht populär.
Wenn jemand heute solche Lieder singt, kann irgendwas passieren, ... heute früh zum Kassieren. Die Drohung schrie Horst Sindermann der Gouverneur von Halle ... denn eines schönen Morgens quasi stehn vor deiner Tür die Jungen von der Staasi.
Refrain: Ach, Sindermann, blinder Mann..... du liegst nicht schief, du liegst schon quer, du warst nicht populär.
Die Herren auf dem hohen Stuhl, die brauchen keine Kissen. Die Bürokraten hinter ... doch verraten sie das Angebot, sie dürfen nach dem Westen gehen ... Nachtigall, ach wäre das für sie schön, wenn überhaupt wer abhaun soll, dann sollen die selber gehen.
Im Neuen Deutschland find ich tagtäglich eure ... und trotzdem seid ihr morgen schon verdorben und vergilbt. Heut sitzt ihr noch im Speck als dicke deutsche Made. Ich konservier euch als Insekt im Bernstein der (Ballade o. ö.). Als Bernsteinmedaillon ... Brosche offen tragen, so werden euch die schönen Frauen im Kommunismus tragen.
Refrain: Und steht das Herz auch Sindermann, im wilden Ruf der Kinder dann, wird er schon was er heute wär ...
... wenn dieser deutsche Gartenzwerg verleiht die ... Dornenkrone. Wenn ihr euch wirklich schaffen wollt, ihr Herren dort droben... küßt mich doch die Runde ... küßt mich heiß. Gebt mir den Nationalpreis ... ich werde die 100000 dann versaufen und verfressen ein Haus mit Kuh und Strand kaufen ...
Refrain: Kaisers Geburtstag singen ... hoch auf dem Berge, wenn ihr mich wirklich schaffen wollt, dann nennt mich groß
... heute geträumt von Hexen und von alten Weibern ... ich hab geglaubt die Sonne käme nie wieder ... hinters Tageslicht all meine wahren Lieder. Heut morgen kam zu mir mein allerliebstes Schmeicheltier. Das war ein Frühstück in der Früh ...
Refrain: ... dann macht Marie das wieder gut, die Art wie sie das macht, bitte sehr, ist populär. (*
Die Besucher klatschten Beifall. Die Besucherin meinte, das ist Klasse! Auch er pflichtete bei. Eva-Maria lachte, es wäre auch eins seiner "heißen Lieder".
Der Besucher dankte für die Vorträge. Beim Hinausgehen meinte die Besucherin, sie hat viel von Eva-Maria gehört, kennt sie auch so vom Theaterspielen, nur weil sie keinen Fernseher haben, hat sie Eva-Maria eben noch nicht so gesehen. Nun haben sie Urlaub und gehört, daß sie mit Biermann hier ist, da dachten sie, die müssen wir mal besuchen. Vielleicht sehen sie sich im nächsten Jahr wieder. Eva-Maria wußte es noch nicht, es klappt nicht immer mit dem Urlaub. Sie wünschten sich dann alles Gute.
"Bernd"
Original-Text der Ballade
von Biermann:
DAS MACHT MICH POPULÄR
1
Warum die Götter grad Berlin
Mit Paule Verner straften
Ich weiß es nicht. Der Gouverneur
Ließ neulich mich verhaften
Das Kreuzverhör war amüsant
Auch für die Kriminalen
Ich wette: Dieses Kreuzverhör
Geht ein in die Annalen
Mit Marx- und Engelszungen sang
Ich bis sie Feuer fingen
So brachten die im Kreuzverhör
Noch keinen Mann zum Singen
Das ist der ganze Verner Paul:
Ein Spatzenhirn mit Löwenmaul
Der Herr macht es sich selber schwer
Er macht mich populär
2
»Wenn Biermann solche Lieder singt
Dann wird ihm was passieren
Dann kommt mal statt des Milchmanns früh
wer anders zum Kassieren!«
Die Drohung schrie Horst Sindermann
Der Gouverneur in Halle
Wie aber wird der Herr erst schrein
Im umgekehrten Falle:
Wenn eines schönen Morgens die
Bier- und Milchmänner quasi
Vor seiner Tür stehn, aber nicht
Die Jungens von der Stasi
Ach Sindermann, du blinder Mann
Du richtest nur noch Schaden an
Du liegst nicht schief, du liegst schon quer!
Du machst mich populär
3
Die Herren auf dem hohen Stuhl
Die brauchen keine Kissen
Ihr Bürokratenhintern ist
Verfettet und verschissen
Und trotzdem drückt noch dies und das
Sie sitzen gern bequem
Drum machten sie das Angebot
Ich dürft nach Westen gehn
(Ick hör dir trapsen, Nachtigall!)
Ach, wär das für die schön!
Wenn überhaupt wer abhaun soll
Dann solln die selber gehn
Und schmeißt ihr heute raus den Biermann
Dann ist er morgen wieder hier, dann
Droht mit Knast ihr? Bitte sehr!
Auch das macht populär
4
Und sperrt ihr mich im Eisschrank ein
Ich fühl mich wohl dabei
Ich spür bei jedem Kältegrad
Die Obhut der Partei
Bei jedem Kübel Dreck spür ich
Die Liebe des ZK
Zum ganzen 11. Plenum sag
Ich zwölfmal: Ja! Hurra!
Ihr habt ja euer Innerstes
Noch nie so schön gezeigt
Der deutsche Michel sah bei Licht
Ins Herze euch und ... schweigt
Ihr löscht das Feuer mit Benzin
Ihr löscht den Brand nicht mehr
Ihr macht, was ihr verhindern wollt:
Ihr macht mich populär
5
Im ›Neuen Deutschland‹ finde ich
tagtäglich eure Fressen
Und trotzdem seid ihr morgen schon
Verdorben und vergessen
Heut sitzt ihr noch im fetten Speck
Als dicke deutsche Maden
Ich konservier euch als Insekt
Im Bernstein der Balladen
Als Bernstein-Medaillon, als Ring
Als Brosche auf dem Kragen
So werden euch die schönen Fraun
Im Kommunismus tragen
Und steht der Vers auf »Sindermann«
Im Lesebuch der Kinder dann
Wird er, was er gern heut schon wär
na was wohl? populär
6
Verdammt, es kotzt mich trotzdem an
Es reizt mich nicht die Bohne
Wenn mir der deutsche Gartenzwerg
Verleiht die Dornenkrone
Wenn ihr mich wirklich schaffen wollt
Ihr Herren hoch da droben
Dann müßt ihr mich ganz öffentlich
Nur LOBEN LOBEN LOBEN
Ihr seid im Volk ja so beliebt
Ein Kuß von eurem Munde
Macht den Geküßten todeskrank
So küßt mich doch, ihr Hunde!
Küßt mich, bestecht mich, liebt mich heiß
Greift tief in eure Tasche
Gebt mir den Nationalpreis und
Versteht sich: Erster Klasse
7
Ich werd die hunderttausend Emm
Verfressen und versaufen
Ein Haus mit Kuh am Waldesrand
Werd ich vom Rest mir kaufen
Die Milch von eurer Denkungsart
Melk ich in Aufbau-Bände
Ich pflück euch Blumen, sing dabei
Ein Lied auf Mutterns Hände
Dann zieht in mich die Weisheit ein
Die Stirn wird licht und lichter
Ich sing im Chor und werde ein
Kaisers-Geburtstags-Dichter
Dann blas ich euch zu Riesen auf
Hoch oben auf dem Berge
Wenn ihr mich wirklich schaffen wollt
Dann nennt mich »groß«, ihr Zwerge
8
Ich habe diese Nacht geweint
Viel knochentrockne Tränen
Und hab die Fäuste wild geballt
Geknirscht auch mit den Zähnen
Ich habe diese Nacht geträumt
Von Hexen und von Drachen
Von alten Weibern, die mit mir
Parteiverfahren machen
Ich habe diese Nacht geglaubt
Die Sonne käm nie wieder
Und brächte nicht ans Tageslicht
All meine wahren Lieder
Heut morgen kam Marie zu mir
Mein allerliebstes Schmeicheltier
Das war ein Frühstück in der Früh!
Ein scharfes Brötchen hat Marie
Und Milch und Honig, weiche Knie
Und wenn mir jemand wehe tut
Dann macht Marie das wieder gut
Die Art, wie sie das macht, ist sehr ...
populär
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HA XX/7 Gen. Lohr
Berlin, 8. September 1971
26/BA/19/66/1393/ /Fi
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 7. September 1971
5418
Frau ...... unterhält sich mit Eva-Maria H a g e n. Frau .... ist bis heute abend in Berlin. Sie ist in der Oderbergersraße. Vorher war sie in Leipzig. Am 19. Oktober hat sie den Termin. Nun hat sie noch ein Jahr vor sich. Das Jahr hat sich aber auch geändert. Sie macht nun nicht den Schauspielschulabschluß, sondern Rundfunksprecher. Das macht sie auch in Rostock. Vielleicht ist sie dann ab nächstes Jahr in Berlin. Frau D......... fährt in der nächsten Woche nach Berlin. Und kurz darauf wird dann Frau .... von Adameck eingeladen werden, um zu sehen, ob sie Fernsehansagerin werden könnte. Alle raten ihr dazu. Sie selbst würde es auch gern machen. Frau Hagen rät ihr auch dazu. Frau .... wird sich vielleicht noch einmal melden.
14. 26 Uhr F. d. R. d. A.: F i s c h e r
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HA XX/7 Berlin, 6. September 1971
26/BA/19/66/1392 /Fi
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 3. September 1971
8998
Eva-Maria H a g e n sagt einer Frau B l u m e vom Deutschen Fernsehfunk, daß sie ihr Telegramm erhalten hat. Es handelt sich um "Polizeiruf 110". Bei Frau Hagen würde es zeitlich gehen. In der nächsten Woche wird Frau Blume das Manuskript bekommen. Sie werden es dann Frau Hagen zuschicken. Frau Hagen möchte wissen, ob es sich um eine Fernsehreihe handelt. Frau Blume erklärt ihr, daß es sich bei "Polizeiruf 110" um eine Fernsehreihe handelt. Es werden aber immer abgeschlossene Fernsehstücke gespielt. Und bei einem solchen Fernsehstück soll Frau Hagen eine Verkäuferin in einer Verkaufshalle spielen, in der gestohlen wird.
8.43 Uhr Leutnant K r i e m e l (o. ä.) von der NVA in Hinsdorf (o. ä.) hat schon 14 Tage versucht, Frau Hagen zu erreichen. Ihm ist bekannt, daß sie in Dessau am Theater spielt. Er hatte sich ans Theater zwecks eines Clubgesprächs gewandt. Sie sind eine kleine Dienststelle in Hinsdorf. Hinsdorf liegt 14 (oder: 40) Kilometer von Dessau entfernt. Sie wollten nun Frau Hagen zu einem Clubgespräch einladen. Sie sind ca. 50 Genossen. Da sie mitten auf dem Feld liegen, haben sie wenig Möglichkeiten, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Frau Hagen wäre zu einem solchen Gespräch bereit. Sie wird am Sonnabend, dem 25. September in Dessau zur Probe sein. Die Probe wird bis 12.30 gehen. Wenn der Leutnant um diese Zeit ins Theater kommt, könnten sie darüber sprechen. Der Leutnant wird dort sein.
F. d. R. d. A.: F i s c h e r
(handschriftlich): Cottbus HA II Ap. 396 1. LVD LSK 2157 KD Dessaus Gen. Börner wird IM beauftragen, der am 25. 9. 71 das Gespräch zwischen Hagen und dem Leutnant verfolgen soll.
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HA XX/7 Berlin, 10. September 1971
26/BA/19/66/1395/Fi
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 9. September 1971
5418
Ulli Braun aus Gera teilt Eva-Maria Hagen mit, daß er soeben vom Veranstalter erfahren hat, daß das Programm einen ganz anderen Charakter bekommt. Es wird ein rein konzertantes Programm sein. Das bedeutet, daß er alle seine schon unter Vertrag stehenden Solisten wieder rückgängig machen muß. Frau Hagen möchte Einsicht wahren. Der Vertrag wird selbstverständlich aufrechterhalten. Sie werden versuchen, ihr den Vertrag beim nächsten Termin anzubieten. In der Veranstaltung am 6. Oktober kann sie aber nicht auftreten. Frau Hagen fragt, ob Herr Braun von der KGB ist. Er bestätigt das. Er ist der Künstlerische Leiter von der Konzert- und Gastspieldirektion Gera. Frau Hagen erklärt, daß es immer so gewesen ist, wenn man einen Vertrag hatte, wurde ein anderer Termin vereinbart oder es wurde bezahlt. Herr Braun erwidert, daß sie ihr zwei Termine geben werden. Sie werden ihr auch einen dritten Termin geben, denn sie wollen endlich einmal die Eva-Maria Hagen in Gera haben. Herr .... hat Frau Hagen selbst für das Festprogramm vorgeschlagen, weil er von ihrer Arbeit begeistert ist. Er kann aber jetzt nicht. Sie ist nicht der einzige Betroffene. Am 6.10. geht es nicht. Sie bekommt aber von ihm drei Termine genannt. Frau Hagen ist damit einverstanden.
Monika Woytowicz teilt Eva mit, daß sie in Berlin ist. Wenn sie nicht stört, würde sie gern heute abend zu ihr kommen, um ein bißchen zu quatschen. Eva ist einverstanden. Im Moment sprechen Eva und Wolf nicht miteinander. Eva freut sich sehr auf Monikas Besuch. Monika möchte bei Eva schlafen. Eva ist damit einverstanden. Monika würde gern auch den Wolf sehen. Eva sagt, daß sie ihn ja anrufen und dann zu ihm hingehen kann. Zu Eva kommt Wolf aber nicht. Monika wird so zwischen 19.30 und 20.00 Uhr bei Eva sein.
F.d.R.d.A.: Fischer
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8.5.
Abteilung XX/7 Rostock, 16. 9. 1971
Quelle: IMV "Reinhard"
angen.: Ltn. Hagemann
B e r i c h t
Der IMV berichtete, daß er am 3. 9. 1971 von dem Lyriker Wolf Biermann zu Hause aufgesucht wurde. Im Gespräch erzählte B., daß er wieder nach Berlin fahren wird, da Eva-Maria Hagen zu Dreharbeiten nach Magdeburg muß. Desweiteren äußerte B., daß er sein Motorboot nach Zinnowitz zur Bootsreparaturwerkstatt Bolle gebracht hat. B. wird im Oktober wieder nach Lütow kommen, um sein Boot in die Schleuse von Volkwart zu bringen, damit es nicht über Winter draußen stehen muß. Desweiteren hat B. vor, dieses Jahr Silvester mit Eva-Maria Hagen in Lütow zu feiern.
Im Anschluß an das Gespräch suchten Biermann und der IMV die Gaststätte in Warthe auf. B. erzählte laut Witze über Eva-Maria Hagen u. a., daß Eva-Maria Hagen russisch und auch schwedisch sprechen kann, schwedisch hat sie z. B. im Bett gelernt, aber nicht russisch.
Hagemann, Leutnant
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1.2.
Abteilung XX/7 Rostock, 15. 9. 1971
Quelle: IMS "Meier"
angen. : Ltn. Hagemann
B e r i c h t
Der IMS berichtete, daß er einen Bekannten in Dresden hat, der als Kraftfahrer bei einem Betrieb für landwirtschaftliche Maschinen tätig ist und nebenberuflich sich als Kunstmaler betätigt. Bei dieser Person handelt es sich um:
P e t e r G r a f
wh.: Dresden
Im August dieses Jahres wurde der IMS von dem G. aufgesucht. In der Unterhaltung äußerte G., daß er Verbindung zu dem Lyriker Wolf Biermann hat und beabsichtigt, ihn in Lütow zu besuchen. Daraufhin äußerte der IMS sein Interesse, ebenfalls mit Biermann in Kontakt zu kommen. Es wurde vereinbart, daß G. den IMS anruft, zu welchem Zeitpunkt sie gemeinsam Biermann besuchen. Ungefähr 2 Tage bevor Eva-Maria Hagen aus dem Krankenhaus in Wolgast entlassen wurde, suchten Graf, Wegehaupt und der IMS mit seiner Ehefrau Biermann in Lütow/Neuendorf auf. Biermann erzählte über sein Theaterstück "Der Drache", das in München zur Aufführung kam. B. erzählte, daß es in diesem Theaterstück um Sex-Aphären ging, in denen Diplomaten verwickelt waren. Er äußerte aber, daß dieses Stück beim Publikum in München nicht angekommen ist.
Woran Biermann gegenwärtig arbeitet bzw. womit er sich in der Perspektive befassen will, hat er nicht geäußert. Der IMS schätzt ein, daß festzustellen war, daß Graf und Wegehaupt sehr eng mit Biermann befreundet sind. Nach Einschätzung des IMS, hat er relativ schnell zu Biermann Kontakt" herstellen können. B. hatte seine Absicht geäußert, den IMS zu besuchen, um seine künstlerische Arbeiten sich anzusehen. Zu diesem Zusammentreffen kam es aber nicht, da Biermann und Eva-Maria Hagen vorzeitig nach Berlin abgefahren sind.
Desweiteren berichtete der IMS, daß er von dem Schauspieler Rolf Ludwig - Volksbühne Berlin - zu einem Borchardt-Abend eingeladen wurde. Diese Veranstaltung organisierte Rolf Ludwig in seinem Wochenendhaus in Stoben/Kr. Wolgast, Anfang September 1971.
Daran nahmen außerdem Teil der Pastor aus Benz, Martin Bartel, der Bürgermeister aus Benz und einige Theologie-Professoren der Universität Greifswald, die dem IMS nicht namentlich bekannt wurden. In der Diskussion kamen sie auf den Lyriker Wolf Biermann zu sprechen. Rolf Ludwig äußerte, daß er Biermann ablehnt. Der junge Pastor Martin Benz äußerte in der Diskussion zu dieser Problematik folgendes: "Ich lehne den Lyriker Wolf Biermann ab, ich bin Bürger der DDR, ich bin Pastor, aber ich bin für den Sozialismus."
Die anwesenden Theologie-Professoren der Uni Greifswald äußerten sich zu dieser Problematik nicht.
Maßnahmen: - Bericht abschriftlich zum Teilvorgang Biermann
- Auszug über Pastor Martin Benz abschriftlich
an Referat XX /4, Hauptmann Thode.
Hagemann
Leutnant
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HA XX/7
Gen. Lohr
Berlin, 4. Oktober 1971
26/BA/19/66/1399/Fi
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 2. Oktober 1971
5003
Der Kulturoffizier der NVA-Einheit Hinstorf sagt zu Eva-Maria H a g e n , daß sich einiges geändert hat. Er schlägt ihr als neuen Termin den 13. November vor. Das ist ein Tag vor den Wahlen. Da haben sie Kompaniefest. Frau Hagen könnte auch nach ihrem Auftritt an diesem Kompaniefest teilnehmen. Frau Hagen ist damit einverstanden. Der Offizier wird am 8. Oktober im Kristallpalast sein, um sich mit Frau Hagen zu treffen. Da sich der Termin nun verschoben hat, schlägt sie vor, sich nicht am 8. 10., sondern 23. oder 24. Oktober zu treffen. Da hat sie nämlich auch wieder Auftritt. Sie einigen sich auf den 23. Oktober nach 13.00 Uhr. Der Offizier wird organisieren, daß einige Genossen seiner Einheit am 24. zu der Vorstellung gehen. Frau Hagen fände das schön.
12.51 Uhr
F.d.R.d.A.: Fischer
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Diese Inform. erhält auch der Gen. Hager
M I N I S T E R I U M F Ü R S T A A T S S I C H E R H E I T
Streng geheim!
Um Rückgabe wird gebeten!
Berlin, den 12. Nov. 71 8 Blatt/ 1. Exemplar
1. H (?) 2. Hag 3. Brosche/XX 4. Abl. - vernichtet 5. Schrö/XX
INFORMATION über die Absicht des "freischaffenden Schriftstellers" Wolf Biermann,
einen Antrag auf eine Reise nach Schweden zu stellen
Dem MfS wurde intern bekannt, daß
BIERMANN, Karl Wolf
geb. 15.11.1936 in Hamburg,
wohnhaft: 104 Berlin, Chausseestr. 131
beabsichtigt, beim Ministerium für Kultur eine Reisegenehmigung nach Schweden zu beantragen. Biermann will sich in seinem Antrag auf eine persönliche Einladung aus Göteborg beziehen, wo am 19. November 1971 am Stadttheater die Premiere seines Stückes "Der Dra-Dra" erfolgen soll.
Da die Einladung aus Göteborg auch seine Lebensgefährtin
HAGEN, Eva-Maria, geb. Buchholz,
geb. 19.10.1934 in Költschen, wohnhaft: 104 Berlin, Wilhelm-Pieck-Str. 220, einschließt, besteht die Absicht, zugleich für diese eine Ausreisegenehmigung zu beantragen.
Zur Aussage des Stückes "Der Dra-Dra" von Biermann wurde u. a. folgendes bekannt:
BIERMANN stellte sein Theaterstück "Der Dra-Dra" 1970 fertig.
Im April 1971 wurde es in den Münchner Kammerspielen aufgeführt.
Es handelt sich dabei um eine Fabel, die sich vom Motiv her an Jewgeni Schwarz Parabelstück "Der Drache" anlehnt und auf der Grundlage einer Drachentöterlegende aufgebaut ist.
Das Theaterstück soll von der Aussage her gesellschaftlichen Problemen des Kampfes unterdrückter Menschen gegen Ihre Unterdrücker sichtbar machen. Dabei unterläßt es Biermann offensichtlich bewußt, konkret auszudrücken, für welche Gesellschaftsordnung sein Stück zutreffend ist. Er stellt es den Akteuren frei, diese Fabel gegen die Verhältnisse in der kapitalistischen Ausbeuterordnung oder gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung auszulegen. In "Anmerkungen" zur Aufführung weist Biermann darauf hin, daß dieses Stück nicht "gegen alle möglichen Drachen der Welt zu spielen ist", sondern es sollte jeweils "gegen die eigenen Drachen in Szene gesetzt werden". Bezeichnend für seine Zielsetzung im Zusammenhang mit seinem Stück "Der Dra-Dra" ist Biermanns Äußerung einem "Spiegel"-Journalisten gegenüber (veröffentlicht im "Spiegel" Nr. 10/71), wo er sich als "staatlich anerkannter Staatsfeind der DDR" bezeichnete, "der in der DDR kein Theaterstück gegen den Drachen in der DDR aufführen darf".
Im Zusammenhang mit dem Vorhaben des Biermann, anläßlich der Aufführung seines Stückes
"Der Dra-Dra" in Göteborg um Ausreise nach Schweden zu ersuchen, wird unter Berücksichtigung der bekannten und in dieser Information nochmals zusammenfassend genannten Faktoren gebeten zu entscheiden, ob dem Ausreiseantrag stattgegeben werden sollte mit dem Ziel, Biermann nach erfolgter Ausreise die Staatsbürgerschaft der DDR abzuerkennen und seine Rückkehr in die DDR zu unterbinden.
(Die rechtlichen Grundlagen und Beweise dafür sind vorhanden).
Da der Ausreiseantrag auch seine Lebensgefährtin Eva-Maria Hagen betrifft, wäre es zweckmäßig, bei einer diesbezüglichen Entscheidung auch der Hagen unter gleichen Bedingungen die Ausreise zu gestatten.
Mielke
(handschriftlicher Vermerk:) Gen. Mielke : Man soll ihm die Ausreise genehmigen
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HA XX/7
Gen.Lohr
Berlin, 18. Nov. 1971
26/B/142/69/ 168/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 27. September 1971
6023
Martin Flörchinger unterhält sich mit Wolf Biermann und Eva-Maria Hagen über Inszenierungen und schauspielerische Leistungen einzelner Mitglieder des Berliner Ensemble. Ausführlich spricht Flörchinger über Schwächen der verstorbenen Helene Weigel.
Eva-Maria Hagen erläutert, daß sie gern am BE arbeiten würde. Sie wäre damit einverstanden, anfangs nur kleine Rollen zu spielen. Flörchinger hätte damals mit der Weigel darüber reden können. Er entsinnt sich, daß er das auch einmal tat. Eva glaubt, man würde das bestimmt ablehnen. Flörchinger meint, bei der Weigel war nur Abusch der Mann, welcher -. Damals hätte die Weigel mit Abusch über diese Dinge reden können. Aber wer tut das heute. Eva glaubt, daß heute ein günstiger Zeitpunkt dafür wäre, um mal nachzufragen, ob sie dort arbeiten darf. Flörchinger rät, erst einmal ein halbes Jahr abzuwarten, dann könnte man ja mal anfragen. Was wäre, wenn Eva jetzt im BE tätig sein würde. Dann hätte sie doch alle diese Scheißer von Berghaus bis Pitzka gegen sich, betont Flörchinger.
Sie unterhalten sich dann über die Galilei-Inszenierung. 23.30 Uhr - 1.05 Uhr F.d.R.d.A.: .................
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Aktenkundig
(1972)
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HA XX/7 Berlin, 12. Februar 1972
26/BA (?) /19/661412/KO
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 11. Februar 1972
0600
Es meldet sich eine Dame aus Schwerin bei Eva Hagen. Die Dame erklärt, daß sie wieder einmal etwas für Eva hat. Am 29. Februar ist um 19.30 Uhr die Eröffnung des neuen Hotels "Stadt Schwerin". Es ist ein großes Programm vorgesehen. Es ist auch eine Regierungsdelegation aus Berlin dabei, mit dem Minister für Handel und Versorgung, und Spitzenfunktionäre des Bezirkes Schwerin. Die Dame hat für den Abend schon eine Band, das Trio "Santa Cruz" und andere DDR-Solisten engagiert. Eva erklärt, daß sie zwar Proben in diesem Zeitraum hat, aber sie will sehen, daß sie kommen kann.
Die Dame fragt, ob Eva schon eine neue Einstufung hat. Eva weiß nichts davon. Die Dame erklärt, daß jeder Schauspieler und Sänger, der fest engagiert ist und außerdem noch freischaffend tätig ist, in den Stufen A, B und C eingeteilt wird. C ist die höchste Stufe und die Gage beträgt 380 Mark.
Eva erklärt, daß sie noch nichts davon gehört hat. Für 380 Mark würde sie auch nicht auftreten. Sie bekommt überall 500 Mark. Die Dame beschwichtigt Eva. Die Dame wird natürlich diesmal auch wieder 500 Mark zahlen. Die Dame bittet Eva, daß sie am 29. Februar doch eine Stunde vor Beginn da ist. Denn es muß doch noch alles besprochen werden. abends
F.d.R.d.A.: Korduan
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Hauptabteilung XX/7
Berlin, den 20. 3. 1972 Lo/Ko
B e r i c h t
Festgestellte Diskussionen zwischen Biermann und unbekannten jugendlichen Personen
am 19. 3. 1972 auf dem Alexanderplatz
Am 19. 3. wurde gegen 16.00 Uhr vom Genossen Oberfeldwebel Girod der Verwaltung Groß-Berlin, Abteilung XX, Wolf Biermann mit der Eva Maria Hagen am Ausstellungszentrum am Fernsehturm gesehen. Es entstand der Eindruck, daß beide spazieren gingen.
Gegen 17.50 Uhr wurde Biermann mit der Hagen in einer Gruppe Jugendlicher von ca. 30-50 Personen, auf dem Alexanderplatz vor der Grill-Bar diskutierend angetroffen.
Genossen G. ist bekannt, daß in der Vergangenheit an dieser Stelle wiederholt Jugendliche in losen Gruppen diskutierten. Nach Einschätzung des Genossen G. setzt sich der Personenkreis aus ca. 2/3 westdeutschen Personen und 1/3 Jugendlicher aus der Hauptstadt der DDR zusammen.
Vorwiegend von den westdeutschen bzw. Westberliner Jugendlichen wurden am 19.3.1972 nachfolgende Fragen an Biermann gerichtet: (inhaltliche Wiedergabe)
- welche Protestmöglichkeiten gibt es in der DDR - wo liegen die Grenzen der Protestmöglichkeiten - Welche negativen Erscheinungen sieht Biermann, die aus der Diktatur der Arbeiterklasse entstehen - welche Arten des Protestes hält er für sinnvoll - liegen die Grenzen des Protestes da, wo die Diktatur der Arbeiterklasse beginnt.
Auf die an ihn gestellten Fragen ging Biermann sehr zurückhaltend ein. - Er sprach sehr leise, so daß nur die unmittelbar um ihn Herumstehenden seine Antworten verstehen konnten. Sinngemäß brachte Biermann zum Ausdruck: Protest würde es immer geben, die Frage sei nur, wie. Bei uns gibt es nur geringe Möglichkeiten des Protestes. Dazu sagte er wörtlich: ›Wir haben hier nunmal leider eine Diktatur‹. Weiterhin brachte Biermann zum Ausdruck, daß die ›Grenzen der Protestmöglichkeit‹ ständig neu festgelegt werden. - Es entstand der Eindruck, daß Biermann es lieber hatte, wenn andere an der Diskussion (teilnehmende) sprachen. Er brachte nur durch geringe Gesten sein Mißfallen oder sein Einverständnis zum Ausdruck.
Die Schauspielerin Eva Maria Hagen hielt sich die ganze Zeit über im Hintergrund auf und beobachtete ständig die neu an die Gruppe der Diskutierenden herankommenden Personen. Sie führte eine Art Absicherung durch. - Als eine VP-Streife in der Nähe erschien, gab sie dem Biermann flüsternd davon Kenntnis und entfernte sich von der Gruppe (...). Nach ca. 3-4 Minuten brachte Biermann zum Ausdruck, daß ihn die Weltrevolution im Moment wenig interessiere, da ihm seine Frau weglaufe. Dies war praktisch seine Verabschiedung und er verließ die Gruppe (...)
Dem überwiegenden Teil war bekannt, daß ihr Diskussionspartner Wolf Biermann war. Dies konnte durch Gespräche zwischen in der Gruppe weilenden und neu hinzukommenden Personen festgestellt werden. Dem Genossen G. ist nicht bekannt, wie lange Biermann bereits an der Diskussion teilnahm, da er den B. erst 17.50 feststellte. Um 18.05 Uhr verließ Biermann die Jugendlichen.
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HA XX/7 Gen. Lohr Berlin, 20. April 1972
26/BA/19/66/1428 /Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 20. April 1972
4745
Peter D o m m i s c h informiert Eva-Maria Hagen, daß das Stück "Engel im Paradies" abgesetzt worden ist. Gestern war beim Fernsehen der DDR die Abnahme. Eva ist darüber erfreut, weil sie mit der Rolle, die sie in diesem Stück spielt, überhaupt nicht zufrieden war. Dommisch freut sich auch darüber, daß das Stück abgesetzt worden ist.
Des weiteren teilt er mit, daß ab 1. August 1972 Prof. Perten nicht mehr Intendant des Deutschen Theaters sein wird. Gestern wurde es bekannt. Eva kann sich wohl vorstellen, was im Theater los gewesen ist, alle waren sie besoffen.
Ein Gerücht lautet, Perten wird Chef der Künstleragentur und der neue Intendant heißt Schönemann. Dommisch erläutert, daß Perten gleich gehen wollte, was aber nicht in Frage gekommen ist, er hat nun Urlaub genommen. Eva-Maria Hagen meint, daß das hart ist. Dommisch fügt hinzu: den haben wir gekascht. Dommisch will, wenn Perten hochkatapultiert wird, einen Brief folgenden Inhalts schreiben: Werter Herr Professor, sie haben mich dermaßen diffamiert und beleidigt, das können sie jetzt in ihrer neuen Position alles wieder gut machen.
1 0 . 3 0 Uhr F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7 Berlin, 24. April 1972
Gen Lohr 26/BA/19/66/1430 /Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 22. April 1972
1174
Ein Herr, der mit Wolf Biermann zusammen dienstags und donnerstags in der Dynamo-Schwimmhalle trainiert, meldet sich bei Eva-Maria Hagen und erinnert, daß Wolf Biermann nicht vergessen soll, daß heute abend 19.00 Uhr die Veranstaltung im Gesellschaftshaus in Grünau beginnt.
Eva will Biermann anschließend noch einmal darauf aufmerksam machen. Der Herr hatte vor Tagen mit Biermann darüber gesprochen, Biermann hatte sein Erscheinen zugesagt.
16.49 Uhr
Eva-Maria Hagen meldet sich bei Wolf Kaiser und führt mit ihm ein Gespräch über eine Veranstaltung, die sie in der Möwe durchführen möchte. Wie aus dem Gespräch hervorgeht, haben sich beide bereits über dieses Vorhaben konsultiert. Eva-Maria beabsichtigt, ein 11/2-Stunden-Programm mit Chansons und Liebesliedern in den Monaten Mai oder Juni in der Möwe zu bestreiten. Wolf Kaiser ist an diesem Programm interessiert. Sie soll ein Programm zusammenstellen und dieses an den Direktor der Möwe und an Kaiser senden. Wenn der Termin des Auftritts feststeht, möchte sie Kaiser informieren, damit er sich das Programm ansehen kann. Kaiser plant, Eva-Maria Hagen in einem Brecht-Programm mitwirken zu lassen. Bisher sang Angelika D. einige Brecht-Lieder. Wie Kaiser sagt, kann sie diese Lieder nicht mehr singen und er wäre dafür, wenn Eva-Maria D. Repertoire übernehmen würde. Er ist überzeugt, sie würde den Anforderungen gerecht werden. Er hörte davon, daß Freunde von ihren Gesangsdarbietungen begeistert waren - unter anderem hörte er das von Bunge. Es wird eingeschätzt, daß Eva-Maria ein besseres Stimm-Material besitzt als A. D. Kaiser bemerkt, Eva-Maria möchte sein Vorhaben zunächst für sich behalten und nicht weitersagen.
Kaiser wiederholt, daß er hinsichtlich des Brecht-Programms seine eigenen Vorstellungen hat. Dieses Programm möchte er nicht fallenlassen, an diesem Programm hat er zusammen mit Bunge lange Zeit herumgebastelt. Mit diesem Programm gastierte er beispielsweise in Holland, Schweden, Belgien und anderen Ländern sowie in einigen Städten in der DDR, das Programm war immer ausverkauft. Ansonsten kann sich Kaiser momentan mit anderen Programmen ähnlicher Art nicht befassen - er bekam bereits einige Angebote - weil er jetzt beim DDR-Fernsehen arbeitet.
Kaiser bekräftigt nochmals, daß Eva-Maria möglichst bald ihr Programm in der Möwe realisieren soll. Er wird sich ihr Programm ansehen, und dann werden sie weitersehen.
Sie verabschieden sich, Eva-Maria soll Grüße an Wolf Biermann bestellen.
18.30 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7 Berlin, 5. September 1972
26/B/142/69/243 /Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 29. August 1972
4779
Thomas Brasch, Sanda Weigl und ein Herr halten sich bei Wolf Biermann auf. Biermann ...... spielt eine Bandaufnahme ab ...... Dieses Lied wird von Biermann gesungen, er wird von mehreren Instrumentalisten (Elektronenorgel, Baß, Schlagzeug) begleitet. Ebenfalls erklingt vom Band sein Lied "Dorotheenstädtischer Friedhof" in ähnlicher Fassung (er singt und wird von mehreren Musikinstrumenten begleitet).
Brasch findet, daß bei der einen Strophe des zweiten Liedes die Gitarre etwas in den Hintergrund tritt, sie klingt zu leise. Biermann glaubt, die haben eine bißchen Schiß, die Musiker verhalten sich zurückhaltend. Er stellt sich eine Band vor, die munter drauflos fiedelt ..... In diesem Zusammenhang nennt Brasch die Kapelle Lenz. Der Herr wirft ein, daß Lenz so etwas nicht machen würde.
Biermann findet es jedenfalls prima, daß sie (es geht nicht hervor, daß Biermann die Kapelle Lenz meint) mit ihm die Musikaufnahmen gemacht haben. Sanda Weigl fragt, ob die Musikaufnahmen in Biermanns Wohnung stattgefunden haben. Biermann verneint und Brasch erklärt darauf: "war bei Eva".
14.44 19.00 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7
Gen. Lohr
Berlin, 4. Oktober 1972
26/BA/16/66/1468/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
0482
Wolf K. informiert Eva-Maria Hagen, daß sie gemeinsam am 15. November 1972 in der Karl-Marx-Universität Leipzig mit einem Brecht-Programm gastieren werden.
Am 7. Oktober nachmittags wird Eva-Maria Hagen mit dem Musiker Wolfgang Beyer für diesen Abend probieren.
18.31 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Berlin, den 2.11.72
Eva-Maria Hagen
104 Berlin W-Pieck-Str. 220
Sehr geehrter Erich Honecker,
mein Name ist Eva-Maria Hagen. Mein Beruf ist Schauspielerin. Ich bin seit langer Zeit in mehr oder weniger großen Schwierigkeiten, oft war ich verzweifelt und ratlos, dann schien es, es würde sich alles zum Guten wenden; es war jedoch ein Trugschluß.
Ich will und kann mich auf die Dauer nicht damit abfinden, in diesem Land, der DDR, wie ein Feind behandelt zu werden, in dem ich mich entwickelt habe und das mein Land ist sowie ich diesem Land gehöre.
Ich möchte Sie um ein Gespräch bitten. Ich weiß, daß Ihre Zeit kostbar ist, aber ich befürchte, daß ich mich brieflich nicht genügend verständlich machen kann, und es geht bei mir um nichts weniger, als mein Leben, das auch kostbar ist.
Hier in Stichworten meine Situation:
1965 lernte ich Wolf Biermann kennen. Nachdem ich ein halbes Jahr mit ihm zusammenlebte, fand das 11. Plenum der SED statt, auf dem Wolf Biermann scharf angegriffen wurde. Von da an begannen für mich die Peinigungen und Diskriminierungen. Z. B. empfahl mir der Herr Fehlig, von der Leitung des Fernsehfunks, ich sollte mich von Biermann distanzieren, da sonst gegen mich ernstere Schritte eingeleitet würden. Ich antwortete, daß ich Wolf Biermann liebe, daß es in unserem Staat keine Sippenhaft gäbe und daß ich mich nicht erpressen ließe. Später, bei einem Festempfang zu Ehren des "Dr. Schlüter"-Film, wo ich für meine künstlerische Leistung den "Silbernen Lorbeer" erhielt, sagte mir der damalige Parteisekretär, Herr Pohl, daß ich nicht zu befürchten brauchte, kalt gestellt zu werden. Trotzdem wurde ich nicht beschäftigt. Es ging bis zur totalen Verhinderung meiner Arbeitsmöglichkeiten überhaupt.
Obwohl ich seit 1961 festes Mitglied des Fernsehensembles war und mit wachsenden Aufgaben betreut wurde, die ich, wenn man unserer Presse und den Auszeichnungen glauben darf, mehr als zur Zufriedenheit löste, - (mein erster Film war "Vergesst mir meine Traudel nicht", von Maetzig und Kuba, meine letzten Filme "Brot und Rosen" und "Die Fahne von Krivoj Rog" 1957 und 1966, dazwischen liegt eine Reihe guter Arbeiten. Außerdem sang ich Lieder zur Gitarre und spielte an mehreren Theatern der Republik u. a. das Musical "My Fair Lady") - wurde ich trotzdem vom Fernsehfunk gekündigt. Daß die Kündigung nicht unseren Gesetzen entsprechend begründet werden konnte, zwang den Fernsehfunk, immerwieder auf das nächstfolgende Jahr zu verschieben. Ich bekam meine Gage für Nichtstun.
Im Sommer 1970 schrieb ich in meiner Not einen Brief an die Gattin des Staatsratsvorsitzenden, Frau Lotte Ulbricht und bat sie, mir zu helfen. Daraufhin wurde die Kündigung vom Fernsehfunk zurückgezogen und mir wurde von Herrn Nehring schriftlich mitgeteilt, daß ich mit mittleren Aufgaben betraut werden würde und daß man hoffe, daß ich "durch intensive Arbeit und entsprechende Qualifizierung", die Probleme gemeinsam mit dem Fernsehfunk klären könnte. - Und d a s nach dem keineswegs sozialisten Kündigungschreibens des Herrn Nahke und Schneeweiß, in dem mir empfohlen wird, mich auf eine andere Tätigkeit umzustellen: eine Bescheinigung für Untauglichkeit. Nebenbei wurde mir noch umständlich klar gemacht, daß ich nicht den allgemeinen Normen entspreche und nicht in diese Gesellschaft passe. Das klingt heute schon wie aus anderen Zeiten und ungeheuerlich, aber ich habe es schwarz auf weiß vor mir liegen. - Nach ein paar Monaten wurde ich in Kleinstrollen eingesetzt, später in sogenannten "mittleren". Es war oft demütigend, unter dem Niveau meiner künstlerischen Fähigkeiten beschäftigt zu werden, aber all diese Versuche haben mich nicht klein gemacht.
Sehr geehrter Erich Honecker,
ich möchte Sie nicht weiter mit Einzelheiten aufhalten, mit denen ich ein ganzes Buch voll schreiben könnte, ich möchte Sie bitten, für mich ein freundliches Wort einzulegen, damit ich endlich ungehindert arbeiten kann.
Der unmittelbare Anlaß meines Briefes ist folgender:
Der Schauspieler Wolf Kaiser arbeitet seit einigen Monaten mit mir an einem Brecht-Programm. Er ist davon überzeugt, daß ich das "Zeug" zu einer internationalen Größe auf dem Gebiet des Chansons habe. Wir waren in Dresden mit dem Programm und hatten großen Erfolg. Jedoch wurden die geplanten Abende zur Messe in Leipzig abgesagt. Jetzt haben wir erfahren, daß es meinetwegen war. - Viele Funktionäre schrecken vor mir zurück, wie die Priester im Mittelalter vor einer Hexe. Ist das nicht lächerlich? - Wolf Kaiser hat für dieses Programm Angebote aus dem sozialisten Ausland, aus Skandinavien, den Niederlanden. Er befürchtet daß, wenn nicht endlich ein offenes Wort in meiner Angelegenheit gesprochen würde, alle Mühen unserer monatelangen Arbeit umsonst gewesen waren.
Ich bitte Sie zum Schluß nocheinmal, mich zu empfangen, damit Sie selbst festellen können, daß ich ein Mensch aus diesem Land, der DDR bin, und daß es eine Schande wäre, mich kaputt zu machen.
Mit sozialistischem Gruß
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HA XX/7, Gen. Lohr
Berlin, den 14. Nov. 1972
26/BA/19/66/ 1476 Rö
Vertauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 13. Nov. 1972
4505
Wolf Kaiser und Eva-Maria Hagen unterhalten sich über den bevorstehenden Auftritt in der Leipziger Kongreßhalle vor Studenten der Universität. Dieser Auftritt ist am 15.11.72, 20.00. Danach erkundigt sich Kaiser, ob Eva-Maria Hagen ihren Weg gemacht hat. Sie antwortet, daß sie noch einmal geschrieben hat, sie hat um ein Gespräch gebeten. Sie glaubt, darauf wird eine Antwort kommen, so oder so. Wie sie meint, scheint jetzt alles anders zu werden. Kaiser fragt deshalb, weil etwas Gutes vorliegt, er nennt Schweden. Aber Kaiser will ein evtl. Gastspiel in Schweden nicht mit der D.... machen, er hat dafür seine Gründe. Eva hofft, sie wird bald eine Antwort auf ihren Brief erhalten.
17.41 Uhr F.D.R.d.A.: Röbisch
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Aktenkundig
(1973)
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H. XX/7
Gen. Lohr
Berlin, 16. Januar 1973
26/B./19/66/1484/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
0860
In einem Gespräch mit Wera M o s e r berichtet Eva-Maria Hagen, daß sie am 25. Januar zusammen mit Wolf Kaiser an der Humboldt-Universität mit einem Brecht-Programm gastiert.
Weiterhin bekam sie das Angebot, am Theater in Eisleben in einem polnischen Musical eine Hauptrolle zu spielen.
Zur Zeit spielt Eva-Maria Hagen eine Rolle in einer Fernsehfilmserie mit dem Titel "Bo cascios Abenteuer". Des weiteren sind demnächst folgende Gastspiele mit Wolf K. festgesetzt: 10. Februar Brecht-Programm im Dresdner Kino "Praha". Im Frühjahr Auftritte in der SED-Parteihochschule und in der FDJ-Hochschule.
Danach hofft Eva-Maria, daß sie mit Wolf Kaiser auch ins kap. Ausland fahren darf, um dort in Brecht-Programmen aufzutreten. Kaiser könnte beispielsweise mit Brecht-Programmen in Schweden, Holland und Belgien gastieren. Daher hat er ihr geraten, sie soll sich absichern, d. h. sie soll sich bei entsprechenden Stellen erkundigen, ob man sie ins Ausland fahren läßt. Eva-Maria meint, sie will aber in dieser Sache momentan nichts mehr unternehmen. Der Grund ist: Vor ca. 8 Wochen hat sie an Erich Honecker einen Brief geschrieben, daß sie jetzt mit Wolf Kaiser zusammenarbeitet und daß Kaiser befürchtet, man läßt sie nicht ins kap. Ausland fahren. Weiter schrieb sie, daß sie nicht immer als Feind behandelt werden möchte. Aus all diesen Gründen bat sie um eine Unterredung. Diesen Brief schrieb sie in einem sachlich-höflichen Ton.
Auf diesen Brief bekam sie bis jetzt noch keine Antwort. Wera Moser ist der Meinung, Wolf K. sollte sich bemühen und nachfragen, was mit Eva-Maria werden soll, ob man sie reisen läßt oder nicht. Aber jetzt würde es erst einmal darauf ankommen, daß sich Eva-Maria mit dem Programm beschäftigt und in der DDR dadurch populär wird und daß das Programm auch von den Zuschauern gern gesehen wird.
17.28 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch _____________
HA XX/7, Berlin, 22. Januar 1973
Gen. Lohr 26/BA/19/66/1456 /Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 19. Januar 1973
0158
In einem Gespräch mit Gisela Schroeder äußert Eva-Maria Hagen, daß sie ihr Häuschen an der Ostsee im nächsten Jahr aufgeben will. Sie könnte den Mietvertrag verlängern, sie will aber dort nicht mehr hinfahren. In den letzten Jahren fuhr sie mit Biermann jedesmal nach Lütow, nun muß sie woanders hinfahren. Eva betont, daß sich Biermann in Warthe etwas ausbauen läßt. Gisela berichtet, daß Biermann des öfteren mit seinen Sportlern zusammen ist und zwar mit Pophal, Enterich usw. Sie erzählt, daß Biermann neulich auf einer Party bei Enterich gewesen ist (Liebknechtstraße), nach Schluß der Feier sind sie gemeinsam mit den Fahrstuhl hinuntergefahren. Der Fahrstuhl blieb ca. 2 Stunden stecken.
12.10 Uhr
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Informationsbericht vom 20. Januar 1973
0394
Eva-Maria Hagen informiert Wolf K a i s e r, daß heute der Stellvertreter von Adameck, Herr Pehnert, auf Grund ihres Briefes, den sie an Erich Honecker schrieb, ein Gespräch mit ihr führte. Pehnert erklärte ihr, sie möchte alles vergessen, was mit ihr angestellt worden ist. Er betonte, sie wird in Zukunft nicht nur kleine Rollen spielen dürfen, sondern sie wird auch für Hauptrollen eingesetzt werden.
Was ihre Zusammenarbeit mit Kaiser betrifft und die damit in Verbindung stehenden voraussichtlichen Reisen ins Ausland, darüber wird mit Eva-Maria Hagen ein Verantwortlicher des Ministeriums für Kultur sprechen. Wie Pehnert sagte, wird sie natürlich zusammen mit Wolf Kaiser ins Ausland fahren dürfen. Kaiser findet das alles wunderbar, nun wurde ihr eine Last genommen. Es war also der richtige Weg. Eva-Maria wirft ein, daß sie doch zuerst woanders hinschreiben sollte. Kaiser unterbricht und betont, sie hat den richtigen Weg genommen, es geht über die höchste Stelle und das ist Honecker. Nun geht es mit ihr ein bißchen aufwärts und ein wenig scheint für sie die Sonne. Kaiser betont, das Ausland wartet auf ihre Programme. Eva würde es schön finden, wenn er so früh wie möglich ein Auslandsgastspiel organisieren könnte.
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Informationsbericht vom 11. Febr. 1973 22.47 Uhr
Wolf Kaiser erkundigt sich bei Eva-Maria Hagen, ob sie vorhin (wahrsch. Westfernsehen) die Brecht-Sendung sah. Sie bejaht. Kaiser fragt, ob sie auch diese abgestunkene M... gesehen hat. Eva-Maria glaubte, die M... sei betrunken gewesen. Kaiser verneint; sie gibt sich so. Er macht auf die Leistung der Französin und Italienerin aufmerksam. Diese beiden Interpreten waren Klasse das ist nach Kaisers Meinung eine Leistung, die sich international sehen lassen kann. Diesen Leistungen muß Eva-Maria nachstreben, so muß sie interpretieren, betont Kaiser. Kaiser bezeichnet dagegen ..... Darstellung als Geschmiere. Er wundert sich nur, wie die dort hin kommt.
Eva-Maria gibt zu bedenken, daß die ... eben die beste Brecht-Interpretin ist. Kaiser wiederholt, wenn Eva-Maria die Sendung aufmerksam verfolgt hat, war es heute Abend für sie der beste Lehrgang. Die ... wurde jedenfalls von den anderen Interpreten an die Wand geklatscht. Kaiser betont, daß mit der ... bald alles ein Ende haben wird. Die ... wird eben nur g e m a c h t. International wird sich das nicht mehr behaupten können. Er bekräftigt, daß Eva-Marias Leistungen in dieser Hinsicht zur Zeit besser sind als die der ...... ... Abschließend empfiehlt er, Eva soll sich gut ausruhen, sich auf die morgen abend stattfindende Veranstaltung in der Berliner SED-Parteihochschule gut vorbereiten.
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Informationsbericht vom 12. Februar 1973 16.35 Uhr
In einem Gespräch berichtet Eva-Maria Hagen ihrem derzeitigen Liebhaber ..., einem 24jährigen Kameramann des DDR-Fernsehens/Studio Halle, daß sie heute abend mit Wolf Kaiser in der SED-Parteihochschule in Berlin gastiert. Der Liebhaber fragt, ob sie in der Partei ist. Sie verneint, man hätte sie bestimmt aus der Partei entfernt, wenn sie Mitglied wär. Sie findet es schon in Ordnung, wenn gute Leute in der Partei sind. Der Liebhaber entgegnet, es gibt noch viel zu wenig gute Leute in der Partei. Eva-Maria stellt fest, daß die Leute ja wandlungsfähig sind. Im übrigen möchte sie solche Gespräche nicht an dieser Stelle führen. Röbisch
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HA XX/7 Berlin, 9. März 1973
26/BA/19/69/1491/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 8. März 1973
1182
In einem Gespräch zwischen Eva-Maria H a g e n und ihrem jetzigen Liebhaber ...... (Kameramann im Fernsehstudio Halle) äußert J...., daß er sich krank schreiben lassen will. Er betont, daß der Arzt vom Studio Halle rauschgiftsüchtig ist. Eva-Maria bittet, er möchte darüber nicht am Telefon sprechen. J..... sagt darauf, daß das offiziell bekannt ist, jedes Kind weiß das. Eva-Maria macht noch einmal darauf aufmerksam, daß er darüber nicht weiter am Telefon reden soll. J..... wollte damit nur sagen, daß er von dem Arzt zu jeder Zeit krank geschrieben wird. Eva-Maria bemerkt, J..... sei ein Erpresser. J..... entgegnet, er will ihn nicht erpressen. Bei der Untersuchung wird er ein bißchen Husten und schon wird er bestimmt krank geschrieben werden. Bei der geringsten Kleinigkeit pflegt der Arzt seine Patienten krank zu schreiben.
18.30 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
handschriftl Vermerk: konspirativ aufklären EILT!
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HA XX/7, Berlin, 16. März 1973
Gen. Lohr 26/BA/19/66/1494/Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 15. März 1973
08 23
Peter D o m i s c h informiert Eva-Maria Hagen, daß er vor einigen Wochen wieder geheiratet hat usw. Sie möchte wissen, ob er beim Fernsehen augenblicklich zu tun hat. Er verneint, er wundert sich selber, daß er keine Angebote bekommen hat, evtl. liegt gegen ihn etwas vor. Es war noch nie gewesen, daß man ihm keine Rollen anbot. Eva ist der Ansicht, daß es schon wieder werden wird. Sie kann sich in dieser Hinsicht momentan nicht beklagen, weil sie genug beim Fernsehen zu tun hat.
Domisch ist darüber erstaunt, daß Eva-Maria noch immer von Biermann getrennt lebt. Er nahm an, sie hätten sich wieder versöhnt. Eva betont, daß sie sich richtig getrennt haben.
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Hauptabteilung XX
Berlin, den 10. 7. 1973
Ma/Ko
Jean, Pierr, Hammer (handschriftlich)
I n f o r m a t i o n
Durch Hinweise einer überprüften zuverlässigen Quelle wurde am 10. 7. 1973 bekannt, daß der
Biermann, Karl Wolf
ein Lied zu den X. Weltfestspielen geschrieben hat.
Biermann beabsichtigt dieses Lied an das Komitee für Festival-Lieder zu schicken.
Zu diesem Zweck setzte er sich mit einem gewissen Heinz (vermutl. Kahlau)) in Verbindung um die genaue Anschrift des Komitees in Erfahrung zu bringen. Zwischen Biermann und Kahlau (Parteisekretär des PEN der DDR) fanden in letzter Vergangenheit mehrfach Gespräche statt. Über den Inhalt des Liedes (Text usw.) liegen bisher keine Hinweise vor.
Ein anderer Hinweis der Quelle besagt, daß Biermann an den Kulturminister der DDR, Gen. Hoffmann einen Brief senden will.
In einem Gespräch mit dem Schriftsteller Heym, Stefan erkundigt sich Biermann nach der genauen Schreibweise des Namens des Kultuministers. Heym seinerseits informierte Biermann, daß er bereits die Sekretärin auf diesen Brief vorbereitet habe. Es handelt sich dabei vermutlich um die Sekretärin des Gen. Kulturminister.
Weiterhin wurde bekannt, daß sich das Verhältnis zwischen der Schauspielerin
Hagen, Eva Maria
und Biermann, Karl Wolf
wieder entwickelt. Nach längerem Abbruch der Verbindung suchte Biermann die Hagen in letzter Zeit mehrfach in ihrer Wohnung auf.
Am 5. 7. 1973 hatte die Hagen Besuch eines Kollegen wegen des Pressefestes.
Biermann wollte die Hagen erst aufsuchen wenn ihr Kollege sie verlassen habe, um ihr nicht eventuell mit seiner Anwesenheit zu schaden. Die Hagen überzeugte Biermann, daß ihr seine Anwesenheit keinerlei Nachteile erbringen werde.
Operativ interessant ist der Fakt, daß die Hagen am 4. 7. 1973 durch den französischen Staatsbürger
Hammer, Jean Pierre,
geb. am .... Professor für Germanistik in Paris besucht wurde
Hammer, der sich am 5. 7. 1973 nochmals bei der Hagen telefonisch für den schönen Abend bedankte und dabei erklärte, er würde darüber in Paris etwas schreiben, wurde von der Hagen darauf aufmerksam gemacht, daB sich Biermann zur Zeit bei ihr aufhalten würde. Daraufhin kündigte Hammer sofort einen erneuten Besuch bei der Hagen an, um mit Biermann zusammenzutreffen. Biermann erwartete Hammer mit Freude.
Hammer ist bereits in den Jahren 1962 - 1966 mehrfach operativ in Erscheinung getreten. Er hielt sich zu Studienzwecken und Vorträgen in der DDR auf.
Seine Aufenthalte nutzte Hammer um mit
Huchel, Peter ( legal in die BRD verzogen )
Hermlin, Stefan Havemann, Robert und Biermann, Karl Wolf
Kontakt zu knüpfen.
Dabei gab Hammer sowohl Havemann als auch Biermann Ratschläge und taktische Verhaltensweisen zur stärkeren Popularisierung der negativen und feindlichen Ansichten der Genannten und unterbreitete Havemann und Biermann eine Konzeption zur Umgehung und Durchbrechung der Beschlüsse des 11. Plenums des ZK der SED 1965.
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Gen. Lohr 26/A/19/66/1503 / Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 12. September 1973
3914
In einem Gespräch mit Wera Moser äußert Eva-Maria Hagen, daß sie heute ein bißchen traurig ist. Als sie heute früh über die Vorgänge in Chile erfuhr, war es für sie ein Schlag. Mit der Entwicklung in Chile fühlte sie sich immer verbunden, und nun diese Ereignisse. Ihr ist deshalb nicht wohl. Sie kann es noch gar nicht richtig fassen, was mit ihr ist, so ein Gefühl kannte sie bisher nicht. Ihr ist so zu Mute, als sei etwas weg, was einen selbst betrifft. Wera sah heute auf der Straße zwei Frauen, die wahrscheinlich aus Chile sind, sie waren traurig und nachdenklich. Eva-Maria hörte vorhin Nachrichten. Sogar Brandt wandte sich gegen die Vorgänge in Chile. Er befürchtet, jetzt kommt es in Chile zu einem Bürgerkrieg. Eva-Maria betont, Chile ist sehr weit entfernt, aber es muß an die vielen Menschen gedacht werden, die leiden oder sterben. Die Militärjunta will die Beziehungen zu Kuba und anderen sozialistischen Ländern abbrechen. Sie hörte im Radio, daß Allende Selbstmord begangen haben soll. Sie kann sich aber nicht vorstellen, daß ein Mann, wie Allende, Selbstmord begeht. Man weiß natürlich nicht, in welcher nervlichen Krise er sich befand. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn man den Leuten von der Militärjunta in die Hände fällt. Wera findet es schade, daß es zu dem Putsch gekommen ist.
15.28 Uhr
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HA XX/7,
Gen. Lohr
Berlin, 22. September 1973
26/A/19/66/ 1504 /Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 20. September 1973
4223
Frank Schöbel erkundigt sich bei Eva-Maria Hagen, ob sie bereit wäre, in seinem Programm "Chris und Frank" mitzuwirken, sie soll einige Chansons singen. Bei den einzelnen Veranstaltungen wird nicht nur Beatpublikum anwesend sein, sondern auch normale Leute. Sie braucht also keine Angst haben, daß die Leute nur Beat hören wollen. Schöbel betont, daß als Begleitorchester natürlich die Uve-Schikora-Combo spielen wird. Er erläutert ihr Einzelheiten des Programmablaufs. Eva-Maria ist bereit, im Programm mitzuwirken. Die Veranstaltungen werden an folgenden Tagen stattfinden: Freitag, 21. 9., 19.30 Uhr in Wittenberg; Sonnabend, 22. 9., 15.30/19.30 Uhr Kulturpalast Bitterfeld; Sonntag, 23. 9., 14.00 Uhr in Hettstedt, und 19.30 Uhr im Steintor-Varite Halle. Pro Veranstaltung erhält sie 500.-Mark Brutto.
10. 3O Uhr
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Informationsbericht vom 21. September 1973
1005
Wera .... berichtet Eva-Maria Hagen, daß gestern Wolf Biermann bei ihr gewesen war und seine neue Schallplatte zeigte. Die Aufmachung der Platte ist sehr schön. Wie Wolf betonte, will er Eva-Maria auch eine Platte schenken. Im Moment besitzt er nur ein Exemplar, wird aber demnächst mehrere Schallplatten erhalten. Eva-Maria hat Wolf in den letzten Wochen nicht gesehen. Wera glaubt, er wird seine Beziehungen zu ihr nicht abbrechen wollen.
10.50 Uhr
F. d.R.d.A·: Röbisch
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HA XX/7
Berlin, 3. Oktober 1973
26/A/19/66/ 1506 /Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 2. Oktober 1973
3765
Eva-Maria H a g e n hat vorhin die Schallplatte von Biermann gehört. Aufnahmen sind sehr gut. Ihr gefällt nur das eine Lied mit den Rundfunkeinblendungen nicht. Wera rät, Eva-Maria soll es Wolf ruhig sagen, was ihr gefällt und was nicht. Eva will das tun, wenn sie sich in einer besseren Lage befindet. Sie ist noch schockiert vom gestrigen Abend, den sie bei Wera ... verbrachte. Anläßllch des Abschiedsabend befand sich dort auch Wolf Biermann. Verabschiedet wurde Mischka. An diesem Abend beachtete Biermann Eva-Maria Hagen überhaupt nicht.
Wera Moser berichtet, daß Mischka am frühen Morgen nach Prag gefahren ist. Von dort aus wollte sie weiter über Ungarn nach Rumänien, Bulgarien und schließlich in die Sowjetunion. Wie Wera sagt, hat Mischka auch die neue Schallplatte von Biermann mitgenommen.
21.37 Uhr
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HA XX/7, Gen. Lohr
Berlin, den 9. Oktober 1973
Informationsbericht vom 8. Oktober 1973
1571
Eva-Maria Hagen wendet sich an Gunther Schoß mit der Bitte, ihr die Adresse dieses VK-Mannes zu übermitteln. Wie sie weiter erläutert, ist sie gestern auf der Autobahn 85 km gefahren. Das Ergebnis ist gewesen: Fahrerlaubnisentzug für 4 Wochen und 50 Mark Strafe. (Hagen, Schoß u. a. Schauspieler sind mit dem Genossen der VK auf einer Veranstaltung zusammengekommen. Der Genosse versicherte, bei Schwierigkeiten würde er helfen).
G. Schoß gibt ihr folgenden Namen und Telefonnummer: Oberst Nettwig, Telefon 2281 2701.
9.06 Uhr
Eva-Maria H. informiert Oberst Nettwig über ihre Angelegenheit. Sie fuhr gestern auf der Autobahn 85 km, wo nur 80 km zugelassen sind. Sie wurde gestoppt. In ihrer Fahrerlaubnis befand sich bereits ein Stempel. Für 4 Wochen nahm man ihr die Erlaubnis weg, ferner mußte sie 50 Mark Strafe zahlen. Diese Strafe findet sie etwas übertrieben. In nächster Zeit benötigt sie dringend ihr Auto, sie muß viele Liederabende usw. veranstalten.
Sie wußte keinen anderen Rat als sich an den Oberst zu wenden. Denn sie erinnert sich an ein Zusammentreffen, wo er ihr zusicherte, bei Schwierigkeiten zu helfen.
Oberst N. notiert sich ihre Telefonnummer. Er wird sie heute abend anrufen. Er nahm E.-M. Hagens Schilderung ohne Kommentar entgegen, und sagte freundlich, daß sie Glück hatte, ihn erreicht zu haben, weil er meistens unterwegs ist.
9.11 Uhr, F.d.R.d.A.: ................
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Aktenkundig
(1974)
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HA XX/7
Gen. Lohr
Berlin, 21. Januar 1974
26/A/19/66/1510/RÖ.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 19. Januar 1974
3533
In einem Gespräch zwischen Eva-Maria Hagen und Gisela Sch. wird von seiten G. Sch. geäußert, daß der Schauspieler Horst Schulze im Westen sein soll. Eva-Maria glaubt das nicht, weil Schulze sehr viel zu tun hatte. Er ist Mitglied des Fernseh-Schauspieler-Ensemble und sie müßte es wissen, ob er wirklich geflüchtet ist. G. meint dann, es wird erzählt, er soll gar nicht drüben sein. Bei der Flucht soll er erwischt worden sein, man holte ihn aus einem Container heraus. Seine Familie wollte ebenfalls flüchten. So wird es im Fernsehfunk erzählt, betont G.. Sie kann sich das auch nicht vorstellen, weil in letzter Zeit mehrere Filme mit Schulze gespielt wurden. Vor drei oder vier Wochen soll er den Fluchtversuch gemacht haben.
Eva-Maria Hagen findet es idiotisch, nach dem Westen zu gehen, das sei auch kein Weg.
13.11 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7, Gen. Lohr
Informationsbericht vom 7. Februar 1974
0494
Eva-Maria Hagen meldet sich bei Wolf Biermann und erzählt, daß sie sich gestern abend den Defa-Film "Wolz, Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten" angesehen hat. Autor dieses Stückes ist Günther Rücker. Biermann entgegnet, eine Satire über einen Anarchisten möchte er lieber aus einem Lande sehen, in dem es eine kräftige bedeutende anarchistische Bewegung gegeben hat oder gibt, z. B. Spanien oder Italien. Und nicht in diesem Deutschland, das ja nicht einmal einen Anarchismus zustande gebracht hat.
Außerdem ist nach Biermanns Auffassung der Anarchismus eine respektable, ehrwürdige und heroische Dimension der sozialistischen Arbeiterbewegung. Biermann vermutet, in dem Film wird der Anarchist von einem Komiker dargestellt. Eva-Maria verneint. Ein ausgezeichneter Schauspieler spielt diese Rolle. Nach ihrer Meinung ist das Filmthema ernst dargestellt worden. Sie rät, Biermann soll sich diesen Film unbedingt ansehen.
Biermann teilt ihr dann die Neuigkeit mit, daß er den Offenbach-Preis der Stadt Köln verliehen bekommt. Mit diesem Preis sind 20.000 Mark verbunden. Eva-Maria stellt fest, Biermann wird langsam reich. Er erwidert, daß er auf das Reichwerden scheißt. Den Preis erhält er für seine Lieder.
13.43 Uhr
Eva-Maria Hagen berichtet Celino Bleiweiß (Filmregisseur) , daß sie sich gestern den "Wolz-Film" angesehen hat. Den Schauspieler Regimantas Adomaitis findet sie ausgezeichnet. Leider findet sie es nicht so gut, sich über einen Anarchisten lustig zu machen, weil dieses Land noch keinen Anarchisten hatte (sie spricht mit Biermanns Worten). Bleiweiß stellt fest, daß Deutschland leider keine Anarchisten besaß. Weiter berichtet er, daß es große Schwierigkeiten gab, diesen Film herauszubringen. Ursprünglich sollte er bereits während der Weltfestspiele in die Filmtheater. Seitdem laufen Diskussionen über diesen Film. Nun ist er doch aufgeführt worden. In dem Film spürt man die Hand von Günther Rücker, der als Autor mit an der Inszenierung mitwirkte. Die gesamte Synchronisation leitete Rücker. Eva-Maria erzählt, daß Matti Geschonneck (ihr Freund) beim DDR-Fernsehen an einem Filmprojekt mitwirken sollte, aber das Projekt kurzfristig gestrichen gestrichen wurde.
Bleiweiß stellt fest, zur Zeit ist beim Fernsehen überhaupt der Teufel los. Dort tagt täglich eine Kommission von fünf Mann, sie sieht sich alles an, was ins Programm kommt. Mit ungeheuerer Strenge wird gekürzt und geschnitten. Es ist sogar letztens vorgekommen, daß man zwei Filme kürzen ließ, ohne die Regisseure zu benachrichtigen.
Eva-Maria interessiert, aus welcher Ecke der Trend kommt. Bleiweiß erklärt, daß der Klein wackelt. Es ist sozusagen eine Abwehrmaßnahme. Bleiweiß hörte sogar schon den Nachfolger von Klein, den Namen des Nachfolgers. Zu diesem Komitee gehören Schnitzler, Dr. Hans Seidowski. Gerhard Wieler, Dr. Glatzer. Es sind ganz schlimme alte Leute. Die sitzen nun zusammen, und sehen sich die Produktionen an. Vorgestern ließen diese Leute einen Film von Bleiweiß endgültig sterben. Es ist nicht der Film, über den sie sich einst unterhielten. In der vergangenen Woche hatte Bleiweiß eine fast glücklich Abnahme vom Komitee und von der Programmdirektion. Sie waren fast begeistert. Vorgestern war dann eine Informationsvorführung für die Kommission. Der Film ist kurz danach gleich in den Keller gegangen. Offiziell wurde noch nichts mitgeteilt. An die Produktion ging lediglich die sachliche Meldung: die Mischung wird abgesetzt. Hinter vorgehaltener Hand hörte Bleiweiß, daß es gegen seinen Film Argumente gibt, und er wurde in den Keller gebracht.
Bleiweiß erläutert, bei den kürzlich abgelehnten Filmen handelt es sich um drei poetische Filme (er nennt keine Titel). Es wurde angedeutet, solche Themen könnte man jetzt zum 25. Jahrestag nicht auf den Bildschirm bringen. Die Künstler irren sich, wenn sie glauben, sich hinter poetischen Geschichtchen verstecken zu können, um sich zu drücken, die sozialistische Wirklichkeit zu gestalten.
Wie Bleiweiß weiter erzählt, soll die Vati-Serie mit Erik S. Klein den Nationalpreis erhalten. Darüber ist Eva-Maria empört. Sie meint, sie sind Schläge gewöhnt. Beispielsweise ist ihr Film, in dem sie Lieder und Chansons singt bisher nicht gesendet worden. Eva-Maria wird sich demnächst bei Bleiweiß melden, um ihn und seine Gattin, Monika Woytowicz, einzuladen. 15.49 Uhr ............ F.d.R.d.A.: Röbisch
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Lin Jaldati 1251 Ziegenhals, den 23. Mai 1974
Fernsehen der DDR Zuschauerpost
1199 Berlin-Adlershof Rudower Chaussee
Die Sendung „Aus dem Liederbuch der Eva-Maria Hagen“ gestern abend im 2. Programm war für mich ein Hochgenuß. Eva-Maria Hagen ist ehrlich in der Aussage. Man glaubt ihr, was sie bringt. Sie ist verwandlungsfähig, bringt ihre Lieder ohne aufgesetzte Mätzchen, musikalisch, mit schöner Stimme, charmant, mit viel Witz, aber auch echter Poesie, originell, in völliger Einheit von Ausdruck, Mimik, Körperbewegung und Stimme. Ein großes Talent, das viel mehr gefördert werden sollte. Ihr Liederbuch hat bestimmt noch viele andere Seiten. So wünschte ich mir von ihr einmal Eisler-Lieder zu hören, dann aber bitte im 1. Programm!
Herzlichst gez. Lin Jaldati
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HA XX/7,
Gen. Lohr G
Berlin, 10. September 1974
26/8/A/19/66// 1S16 /Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 10. September 1974
4162
Wera und Familie sind wieder aus dem Urlaub, den sie in Binz/Rügen verbrachten, zurückgekehrt. Wera M. möchte wissen, ob Eva-Maria etwas von M a t t i G..... hörte. Wie Eva erläutert, haben sie des öfteren miteinander telefonisch gesprochen. Er ist sehr traurig, sie glaubt, es geht alles gut. Eva sprach mit Mischka (Moskau) wegen einer Einladung. Es wird jedoch sehr lange dauern. Matti wird voraussichtlich im Oktober nach Berlin kommen. Mischka ist zur Zeit mit ihrem Mann zur Kur .... Matti ist im Besitz von Mischkas Wohnungsschlüssel. Eva-Maria und Matti haben verabredet, daß sich Matti am Freitag in Mischkas Wohnung in Moskau aufhält, damit sie ihn dort anrufen kann. Wera möchte erfahren, wie es Wolf geht. Ihm geht es gut, sie sehen sich öfter.
21.03 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7,
Gen. Lohr
Berlin, 10. Oktober 1974
26/8/A/19/66/1520 /Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 8. Oktober 1974
0429
Gerhard Scheumann erhielt einen Brief von Matti Geschonneck, daß er Mitte des Monats nach Berlin kommt.
Eva-Maria bestätigt das. Sie weiß genau, welche Stunde er eintrifft.
Leider wird Scheumann nicht mit Matti zusammentreffen können, weil er in den nächsten Stunden bis 4. November zur Kur nach Liebenstein fahren wird. Scheumann wollte Matti noch einige Rubel geben, weiß nun aber nicht, wie er es machen soll.
Eva-Maria bemerkt, daß sie von Matti jeden Tag Post erhält.
Dafür hält er seine Familie relativ kurz, stellt Scheumann fest. Seine Mutter ist natürlich darüber nicht gerade erfreut. Sie hat den Eindruck, Matti ist in letzter Zeit stark entfremdet.
Am 19. Oktober hat Eva-Maria Hagen Geburtstag. Anläßlich dieses Tages wird sie Mattis Mutter einladen. Sie würde natürlich auch Gerhard Scheumann einladen, aber er ist ja nicht in Berlin.
Matti wird 13 Tage in Berlin bleiben. Sonst kommt er beim Studium in Moskau gut zurecht, er hat gute Noten erhalten.
Scheumann läßt sich Eva-Marias Anschrift geben, weil er für Matti einen Rubel-Scheck schicken will, den er in Moskau einlösen kann.
12. 15 Uhr
F.d.R.d.H.: Röbisch
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HA XX/7, Berlin, 7. November 1974
Gen. Lohr 26/8/A/19/66/1526 /Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 7. November 1974
5929
In einem Gespräch zwischen Eva-Maria Hagen und Wolf Biermann erläutert Biermann, daß es ihm im Moment gut geht.
Heute früh sind bei ihm die Telefonleute erschienen und schlossen einen neuen Telefonapparat an. Ferner erhielt er eine neue Rufnummer, sie lautet: 42 182 16. Es handelt sich um einen Zweieranschluß. Eva-Maria Hagen bedauert jetzt schon den zweiten Inhaber, da Biermann oft lange Gespräche führt.
Eva-Maria Hagen wird demnächst in einem dreiteiligen Fernsehfilm über das Malerehepaar Hans und Lea Grundig eine Rolle spielen. Biermann schätzt Hans Grundig als einen hervorragenden Maler. Dagegen bezeichnet er Lea Grundig als ....., als einen altgewordenen Pionier.
F.d.R.d.A.: Röbisch
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Anhang : TEXT von Wolf Biermann - 11/1974
GEGEN DIE SPITZELANGST
In allen Ländern, Pipel, in allen, das
Wissen wir ja: Die Politische Polizei!
Noch die unwirtlichste Menschenlandschaft
Noch die Oasen der Freundschaft
Verwüstet sie: die Politische Polizei.
Aber auch in unserem Land, und das war uns neu:
Ach, vollends verödet die Öde durch Furcht, durch
Unsere Furcht vor dieser Verwüstung:
Genossen, die einander brauchten, nun
Belauert einer den andern. Dein bester
Kumpel, womöglich ist e r , wer sonst: Das schwarze Schwein.
Mein nahester Freund hat alle Handhaben gegen mich in der feuchten Hand: Eine
Hand schmiert die andere mit Angstschweiß.
Begründeter Argwohn heckt abgrundlosen
Argwohn. Das Gift, langsam, aber sicher
sickert durch Auge und Ohr die lähmende
Einsamkeit unter jegliche Hirnschale.
Das Kleingeld der Angst. Hörst du
Die Registrierkassen rasseln? Die verrosteten
Die geölten Gehirnkästen registrieren nun
Jedes verdächtige Wort, ach, jedes Wort ist schon
Verdächtig! auch jenes, das nicht fiel, es
Spricht für sich! Im Fluß seiner Rede dieses
Stocken! sagt alles. Vermerkt wird auch
Der unstete Blick des Gastes, als das
Wohlabgewogene Reizwort Raum stand.
Der Suchende, in das offene Messer, genau
Wie erwartet, ist er hineingestolpert.
Und Wort und Widerwort lauern einander auf.
Eine Falle! ist die harmloseste Frage, und
Die harmlose Antwort, sie entlarvt. Mitten auch
In der Umarmung, die Liebenden: es wuchert
Furcht vor der, die ihnen blüht; der Erschöpfung:
Im Schlaf, was werde ich da murmeln? Ach, und
Das Adressbuch! mein Bettgenosse, wird er?
Die Namen meiner Genossen mir herausfingern?
Die verdächtigten Verdächtiger. Angsttrunken
Torkeln die einstmals Vertrauten nun
Durch Straßen, die das Mißtrauen leerfegte.
Der mir da entgenschwankt, ist der
Ein Nüchterner, der sich betrunken stellt, oder
Stellt da ein Betrunkener sich nur nüchtern?
So irren die Füsse sich seitwärts, so
Schwanken wir zwischen Furcht und Furcht, und
Die Augen schwirren ab von den Leuten, so
Vereinzelt sich jeder Einzelne, so ziehn wir
In Massen dahin, von wo wir ja aufgebrochen waren:
In die große Idylle aus Zittern und Haß. Gutgläubigkeit
Haben wir vertauscht gegen Argwohn. Von der Traufe
Sind wir in den Ascheregen gekommen, ach, jener Feuer
Die unsere Feinde wärmten, uns aber, mein Freund,
Verzehrten in all diesen dämmrigen Kälten.
In unserem Land, ja ja, das wußten wir schon:
Allmächtig ist die Macht der Politischen Polizei.
Aber neu ist uns das: Die Macht ist nur so allmächtig
Wie unsere Furcht. Voreinander.
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Aktenkundig
(1975)
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HA XX/7, Berlin, 23. Mai 1975
Gen. Lohr 26/8/A/19/66/1540/Rö.
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 22. Mai 1975
4625
Ernst H. (Mitarbeiter der Nußknacker-Suite-Sendungen des DDR-Fernsehens) stellt an Eva-Maria Hagen die Frage, ob sie an einer Mittel- und Schwarzmeerreise teilnehmen möchte.
Es handelt sich um eine Schiffsreise des DTSB, sozusagen eine vorolympische Reise an der alle Olympiateilnehmer und die diesbezüglichen Funktionäre teilnehmen werden. Termin der Reise ist vom 1. bis 15. September 1975.
H. ist befugt, eine geeignete Kollegin anzusprechen, die einerseits in Sachen leichte Literatur gemeinsam mit ihm auftreten kann und andererseits in der Lage ist, Chansons und andere Liedarten zu interpretieren. Er ist der Meinung, Eva-Maria Hagen wäre dafür sehr gut geeignet. Ferner werden die Sportler durch das Berlin-Sextett und ein Turniertanzpaar kulturell betreut bzw. unterhalten. Des weiteren wird Dr. Gerstner und wahrscheinlich Karl-Eduard von Schnitzler mit dabeisein, die entsprechende Gespräche leiten werden.
Folgende Reiseroute ist vorgesehen: Passiert wird Gibraltar, Sizilien, einen Tag Landaufenthalt in Dubrovnik. Vor dort aus geht es per Schiff weiter nach Warna. Hier werden die Reisenden in ein Flugzeug umsteigen, das zurück nach Berlin fliegt.
Wie Heise sagt, nahm er bereits an ähnlichen Schiffsreisen teil, zuletzt an einer Kuba-Reise.
Eva-Maria kann gegenwärtig keine Zusage machen. Erstens weiß sie nicht, ob sie die Schiffsreise gesundheitlich verträgt und zweitens muß sie sich mit dem DDR-Fernsehen in Verbindung setzen, evtl. ist sie für irgendwelche Filmvorhaben eingeplant.
In der Zeit vom 8. - 10. Juni wird sie sich bei H. telefonisch melden und eine verbindliche Zu- oder Absage erteilen.
19.42 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7 Berlin, 2. Juni 1975
Gen. Lohr 26/8/A/19/66/1541/Be
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 2. Juni 1975
8009
Eva-Maria Hagen informiert Frau D. davon, daß sie mit den Olympioniken auf einem Schiff zur kulturellen Betreuung fahren soll. Sie möchte deshalb wissen, wie das mit der Genehmigung vor sich geht. Frau D. erklärt, daß von der betreffenden Stelle ein schriftlicher Antrag mit genauem Termin gestellt werden muß. Eva-Maria Hagen bekommt dann eine schriftliche Mitteilung, ob der Antrag genehmigt oder abgelehnt wurde. Eva erwähnt abschließend, daß die Fahrt vom 5. bis zum 15. September dauern wird.
10.01 Uhr
Eva informiert Herrn H. über das obige Gespräch und fügt hinzu, daß sie es sich überlegt hat und gern mitkommen würde. Herr H. erklärt, daß er sich mit dem DTSB in Verbindung setzen wird und meint, daß es keine Schwierigkeiten geben wird mit dem Antrag. Er bittet sie, sich zu merken, daß der verantwortliche des DTSB dafür Horst Fuorchel heißt. Er teilt ihr weiter mit, daß das Berlin-Sextett, ein Turniertanzpaar, Erhard Jutzer (o.ä.) als Schlagersänger und er mitfahren wird.
Eva erkundigt sich dann nach der Bezahlung. Daraufhin erklärt Herr H., wie seine Gepflogenheiten in so einem Fall sind. Er meint, daß sie etwa 10 oder 12 Auftritte haben werden. Im Zusammenhang mit der Beratung des Programmes erklärt er, daß auch reifere Jahrgänge mitfahren werden. Nicht nur die Sportler. Es werden die Klubdirektoren, Trainer und Funktionäre mitfahren, die an der Olympiade beteiligt sind. Es wird auch Manfred Ewald und wahrscheinlich Dr. Gerstner mitfahren. Vielleicht fährt auch Karl-Eduard von Schnitzler mit, mit dem sie ein Forum machen können, wobei sie ein bißchen aus ihren Berufen erzählen können. Herr H. stellt fest, daß es für die Passagiere des Schiffes keine Urlaubsreise, sondern eine Arbeitsreise sein soll. Seiner Meinung nach ist das von Vorteil für sie, daß sie nicht vor gelangweilten Urlaubern auftreten müssen.
10.10 Uhr
F.d.R.d.A.: Benkert
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HA XX/7 Berlin, 21. Juli 1975
Gen. Lohr 26/8/BA/19/66/1548/BE
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 18. Juli 1975
0106
Eva-Maria Hagen spricht mit Herrn Otto vom Bundesvorstand des DTSB über die Mittelmeerreise, an der sie zum Zwecke der kulturellen Umrahmung teilnehmen soll. Die Reise soll am 2. September beginnen. Das Schiff wird um 14.00 Uhr in Warnemünde auslaufen. Die Rückkehr erfolgt von Varna aus mit dem Flugzeug und sie werden am 15. September gegen 15.00 Uhr in Schönefeld ankommen. Herr Otto berichtet, daß er mit dem Vizepräsidenten über das Engagement von Eva-Maria Hagen gesprochen hat. Dieser bat ihn, noch einmal mit ihr zu sprechen, da er mit ihrer Honorarforderung nicht einverstanden ist. Der Vizepräsident ist der Meinung, daß auf Grund dessen, daß Kost und Logis frei sind, 2000 bis 3000 Mark als Honorar genügend wären. Eva erklärt, daß sie mit diesem Honorar auf keinen Fall einverstanden ist und unter diesen Umständen von ihrer Teilnahme an der Reise absehen würde.
Sie bittet Herrn Otto, trotzdem an den Fernsehfunk zu schreiben um ihre Freistellung für diese Zeit zu erwirken, denn das kann man dann immer noch in den Papierkorb werfen. Herr Otto wird das tun. Sie einigen sich, in der ersten Augustwoche noch einmal über die Honorarfrage zu sprechen.
Im Verlauf der Unterhaltung stellt Herr Otto mehrmals fest, daß er von Honorarfragen keine Ahnung hat, denn er ist kein Kulturfunktionär sondern Diplomsportlehrer.
F.d.R.d.A.: Benkert
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HA XX/7 Berlin, 20. Oktober 1975
26/8/A/19/66/ 1555 /Be
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 17. und 18. Oktober 1975
7429
Regine S....... erkundigt sich bei Eva-Maria Hagen, ob man sich morgen bei Eva treffen könnte. Sie hat vormittags zu tun. Eva bittet, Regine soll noch einmal anrufen. Eva teilt dann mit, daß sie eben bei Wolf war. Sie berichtet, er sollte doch in die BRD fahren. Regine weiß davon. Sie hat davon im Radio gehört. Im Radio wurde auch gesagt, Wolfs Telefon sei deswegen gesperrt. Hierzu meint Eva, daß Telefone doch oft gesperrt werden oder kaputt sind. Regine berichtet weiter, die Erklärung wurde in voller Länge verlesen. Auf Evas Frage, in welchem Sender diese Meldung gekommen ist, erklärt Regine, sie weiß es nicht. Es war eine Magazinsendung.
19.17 Uhr
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Ein Wolfgang teilt Eva mit, daß sie heute Verabredet waren. Eva hat es vergessen. Sie berichtet, daß Wolf nach der BRD fahren wollte, um an einer Veranstaltung gegen Franco teilzunehmen. Er hatte die Genehmigung für eine Dienstreise im Ministerium für Kultur. Heute wollte er sein Visum abholen. Eva ist der Ansicht, daß da wahrscheinlich einer voreilig gehandelt hat. Nun sind die aus Moskau zurückgekommen und die Reise wurde abgelehnt.
19.38 Uhr
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Eine Monika erkundigt sich bei Eva, ob ihr Mantel noch bei Eva ist. Eva verneint und berichtet dann von Wolf. Sie erregt sich darüber, daß die Reise erst genehmigt wurde, später jedoch eine Ablehnung erteilt wurde. Monika meint, der Vorteil liegt jedoch darin, daß man Wolf vielleicht nicht wieder in die DDR gelassen hätte, wenn er drüben gewesen wäre. Eva ist der Ansicht, daß man das nicht machen kann.
20.21 Uhr
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Rolf Schelike (o.ä.) meldet sich aus Halle bei Eva. Er erklärt, daß er Wolf erreichen wollte. Von Eva erfährt er, daß Wolfs Telefon kaputt ist. Rolf bittet daraufhin, daß die Eva dem Wolf ausrichtet, daß er eine Einladung für Wolf in die UDSSR hat. Er möchte sie ihm gern übergeben und die Sache noch mit ihm besprechen, weil er ihm helfen will, daß es genehmigt wird. Rolf wird am Montag nachmittag wieder in die SU fliegen. Am Vormittag möchte er zu Wolf kommen. Eva wird Wolf davon informieren.
21.56 Uhr
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HA XX/7
Gen. Lohr
Berlin, 24. Oktober 1975
26/8/BA/19/66/1558/Be
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 23. Oktober 1975
7065
Eine Petra führt ein längeres Gespräch mit Eva-Maria Hagen. Sie sprechen über Lieder, Feiern und Träume.
Eva berichtet dann, daß es jetzt so viele Schwierigkeiten vor allem mit dem Wolf gibt. Petra hat davon gehört. Wolf durfte doch nun nicht fahren. Er hat ein Interview im "Stern" gegeben. Petra hat es noch nicht gelesen. Eva erklärt, daß sie damit nicht so einverstanden ist. Es ist gerade jetzt ungünstig, auch für die Christine. Sie ist der Ansicht, daß Wolf das alles auch gar nicht so von sich aus gemacht hat. Eva kann es nicht leiden, daß solche Interviews in solchen "Klatsch-Dingern" wie "Stern" gemacht werden. Sie findet das nicht gut. Die haben das auch noch mit solchen "Spektakelzwischenüberschriften" hochgeputscht. Wolf fragt sich nun auch, was man nun noch machen und sagen kann.
F.d.R.d.A.: Benkert
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HAXX/7, Gen. Lohr
Berlin, 6. Dezember 1975 26/8/A/19/66/1566/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 6. Dezember 1975
0475
Gerulf Pannach bittet Eva-Maria Hagen, Robert Havemann in Grünheide in Kenntnis zu setzen, daß sie (Pannach und Freunde) heute zu Havemann kommen werden. Wie Pannach erklärt, kann er Robert in Grünheide nicht erreichen.
Eva-Maria Hagen informiert Katja Havemann, daß Pannach heute nach Gründheide kommen wird. Katja entgegnet, sie haben bereits auf Panachs Anruf gewartet.
Eva-Maria Hagen meldet sich bei M i s c h k a in Moskau, und erkundigt sich wie es ihnen geht. Mischka ist noch krank. Wegen Herzbeschwerden mußte sie im Bett liegen. Heute wird sie aufstehen.
Mischka erläutert, daß Matti in den vergangenen Tagen versuchte, Eva-Maria anzurufen, aber es meldete sich niemand. Am Mittwoch um 09.00 Uhr will sich Matti bei Eva-Maria telefonisch melden.
Eva-Maria beabsichtigt, im März gemeinsam mit Matti Geschonneck nach Moskau zu fahren.
Abschließend bestellt Eva-Maria noch die besten Grüße an NAUM
F.d.R.d.A.: Röbisch
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HA XX/7 Berlin, 17. Dezember 1975
Gen. Lohr 26/8/BA/19/66/1569 Blo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 16. Dezember 1975
6691
Eva-Maria Hagen meldet sich bei Mischka, woraufhin Mischka Eva-Maria folgende Telefonnummer gibt: 18 137 55. Sie fügt hinzu, daß das das Internat ist und "er" dort auf Eva-Maria's Anruf wartet.
Anschließend spricht Wolf Biermann mit Mischka. Mischka ist sehr erfreut, Wolf zu hören. Sie möchte ihm auch nachträglich noch gratulieren. Des weiteren möchte sich Mischka sehr für die sehr schönen Lieder von Wolf bedanken. Mischka möchte dann wissen, ob Wolf schon eine Antwort hat und ob ihm der Zeitpunkt gesagt wurde. Wolf verneint beides. Man sagte weder nein noch ja.
Mischka kommt dann auf Lew zu sprechen, der im Krankenhaus liegt und eine schwere Operation hinter sich hat. Wolf bittet Mischka, dem Lew doch ein bißchen von Wolf zu erzählen. Mischka wird das kaum machen können, weil Lew niemanden empfängt. Mischka bittet Wolf, daß er all ihre Freunde grüßen soll und die Vera fest umarmen. Wolf bittet Mischka ebenfalls, all seine Freunde zu grüßen.
17.35 Uhr
- - -
Eva-Maria teilt Matti Geschonneck mit, daß Wolf und Christine B. bei ihr sind. Sie haben sich gerade über "Professor Unrat" unterhalten. Gestern hat sie einen Brief von Matti bekommen.
Matti wird versuchen, daß er am 25. Dezember kommen kann. Er wird die Ankunft aber telegrafisch ankündigen. Über Silvester wird Matti auf jeden Fall aber da sein.
Langhoff hat Eva-Maria angeboten, daß er den "Professor Unrat" für das Fernsehen inszenieren will. Wenn das klappt, kommen sie ganz groß raus.
17.40 Uhr
- - -
Christine B. meldet sich bei ihrem Vater woraufhin er sagt, daß er gestern bei Christine reinschauen wollte, aber niemand zu Hause war. Beide kommen daraufhin überein, daß Christine morgen zwischen 16.00 und 17.00 Uhr zu .... kommt. Ihr Vater freut sich sehr darüber.
18.31 Uhr
- - - F.d.R.d.A. Blotny
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HA XX/7
Gen.Lohr Berlin, 29. Dezember 1975
26/ BA/19/66/ 1570 Blo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 26. Dezember 1975
7160 M
Matti Geschonneck wünscht Thomas Langhoff ein schönes Fest.
Beide sprechen dann von einem Film, den Langhoff in der Nuschkestraße zeigen will. Der Termin steht aber noch nicht fest.
Thomas Langhoff schlägt dann vor, dass sie sich doch einmal bei einer Tasse Kaffee unterhalten könnten. Schön wäre es, wenn Eva-Maria Hagen daran teilnehmen würde, da er mit ihr einige elementare Dinge bereden muß, die ihr Leben von Grund auf verändern werden. Es handelt sich darum um ganz wichtige Dinge. Er möchte wissen, ob Eva-Maria noch nichts erzählt hat. Matti verneint das. Thomas Langhoff findet das gut. Matti wirft ein, daß Eva-Maria nur etwas wegen „Prof. Unrat" sagte. Das ist das Projekt, das im Vordergrund steht erwidert Thomas Langhoff. Gut wäre es allerdings, wenn Eva-Maria darüber noch schweigen würde.
Sie kommen überein, dass Matti und Eva-Maria um 14.00 Uhr bei Thomas Langhoff sind.
F.d.R.d.A.: Blotny _________________________
Aktenkundig
(1976) _________________________
Aus Ordner MfS-HA XX/0G
Hauptabteilung XX/0G Berlin, den 8. 3. 1976
Pe/Ta
I n f o r m a t i o n
Inoffiziell konnte festgestellt werden, daß die zum engsten Freundeskreis W. Biermann's gehörende Eva-Maria Hagen Anstrengungen unternimmt, um durch lukrative Rollen ihre Popularität weiter zu steigern.
In diesem Zusammenhang konnte inoffiziell festgestellt werden, daß zwischen der Eva-Maria Hagen und dem Regisseur Thomas Langhoff nicht-offizielle Absprachen über die Vergabe einer maßgeblichen Rolle für den Film "Prof. Unrat", der von Thomas Langhoff für das Fernsehen der DDR inszeniert werden soll, stattfanden. Die beabsichtigte Rollenvergabe an die Eva-Maria Hagen wird sowohl von der Hagen, als auch von Langhoff weitestgehend geheimgehalten. Dieses sogenannte "Projekt" wird von Langhoff und der Hagen vordergründig gesehen und würde bei dessen Realisierung die Popularität der Hagen wesentlich steigern.
Über das oben genannte "Projekt" fand ebenfalls ein Gespräch zwischen der Hagen und Biermann statt.
Pesch
Oberleutnant
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Hauptabteilung XX/OG Berlin, den 7. 4. 1976
TH/Ta
I n f o r m a t i o n
zu den negativ-feindlichen Verbindungen der HAGEN, Nina
Die H a g e n, C a t h a r i n a
geb. am 11 .3. 1955 in Berlin wh. Berlin, Kastanienallee 55 Schlagersängerin
ist die Tochter der Schauspielerin Eva-Maria HAGEN, die in der Zeit von 1965 bis 1972 eng mit BIERMANN liiert war und gegenwärtig noch losen persönlichen Kontakt zu BIERMANN unterhält. Seit ihrer Kindheit unterhält die HAGEN, Catharina engste Verbindungen und Beziehungen zu BIERMANN und dessen negativen und feindlichen Umgangskreis aus der BRD, WB und aus der DDR.
Durch die Vernachlässigung der Erziehungspflicht ihrer Mutter und des negativen Umgangskreises um BIERMANN, kam die HAGEN, N. bereits als Schülerin mit zweifelhaften moralisch-verkommenen und zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR feindlich eingestellten Jugendlichen in Kontakt. Sie nahm mehrfach an partyähnlichen Zusammenkünften unter Anwesenheit Westberliner Jugendlicher teil, die links- und rechtsextremistischen Kreisen angehörten. So erhielt sie u. a. auch über BIERMANN Kontakt zu den BRD- und Westberliner Bürgern DUTSCHKE, TEUFEL, LANGHANS u. a..
Zu ihrem Freundeskreis in der Hauptstadt der DDR gehörten...
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HA XX/7 Berlin, 29. Juli 1976
Gen. Lohr 26/7/BA/19/66/1627/Et
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 27. Juli 1976
1200
Eva-Maria Hagen meldet sich bei Thomas Langhoff.
Sie teilt ihm mit, daß sie zur Zeit an einer Angina leidet. Ihr geht es nicht besonders gut.
Thomas Langhoff und Familie würde Eva-Maria Hagen dort (vermutlich Karolinenhof) gern einmal besuchen kommen. Sie bringt zum Ausdruck, daß sie darüber sehr erfreut wäre. Thomas L. wird eventuell am Donnerstag oder Freitag nach Karolinenhof kommen. Eva-Maria H. fährt heute oder morgen wieder raus.
Eva-Maria Hagen fragt ihn dann, wie die Reaktion auf den Film (vermutlich der Fernsehfilm "Die Forelle") war. Er bringt zum Ausdruck, daß die Reaktion furchtbar war. Der Film wurde dem Komitee vorgespielt und danach hat er gedacht, daß er jetzt verhaftet wird. Würde er nicht so gerne Filme machen, wäre er aufgestanden und gegangen. Er findet, daß es sehr kränkend für ihn war. Der Fehlich (o.ä.) und der Programmdirektor sind mächtig auf ihn losgegangen. Dr. Seidowski (o.ä.), nach seiner Meinung der größte Stalinist aller Zeiten, hat zu ihm gesagt, was das für ein Mensch wäre, der alle Möglichkeiten ausnutzt, um ein pessimistisches und menschenfeindliches Bild von unserer Republik zu machen. Thomas L. führt noch an, daß aber auch viele Komiteemitglieder den Film gelobt haben. Zum Schluß sind die bestehenden Meinungsverschiedenheiten aber auch nicht geklärt worden. Er fand diese Tatsache sehr gut. Nach seiner Ansicht war das ein kleiner Fortschritt. Der Fehlich hat dann zu ihm gesagt, daß der Film doch ein ganz guter Stoff ist, aber er ist nur ein bißchen unklar angekommen. Auch ein Herr Schmotz (o.ä.) hat sich lobend über diesen Film ausgesprochen. Eva-Maria Hagen wird sich mit ihm darüber noch einmal ausführlich unterhalten. Sie freut sich schon jetzt, wenn er nach Karolinenhof kommt.
F.d.R.d.A. Etzold _______________________
HA XX/7 Berlin, 14. September 1976
Gen. Lohr 26/7/BA/19/66/ 1631/Rö
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 12. September 1976
0365
J ü r g e n , der sich auf Eva-Maria Hagens Grundstück bei Haßleben aufhält (er beaufsichtigt dort verschiedene Handwerker z. B. Dachdecker, Ofensetzer) schildert Eva-Maria Hagen, daß die eine Hälfte des Daches bereits gedeckt ist. Ferner wurden die Öfen gesetzt.
Eva-Maria Hagen stellt fest, daß Wolf Biermann ja gestern in Karolinenhof gewesen ist. Jürgen bestätigt das.
Jürgen erkundigt sich nach Matti G. Eva hat sich mit Matti ein bißchen gestritten. In Kürze wird Matti nach Moskau zurückfliegen. Zuvor ist er nochmal zu seinem Vater, G. Scheumann gegangen. Jürgen erinnert, daß Matti neulich im Krankenhaus beleidigt war und weggelaufen ist, weil Biermann im Beisein von Christine herumulkte. Eva weiß davon nichts.
Dann erzählt Jürgen, daß er (Jürgen wahrscheinl. Auftritt in Prenzlau) gestern abend noch beim Konzert gewesen ist.
Eva entgegnet, daß "er" (Biermann ??) davon gar nichts sagte. "Er" hatte ihr zwar das ganze Konzert geschildert, aber nicht, daß auch Jürgen mit dabei war.
Jürgen fand das Konzert ganz gut.
Eva meint, "er" fand es auch gut und interessant. "Für 'ihn' war es mal wieder eine ungeheure Sache."
F.d.R.d.A. : Röbisch
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Information der Abteilung 26 vom 1. 12. 1976
Gespräche von der Wohnung Jurek Becker
Nina Hagen teilt dem Jurek Becker mit, daß sie mit der Tine und Eva mit dem Auto bei ›Schilkin‹ steht und sie wissen nicht, wie sie zu Jurek kommen. Jurek versprach, daß er sie abholen kommt.
20.06
Eva-Maria Hagen unterhielt sich mit dem Matti in Moskau. Matti erzählt, daß er heut 4 Stunden dort war ... im Mittelpunkt stand seine Haltung als junger Genosse. Am Dienstag findet eine Besprechung statt, Matti nimmt an, daß er dann gefeuert wird. Bis vor wenigen Minuten war eine Parteigruppenversammlung und da haben sich alle dafür ausgesprochen. Er war als Einzigster dagegen. Matti gab dann zu verstehen, daß man ihm heute gesagt hat, daß er nicht haltbar ist, wenn er als junger Regisseur ein Verfechter der Ideologie sein will und werde und jetzt die Linie der Partei nicht vertreten wird. Heute wurde von dem Parteisekretär ganz klar gesagt, daß sie es nicht dulden können, daß ein junger Regisseur gegen die Linie der Partei verstößt. Eva ist erschüttert. Gestern versuchte sie, Herrn Scheumann zu sprechen, das war nicht möglich.
Eva gab zu verstehen, daß alles finster ist. Dem kann Matti nur zustimmen und er bezeichnet es als großes Totenfinale. Seine Erfolge beim Institut helfen ihm in dieser Sache gar nicht. Eva wollte wissen, ob Matti nicht eine Formulierung finden kann, die akzeptiert wird. Matti verneint das, denn die Frage ist konkret gestellt. Als junger Genosse muß er eine klare Haltung haben. Die hat er nicht, weil Biermann sein Freund ist. Er kann daraufhin keine Erklärung geben. Wenn er es machen würde, dann würde seine Arbeit als Regisseur darunter leiden und besonders sein Gewissen. Er würde sich dann das Leben nehmen oder Alkoholiker werden. Eva betonte, daß er das den Leuten sagen soll. In der heutigen Besprechung der Parteigruppe hat man ihm gesagt, daß er bedenken soll, was auf dem Spiel steht und er soll an seine Zukunft denken. Matti hat ihnen entgegnet, daß er das besser sieht als alle zusammen, aber er kann es nicht. Wenn dann am Schluß die Frage steht, ob er für oder gegen die Partei ist, kann er diese blöde Frage nicht beantworten. Er ist für die Partei und die DDR, aber er kann sich nicht gegen seinen Freund entscheiden. Eva warf ein, daß sie doch auch alle für die DDR sind. Matti versicherte dann, daß er die Eva sehr lieb hat. Wenn sie ihn feuern, werden sie schon was finden. Eva hört das gern und sie hat ihn auch lieb.
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Hauptabteilung XX Berlin, 23.11.1976
Auskunft
Name: Hagen Vorname: Eva-Maria
geb. am: 19.10.1934 in: Költschen
Beruf: Schauspielerin
tätig als: freischaffende Schauspielerin Arbeitsst.: Fernsehen der DDR
wohnhaft HW: 104 Berlin, Wilhelm-Pieck-Str. 220
Telefon HW: 28 115 15
Parteizugeh.:
Kfz: Wartburg 3.... (weiß) IO 79-98
Erfassung in der Abt. XII: HA XX/OG
Familienstand: geschieden
Kinder:
Name: Hagen Vorname: Nina
geb. am: 11.3.1955
1. Kurze Darstellung der beruflichen und politischen Entwicklung
Eva-Maria HAGEN wurde als Tochter einer Landarbeiterfamilie geboren. Sie besuchte bis zum 15 Lebensjahr die Volksschule. 1949 nahm sie eine Lehre als Maschinenschlosser im RAW Wittenberge auf, die sie aber ohne Abschluß 1950 beendete.
Sie ging dann keiner beruflichen Tätigkeit nach und begann 1951 ein Studium an der Schauspielschule Berlin. Ihre Ausbildung unterbrach sie in der Zeit von 1953 - 1956. Sie schloß in diesem Zeitraum die Ehe mit dem Schriftsteller Hans Oliva Hagen. 1955 wurde die Tochter Catharina (Nina) geboren. Anschließend setzte sie ihre Ausbildung als Schauspielerin fort und bestand 1957 die Abschlußprüfung der Schauspielschule Berlin.
1958 erhielt sie nach zwei kurzfristigen Verträgen dann einen Jahresvertrag am "Maxim Gorki Theater" in Berlin, der bis Juli 1960 verlängert wurde.
Nach ihrem Ausscheiden aus dem "Maxim Gorki Theater" wurde sie als Schauspielerin im DFF eingestellt.
Neben der Theaterarbeit und ihrer Tätigkeit im Fernsehen spielte sie in mehreren Filmen, synchronisierte und trat als Sängerin auf.
Die Ehe mit Hans Oliva Hagen wurde 1959 geschieden.
Politisch war die HAGEN von 1948 bis 1954 in der FDJ, 1948 bis 1953 im DTSB und seit 1954 im FDGB organisiert.
Die HAGEN hat eine negative politische Grundeinstellung zur gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR.
2. Operative Aufklärungsergebnisse
Seit 1965 unterhält die HAGEN engen persönlichen Kontakt mit Wolf BIERMANN. Sie gab ihm durch Aufnahme in ihrer Wohnung die Möglichkeit, fortgesetzt sein feindliches Ideengut zu produzieren und propagieren sowie sich mit anderen negativen und feindlichen Personen zu treffen. Sie selbst nahm an derartigen Zusammenkünften in ihrer Wohnung und an anderen Orten teil, wo sich Anhänger BIERMANNS trafen und ihre negativen und feindlichen Auffassungen austauschten und bezogen. Sie identifiziert sich mit den politisch-ideologisch negativen Werken BIERMANNS und unterstützt ihn in seiner negativen politischen Grundhaltung. Die HAGEN studiert alle feindlichen Lieder ein, singt sie gemeinsam mit ihm im internen Kreis mit dem Ziel, diese in der Öffentlichkeit vorzutragen. So versuchte sie z. B. bei Auftritten im Auftrag der Konzert und Gastspieldirektion im Oktober 1966 und Februar 1967 Biermann-Lieder ohne Nennung seines Namens vorzutragen.
Sie nahm auch BIERMANN zu Auftritten in den Bezirken der DDR mit und zeigte sich mit ihm bewußt in der Öffentlichkeit, um ihn populär zu machen. Dadurch verschaffte die HAGEN dem BIERMANN die Möglichkeit, zahlreiche Kontakte in der DDR herzustellen und diese feindlich zu beeinflussen.
Die Unterstützung BIERMANNS durch die HAGEN erfolgt nicht nur infolge ihrer intimen Verbindung, sondern auf Grund gleicher feindlicher Positionen.
Unmittelbar nach Verbreitung der ADN-Meldung über die Aberkennung der Staatsbürgerschaft BIERMANNS am 16.11.1976 begab sich die HAGEN in die Wohnung von BIERMANN, um dessen Ehefrau, Christine BIERMANN, Hilfe und Unterstützung anzubieten.
Gemeinsam mit Sybille HAVEMANN, Tochter des Robert HAVEMANN, entwickelte sie Aktivitäten zur Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen Christine BIERMANN, Wolf BIERMANN und Personen aus der DDR und der BRD, die zu dem Umgangskreis von Wolf BIERMANN gehören. Die HAGEN organisierte eine durchgehende Besetzung der Wohnung, organisierte und quartierte sich selbst dort ein mit dem Ziel, einen ständigen Informationsfluß zu BIERMANN aufrechtzuerhalten. Sie tritt als Hauptperson in Erscheinung und entscheidet, was gemacht wird.
Durch fortlaufende Diskussionen mit Christine BIERMANN übt sie politisch-ideologisch negativen Einfluß auf diese aus.
Am 18.11.1976 quartierte sich Eva-Maria HAGEN u. Sybille HAVEMANN nach Abschaltung des Fernsprechanschlusses in BIERMANNS Wohnung bei Lotte FRANCK ein. Sie benutzten an dem Tag den Telefonanschluss der FRANCK zur Aufrechterhaltung ihrer Kontakte.
Die HAGEN beriet sich mit ihrer Tochter Nina, inwieweit die "Solidaritätserklärung" einiger Schriftsteller, der sie zustimmen. durch eine eigene Unterschriftensammlung unterstützt werden könne.
Am 8.12.1976 erfolgt die durch den Leiter des Bereiches Kunst und Kulturpolitik, Gen. Engelhard und dem Kaderleiter, Gen. Schiller, eine Kaderaussprache mit Eva-Maria Hagen. Ihr wurde geraten, ihre Stellung zu Biermann zu überdenken, da sie sonst aus dem Fernsehen der DDR ausscheiden müsse. Sie erklärte, daß sie ihre Meinung zu Biermann nicht ändere und daraufhin am 8.12.1976 aus dem DDR-Fernsehen entlassen wurde.
In einer Aussprache am 6.1.1977 im MfK erklärte die Hagen, daß es ihr darum gehe, daß die Kündigung zurückgenommen wird. Sie habe deshalb eine Eingabe an den Staatsrat gemacht und sich an das Arbeitsgericht gewandt.
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Eva-Maria Hagen
Berlin, den 10. 12. 1976
An den Staatsratsvorsitzenden der DDR Erich Honecker
Sehr geehrter Herr Honecker! (....) In meinem heutigen Schreiben geht es um mehr, als nur meine Person. Es geht um Freunde, Kollegen, Menschen, die ich nicht persönlich kenne, und um das Vertrauen, das wir Ihnen entgegenbringen (...). Wolf Biermann ist, als wir nicht mehr Mann und Frau waren, mein bester Freund geblieben und wird es sein mein Leben lang; was nicht bedeutet, daß es keine Meinungsverschiedenheiten gab und geben kann. Sie können sich vielleicht vorstellen, daß die Maßnahme über die Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft mich in tiefe Verzweiflung und Trauer versetzte. Ich schloß mich dem Brief der 12 Schriftsteller an, in dem die Bitte geäußert wird, ›die Maßnahme zu überdenken‹.
Es wird erzählt, Sie Erich Honecker, hätten gesagt, man sollte nie nie sagen und die Unterzeichner würden keinen Repressalien ausgesetzt werden, jetzt gehe man wieder zur Tagesordnung über. In den Zeitungen, im Radio und Fernsehen geschah das auch von einem Tag zum anderen. Aber wissen Sie, wie die Tagesordnung hinter den gepolsterten Türen der jeweiligen Leiter der Kulturinstitute aussieht? Jeder einzelne der Unterzeichner wird stundenlang, ja tage- und inzwischen wochenlang bearbeitet. Es wird erst in sanfter, dann massiverer Form Druck ausgeübt und eine Distanzierung bzw. Rücknahme der Unterschrift verlangt! Die Argumente sind: Der Klassenfeind benutze unsere Namen. Aber warum wurde die Liste nicht im ND abgedruckt, warum waren da nur Stellungnahmen von Personen, die die Maßnahme begrüßten? Das geht nicht in meinen Kopf hinein. Es fallen inzwischen Vokabeln wie Konspiration, Gruppenbildung, Konterrevolution. Wo steht, daß es keine Meinungsverschiedenheit geben darf oder Kritik? Sollen wir ein Volk von Heuchlern und Kriechern werden! Ich setze mich entschieden zur Wehr, wenn man versucht, meine Würde als Mensch und Frau und Kommunist mit Füßen zu treten. (...)
Meine Tochter, Nina Hagen, hat die Verzweiflungstat begangen, einen Antrag auf Ausreise (...) zu stellen, denn sie hat von Kindheit an meine beruflichen Behinderungen miterlebt. (...) Sie wollte nicht mein Schicksal an sich wiederholen lassen. Und Wolf Biermann war für sie Vater, Freund, Lehrer. Nach den ersten Aussprachen in diesen Tagen wurde klar, daß sie ihren Beruf mit 21 Jahren hätte an den Nagel hängen müssen. So sehr mich das kaputt macht, daß sie weg ist: Ich möchte hier leben, in der DDR, ich bin hier aufgewachsen, hier bin ich zu einem aufrechten Menschen herangereift, hier hatte sich mein Weltbild geformt und hier bemühe ich mich um Verständigung der Menschen untereinander, um Ehrlichkeit, Furchtlosigkeit. Ich versuche hier, den Sinn und Zweck meines Lebens zu finden.
Da wird mir von Herrn Schmotz vom Fernsehen gesagt: ›Ja, glaubt ihr, in einem kapitalistischen Kulturbetrieb würden über politische Meinungsverschiedenheiten auch nur drei Worte gewechselt? Zack und schon lägt ihr auf der Straße.‹ Ich erinnerte ihn daran, daß wir in einem sozialistischen Land leben und daß Sie, Erich Honecker, gesagt haben sollen, es würde keine Repressalien geben. Herr Schmotz belehrte mich: ›Wir haben im Fernsehen unsere eignen Gesetze, da brauchen wir nicht erst den Genossen Honecker zu fragen, was wir mit solchen Leuten machen müssen.‹ Dann wurde mir mein Kündigungsschreiben überreicht.
Ich finde die darin enthaltenen Anschuldigungen so ungeheuerlich, daß ich mich sofort mündlich dagegen verwahrt habe. Inhalt und Ausdrucksweise dieses Schreibens sind in so bedrohlicher Form gehalten, daß ein uneingeweihter Leser daraus schließen müßte, ich käme unweigerlich hinter Schloß und Riegel. Aber für mich bedeutet es nur Berufsverbot.
Ich hoffe noch immer, daß Wolf Biermann wieder in die DDR zurückkehren darf.
Sie, Erich Honecker, müssen doch wissen oder fühlen, daß er Kommunist ist. Wenn Sie wirklich glauben, daß er ein Feind der DDR ist, weiß ich nicht mehr, was ich machen soll.
Wie soll ich dann überhaupt noch leben? Ich grüße Sie!
(gekürzt)
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Quelle: XX/9/53
HA XX lfd. Nr. 3 Bln, den 16.12. 76
Aktenvermerk
Am 16. 12. wurde mit Gen. Göhler, Stellv. KD Leiter der KD Mitte, Rücksprache über die Wohnung der Nina Hagen, Kastanienallee geführt:
Nach Auskunft des Gen. Göhler wird am 17. 12. von der KWV mit der Eva-Maria Hagen eine Besichtigung der Wohnung vorgenommen zur Klärung:
- Rückerstattung von Baukosten (20.000,-- M)
- Festlegung des Termins der Räumung der Wohnung.
Gegenwärtig können nach Auffassung des Gen. Göhler die Eva-Maria Hagen und ihre Mutter die Wohnung betreten.
Die Hagen war bemüht, für diese Wohnung einen Mietpartner zu finden. Diese Absichten werden durch Übernahme der Wohnung durch die KWV unterbunden. Es besteht die Absicht, die Wohnung nach der Besichtigung mit der Hagen zu versiegeln.
Gen. Göhler bat darum, daß auf Leitungsebene weitere Rücksprachen geführt werden müßten, da er den persönl. Auftrag des Gen. OSL Hähnel erhalten hat, sich um die Wohnung der Hagen zu kümmern.
............
___________________
Hauptabteilung XX
Berlin, den 21. 12. 1976
XX/OG/Mü/Ta/17792/76
Z645 Gen. Müller
Abteilung X -
Leitet
im H a u s e
Inoffiziell wurde bekannt, daß die Schauspielerin
HAGEN, gebn. Buchholz, Eva-Maria ............
und ihr Freund
GESCHONNECK, Mathias (Matti) ...........
beabsichtigen, in den nächsten Tagen in die CSSR zu reisen.
Als Reiseziel wurde die Baude "Nisalasi" in Pec/Riesengebirge -
Tel. Pec 358 - bekannt.
Bei der HAGEN und dem GESCHONNECK handelt es sich um enge Verbindungen des BIERMANN, Karl-Wolf, dem die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt wurde.
Es wird gebeten, die Sicherheitsorgane der CSSR entsprechend zu informieren und zu bitten, operative Kontrollmaßnahmen einzuleiten, um das Verhalten und Kontaktaufnahmen der genannten Personen festzustellen.
Die HAGEN ist im Besitz des PKW Typ "Wartburg", Farbe weiß, poliz.Kennzeichen IO 79 - 98.
Bei Bekanntwerden weiterer Details zu der beabsichtigten Reise werden Sie umgehend informiert.
Anlage
- 2 Bilder der HAGEN, Eva-Maria
- 2 Bilder des GESCHONNECK, Mathias
Kienberg
Generalmajor
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Aktenkundig
(1977)
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Hauptabteilung XX/OG Berlin, den 07.01.1977 Ke/Ma
B e r i c h t
über weitere Gespräche mit der IM-Kandidatin "Tanja"
Vereinbarungsgemäß meldete sich am 04.01.1977 die IM-Kandidatin und bat um ein Gespräch für den 05.01.1977. Die Zusammenkunft fand in der Zeit von 18.00 bis 21.00 Uhr unter Wahrung der Konspiration statt.
Sie informierte, daß sie im Auftrag der Abteilung Kultur beim ZK der SED am 06.01.1977 um 14.00 Uhr eine Aussprache mit der Schauspielerin Eva-Maria Hagen durchführen soll. Ziel der Aussprache sei, den weiteren Einsatz der Hagen bei Engagements zu steuern und ihr bei der Suche von Arbeitsmöglichkeiten staatliche Unterstützung zu gewähren. Sie erklärte sich bereit, über das Ergebnis der Aussprache am 06.01.1977 sofort den Mitarbeiter in Kenntnis zu setzen. Dazu wurde festgelegt, daß am 06.01.1977 um 16.00 Uhr eine erneute Zusammenkunft stattfindet.
Im weiteren Gespräch informierte sie, daß sie zur Zeit zu allen Mitunterzeichnern der Protestresolution gegen die Maßnahmen der DDR zu Biermann und allen Sympathisanten Dossiers angefertigt hat und anfertigt.
Auf der Grundlage der Dossiers soll dann analysiert werden, welche Personen wie mit dieser Sache zu tun haben und welche weiteren notwendigen staatlichen und parteierzieherischen Maßnahmen zu wem durchgeführt werden müssen. Sie erklärte sich auch hierzu bereit, dem MfS alle dazu erarbeiteten Erkenntnisse zugänglich zu machen bzw. den Mitarbeiter umfassend mündlich zu informieren.
In diesem Zusammenhang ist von operativem Interesse, daß in Folgerung dieser Maßnahme zu sämtlichen Künstlern und Kulturschaffenden auf dem Gebiet des Theaterwesens Dossiers gefertigt werden, um ständige Hilfsmittel zur Arbeit mit diesen zu haben. Auch hierzu wird sie Möglichkeiten schaffen, um das MfS zu informieren.
Im weiteren Gespräch informierte sie, daß sie an der "Volksbühne" eine Untersuchung der Leitungstätigkeit und der Arbeitsweise der Künstler in Erfüllung der Aufgaben des IX. Parteitages der SED durchgeführt hat und dabei zu Ergebnissen gekommen ist, die unbedingt verändert werden müssen. Sie wird dem Mitarbeiter das offizielle Protokoll ihres Berichtes bei der nächsten Zusammenkunft übergeben.
Im Gespräch berichtete sie weiter, daß sie nach dem 16.01.77 mit dem Intendanten des Deutschen Theaters, Genossen WOLFRAM, sich die Proben zu dem Schauspiel "Michael Kohlhaas" ansehen will, als Regisseur fungiert hierbei der Adolf DRESEN. Nach bisher der Kandidatin vorliegenden Hinweisen gibt es in diesem Schauspiel einige textliche Probleme. So verwendet DRESEN zwar Originaltexte, wo es keine Abstriche gibt, aber der Besucher wird nach Meinung der Quelle durch die Texte an bestimmte Vorkommnisse in der DDR erinnert und damit konfrontiert. Als Beispiel führte sie an, daß der "Kohlhaas" durch den damaligen Landesfürsten des Landes verwiesen wurde und seine Freunde durch Proteste, Resolutionen und Unterschriftensammlungen erreichten, daß der Landesfürst seine Ausweisung zurücknehmen mußte. Nach Meinung der Quelle ist, obwohl mit historischem Text, ein Bezug zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft des Biermann gegeben und könnte von dem Publikum auch so aufgefaßt werden.
Die IM-Kandidatin wurde gebeten, bis zur nächsten Zusammenkunft dazu eine konkrete Einschätzung zu erarbeiten.
Danach übergab sie dem Mitarbeiter das Manuskript zu dem Schauspiel Volker Braune "Che Guevara" oder "Der Sonnenstaat". Es wurde vereinbart, daß ihr dieses Material am 10.01.1977 zurückgegeben wird. Zum Manuskript erklärte sie nochmals, daß die darin vorhandenen Ecken und Kanten bei der Inszenierung abgerundet und beseitigt werden, aber gesichert werden muß, daß dieses Material nicht in Buchform herauskommt.
Danach informierte sie über persönliche Probleme. (.........)
Sie ist zur Zeit telefonisch unter der Rufnummer 5123 501 zu erreichen.
Die nächste Zusammenkunft wurde für den 6.1.77 um 16.00 Uhr festgelegt.
Maßnahmen:
1. Information zu Vorhaben mit der Eva-Maria Hagen erarbeiten.
2. Kopieren des Manuskriptes von Volker Braun zur operativen Auswertung an BV Berlin, Abt. XX
3. Information betreffs ....... erarbeiten, operative Auswertung im Vorgang .......... und ........
BV Berlin, Abt. XX.
Keller
Oltn.
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Hauptabteilung XX/OG Berlin, den 10.01.1977
KE/Ma
V e r m e r k
Am 06.01.1977 fand in der Zeit von 16.00 bis 18.30 Uhr eine erneute Zusammenkunft mit der IM-Kandidatin "Tanja" statt.
Sie informierte dabei umfassend über die stattgefundene Aussprache mit der Eva-Maria Hagen in der Zeit von 14.00 - 14.30 Uhr im MfK.
Es wurde weiter abgesprochen, daß die nächste Zusammenkunft in der Woche vom 17.01. bis 22.01.77 stattfindet. Die IM-Kandidatin wird sich beim Mitarbeiter telefonisch melden.
Maßnahmen:
Zum Bericht der Kandidatin ist eine Information zu erarbeiten.
Keller
Oltn.
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Hauptabteilung XX/OG Berlin, 7. Jan. 1977
Bericht zur Aussprache mit Eva-Maria HAGEN am 6.1.1977 im MfK
Durch die IM-Kandidatin "Tanja" wurde beim Treff am 6.1.1977 zur Aussprache
mit der Eva-Maria Hagen beim Ministerium für Kultur nachfolgendes berichtet:
Am 29.12.1976 wurde ich im Auftrag der Genossin Millis, Mitarbeiterin der Abteilung Kultur des ZK der SED beauftragt, kurzfristig eine Aussprache mit der Schauspielerin Eva-Maria Hagen und dem Schauspieler ..... zu führen. Das Ziel der Aussprache sollte sein, beiden Personen vertragliche Angebote für ihre Tätigkeit an Theatern in der DDR zu vermitteln und sie in der Suche von weiteren Arbeitsmöglichkeiten zu unterstützen.
Aus diesem Grund schickte ich am 30.12.1976 an beide genannten Personen ein Telegramm, worin sie gebeten wurden, zu einer Aussprache im MfK betreffs ihrer weiteren Entwicklung zu erscheinen. Bei der Hagen wurde von mir als Aussprachetermin der 6.1.1977, 14.00 Uhr vorgeschlagen. Nachdem die Hagen diesen Termin telefonisch absagte, meldete sie sich am 5.1.1977 gegen 13.00 Uhr erneut telefonisch bei mir und teilte mit, daß sie bereit sei, am 6.1.1977, 14.00 Uhr im MfK zu erscheinen.
In Vorbereitung dieses Gespräches mit der Hagen konsultierte ich mich nochmals mit Genossen Rackwitz und mit Genossen Herbert Werner (persönlicher Referent des Ministers für Kultur). Durch Genossen Werner wurde mir nochmals bestätigt, daß der Eva-Maria Hagen wegen Verletzung der Statuten beim Fernsehen der DDR gekündigt wurde und daß durch sie betreffs der Kündigung eine Eingabe an Genossen Erich Honecker gesendet wurde. Auf diese Eingabe liegt bisher kein Bescheid vor, die Maßnahmen der staatlichen Leitung beim Fernsehen der DDR sind nach wie vor gültig und es gibt keine Hinweise, daß die Kündigung rückgängig gemacht wurde. Der Hagen wurden nur das Angebot unterbreitet, als Synchronsprecherin bei Notwendigkeit im Auftrag des Fernsehens der DDR zu arbeiten.
Vereinbarungsgemäß erschien die Eva-Maria Hagen am 6.1.1977 um 14.00 Uhr bei mir und ich führte mit ihr ein Gespräch von ca. einer halben Stunde. Die Eva-Maria Hagen erschien allein, ohne Begleitung ihres derzeitigen Partners, Matti Geschonneck (Sohn von Erwin G.), lebt jetzt bei Eva-Maria Hagen nach ...................., welcher mir durch Genossen Herbert Werner als evtl. Begleitperson angekündigt wurde.
Frau Hagen machte einen leidenden, deprimierten Eindruck und erklärte mir auf mein Befragen, daß sie nach den letzten Ereignissen an nervösen Herzstörungen leide, jetzt aber nach ihrem Urlaub im Osterzgebirge sich erholt habe und aus diesem Grund diesen Termin für die Aussprache wahrgenommen hat. Nach dieser Einleitung befragte ich sie zu ihren eigenen Vorstellungen in ihrer weiteren künstlerischen Entwicklung und erklärte mir, daß darauf aufbauend das Ziel der Aussprache sein, mit ihr weitere Schritte für ihre weitere berufliche Tätigkeit zu beraten.
Sie erklärte mir, daß sie zu ihrer beruflichen Perspektive in Fragen des Theaters keine konkreten Vorstellungen habe, ihr ging es jetzt vor allem darum, daß die ausgesprochene Kündigung beim Fernsehen der DDR, die ungerechtfertigt sei, zurückgenommen werde.
In diesem Zusammenhang erklärte sie mir, daß ihr bereits 1965, da sie damals mit Wolf Biermann zusammenlebte, beim Fernsehen der DDR gekündigt wurde und erst nach ihrer Eingabe an Genossen Walter Ulbricht dieser "voreilige Schritt" zurückgenommen wurde. In diesem Zusammenhang, erklärte sie mir, daß sie diese Maßnahme als "Sippenhaft" empfinde und dies auch in ihrem Brief vom 10.12.1976 an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, formuliert habe. Auf diesen Brief habe sie bisher noch keine Antwort erhalten. Ihr wurde allerdings von Genossen Engelhardt (Abteilungsleiter beim Fernsehen der DDR) telefonisch das Angebot unterbreitet, Synchronarbeiten für das Fernsehen der DDR durchzuführen. Da der Engelhardt sehr höflich und freundlich gewesen sei, vermutet sie, daß dies als erste Antwort auf ihren Brief an Erich Honecker zu sehen ist. Dieses Angebot habe sie aber sofort abgelehnt, da sie damit die Kündigung anerkennen würde. Nach ihrer Meinung könne man zwar so eine Tätigkeit ausüben, aber es sei nicht die eigentliche Tätigkeit und es sei nicht das, was sie erwarte. Aus diesem Grund hat sie auch eine Eingabe an die Konfliktkommission beim Fernsehen der DDR betreffs der ausgesprochenen Kündigung gegeben, die aber nach § 28 der Statuten des Fernsehens der DDR von der Konfliktkommission abgelehnt wurde. Deshalb wird sie sich jetzt betreffs der "ungerechtfertigten Maßnahmen" mit einer Eingabe an das Arbeitsgericht wenden.
Auf mein Befragen erklärte sie, daß sie mit dieser Maßnahme hofft, wieder beim Fernsehen der DDR eingestellt zu werden und aus diesem Grund hat sie nicht die Absicht, ihren Beruf zu wechseln und an einem Theater - wörtlich sagte sie, was weiß ich wo - ein festes Engagement aufzunehmen. Dies käme für sie nur in Frage, wenn man ihr Angebote für Berliner Theater geben würde. Da diese Theater aber mit Frauen in ihrem Alter überfüllt seien, sieht sie selbst ein, daß in Berlin kein Engagement zu erhalten sei.
Im weiteren Gespräch erzählte sie mir nochmals Beispiele von "gegen sie durchgeführte Repressalien" von staatlichen Organen und erklärte mir, daß alles genau wie 1965 wieder sei. So führte sie an, daß durch die KGD (Konzert- und Gastspieldirektion) Berlin ihre Liederabende unter fadenscheinigen Gründen verboten wurden, obwohl sie sich entsprechend der Verträge mit der KGD ihr Geld für die abgesagten Veranstaltungen abholen konnte. Weiterhin erklärte sie mir die unwürdige Behandlung durch den Intendanten des Kleist-Theaters Frankfurt/O., welcher 2 Minuten vor Auftritt, wo sie voll geschminkt war mitteilte, daß sie mit niemanden sprechen dürfe. Wie sie mir erklärte, begreift sie dessen Anliegen und findet es aber unmöglich, ihr sowas kurz vor einem Auftritt zu sagen und dann noch in dieser Form. Aber sie hätte das ja alles bereits 1965 mitgemacht. Sie erklärte mir weiter, daß sie aus dem Klub der Gewerkschaft Kunst förmlich herausgeschmissen worden sei und daß verschiedene Institutionen auf einmal ein Engagement mit ihr ablehnen würden.
Auf meine Frage, ob sie finanzielle Einbußen gehabt habe, erklärte sie mir, daß dies für sie überhaupt kein Problem sei, da sie, wie sie wörtlich sagte "genug Freunde haben würde, die sie schon unterstützen".
Im weiteren Gespräch gab sie mir von sich aus ihre Eingabe an Genossen Erich Honecker zum Lesen. In diesem Brief geht sie von ihrer Kündigung aus, macht Bezüge zu 1965, verwendet darin mehrmals das Wort "Sippenhaft" und stellt, wie auch an anderer Stelle, wo es um die Behandlung der Unterzeichner der sogen. Protestresolution geht, indirekte Bezüge zum Faschismus her. Mir ist weiter erinnerlich, daß sie in diesem Brief als rein persönliches Motiv vermerkt und am Schluß des Briefes betont, daß der Platz des "Kommunisten Biermann" in der DDR sei.
Sie betonte zu diesem Brief, daß es ihre eigene Haltung sei und sie deshalb auch so offen an Genossen Honecker geschrieben habe. Wie mir weiter erinnerlich ist, geht sie im Brief weiter auf die verschiedenen Arten der "Behandlung" der Unterzeichner ein, die "hinter verschlossenen Polstertüren der Kulturinstitute" bearbeitet, erst sanft, dann immer massiver werden. Nachdem ich ihr den Brief wieder zurückgegeben hatte, fragte sie mich, ob ich auch ihre Stellung zu den Maßnahmen und der "Behandlung der Unterzeichner" gelesen habe und erklärte mir, daß sie dies konkret von Angelika Domröse, Manfred Krug und anderen Personen vom Fernsehen der DDR kenne.
Im weiteren Gespräch brachte sie ihre Besorgnis über die Ausreise ihrer Tochter Nina Hagen in die BRD zum Ausdruck, wofür sie aber als Mutter volles Verständnis habe. Dies begründete sie damit, daß ihr Kind an ihrem Beispiel erlebt hat, wie sie immer an ihrer Arbeit gehindert worden ist und das ihrem Kind nie wünschen würde. Aus diesem Grund war sie auch mit dem Vorhaben des Verzuges ihrer "Nina" in die BRD einverstanden, zumal die Nina ja nicht zu Fremden gefahren sei, sondern zu ihrem Freund, Vater und verständnisvollem Partner ist. Sie selbst betonte aber im gleichen Zusammenhang, daß sie in der DDR bleiben wolle, ihr Aufenthalt hier zwar von dem "Berufsverbot" belastet sei, aber sie hofft auch, dies über die Bühne zu bekommen. Sie sprach im weiteren Gespräch davon, daß sie mich bittet, daß ihre Kündigung rückgängig gemacht wird und ich mich an entsprechenden Stellen dafür einsetzen soll. Ich erklärte ihr, daß dies nicht in mein Kompetenzbereich fällt, aber bereit sei, andere konkrete Wünsche, die im Bereich des Theaters liegen, zu prüfen. Daraufhin brachte sie den Wunsch zum Ausdruck, ob ihr nicht wieder ihre Liederabende genehmigt werden könnten und sie würde außerdem gern wieder im Theaterstück "Prof. Unrat" mit einem anderen Regisseur an einem beliebigen Theater spielen.
Meinen daraufhin vorgebrachten Vorschlag, daß sie eine Annonce für Engagements im Nachrichtenblatt beim Zentralen Bühnennachweis veröffentlichen zu lassen, lehnte sie ab, da sie ja genug Freunde hat. Sie wisse aber aus Erfahrungen, daß in der nächsten Zeit kein Intendant es wagen wird, sie, die Eva-Maria Hagen, zu verpflichten, da dieser mit Sanktionen rechnen müsse. Auch hierbei sprach sie wieder von einem "Berufsverbot". Ich erklärte ihr dazu, daß wir uns bei auftretenden Problemen im Theaterbereich für sie einsetzen werden und sie bitten würden, sich an uns zu wenden. Dieses Angebot nahm die Hagen an. Danach verabschiedete sie sich.
Das Gespräch mit der Eva-Maria Hagen möchte ich wie folgt einschätzen:
Das Gespräch mit ihr verlief ruhig. Die zum Anfang vorherrschende gedrückte und deprimierte Haltung der Hagen veränderte sich im Verlaufe des Gespräches dahin, daß sie, ohne daß ich Fragen stellen mußte, ihre Lebensgeschichte erzählte, wobei ich den Eindruck hatte, daß sie mich testen wollte, um festzustellen, ob ich als Partner zur Zurücknahme ihrer Kündigung beim Fernsehen der DDR geeignet erscheine. Sie war sachlich und setzte bei mir prinzipielle Meinungsverschiedenheiten zu ihrer Auffassung betreffs der Maßnahmen gegen Biermann und ihrer Unterschriftsleistung als gegeben voraus. Sie betonte mehrmals, daß sie ein wenig politischer Mensch sei, aber dankbar war, bei mir einen verständnisvollen Partner, der sie nicht so wie beim Fernsehen behandelt, gefunden zu haben.
Dieser Bericht ist wegen Quellengefährdung offiziell nicht auswertbar.
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Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin - Abteilung XVIII Über eine zuverlässige Quelle in der Sparkasse der Stadt Berlin wurde bekannt: Die Eva-Maria Hagen hat am 1. 3. 77 in der Zweigstelle Frankfurter Allee / Magdalenenstr. das gesamte auf dem Sparbuch 6692-65-602727 stehende Guthaben abgehoben. Davon wurden bar 65.000.- Mark ausgezahlt. 15.000 wurden auf das Girokonto 6692-47-61164 überwiesen. Gleichzeitig wurde die Verfügungsvollmacht für dieses Konto erweitert. Sie hat die Eintragung eines 2. Verfügungsberechtigten veranlaßt. Es handelt sich dabei um Matti Geschonneck - Fisse
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ANHÄNGE
Borkowski, Dieter "Meine großen Interviews" am 5. 10. 1995
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Diskussion: Aus unserem Fundus der Vortragsrezensionen:
Borkowski, Dieter "Meine großen Interviews" am 5. 10. 1995
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Roy Popiolek (Admin) Montag, den 25. Juni, 2001 - 13:06
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Vortrag von Dieter Borkowski
in der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus
"Meine großen Interviews" am 5. 10. 1995
Es war die wahrlich historische Flucht eines einstigen vermeintlichen Siegers der Geschichte. Verschlungene Wege hatten da einen gewissen Erich Honecker, gewesener Verweser der DDR (im Volksmund: Deutsche Dienststelle Rußlands) vom Gefängnis Rummelsburg aus über die Hoffnungstaler Anstalten Lobetal zum Militärhospital Beelitz bis zum Moskauer General-Mandryka-Prominenten-Krankenhaus Moskau und schließlich in die Moskauer chilenische Botschaft geführt. "Lieber Erich," schrieb ihm damals ein früherer Jugendfreund in einem Offenen Brief, "Es wird Zeit für Dich, nach Berlin zurückzukommen. Freiwillig! Warte nicht, bis Dich Reformer Jelzin und die neuen Demokraten im Kreml ausliefern. Du botest mir einst das freundschaftliche 'Du' an, ich vertraute Dir einige Jahre, bis ich merkte, daß Du keine Ideale hattest, sondern nur brutale Macht ausüben wolltest... Du schenktest mir das Buch "Straße zur Freiheit" mit der Widmung, die Du für mich hineinschriebst: 'Vorwärts immer, Rückwärts nimmer!' ... [Als ich nicht mehr mitmachte,] schicktest Du mich in die Stasi-Kellerzellen nach Hohenschönhausen, zwei Jahre Einzelhaft, später noch sieben Jahre Zuchthaus hinzu, ich saß in Brandenburg ein ... Als Dein Zuchthaus-Staat zusammenbrach..., bist Du nach Moskau getürmt ... Verteidige Dich hier, bevor man Dich aus der Luxusherberge holt, und Dich in der 'Grünen Minna' an Deutschland ausliefert ... Du, Erich, warst der Hauptverantwortliche. Zeige einen kleinen Rest an Anstand und Einsicht."
Der hier mit seinem ehemaligen Freund und Gönner abrechnete, heißt Dieter Borkowski.
Ihn zu lesen oder gar - wie eben zum Beispiel in der kleinen Bibliothek am Berliner Hausvogteiplatz - ihn zu hören, ist rhetorisch und inhaltlich ein Genuß. Sein unverwechselbarer Stil meistert nicht nur sehr lange Sätze (lange Nebensätze eingeschlossen) ohne Formulierungsschwierigkeiten. Jeder dieser Sätze ist vor allem ein Feuerwerk aus profundem zeitgeschichtlichem Detailwissen, gepaart mit präzisesten eigenen Erinnerungen an Personen, Ereignisse, Hintergründe aus sechzig Jahren deutscher Geschichte. Dies alles vorgetragen mit Ironie, Sarkasmus und parodistischer Begabung. Borkowskis hintergründiger Humor bringt es mit sich, daß seine Zuhörer immer wieder lachen können, obwohl das Thema eigentlich überhaupt nicht dazu geeignet ist. Borkowski selbst dürfte auch kaum Anlaß zu dieser eleganten, leichten Florettdistanz zum politischen Gegner haben, sollte man meinen.
Schon aufgrund seiner Lebenserfahrungen ("Schrecklich ist es, wenn die Senilen anfangen, von ihrer Jugend zu reden", lautete hier sein Einstieg): Geboren am 1.11.1928 in Berlin, nahm er als begeisterter Hitler-Junge und Flakhelfer 1945 noch teil an der Verteidigung Berlins. Mitbeteiligt an der Gründung der FDJ 1946, zählten neben Honecker vor allem die damaligen Jugendfunktionäre Hermann Axen und Paul Verner zu seinem engsten persönlichen Bekanntenkreis. Doch bereits während seines Germanistik- und Soziologie-Studiums (bei Alfred Kantorowicz und Ernst Niekisch) an der Ost-Berliner Humboldt-Universität ereilte ihn zum ersten Male das, was man im Parteijargon drastisch "ideologische Bauchschmerzen" nannte.
Auf dem Leipziger Karl-Marx-Platz erlebte er am 3O.5.1952, wie Honecker in einer Ansprache u.a. von der "faschistischen Adenauer-Clique" sprach. Von diesem Tage an datiert er seine ersten Zweifel an der SED-Ideologie, denn daß der Katholik Adenauer, der im Dritten Reich Repressalien ausgesetzt gewesen war, alles mögliche, aber doch wohl kein Faschist sein könne, dies war dem jungen FDJ- und SED-Funktionär Borkowski denn doch wohl zu offensichtlich.
Der auch organisatorische Bruch kam bereits im nächsten Jahr. Schon kurz nach dem 17.Juni 1953 aus der SED ausgeschlossen, kam Borkowski bald ins Visier der Stasi. "B. spielt den 'wilden Mann'", berichtete am 17.12.1958 der IM "Martin" alias Hermann Kant den Leutnants Dreier und Seiß von der HA V/6, "[er] redet unheimlich viel und schnell und hat zu allen etwas zu sagen ('große Fresse') erklärt immer, daß ihn Gen. W. Ulbricht aus der Partei herausgeworfen habe." Außerdem benutze er "ständig negative Bemerkungen wie 'VEB Terror', 'VEB Mielke', 'Spitzbart'" u.ä.
Seine Arbeit als Journalist und politischer Publizist in Ost-Berlin brachte ihn in den Besitz von Chruschtschows berühmter Geheimrede vor dem XX. KPdSU-Parteitag 1956, in welcher der sowjetische Parteichef mit Stalin abgerechnet hatte. Weil er diese Rede vervielfältigt und an zwanzig ihm bekannte Adressen in der DDR verschickt hatte, ver-haftete man ihn am 9.6.196O, verurteilte man ihn am 3.4.1961 zu zwei Jahren Zuchthaus "wegen fortgesetzter staatsfeindlicher Hetze". Bis zum 9.6.1962 war er im Stasi-Knast Berlin-Lichtenberg in Einzelhaft
Weil er anschließend fünf Jahre lang als anonymer DDR-Korrespondent für die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" unter Pseudonym gearbeitet hatte, verhaftete man ihn am 2.6.1971 erneut. Nach neun Monaten U-Haft in Lichtenberg erfolgte die Verurteilung zu sieben Jahren Zuchthaus wegen "Agententätigkeit für die kapitalistische Brandt-Scheel-Clique" und die Überführung nach Brandenburg. Seine Frau erhielt fünf Jahre und kam nach Hoheneck, weil sie ihren Gatten nicht denunziert und sich nach dessen Festnahme einer Scheidung widersetzt hatte. Die beiden Kinder Borkowskis "übernahm" eine Familie zur "Umerziehung".
Am 1.9.1972 erfolgte die vorzeitige Entlassung nach West-Berlin.
Wenn ein Mensch mit einem solchen Lebensschicksal über seine Gespräche und persönlichen Erfahrungen mit der SED-Nomenklatura spricht, so ist es jedesmal ein ebenso plastisches wie vergnügliches Porträt des Betreffenden, geeignet für ein "Who ist Who?" der Ex-DDR.
Eben zum Beispiel seine allererste von insgesamt vier Begegnungen mit Erich Mielke. Bereits im Dezember 1949 machte Borkowski mit ihm seine ersten Erfahrungen. Es war auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld, wo Ulbricht auf seinen Abflug nach Moskau wartete zu Stalins "7O."
Der junge Rundfunkreporter Borkowski war mit seinem Standmikrofon an Ulbricht zu nahe herangekommen. Sofort fuhr die geballte Faust eines gedrungenen Blauuniformierten Borkowski unter die Nase, mitten ins Gesicht. Der spätere Stasi-Minister, damals Leiter des persönlichen Sicherheitsstabes Ulbrichts, nahm seine Aufgaben damals schon sehr genau.
Oder sein Gespräch mit Horst Sindermann, damals (es war am 15.5.1955 in Weimar) Abteilungsleiter für Agitation im ZK der SED, ein, wie Borkowski sagt, "hochintelligenter Mann, mindestens drei- oder viermal intelligenter als der Dachdecker". Für Borkowski, der seit Sommer 1953 den sogenannten Neuen Kurs als Anzeichen einer echten Wende der SED-Politik mit einigen Hoffnungen verfolgt hatte, war auch diese Begegnung ein Beitrag zu seiner allmählichen und immer stärkeren Desillusionierung. Denn Sindermann tönte, der Neue Kurs sei jetzt überholt, manche Genossen hätten bereits in Fragen der Ideologie viel zu sehr nach-gegeben. "Kompromißlerisches Denken, das Aufgeben fester Positionen des Leninismus, das Hereinlassen bürgerlicher Ideen muß jetzt ein Ende haben!"
Oder das Interview mit Arno von Lenski am 4.5.196O im Ost-Berliner Klub des Kulturbundes in der Nuschkestraße, der früheren Jägerstraße, wo früher noch der preußische Herrenklub mit Herrenreiter Franz v. Papen als Präsident residierte. Der Ort der Begegnung schien symbolträchtig, denn NVA-Generalleutnant und NDPD-Volkskammerabgeordneter v. Lenski war unter Hitler nicht nur Generalleutnant und Kommandeur der 24. Panzerdivision vor Stalingrad gewesen, sondern auch ehrenamtlicher Richter am berüchtigtem Nazi-Volksgerichtshof.
Borkowski wagte es, ihn darauf anzusprechen: "Mir liegt noch an einem anderen Kapitel Ihres Lebens, Herr Generalmajor ... Von den zu Tode verurteilten Widerstandskämpfern, die der Volksgerichtshof aburteilte, kann keiner mehr reden, anklagen oder verzeihen. Wie stehen Sie dazu, bedrückt Sie..." Lenski antwortete: "Was erlauben Sie sich! Diese Dinge sind alle mit den zuständigen Stellen geklärt, darauf antworte ich nicht. Ich beende unser Gespräch und werde mich beschwerdeführend an den Presseverband wenden. Das ist eine Provokation! Für wen, für welche Redaktion fragen Sie eigentlich?"
Oder auch seine Begegnung mit Dr. Otto Fischl, einem der insgesamt elf 1952 im Prager Slansky-Prozeß zum Tode verurteilten KPC-Spitzenfunktionäre. Borkowski erinnert sich dabei an einen kleinen, dicken, sympathischen Mann, mit dem er in der Puschkinallee in Berlin-Treptow im Jahre 1948 (!) Mokka getrunken hatte.
Diese und viele weitere spannende Begegnungen und Dialoge hält der Zeitzeuge Borkowski bereit. Dabei waren es vor allem die "Kulturträger des Sozialismus", die Borkowski "aus der Grube herauffahren" ließ.
Er erzählte von Bertolt Brecht, Helene Weigel, Konrad Wolf, Kurt Maetzig, Johannes R. Becher, Willy Bredel, Ernst Busch bis hin zu solchen "Afterliteraten" wie Otto Gotsche. Oder von Markus Wolf und dessen damaliger Frau Christel Bodenstein.
Oder von Hans Oliva-Hagen, Autor des DEFA-Films "Gewissen in Aufruhr", Vater der Nina Hagen und Gatte der Eva-Maria Hagen, die wiederum nicht nur von Biermann, sondern auch von Ulrich Thein vernascht wurde. Nicht zu vergessen natürlich Karl-Eduard v. Schnitzler, der es bereits 1948 im Rundfunkhaus in der Berliner Masurenallee im 1. Stock hauptsächlich mit den jungen Cutterinnen hatte.
!!!!!!!!!!!!!!
- Einschub von Eva-Maria Hagen an Herrn Hans Brückl in der Gerstenbergkpromenade 12 06628 Bad Kösen -
Nein, Herr Hans Brückl, obwohl mir Ihr Artikel über Dieter Borkowski, den ich schon früh für seinen wachen Geist und frechfröhlichen Mut bewunderte (in den Abhörprotokollen der IM‘s in Stasi-Akten nachzulesen) sehr gut gefallen hat: Dieser Herr Karl-Eduard von-und-zu ..... jedenfalls gehörte nie zu Evas "Eroberern". Das mußte mal gesagt und auf die Reihe gebracht werden schon aus hygienischen Gründen. Nächstens genauer recherchieren!
Christel Bodenstein war übrigens die Ehefrau von dem DEFA-Film-Regisseur K o n r a d Wolf nicht von M a r k u s Wolf, dem Staatssicherheitsmann. Und Eva-Maria Hagen wurde weder von Ulrich Thein vernascht noch hat sie ihn vernascht. Sie haben sich zwar geliebt, die FANNY den MARIUS, denn er war ihr Partner in der TV-Triologie "Zum Goldenen Anker" und sie hatte sogar einen Sohn mit ihm. Auch schon in ihrem 1. Film "Spur in die Nacht" waren die zwei ein Paar.
Und der letztgenannte, Karl Eduard v. Sch. ist ein doch wohl schlechter Witz. Eine Frau wie EVA wäre nie auf so einen galligen Typ verfallen. Sie war begehrt und wurde verehrt in allen Schichten der sogenannten "klassenlosen" Gesellschaft. Warum sollte sie sich so einen Gift-und-Galle versprühenden Hetzredner antun. Schon bei dem Gedanken wird ihr übel. ...
(Ende Einschub EVA-MARIA HAGEN) -
Als "besonderes Bonbon" (und auch als angenehmen Kontrast zu den Berichten über Margot Honecker und Hilde Benjamin!) hatte Borkowski auch noch über seine Gespräche mit Elizabeth Proctor alias Simone Signoret zu erzählen. Er erlebte sie am 16.1O.1958 in Trebbin in der Mark Brandenburg während der Dreharbeiten zu dem deutsch-französischen Film "Die Hexen von Salem", in dem sie neben Yves Montand die Hauptrolle spielt. Das Drehbuch schrieb Jean Paul Sartre nach dem Theaterstück "Hexenjagd" von Arthur Miller. "Wissen Sie", sagte die berühmte französische Schauspielerin und Sympathisantin der KPF zu Borkowski, "ich meine, heute ist 'Salem' an vielen Orten der Welt, mit seiner Engstirnigkeit, seiner Intoleranz, auch seiner Inquisition, sogar da, wo wir es früher nicht vermuteten ... Gestern gab Ihr Parteichef Ulbricht einen großen Empfang für uns, die Franzosen. Als er auf den Sozialismus seinen Toast ausbrachte, antwortete ich ihm. 'Ein eigentümlicher Sozialismus, Herr Ulbricht, den Sie hier pflegen.'" Offenbar hatte sich Simone Signoret mit unbestechlichen Augen in der DDR umgesehen.
Wie Dieter Borkowski, für den alle Begegnungen "gesammelte Mosaiksteine des Lebens" waren, um sich von diesem System endgültig abzuwenden.
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